Beschluss vom 29.01.2013 -
BVerwG 1 WB 30.12ECLI:DE:BVerwG:2013:290113B1WB30.12.0

Leitsatz:

Eine pauschale Herabsetzung der Bewertungen sämtlicher zehn Einzelmerkmale in der dienstlichen Beurteilung eines Soldaten durch den weiteren höheren Vorgesetzten ist mit dem in § 2 Abs. 1, Abs. 2 SLV vorgegebenen und in Nr. 404 und Nr. 609 ZDv 20/6 ausgeformten Gebot der individuellen Leistungsbewertung nicht vereinbar.

  • Rechtsquellen
    SLV § 2
    Bestimmungen über die Beurteilungen
    der Soldatinnen und Soldaten
    der Bundeswehr (ZDv 20/6) vom 17. Januar 2007

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.01.2013 - 1 WB 30.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:290113B1WB30.12.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 30.12

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Wilcke und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Junker
am 29. Januar 2013 beschlossen:

  1. Die Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten vom 30. August 2011 zu der planmäßigen dienstlichen Beurteilung des Antragstellers vom 21. Juni 2011 und der Beschwerdebescheid des Amtschefs des Personalamts der Bundeswehr vom 31. Januar 2012 werden aufgehoben.
  2. Für den Fall einer Neufassung der Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten zu der planmäßigen dienstlichen Beurteilung des Antragstellers vom 21. Juni 2011 wird der Bundesminister der Verteidigung verpflichtet zu veranlassen, dass diese Neufassung der Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erstellt wird.
  3. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten zu seiner planmäßigen dienstlichen Beurteilung.

2 Der 1975 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. Januar 2036. Er wurde am 5. November 2008 zum Oberstleutnant ernannt. Seit dem 19. August 2009 wird er auf einem nach Besoldungsgruppe A14/A13 bewerteten Dienstposten Rechtsberater/Stabsoffizier im Dezernat ... im Personalamt der Bundeswehr in K. verwendet.

3 Der Antragsteller wurde zum Vorlagetermin 30. September 2011 planmäßig beurteilt. In der dienstlichen Beurteilung vom 21. Juni 2011 bewertete der beurteilende Vorgesetzte, der Dezernatsleiter ...Recht, die Aufgabenerfüllung des Antragstellers auf dem Dienstposten mit einem Durchschnittswert von „8,00“; im Einzelnen vergab er dreimal die Wertung „9“, viermal die Wertung „8“ und dreimal die Wertung „7“. Im Abschnitt 3.3 bescheinigte er dem Antragsteller „durchweg ausgezeichnete Leistungen“. Im Abschnitt 4 „Persönlichkeitsprofil“ führte er unter anderem aus, dass der Antragsteller ohne Zweifel der Spitzengruppe der vergleichbaren Stabsoffiziere im Bereich der Personalbearbeitung angehöre, weit über dem Durchschnitt liegende Leistungen zeige und über ein längst noch nicht ausgeschöpftes Potenzial verfüge, das eindeutig deutlich oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive liege. Er empfahl den Antragsteller auf weitere Sicht für Verwendungen in der Ebene der Besoldungsgruppe A16/B3. Der Abteilungsleiter ... bestätigte als nächsthöherer Vorgesetzter in seiner Stellungnahme vom 16. August 2011 den Durchschnittswert von „8,00“ und schloss sich der Beurteilung des Dezernatsleiters ... an. Er bescheinigte dem Antragsteller eine Entwicklungsprognose deutlich oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive.

4 In seiner Eigenschaft als weiterer höherer Vorgesetzter gab der Stellvertreter des Amtschefs, Chef des Stabes und Leiter Personalführung des Personalamts der Bundeswehr unter dem 30. August 2011 folgende Stellungnahme ab:
„Die Entwicklungsprognose durch den Abteilungsleiter ... wird durch mich bestätigt.
Mit der inhaltlichen Beschreibung zur Aufgabenerfüllung, dem Persönlichkeitsprofil und den Verwendungshinweisen bin ich grundsätzlich einverstanden. Gleichwohl fällt die Bewertung der Einzelmerkmale im Eignungs- und Leistungsvergleich zu wohlwollend aus. Die Maßstabsfindung des beurteilenden als auch des Stellung nehmenden Vorgesetzten ist in diesem Falle in der ganzheitlich vergleichenden Betrachtung nicht sachgerecht. Aufgrund von Arbeitsergebnissen, eigener Erkenntnisse und im Sinne der Einhaltung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabes setze ich daher die Wertungen der Einzelmerkmale (3.1.1 - 3.1 .10) um je eine Notenstufe herab.
Unabhängig von den notwendigen Änderungen trage ich die Entwicklungsprognose mit. Auch die Kommandeureignung wird durch mich bestätigt. Die schlüssigen Hinweise des Stellung nehmenden Vorgesetzten unter 8.4 sollten dabei angemessen Berücksichtigung finden.
Änderung von Wertungen:
3.1 Einzelmerkmale von 8.00 nach 7.00 
3.1.1 Zielerreichung von 8 nach 7
3.1.10 Führungsverhalten von 9 nach 8
3.1.2 Eigenständigkeit von 8 nach 7
3.1.3 Belastbarkeit von 8 nach 7
3.1.4 Fachkenntnisse u. praktisches Können von 9 nach 8
3.1.5 Planung und Organisation von 7 nach 6
3.1.6 Informations-/Kommunikationsverhalten von 8 nach 7
3.1.7 Zusammenarbeit von 9 nach 8
3.1.8 Wirtschaftliches Verhalten von 7 nach 6
3.1.9 Ausbildung von 7 nach 6“

5 Gegen diese ihm am 23. September 2011 eröffnete Stellungnahme legte der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 19. Oktober 2011 Beschwerde ein. Er beanstandete, dass die Stellungnahme gegen die Beurteilungsgrundsätze in Nr. 401 bis Nr. 409 ZDv 20/6 verstoße. Der weitere höhere Vorgesetzte habe bei der Durchsetzung des Beurteilungsmaßstabs den Individualcharakter soldatischer Beurteilungen nicht hinreichend berücksichtigt. Offensichtlich habe er die Beurteilung allein zur Einhaltung der Richtwerte herabgesetzt, dabei aber außer acht gelassen, dass die Einhaltung der Richtwerte nicht erzwungen werden könne. Darüber hinaus sei die gebildete Vergleichsgruppe nicht hinreichend groß und nicht hinreichend homogen gewesen. Auf der Ebene des Stellung nehmenden nächsthöheren Vorgesetzten seien sechs Stabsoffiziere der Besoldungsgruppe A13/A14 zu beurteilen gewesen. Diese Zahl sei weit von der durch das Bundesverwaltungsgericht geforderten Mindestgröße von 20 Personen entfernt. Zudem sei in der Vergleichsgruppe neben mehreren Dezernenten auch ein Offizier betrachtet worden, der Dezernatsleiter des Dezernates 2 der Abteilung Zentrale Aufgaben Personalführung sei. Schließlich stelle er in Abrede, dass der weitere höhere Vorgesetzte hinreichende persönliche Kenntnis von ihm als dem zu Beurteilenden habe.

