Beschluss vom 29.06.2012 -
BVerwG 10 B 23.12ECLI:DE:BVerwG:2012:290612B10B23.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.06.2012 - 10 B 23.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:290612B10B23.12.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 23.12

  • VG Stuttgart - 20.07.2010 - AZ: VG A 6 1469/10
  • VGH Baden-Württemberg - 11.04.2012 - AZ: VGH A 11 S 3238/11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juni 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. April 2012 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt den geltend gemachten Zulassungsgrund nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.

2 1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die sich in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde. Eine solche Rechtsfrage lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.

3 1.1 Die Beschwerde hält im Rahmen des vom Kläger im Berufungsverfahren verfolgten Verpflichtungsbegehrens auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans für klärungsbedürftig,
„ob afghanische Staatsangehörige, die als Minderjährige in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und seit vielen Jahren in Deutschland leben, bei einer Rückreise nach Afghanistan einer extremen Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt sind“.

4 Diese Frage zielt im Kern nicht auf eine Rechtsfrage, sondern auf die dem Tatsachengericht vorbehaltene Prognose, ob dem Kläger aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse angesichts der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten in seiner Heimat bei einer Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht, welche die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage rechtfertigt. Die Beschwerde wendet sich dagegen, dass das Berufungsgericht diese Voraussetzungen aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse in Afghanistan für nicht (mehr) gegeben sieht und hält eine neue Bewertung der Gefahrensituation in Afghanistan für erforderlich, weil sich mit dem bevorstehenden Abzug der internationalen Truppen die Lage wieder verschärfen werde. Die Beschwerde greift damit der Sache nach die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu den Prognosegrundlagen sowie die darauf aufbauende Prognose als Teil der Beweiswürdigung an und stellt dem ihre eigene Einschätzung der Sachlage entgegen, ohne insoweit eine konkrete, klärungsbedürftige Rechtsfrage aufzuzeigen.

5 1.2 Die von der Beschwerde weiterhin aufgeworfene Frage,
„ob die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten hohen Hürden für die Annahme einer extremen Gefahrenlage bei einer Rückkehr in die Heimat nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit Art. 1 GG, dem Recht auf Menschenwürde, vereinbar ist“,
und die Rechtsbehauptung,
„die hohen Hürden für die Annahme einer extremen Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG [sind] mit der deutschen Verfassung, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Vereinten Nationen (UN-Charta) nicht vereinbar“,
bezeichnen keine grundsätzlicher Klärung bedürftige Rechtsfrage revisiblen Rechts. Die Beschwerde macht der Sache nach geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Rechtsprechung Bedeutung und Reichweite des Art. 1 Abs. 1 GG verkannt, weil allein die konkret drohende Gefahr geeignet sein müsse, dem Anspruch eines Menschen auf Leben durch geeignete Schutzmaßnahmen gerecht zu werden. Der Vorwurf (vermeintlich) fehlerhafter Rechtsanwendung ist indes für sich allein schon nicht geeignet, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu bezeichnen. Unabhängig davon ergibt sich aus der vom Kläger selbst herangezogenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass und aus welchen Gründen eine Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zwar aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich ist, aber eben nur in dem von der Beschwerde angegriffenen Umfange; damit ist zugleich die Vereinbarkeit mit Art. 1 Abs. 1 GG geprüft und bejaht. Neuerlichen oder weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

6 2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

7 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.