Beschluss vom 17.12.2003 -
BVerwG 4 AV 1.03ECLI:DE:BVerwG:2003:171203B4AV1.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.12.2003 - 4 AV 1.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:171203B4AV1.03.0]

Beschluss

BVerwG 4 AV 1.03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. L e m m e l und G a t z
beschlossen:

Dem Kläger wird für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. September 2003 und ein eventuell nachfolgendes Revisionsverfahren Rechtsanwalt ..., als Prozessbevollmächtigter beigeordnet.

Gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 78b Abs. 1 ZPO ist einer Partei, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, auf ihren Antrag ein Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger bedarf nach § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO anwaltlicher Vertretung. Seine Bemühungen, einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden, waren ausreichend und sind gescheitert. Der Senat hat keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die vom Kläger benannten Rechtsanwaltskanzleien ... & Kollegen in Leipzig... in Kiel, ... & Kollegen in München/Leipzig, ... in Machern/Grimma und ... in Leipzig die Übernahme des Mandats abgelehnt haben. Mutwillig oder aussichtslos erscheint die Rechtsverfolgung nicht. Dass sie hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist, anders als im Fall der Prozesskostenhilfe, nicht erforderlich (vgl. von Mettenheim in: Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 78b, Rn. 4).
Einer Anhörung des Beklagten und der Beigeladenen bedarf es nicht; denn durch die Entscheidung über eine Beiordnung werden Prozessgegner nicht unmittelbar in ihrer Rechtsstellung berührt (Musielak/Weth, ZPO, 3. Aufl., § 78b, Rn. 8).
Aus Gründen der Verfahrensökonomie spricht der Beschluss nicht nur die Beiordnung eines Rechtsanwalts aus, sondern enthält bereits die Festlegung auf Rechtsanwalt ... als Prozessbevollmächtigten des Klägers. Die letztere Entscheidung, die nach § 78c Abs. 1 ZPO vom Vorsitzenden des Prozessgerichts zu treffen ist, gilt als nur von diesem gefällt (vgl. Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/
Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 78b, Rn. 6).

Beschluss vom 29.01.2004 -
BVerwG 4 B 100.03ECLI:DE:BVerwG:2004:290104B4B100.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.01.2004 - 4 B 100.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:290104B4B100.03.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 100.03

  • Sächsisches OVG - 16.09.2003 - AZ: OVG 1 B 226/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. L e m m e l und G a t z
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Insoweit ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. September 2003 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 75 000 € festgesetzt.