6 Unter Bezugnahme auf einen entsprechenden Aktenvermerk des Antragstellers erklärte dessen Bevollmächtigte ergänzend, dass der weitere höhere Vorgesetzte während der Eröffnung der Stellungnahme am 25. August 2011 unter anderem folgendes geäußert habe: An der Note selber (8,0) habe er nicht das Geringste auszusetzen. Es sei ihm auch sehr wichtig, dass die Herabsetzung nicht als Tadel oder Schlechtbewertung der Leistung des Antragstellers verstanden werde. Er sei mehr als zufrieden mit dem Antragsteller und habe an seiner Leistung nicht das Geringste auszusetzen. Die Leistungen des Antragstellers seien zu seiner vollsten Zufriedenheit, und er bedauere es sehr, ihn heruntersetzen zu müssen. Aber er sei nun mal durch die ZDv 20/6 gebunden und werde dies auch konsequent so für seinen Bereich durchsetzen. Mit der 7,0 sei der Antragsteller immer noch in der Spitzengruppe; dies könne ihm nicht nachteilig ausgelegt werden.

7 In seiner im Beschwerdeverfahren abgegebenen Äußerung vom 26. Oktober 2011 legte der weitere höhere Vorgesetzte dar, er habe im Erörterungsgespräch mit dem Antragsteller unter anderem deutlich gemacht, dass mit seiner Stellungnahme keine Geringschätzung seiner Leistung verbunden sei, dass die Beurteilung auch nach den Änderungen noch herausragend sei und der Antragsteller nach den Änderungen noch weit oberhalb der Normalleistung beurteilt werde. Es sei seine Pflicht, die Anwendung eines sachgerechten Beurteilungsmaßstabes in seinem Verantwortungsbereich zu überwachen. In Auswertung der Beurteilung des Antragstellers und seiner eigenen Erkenntnisse sei er zu der Einschätzung gelangt, dass der beurteilende und der Stellung nehmende Vorgesetzte einen zu wohlwollenden Maßstab angelegt hätten. Vor diesem Hintergrund und in Verantwortung gegenüber den anderen beurteilten Offizieren der Vergleichsgruppe habe er sich verpflichtet gesehen, die Beurteilung des Antragstellers zu ändern und damit dessen sachgerechte Einordnung im Leistungsvergleich sicherzustellen.

8 Die Beschwerde des Antragstellers wies der Amtschef des Personalamts der Bundeswehr mit Beschwerdebescheid vom 31. Januar 2012 zurück. Er führte aus, dass der weitere höhere Vorgesetzte den Abteilungsleitern für die zum 30. September 2011 anstehende Beurteilungsrunde der Stabsoffiziere Hilfen zur Maßstabsfindung an die Hand gegeben habe, um der ZDv 20/6 in der Gesamtheit und im Hinblick auf die Anwendung eines einheitlichen Maßstabes Rechnung zu tragen. Dieses Vorgehen entspreche den Vorgaben in Nr. 509 Buchst. a ZDv 20/6. Hinsichtlich der gerügten Vergleichsgruppenbildung sei die Beschwerde unzulässig, weil die Vergleichsgruppe auf der Ebene des beurteilenden Vorgesetzten maßgeblich sei. Dessen Beurteilung sei unter dem 21. Juni 2011 abgeschlossen worden, so dass die Beschwerde hinsichtlich der Bildung der Vergleichsgruppe verfristet sei. Selbst wenn die Frage der Vergleichsgruppenbildung für die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten relevant sein sollte, sei dessen Änderungsentscheidung nicht zu beanstanden, weil der Stellvertreter des Amtschefs als weiterer höherer Vorgesetzter darauf zu achten habe, dass die Beurteilungen in geeigneter Weise dem Sinn der Richtwerte entsprechend erstellt würden (Nr. 610 Buchst. c ZDv 20/6). Der Durchschnitt der Leistungsbewertung des Antragstellers habe mit 8,00 weit oberhalb eines an Nr. 610 ZDv 20/6 orientierten realistischen Wertes gelegen. Der Beurteilungsmaßstab des beurteilenden und des Stellung nehmenden Vorgesetzten sei in der vergleichenden Betrachtung im Verantwortungsbereich des weiteren höheren Vorgesetzten deutlich zu wohlwollend angesetzt und deshalb zu korrigieren gewesen. Der Erstbeurteiler und der Stellung nehmende nächsthöhere Vorgesetzte hätten mit den vergebenen Leistungswerten beim Antragsteller einen falschen Eindruck und eine Erwartungshaltung hervorgerufen. Dies sei geschehen, obwohl ihnen bewusst gewesen sei, dass innerhalb der gesamten Vergleichsgruppe nur sechs Offiziere zu beurteilen gewesen seien und somit solide Vergleichsmöglichkeiten, bezogen auf die Grundgesamtheit aller zu beurteilenden Offiziere, gefehlt hätten. Die in der angefochtenen Stellungnahme festgesetzten Einzelmerkmalwerte seien immer noch weit überdurchschnittlich.

9 Gegen diesen ihm am 2. Februar 2012 eröffneten Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 4. Februar 2012 weitere Beschwerde ein, mit der er sein Beschwerdevorbringen vertiefte.

10 Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 17. März 2012 hat der Antragsteller beim Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis im Wege des Untätigkeitsantrages die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Diesen am 21. März 2012 bei ihm eingegangen Antrag hat der Inspekteur der Streitkräftebasis mit Schreiben vom 14. Mai 2012 dem Senat übersandt; mit Schriftsatz vom 28. Juni 2012 hat er zu dem Antrag Stellung genommen.

11 Zur Begründung seines Antrages hat der Antragsteller sein Beschwerdevorbringen wiederholt und weiter ausgeführt.

12 Der Antragsteller beantragt,
die Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten vom 30. August 2011 aufzuheben
und
für den Fall einer Neufassung der Stellungnahme des weiteren höheren beurteilenden Vorgesetzten vom 30. August 2011 bezüglich der planmäßigen Beurteilung des Antragstellers zum Vorlagetermin 30. September 2011 den Stellvertreter des Generalinspekteurs und Inspekteur der Streitkräftebasis zu verpflichten zu veranlassen, dass die Neufassung der Stellungnahme des weiteren höheren beurteilenden Vorgesetzten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erfolgt.

13 Der Inspekteur der Streitkräftebasis beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

14 Er führt aus, er sei - ungeachtet der Regelungen im „Dresdner Erlass“ des Bundesministers der Verteidigung vom 21. März 2012 und der Ausgliederung des Personalamts der Bundeswehr zum 1. April 2012 aus der Streitkräftebasis - weiterhin unmittelbarer Vorgesetzter des Amtschefs des Personalamts der Bundeswehr und somit zur Entscheidung über die Abhilfe des Beschwerdebegehrens und zur Vorlage des Verfahrens an den Senat berufen. In der Sache lasse die angefochtene Stellungnahme keine Rechtsfehler erkennen. Die Bildung der für den Antragsteller maßgeblichen Vergleichsgruppe sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vergleichsgruppe im Personalamt, die der Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2011 zugrunde gelegen habe, habe auf der Ebene des Abteilungsleiters ... sechs Soldaten umfasst, davon drei Stabsoffiziere Recht (A13/A14) und drei Personalstabsoffiziere Streitkräfte (A13/A14). Keiner der betroffenen Offiziere habe sich in Leitungsfunktion befunden oder im Beurteilungszeitraum Führungsverantwortung wahrgenommen. Damit sei dem Homogenitätsgebot hinreichend Rechnung getragen. Nach Nr. 610 Buchst. c ZDv 20/6 hätten die beurteilenden Vorgesetzten ihren Beurteilungsmaßstab an den Richtwerten auszurichten. Wenn - wie hier - die Vergleichsgruppe weniger als 20 Personen umfasse, könne die Einhaltung der Richtwerte nicht erwartet werden; es sei aber dem Sinn der Richtwerte entsprechend in den Beurteilungen zu differenzieren. Daher sei die Herabsetzung von Einzelmerkmalen durch den weiteren höheren Vorgesetzten grundsätzlich zulässig. Dieser habe - unter Einhaltung der Grenzen seines Beurteilungsspielraums - im Rahmen seines Ermessens die nachvollziehbare Bewertung ausgesprochen, dass der Abteilungsleiter ... einen nicht sachgerechten Beurteilungsmaßstab angelegt und die Einzelmerkmale beim Antragsteller insgesamt zu gut bewertet habe.

15 Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 hat der Inspekteur der Streitkräftebasis ergänzend vorgetragen, in der Vergleichsgruppe der sechs Stabsoffiziere (A13/A14) sei ein Offizier gewesen, der als Dezernatsleiter eingesetzt sei.

16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Inspekteurs der Streitkräftebasis - ... - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

17 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

18 Dabei hat der Senat das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers sachgerecht so ausgelegt, dass der Aufhebungsantrag nicht nur auf die Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten vom 30. August 2011, sondern auch auf den Beschwerdebescheid des Amtschefs des Personalamts der Bundeswehr vom 31. Januar 2012 bezogen ist.

19 1. Das Bundesverwaltungsgericht ist (weiterhin) für die Entscheidung des Verfahrens des Antragstellers sachlich zuständig.

20 Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 17. März 2012 gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 2 und § 22 WBO zulässigerweise im Wege des Untätigkeitsantrages beim Inspekteur der Streitkräftebasis die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt, weil dieser als damals zuständige Beschwerdestelle über die bei ihm am 13. Februar 2012 eingegangene weitere Beschwerde des Antragstellers vom 4. Februar 2012 nicht innerhalb eines Monats entschieden hatte. Mit dem Eingang des Untätigkeitsantrags am 21. März 2012 beim Inspekteur der Streitkräftebasis war die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für die gerichtliche Entscheidung eröffnet.

21 Der auf das Ausbleiben einer Entscheidung über die weitere Beschwerde gestützte Antrag nach § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO stellt einen Antrag in der Sache dar, der unmittelbar die Zuständigkeit des Wehrdienstgerichts - hier des Bundesverwaltungsgerichts - für die Sachentscheidung begründet (stRspr, grundlegend: Beschluss vom 20. Juni 1978 - BVerwG 1 WB 10.77 - NZWehrr 1978, 214 <216>; ebenso auch: Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 17 Rn. 48 m.w.N.). Mit jedem Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird ein gerichtliches Verfahren in Gang gesetzt. Dieser Antrag unterliegt der Disposition durch den gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4 Satz 4 WBO, ggf. in Verbindung mit § 22 WBO, zur Vorlage verpflichteten Bundesminister der Verteidigung bzw. Inspekteur nur in materieller, jedoch nicht in prozessualer Hinsicht. Die vorlageverpflichtete Stelle kann dem Antrag nur ganz oder teilweise abhelfen. Sie kann ihn aber nicht so behandeln, als sei nicht das Wehrdienstgericht - hier das Bundesverwaltungsgericht -, sondern sie selbst um eine Entscheidung ersucht worden (Beschluss vom 14. Juni 2006 - BVerwG 1 WB 60.05 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 60 Rn. 13). Die in § 17 Abs. 4 Satz 4 WBO geregelte Pflicht zur unverzüglichen Vorlage des Antrags auf gerichtliche Entscheidung beim Wehrdienstgericht trifft die zur Vorlage verpflichtete Stelle gerade deshalb, weil bereits mit der Einlegung dieses Antrags die Zuständigkeit des Wehrdienstgerichts begründet wird.

22 Mit Rücksicht auf das diesbezügliche Vorbringen des Inspekteurs der Streitkräftebasis weist der Senat darauf hin, dass die Erlasse des Bundesministers der Verteidigung vom 21. März 2012 („Dresdner Erlass“) und vom 27. Juli 2012 über die „Disziplinare Unterstellung der in Dienststellen der Wehrverwaltung verwendeten Soldatinnen und Soldaten“ diese gesetzlichen Regelungen über die Zuständigkeit des Wehrdienstgerichts und die Vorlagepflichten nicht revidieren können. Sie waren im Übrigen im Zeitpunkt des Eingangs des Untätigkeitsantrags am 21. März 2012 noch nicht in Kraft getreten.

23 An der danach für den Antrag des Antragstellers bestehenden Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts hat sich durch die am 26. Juli 2012 in Kraft getretene Neufassung des § 22 WBO durch Art. 12 des „Gesetzes zur Begleitung der Reform der Bundeswehr (Bundeswehrreform-Begleitgesetz)“ vom 21. Juli 2012 (BGBl I S. 1583 <1594>) nichts geändert (vgl. - auch zum Folgenden - Beschluss vom 18. Dezember 2012 - BVerwG 1 WB 64.11 - Rn. 25).