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet, weil die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Berufungsurteil aus den nachstehenden Gründen erfolglos bleibt und die beabsichtigte Rechtsverfolgung daher keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 114 ZPO).
2. Die auf § 132 Abs. 1 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde ist zulässig - dem Kläger ist wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren -, aber unbegründet. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache oder wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen ist.
a) Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde zumisst.
aa) Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, welche Anforderungen der Bestimmtheitsgrundsatz an übergeleitetes Recht der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik stellt und ob die Festsetzung eines Landschaftsschutzgebietes im kartografischen Maßstab von 1:400 000 dessen Teilnichtigkeit oder dessen Gesamtnichtigkeit zur Folge hat. Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
Die Frage nach den Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz, anhand derer die Beschwerde die Reichweite des bundesrechtlichen Rechtsstaatsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG) geklärt wissen will, führt mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision. Es kann offen bleiben, ob bei der Prüfung der Vereinbarkeit übergeleiteten Rechts der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik mit Art. 20 Abs. 3 GG dieselben oder großzügigere Maßstäbe anzulegen sind als bei der Kontrolle von Vorschriften eines bundesdeutschen Normgebers; denn die Landschaftsschutzverordnung Parthenaue-Machern, an der die Grundsatzfrage festgemacht ist und die auf Beschlüsse staatlicher Organe der DDR zurückgeht, kann allenfalls insoweit unbestimmt sein, als die Grenzen des Schutzgebietes nicht eindeutig feststehen. Die Grundstücke, auf denen der Kläger die umstrittenen Windkraftanlagen errichten will, werden indes von dem räumlichen Umgriff der Landschaftsschutzverordnung erfasst, der unter Bestimmtheitsgesichtspunkten zu keinen Zweifeln Anlass gibt. Dies hat das Berufungsgericht - für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO) - festgestellt.
Die Frage, ob eine Landschaftsschutzverordnung, welche die räumlichen Grenzen ihres Geltungsbereichs nicht klar umreißt, partiell oder insgesamt nichtig ist, rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie nicht dem revisiblen Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) zuzuordnen ist. Sie ist auf die Vorschriften zum Schutz des Landschaftsschutzgebietes Parthenaue-Machern zugeschnitten, die nach dem Beitritt Landesrecht geworden sind. Dieses ist gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 560 ZPO irrevisibel. Im Übrigen lässt sich auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage antworten, ohne dass es der Durchführung des angestrebten Revisionsverfahrens bedarf. Ist der Grenzverlauf eines Landschaftsschutzgebietes nicht eindeutig bestimmt, so ist die Landschaftsschutzverordnung für den Bereich nichtig, für den fraglich ist, ob er vom räumlichen Geltungsbereich noch erfasst wird. Lässt sich dieser Teil tatsächlich abtrennen und ist die Verordnung auch rechtlich in dem Sinne teilbar, dass sie ohne den mit dem Rechtsmangel behafteten Teil eine selbständige und rechtmäßige Schutzgebietsausweisung zum Inhalt hat, so zieht die Teilnichtigkeit nicht zwangsläufig die Gesamtnichtigkeit der Verordnung für den räumlichen Bereich nach sich, den sie zweifelsfrei umfasst. Eine bloße Teilnichtigkeit kommt in Betracht, wenn die übrige Schutzgebietsausweisung mit dem nichtigen Teil in keinem untrennbaren Regelungszusammenhang steht und auch für sich betrachtet noch einen sinnvollen Beitrag zum Landschaftsschutz leisten kann (vgl. zu der parallel gelagerten Problematik im Bereich des Rechts der Bauleitplanung: BVerwG, Beschluss vom 4. Januar 1994 - BVerwG 4 NB 30.93 - BRS 56 Nr. 33). Mehr ist verallgemeinernd nicht zu sagen. Ob eine Landschaftsschutzverordnung, die ihren Geltungsbereich nicht exakt beschreibt, hiernach teilweise oder insgesamt nichtig ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls.
bb) Ferner nötigt die Frage, ob bei der Subsumtion unter den unbestimmten Rechtsbegriff der entgegenstehenden öffentlichen Belange in § 35 Abs. 1 BauGB lediglich die privaten Belange des Bauwilligen oder auch die in § 2 Abs. 1 Nr. 6 und 12, Abs. 2 BNatSchG genannten Belange zugunsten des Vorhabens zu berücksichtigen sind, nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision. Die Beschwerde möchte sinngemäß geklärt wissen, ob die Entscheidung des Bundesnaturschutzgesetzes für die Bevorzugung erneuerbarer Energien bei der baurechtlichen Beurteilung der Zulässigkeit von Windkraftanlagen im Außenbereich eine Rolle spielt. Diese Frage ist ohne weiteres zu bejahen. Das Ziel des Bundesnaturschutzgesetzes, den Ausbau der Windenergienutzung aus klimaschutz-, energie- und umweltpolitischen Gründen zu fördern und den Anteil regenerativer Energien an der Energieversorgung zu steigern, spiegelt sich in der Privilegierung von Windenergieanlagen in § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB wider. Die Privilegierung verleiht dem privaten Interesse an der Errichtung solcher Anlagen ein gesteigertes Durchsetzungsvermögen und verpflichtet die Baugenehmigungsbehörde, dieses Interesse mit dem erheblichen Gewicht in ihre Entscheidung einzustellen, das ihm nach der gesetzgeberischen Wertung gebührt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 - BVerwGE 117, 287 <292>). Einen absoluten Vorrang vor entgegenstehenden öffentlichen Belangen genießt die Windenergie allerdings nicht.