24 Nach § 22 WBO n.F. gilt das privilegium fori nicht mehr für die Inspekteure der Teilstreitkräfte und der Organisationsbereiche, sondern nur noch für den Generalinspekteur der Bundeswehr. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum prozessrechtlichen Grundsatz der Rechtsmittelsicherheit ist aber zu berücksichtigen, dass eine prozessrechtliche Einschränkung der Statthaftigkeit von Rechtsmitteln oder die Verschärfung ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen grundsätzlich nicht solche Rechtsmittel unzulässig werden lässt, die noch nach altem Rechtszustand zulässig eingelegt wurden. Anderes gilt nur, wenn dies durch eine hinreichend deutliche gesetzliche Übergangsregelung angeordnet wird. Der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, erfährt damit für anhängige Rechtsmittelverfahren eine einschränkende Konkretisierung; beim Fehlen abweichender Bestimmungen führt eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln nicht zum Fortfall der Statthaftigkeit eines bereits eingelegten Rechtsmittels (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631, 1728/90 - BVerfGE 87, 48 <64>; vgl. ferner z.B. BVerwG, Urteil vom 24. März 2010 - BVerwG 4 CN 3.09 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 178 Rn. 16). Das Bundeswehrreform-Begleitgesetz enthält für Art. 12 keine Übergangsvorschrift und auch im Übrigen keine Bestimmung, mit der es für bereits eingelegte Anträge auf gerichtliche Entscheidung eine anders lautende Regelung oder abweichende Vorschriften für eine bereits entstandene Vorlagepflicht festlegt.

25 Im Ergebnis in Übereinstimmung mit dieser Rechtslage hat der Inspekteur der Streitkräftebasis zur Frage seiner Vorlagepflicht und seiner Abhilfebefugnis mit Schriftsatz vom 28. Juni 2012 erklärt, dass diese nach wie vor bestünden.

26 2. a) Der Antrag ist, soweit er sich auf die Aufhebung der Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten bezieht (Anfechtungsantrag), zulässig.

27 Dienstliche Beurteilungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 1 der Verordnung vom 23. September 2009 - BGBl I S. 3128 -) i.V.m. Nr. 201 der „Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“ vom 17. Januar 2007 (ZDv 20/6, hier in der Fassung der 2. Änderung vom 16. Oktober 2009) stellen nach ständiger Rechtsprechung des Senats truppendienstliche Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar, die vor den Wehrdienstgerichten angefochten werden können. Die Stellungnahme eines höheren Vorgesetzten zu einer Beurteilung bildet dabei eine selbstständig anfechtbare Maßnahme (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 28. April 2009 - BVerwG 1 WB 29.08 - Rn 19 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449 § 29 SG Nr. 8 und NZWehrr 2010, 168> m.w.N. und vom 18. Dezember 2012 - BVerwG 1 WB 39.11 - Rn. 18).

28 Zwar sind Aussagen und Wertungen in Beurteilungen zur Persönlichkeit, Eignung, Befähigung und Leistung der Beurteilten grundsätzlich nicht anfechtbar (ebenso: Nr. 1101 Satz 1 ZDv 20/6). Derartige Aussagen und Wertungen sind als höchstpersönliche Werturteile einer inhaltlichen gerichtlichen Prüfung nicht zugänglich. Ein Soldat kann jedoch eine Beurteilung oder eine hierzu abgegebene Stellungnahme eines höheren Vorgesetzten mit der Begründung anfechten, sie verstoße gegen Rechte, die ihm in Bezug auf die Erstellung von Beurteilungen eingeräumt sind (stRspr, vgl. Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 27 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 14>). Dementsprechend erklärt Nr. 1101 Satz 2 ZDv 20/6 Beschwerden gegen Beurteilungen als nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Klarstellend weist Nr. 1102 Abs. 1 ZDv 20/6 darauf hin, dass sich Soldaten beschweren können, wenn sie glauben, dass bei der Erstellung der Beurteilung, einschließlich der Stellungnahmen, solche Rechte verletzt worden sind, die ihnen als Garantie für eine sachgerechte Beurteilung nach der Rechtsordnung eingeräumt sind (siehe dazu auch die Aufzählung in Nr. 1102 Abs. 2 ZDv 20/6). Das ist hier durch den Antragsteller geschehen, der im Wesentlichen eine Verletzung der in Nr. 401 bis Nr. 409 ZDv 20/6 niedergelegten Beurteilungsgrundsätze sowie eine fehlerhafte Vergleichsgruppenbildung und damit einen Verstoß gegen Nr. 404 i.V.m. Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 geltend macht.

29 b) Der darüber hinaus gehende Antrag, den Inspekteur der Streitkräftebasis für den Fall einer Neufassung der Stellungnahme des weiteren höheren beurteilenden Vorgesetzten zu verpflichten zu veranlassen, dass diese Neufassung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erstellt wird, ist in entsprechender Anwendung des § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO mit den nachfolgend dargestellten Maßgaben ebenfalls zulässig.

30 aa) Ungeachtet der vom Antragsteller formulierten Bedingung ist ein solcher Verpflichtungsantrag grundsätzlich zulässig (stRspr, vgl. zuletzt Beschlüsse vom 24. Januar 2012 - BVerwG 1 WB 30.11 - Rn. 19 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 19> m.w.N. und vom 18. Dezember 2012 - BVerwG 1 WB 39.11 - Rn. 21). Eignung, Befähigung und Leistung der Soldatinnen und Soldaten sind regelmäßig zu beurteilen, so dass die Neufassung einer planmäßigen Beurteilung bzw. einer dazu abzugebenden Stellungnahme nach deren Aufhebung grundsätzlich geboten ist und nur in Ausnahmefällen unterbleiben kann. Nr. 1202 Buchst. a ZDv 20/6 setzt deshalb die Neufassung der Beurteilung oder der Stellungnahme als Regelfall voraus (vgl. Beschlüsse vom 14. Januar 1997 - BVerwG 1 WB 86.96 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 3, vom 1. September 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 13.08 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 11 und vom 18. Dezember 2012 - BVerwG 1 WB 39.11 - Rn. 21).

31 Regelmäßig unverzichtbar und deshalb neu zu erstellen sind danach die Beurteilung und die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten (vgl. Nr. 1204 Buchst. a Abs. 2 i.V.m. Nr. 904 Buchst. a ZDv 20/6). Das kann im Einzelfall auch für die Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten gelten. Diesem Vorgesetzten ist es zwar grundsätzlich freigestellt, ob er eine Stellungnahme zu der Beurteilung abgibt, allerdings nur dann, wenn er nicht aufgrund des Verwendungsvorschlages oder der Entwicklungsprognose zur Stellungnahme verpflichtet ist (Nr. 911 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Nr. 616 und/oder Nr. 910 Buchst. c ZDv 20/6). Da der Antragsteller in der Beurteilung Verwendungsvorschläge bis in die Ebene der Besoldungsgruppe B 3 erhalten hat (Abschnitte 5.2.2 und 12), ist es im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen, dass der weitere höhere Vorgesetzte zu der Beurteilung Stellung nehmen muss (Nr. 911 Buchst. a und Nr. 616 Buchst. a, letzter Satz ZDv 20/6). Daher erscheint es möglich, dass die zuständige personalbearbeitende Stelle nach einer Aufhebung der strittigen Stellungnahme deren Neufassung anordnen und nicht im Sinne der Nr. 1204 ZDv 20/6 deren Unterbleiben verfügen wird. Für diesen Fall, dem der Antragsteller mit der bedingten Formulierung seines Verpflichtungsantrags Rechnung getragen hat, ist ihm das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht abzusprechen. Denn mit dem Verpflichtungsantrag bringt er zum Ausdruck, dass er ein mögliches zweites Anfechtungsverfahren vermeiden möchte; dies ist unter dem Aspekt der Prozessökonomie und der Durchsetzung der Rechtsauffassung des Gerichts bei der Erstellung der Neufassung der Stellungnahme ein berechtigter Grund für ein Rechtsschutzbedürfnis.

32 bb) Der Verpflichtungsantrag ist allerdings nur mit der Maßgabe zulässig, dass nicht (mehr) der Inspekteur der Streitkräftebasis, sondern der Bundesminister der Verteidigung Adressat der Verpflichtung ist.

33 Der Vorgesetzte, dessen Stellungnahme aufgehoben worden ist und der gemäß Nr. 1202 Buchst. a ZDv 20/6 bei der Neufassung tätig werden muss, ist zwar Betroffener im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 3 WBO; er ist aber nicht förmlich am gerichtlichen Wehrbeschwerdeverfahren beteiligt (vgl. - auch zum Folgenden - Beschluss vom 9. Februar 2011 - BVerwG 1 WB 59.10 - Buchholz 450.1 § 23a WBO Nr. 1 = NZWehrr 2011, 208). Die Wehrbeschwerdeordnung sieht weder für den Betroffenen noch für andere Personen die Beteiligtenstellung eines Beschwerde- oder Antragsgegners oder eines Beklagten im Sinne von § 63 Nr. 2 VwGO vor. Das gerichtliche Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung ist - anders als das Klageverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung - als reines Antragsverfahren und nicht als kontradiktorischer Parteiprozess ausgestaltet. Einziger formeller Verfahrensbeteiligter ist nach der gesetzlichen Konstruktion der Beschwerdeführer bzw. Antragsteller.

34 Geht es - wie im Rahmen des § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO - um die vom jeweiligen Antragsteller angestrebte Verpflichtung zu einem Handeln, Entscheiden oder Veranlassen, muss das Wehrdienstgericht in seiner stattgebenden Entscheidung denjenigen Vorgesetzten als Verpflichtungsadressaten in Anspruch nehmen, der für die Umsetzung und den Vollzug des gerichtlichen Ausspruchs zuständig ist. Das ist nach der normativen Struktur der Wehrbeschwerdeordnung in der Regel der Vorgesetzte, der gemäß § 9 Abs. 1 WBO (ggf. i.V.m. § 16 Abs. 4 WBO) den Gegenstand der Beschwerde zu beurteilen und dementsprechend über die (weitere) Beschwerde zu entscheiden hat und dem (deshalb) als zuletzt Vorlageberechtigtem die Funktion der „Schaltstelle“ zum gerichtlichen Verfahren zugewiesen ist. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über die (weitere) Beschwerde richtet sich nach der jeweiligen truppendienstlichen Unterstellung des Betroffenen. Diese ergibt sich aus der Gliederung der Bundeswehr, aus den Aufstellungsbefehlen und aus der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung (Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 9 Rn. 25). Zwischen dem hier als weiterer höherer Vorgesetzter tätig gewordenen Stellvertreter des Amtschefs des Personalamts und dem Inspekteur der Streitkräftebasis besteht das insoweit erforderliche Unterstellungsverhältnis seit dem 27. Juli 2012 nicht mehr.

35 Der Bundesminister der Verteidigung hatte im „Blankeneser Erlass“ vom 21. März 1970 und im „Berliner Erlass“ vom 21. Januar 2005 den Inspekteuren der Teilstreitkräfte/Organisationsbereiche umfangreiche truppendienstliche Befugnisse gegenüber ihren jeweils nachgeordneten Organisationsbereichen übertragen. Diese Befugnisse hat er - im Anschluss an vorbereitende Regelungen im „Dresdner Erlass“ vom 21. März 2012 - im Erlass über die „Disziplinare Unterstellung der in Dienststellen der Wehrverwaltung verwendeten Soldatinnen und Soldaten“ vom 27. Juli 2012 mit sofortiger Wirkung modifiziert und speziell das Personalamt der Bundeswehr als nunmehr zivile Dienststelle der Wehrverwaltung aus seiner truppendienstlichen Unterstellung unter den Inspekteur der Streitkräftebasis herausgelöst.

36 Dieser Umstand ist vom Senat zu berücksichtigen, weil es - anders als bei dem Anfechtungsantrag des Antragstellers - für die Zulässigkeit des Verpflichtungsantrags auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ankommt. Der Vorgesetzte, der in diesem Zeitpunkt sicherstellen kann, dass die für den Fall der Neufassung der Stellungnahme vom Antragsteller gewünschte Beachtung der Rechtsauffassung des Senats befolgt wird, ist der Bundesminister der Verteidigung. Er kann im Hinblick auf seine übergreifende Organisationskompetenz verpflichtet werden zu veranlassen, dass trotz seiner neuen Regelung über die Rechtsstellung des Personalamts der Bundeswehr die nachfolgend ausgeführte Rechtsauffassung des Senats im Fall der Neufassung der strittigen Stellungnahme beachtet wird.

37 3. Der Anfechtungsantrag ist begründet.

38 Die Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten vom 30. August 2011 zu der planmäßigen dienstlichen Beurteilung des Antragstellers vom 21. Juni 2011 ist rechtswidrig und verletzt diesen in seinen Rechten. Die Stellungnahme sowie der Beschwerdebescheid des Amtschefs des Personalamts der Bundeswehr vom 31. Januar 2012 sind deshalb aufzuheben (§ 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO).

39 Dienstliche Beurteilungen und hierzu abgegebene Stellungnahmen sind gerichtlich nur beschränkt nachprüfbar, weil den beurteilenden Vorgesetzten bei ihrem Werturteil über die Eignung, Befähigung und Leistung des zu beurteilenden Soldaten ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der beurteilende Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff der Beurteilung oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Hat das Bundesministerium der Verteidigung Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, an denen sich die Beurteilungspraxis im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) ständig orientiert (zur Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verwaltungspraxis vgl. Beschluss vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 44 Rn. 23), kann das Gericht ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden sind und ob sie mit den normativen Regelungen für Beurteilungen in Einklang stehen (stRspr, vgl. Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 30 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 14>).