cc) Schließlich ist die Revision nicht wegen der Frage zuzulassen, ob der gesetzliche Ausschlussgrund des § 173 VwGO (richtig: § 54 Abs. 1 VwGO) in Verbindung mit § 41 Nr. 6 ZPO vorliegt, wenn ein Richter an einer Entscheidung beteiligt ist, der in einer früheren Instanz an einem Beweisbeschluss mitgewirkt hat. Die Frage lässt sich anhand des Gesetzes und der dazu ergangenen Rechtsprechung eindeutig verneinen.
Nach § 41 Nr. 6 ZPO, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über § 54 Abs. 1 VwGO entsprechend anwendbar ist, ist ein Richter, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes in Sachen ausgeschlossen, in denen er in einem früheren Rechtszuge bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Im Falle der zugelassenen Berufung ist die angefochtene Entscheidung das vorinstanzliche Urteil oder der vorinstanzliche Gerichtsbescheid. An deren Erlass hat der Berufungsrichter mitgewirkt, wenn er an der Entscheidungsfindung beteiligt war (RG, Urteil vom 26. Mai 1922 - III 85/22 - RGZ 105, 17). Ein Beweisbeschluss ist nicht Bestandteil der erlassenen Entscheidung, sondern dient deren Vorbereitung. Dass die Mitwirkung an einer Beweisaufnahme in unterer Instanz nicht zum Ausschluss des Berufungsrichters führt (so BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 1988 - 2 BvR 602, 974/83 - BVerfGE 78, 331 <338>; RG, Urteil vom 26. Mai 1922, a.a.O.; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 41, Rn. 15; Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 41, Rn. 12; Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 41, Rn. 16), legt mithin bereits der Wortlaut des § 41 Nr. 6 ZPO nahe und ergibt sich auch aus dem Normzweck. Der innere Grund der Vorschrift ist der, dass von keinem Richter erwartet werden kann, er werde mit voller Unbefangenheit die Richtigkeit der von ihm erlassenen oder miterlassenen Entscheidung nachprüfen (RG, Urteil vom 19. Juni 1935 - I 346/34 - RGZ 148, 199 <200>). An der Konfrontation mit einer früher getroffenen und nunmehr im Rechtsmittelverfahren auf den Prüfstand gestellten Entscheidung fehlt es indessen, wenn ein Berufungsrichter in der unteren Instanz nur einen Beweisbeschluss mitgetragen hat. Die Meinung, die er sich bei der Unterzeichnung des Beschlusses gebildet hat, ist vorläufiger Natur und manifestiert sich in der die Instanz abschließenden Entscheidung nicht. Deren Überprüfung in einem nachgeschalteten Rechtszug ist keine Überprüfung einer eigenen Entscheidung, deren Verbot § 41 Nr. 6 ZPO zu dienen bestimmt ist, sondern die Kontrolle einer fremden Entscheidung.
b) Die angefochtene Entscheidung leidet nicht an den behaupteten Verfahrensfehlern.
Zu Unrecht beanstandet die Beschwerde, dass das Berufungsgericht seine Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts verletzt habe. Der Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO gilt nur für die Ermittlung und Bewertung von Tatsachen einschließlich der Ergebnisse der vom Gericht erhobenen Beweise in tatsächlicher Hinsicht. Soweit die Beschwerde die Vorschrift zum Anknüpfungspunkt nimmt, um dem Berufungsgericht eine inhaltlich unzureichende Prüfung der Landschaftsschutzverordnung Parthenaue-Machern und eine fehlerhafte Auslegung des § 35 Abs. 1 BauGB vorzuwerfen, liegt ihr Vorbringen daher von vornherein neben der Sache. Den Anwendungsbereich des § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO trifft die Beschwerde lediglich mit ihrer Kritik, das Berufungsgericht habe nicht ermittelt, ob sämtliche Erben des Flurstücks Nr. 390 mit einer Erstreckung der Abstandsfläche auf das Flurstück einverstanden seien, um dem Kläger die Errichtung der Windkraftanlage 3.1 bauordnungsrechtlich zu ermöglichen. Der Senat kann offen lassen, ob die Aufklärungsrüge den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328); denn ein Erfolg der Rüge würde sich auf das Berufungsurteil im Ergebnis nicht auswirken. Das Berufungsgericht hat die Windkraftanlage 3.1 sowohl aus bauordnungs- als auch aus bauplanungsrechtlichen Gründen für nicht genehmigungsfähig erachtet. Ist eine Berufungsentscheidung auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4). Ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. Da es hinsichtlich der zweiten Begründung - bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens 3.1 - an einem Grund für die Zulassung der Revision fehlt, kommt es nicht darauf an, ob sich das Berufungsgericht bei der Beurteilung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Projekts über § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO hinweggesetzt oder - wie die Beschwerde zusätzlich moniert - den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO missachtet hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 Abs. 1 GKG, § 166 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO, soweit sie sich auf das Verfahren der Prozesskostenhilfe bezieht, und im Übrigen auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertentscheidung folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.