40 Nach diesen Maßstäben ist die Stellungnahme vom 30. August 2011 rechtswidrig, weil sie gegen den Verfahrensgrundsatz in Nr. 404 Satz 1 und 2 ZDv 20/6 i.V.m. Nr. 609 Buchst. b ZDv 20/6 verstößt, dass die zehn Einzelmerkmale im Abschnitt 3.1 (Nr. 609 Buchst. a ZDv 20/6) unabhängig voneinander und bezogen auf die Leistungen des Soldaten zu bewerten sind, weil sie außerdem nicht den allgemein gültigen Wertmaßstab und die in der ZDv 20/6 festgelegten Verfahrensgrundsätze einhält, dass Beurteilungen und Stellungnahmen widerspruchsfrei sein müssen, also keine Widersprüche enthalten dürfen (Nr. 401 ZDv 20/6), und dass Änderungen von Einzelmerkmalwertungen zur Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten auch von den Stellung nehmenden weiteren höheren Vorgesetzten widerspruchsfrei und hinreichend schlüssig begründet werden müssen (Nr. 906 Buchst. c, Nr. 911 Buchst. a Satz 3 und Buchst. d ZDv 20/6).

41 a) Mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der Soldatenlaufbahnverordnung vom 23. September 2009 (BGBl I S. 3128) hat die Bundesregierung auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. Mai 2009 (a.a.O.) die bis dahin lediglich rudimentäre Regelung für dienstliche Beurteilungen in § 2 SLV geändert und um zahlreiche materiellrechtliche Vorgaben ergänzt. Nach § 2 Abs. 3 SLV werden Beurteilungen in der Regel von der oder dem nächsten Disziplinarvorgesetzten sowie von der oder dem nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten als Stellung nehmender Person erstellt; Stellungnahmen weiterer höherer Vorgesetzter werden unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. § 2 Abs. 4 SLV sieht vor, dass das Bundesministerium der Verteidigung in Beurteilungsbestimmungen Vergleichsgruppen bildet, innerhalb derer Soldatinnen und Soldaten nach einheitlichen Beurteilungsmaßstäben zu beurteilen sind. Sodann ermächtigt § 2 Abs. 5 SLV, den Anteil von Bewertungen in bestimmten Wertungsbereichen zu begrenzen. Hierfür sind in § 2 Abs. 6 SLV inhaltliche Vorgaben für das Richtwertesystem vorgegeben. Der höchste Wertungsbereich zwischen der höchstmöglichen Bewertung und einem näher festzulegenden Grenzwert soll auf 15 Prozent der Vergleichsgruppe beschränkt werden; der zweithöchste Wertungsbereich soll nicht mehr als 20 Prozent der Vergleichsgruppe umfassen. Im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit wird eine Über- oder Unterschreitung der Richtwerte um bis zu fünf Prozentpunkte zugelassen. Schließlich regelt § 2 Abs. 8 SLV, dass unter bestimmten dort genannten Voraussetzungen die Stellung nehmenden Personen einzelfallbezogen Beurteilungen abändern dürfen, auch wenn sich damit die Zuordnung zu einem Wertungsbereich ändert.

42 Entsprechend diesen normativen Vorgaben sehen die Beurteilungsbestimmungen der ZDv 20/6 in der Fassung der 2. Änderung vom 16. Oktober 2009 nunmehr Richtwerte für Wertungsbereiche der Leistungsbewertung vor, die als Soll-Vorschrift ausgebildet sind und deren Überschreitung wiederum durch eine Soll-Vorschrift begrenzt wird (Nr. 610 Buchst. b ZDv 20/6). Der oberste Wertungsbereich (15 Prozent) reicht von der Note 9,00 bis zur Note 7,31, der zweite Wertungsbereich (20 Prozent) von der Note 7,30 bis zur Note 6,21. Überschreitungen der Richtwerte um bis zu fünf Prozentpunkte sind zugelassen. Die beurteilenden Vorgesetzten sind verpflichtet, ihren Beurteilungsmaßstab an diesen Richtwerten auszurichten. Während von Vorgesetzten, die 20 oder mehr Soldaten einer Vergleichsgruppe zu beurteilen haben, die Einhaltung der Richtwerte erwartet wird, sollen Vorgesetzte, die weniger Soldaten beurteilen, ihre Beurteilungen in geeigneter Weise, dem Sinn der Richtwerte entsprechend, differenzieren (Nr. 610 Buchst. c ZDv 20/6). Die in bis zu zehn Einzelmerkmale unterteilte Aufgabenerfüllung der Beurteilten ist je unabhängig voneinander und im Leistungsvergleich der jeweiligen Vergleichsgruppe zu bewerten (Nr. 404 Satz 1 und 2 i.V.m. Nr. 609 Buchst. b ZDv 20/6).

43 Diese Verpflichtungen, die für Stellung nehmende Vorgesetzte entsprechend gelten (Nr. 904 Buchst. a, Nr. 610 Buchst. d ZDv 20/6), haben die weiteren höheren Vorgesetzten zu kontrollieren und dabei auch die Anwendung eines sachgerechten Beurteilungsmaßstabs zu überwachen (Nr. 610 Buchst. e ZDv 20/6). Bei Abgabe ihrer Stellungnahme haben sie nach Nr. 911 Buchst. a Satz 3 ZDv 20/6 grundsätzlich die Rechte nach Nr. 906 Buchst. c ZDv 20/6, dabei unter anderem das Recht zur Änderung von Einzelmerkmalwertungen zur Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten, die sie zusätzlich auch mit dem Hinweis auf die Richtwerte begründen können. Beabsichtigen weitere höhere Vorgesetzte, von der Beurteilung der oder des Beurteilenden bzw. eines Stellung nehmenden Vorgesetzten abzuweichen, haben sie die Änderungen der schriftlichen Aussagen oder der Wertungen im Abschnitt 10 darzustellen und zu begründen (Nr. 911 Buchst. d ZDv 20/6).

44 Außerdem sind die weiteren höheren Vorgesetzten an die Regelung in Nr. 401 ZDv 20/6 gebunden, dass Beurteilungen keine Widersprüche enthalten dürfen. Dieser Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung des Senats auch für die Abgabe von Stellungnahmen höherer Vorgesetzter, soweit diese eine Bewertung der Leistung und Eignung des beurteilten Soldaten enthalten. Das folgt namentlich daraus, dass eine wertende Stellungnahme ihrer Natur nach selbst eine Beurteilung darstellt. Darüber hinaus kommt eine nach Nr. 911 Buchst. a Satz 3, Nr. 906 Buchst. c ZDv 20/6 mögliche Änderung von Wertungen nur in Betracht, wenn diese unter Anwendung derselben Beurteilungskriterien und Beurteilungsgrundlagen vorgenommen wird. An die Abgabe einer wertenden Stellungnahme der höheren Vorgesetzten sind daher dieselben Anforderungen wie an eine Beurteilung zu stellen; dies gilt auch und insbesondere für die Anordnung der Widerspruchsfreiheit in Nr. 401 ZDv 20/6 (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 16. September 2004 - BVerwG 1 WB 21.04 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 236.110 § 2 SLV Nr. 5>).

45 b) Die angefochtene Stellungnahme verstößt gegen das Gebot der individuellen, voneinander unabhängigen Bewertung der Leistungen des Soldaten in den Einzelmerkmalen; sie ist zugleich in sich widersprüchlich und im Übrigen nicht hinreichend schlüssig begründet, weil sie in nicht plausibel nachvollziehbarer Weise pauschal sämtliche Einzelmerkmalwertungen der Aufgabenerfüllung des Antragstellers auf dem Dienstposten um einen Punkt herabsetzt und dies mit einer aus Sicht des weiteren höheren Vorgesetzten fehlerhaften Maßstabsfindung des Beurteilenden und des Stellung nehmenden höheren Vorgesetzten begründet.

46 aa) Auf der Grundlage der Nr. 404 Satz 1 und 2 ZDv 20/6 verlangt Nr. 609 Buchst. b ZDv 20/6 bei der Beurteilung der erbrachten Leistungen des Soldaten in Form der zehn Einzelmerkmale ausdrücklich eine voneinander unabhängige Bewertung anhand der neunstufigen Skala nach Anlage 4 im Leistungsvergleich der jeweiligen Vergleichsgruppe. Dieser Regelung liegt die Anforderung zugrunde, dass sämtliche Einzelmerkmale, soweit sie zu beurteilen sind, in einer spezifischen Einzelwertung zu betrachten sind. Sie sollen nicht schematisch „über einen Leisten geschlagen“ werden, weil eine derartige Vorgehensweise nicht mit dem Gebot der individuellen Beurteilung in Nr. 401 und Nr. 402 ZDv 20/6 im Einklang stünde, das in Nr. 609 Buchst. a ZDv 20/6 noch einmal bekräftigt und konkretisiert wird („Leistungen der Soldatinnen und Soldaten umfassend und treffend zu bewerten“). Nr. 609 Buchst. b ZDv 20/6 ist auch von allen Stellung nehmenden Vorgesetzten zu beachten, wenn sie gemäß Nr. 906 Buchst. c oder Nr. 911 Buchst. a Satz 3 ZDv 20/6 von ihrem Recht zur Änderung von Einzelmerkmalwertungen Gebrauch machen.

47 Der weitere höhere Vorgesetzte hat die Wertungsänderungen lediglich mit der Behauptung einer „zu wohlwollenden“ Bewertung und einer „nicht sachgerechten Maßstabsfindung“ des Erstbeurteilers und des Stellung nehmenden nächsthöheren Vorgesetzten begründet. Er hat also an dieser Stelle nicht die individuellen Leistungen des Antragstellers in den zehn Einzelmerkmalen in den Blick genommen, sondern vorrangig ein aus seiner Sicht kritikwürdiges Beurteilungsverhalten des Erstbeurteilers und des Stellung nehmenden Vorgesetzten festgestellt. Dementsprechend hat er keine spezifischen, voneinander unabhängigen Aussagen über die erbrachten Leistungen des Antragstellers getroffen, sondern unter die Titelzeile „Änderung von Wertungen“ pauschal die Zeile „3.1 Einzelmerkmale von 8,00 nach 7,00“ an die Spitze der Änderungen gesetzt. Eine derartige Äußerung wäre allenfalls als zusammenfassendes Resultat am Ende der Wertungsänderungen in Betracht gekommen (siehe Nr. 608 Satz 3 ZDv 20/6). Auch wenn Nr. 610 Buchst. e Satz 1 ZDv 20/6 die Einhaltung eines sachgerechten Beurteilungsmaßstabes in die Kontrollkompetenz des weiteren höheren Vorgesetzten einbezieht, ist dieser Vorgesetzte nicht der Notwendigkeit enthoben, eine individuelle Betrachtung der Leistungen des Beurteilten vorzunehmen. Genau deshalb verlangen Nr. 610 Buchst. e Satz 2 und Nr. 911 Buchst. c ZDv 20/6 auch von dem weiteren höheren Vorgesetzten eine Vergewisserung über die Person des beurteilten Soldaten. Soweit in der angefochtenen Stellungnahme nicht weiter substantiiert auf „Arbeitsergebnisse“ und „eigene Erkenntnisse“ hingewiesen wird, lässt sich daraus die erforderliche individuelle Leistungsbewertung für den Antragsteller nicht entnehmen.

48 Nichts anderes folgt aus der Rechtsprechung des Senats, nach der sich der Stellung nehmende Vorgesetzte darauf beschränken kann, mit einer zusammenfassenden Einschätzung sämtliche Änderungen von Einzelmerkmalwertungen zu begründen (vgl. im Einzelnen: Beschluss vom 16. September 2004 - BVerwG 1 WB 21.04 - Buchholz 236.110 § 2 SLV Nr. 5). Das befreit ihn jedoch nicht von der Verpflichtung, in diesem Zusammenhang im Einzelnen auszuführen, warum er in welchem Umfang die Einzelmerkmale geändert hat. Das ist - wie dargestellt - in der angefochtenen Stellungnahme nicht geschehen.

49 bb) Unabhängig von der vorgenannten fehlerhaften Änderungsbegründung hat der weitere höhere Vorgesetzte mit der Herabsetzung sämtlicher Einzelmerkmale der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten um jeweils einen vollen Punkt (von 9 auf 8, von 8 auf 7 und von 7 auf 6) dokumentiert, dass er die Leistungen des Antragstellers in den zehn Einzelmerkmalen - anders als der beurteilende und der nächsthöhere Vorgesetzte - so einschätzt, dass die jeweiligen Leistungserwartungen nicht „ständig in außergewöhnlichem Maße“ (Wertungsstufe 9), „ständig erheblich“ (Wertungsstufe 8) bzw. „ständig, teilweise auch erheblich“ (Wertungsstufe 7) übertroffen worden sind. Andererseits hat er in seiner Begründung - nach einer Bestätigung der zuvor vom Abteilungsleiter Zentrale Aufgaben Personalführung festgestellten Entwicklungsprognose - betont, dass er mit der inhaltlichen Beschreibung zur Aufgabenerfüllung, dem Persönlichkeitsprofil und den Verwendungshinweisen grundsätzlich einverstanden sei.

50 Kennzeichnend für die inhaltliche Beschreibung der Aufgabenerfüllung ist hier, dass der beurteilende Vorgesetzte dem Antragsteller ausdrücklich „durchweg ausgezeichnete Leistungen“ mit seinen außergewöhnlichen und tiefgreifenden Kenntnissen im Bereich des Personalwesens sowie mit außerordentlich wertvollen Ideen und Vorschlägen bei den ihm zur rechtlichen Beratung anvertrauten Abteilungen (Luftwaffe und Reservisten) bescheinigt hat. Diese inhaltliche Beschreibung entspricht mindestens der Wertungsstufe 8 („Leistungserwartungen wurden ständig erheblich übertroffen“). Im Persönlichkeitsprofil hat der beurteilende Vorgesetzte den Antragsteller überdies als „ohne Zweifel der Spitzengruppe der vergleichbaren Stabsoffiziere im Bereich der Personalbearbeitung“ zugehörig qualifiziert. Indem der weitere höhere Vorgesetzte diese inhaltlichen Bewertungsbegründungen des beurteilenden Vorgesetzten mit den Worten „bin ich grundsätzlich einverstanden“ ohne Einschränkungen gebilligt hat, hat er sinngemäß zum Ausdruck gebracht, dass er auch die Beurteilungsmaßstäbe des beurteilenden Vorgesetzten billigt. Er hat also an dieser Stelle - im Widerspruch zu seinem folgenden Begründungstext - gerade nicht formuliert, dass der erstbeurteilende Vorgesetzte und der nächsthöhere Vorgesetzte einen zu wohlwollenden Maßstab in der Beurteilung des Antragstellers zugrunde gelegt haben. Eine widerspruchsfreie Begründung läge nur dann vor, wenn sich der weitere höhere Vorgesetzte auch von der inhaltlichen Beschreibung der Leistungsbewertung (und des Persönlichkeitsprofils) durch den Erstbeurteiler in adäquatem Umfang distanziert hätte.

51 cc) Der Hinweis auf die Einhaltung der Richtwerte, der nach § 2 Abs. 8 SLV und Nr. 906 Buchst. c i.V.m. Nr. 911 Buchst. a Satz 3 ZDv 20/6 grundsätzlich als zusätzliches Begründungselement für die Änderung von Einzelmerkmalwertungen in Betracht kommt, stand dem weiteren höheren Vorgesetzten hier nicht zur Verfügung, weil die Vergleichsgruppe, in der der Antragsteller beurteilt worden ist, unstreitig mit sechs Stabsoffizieren zu klein war. Die fehlende Größe der Vergleichsgruppe führt nach der Rechtsprechung des Senats dazu, dass die Richtwerte keine Anwendung finden (Beschluss vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 1 WB 51.10 - BVerwGE 141, 113 Rn. 46 = Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 18 Rn. 46).

52 Die nach Nr. 610 Buchst. c Satz 3 ZDv 20/6 bei zu kleinen Vergleichsgruppen zugelassene anderweitige, dem Sinn der Richtwerte entsprechende Differenzierung erforderte aber jedenfalls im vorliegenden Fall eine spezifische Begründung der Änderungen durch den Stellung nehmenden weiteren höheren Vorgesetzten. Das gilt auch unter Berücksichtigung seines Hinweises auf einen aus seiner Sicht nicht eingehaltenen Beurteilungsmaßstab. Denn die Richtwerte stehen nach dem Regelungsmodell in Nr. 610 ZDv 20/6 in unmittelbarer Verknüpfung mit der angestrebten Gewährleistung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs.

53 Mit der pauschalen Herabsetzung der Einzelmerkmalwertungen hat der weitere höhere Vorgesetzte die Zuordnung zu einem Wertungsbereich geändert. Der Antragsteller ist nicht mehr - wie in der Beurteilung - im höchsten Wertungsbereich zwischen 7,31 und 9,00, sondern nunmehr im zweiten Wertungsbereich von 6,21 bis 7,30 angesiedelt. Zwar wird eine derartige Folge der Wertungsänderung in § 2 Abs. 8 Satz 1 SLV normativ gebilligt. Die Herabsetzung in den zweiten Wertungsbereich hat aber zur Folge, dass der Antragsteller nicht mehr dem Spitzenbereich vergleichbarer Stabsoffiziere zugeordnet werden kann. Insofern trifft die nachträgliche Einschätzung des weiteren höheren Vorgesetzten in seiner Äußerung vom 26. Oktober 2011 nicht zu, dass die Beurteilung auch nach seinen Änderungen noch „herausragend“ sei. Ebenso trifft die vom Antragsteller in seinem Gesprächsvermerk vom 25. August 2011 dokumentierte Erklärung des weiteren höheren Vorgesetzten in der Sache nicht zu, dass der Antragsteller „mit der 7,0 aber immer noch in der Spitzengruppe“ sei.

54 Im Hinblick auf die Begründungspflicht des weiteren höheren Vorgesetzten nach Nr. 911 Buchst. d ZDv 20/6 ist es deshalb erforderlich, Änderungen der Einzelmerkmalwertungen, die zu einer Verschiebung in einen anderen Wertungsbereich führen, plausibel und schlüssig zu erläutern. Insbesondere muss nachvollziehbar dargelegt werden, warum im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit eine Überschreitung der Prozentvorgabe für den jeweiligen Wertungsbereich nicht infrage gekommen ist. Dies lässt Nr. 610 Buchst. b Satz 2 ZDv 20/6 auf der Basis von § 2 Abs. 6 Satz 3 SLV ausdrücklich zu. Wenn - wie hier - die Vergleichsgruppe zu klein ist, ist die mögliche einzelfallbezogene Überschreitung der Richtwerte im Rahmen der erforderlichen entsprechenden Differenzierung (vgl. Nr. 610 Buchst. c Satz 3 ZDv 20/6) mit zu berücksichtigen. Abgesehen von den dargestellten Widersprüchen trägt die angefochtene Stellungnahme auch diesem Erfordernis nicht Rechnung.

55 c) Da die Stellungnahme bereits wegen der dargelegten Verstöße gegen die ZDv 20/6 aufzuheben ist, kann dahin stehen, ob die Vergleichsgruppe, in der der Antragsteller betrachtet worden ist, unter Berücksichtigung des Beschlusses des Senats vom 25. Oktober 2011 (a.a.O.) als hinreichend homogen anzusehen ist.

56 4. Der Verpflichtungsantrag ist mit den oben dargestellten Maßgaben ebenfalls begründet.

57 Der Antragsteller hat im Fall einer Neufassung der Stellungnahme Anspruch darauf, dass der weitere höhere Vorgesetzte bei der Ausübung seines Beurteilungsspielraums die Rechtsauffassung des Senats zu den oben dargestellten Verfahrensgrundsätzen und allgemeinen Wertmaßstäben beachtet.

58 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 WBO.