Beschluss vom 18.06.2010 -
BVerwG 3 VR 2.10ECLI:DE:BVerwG:2010:180610B3VR2.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 VR 2.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:180610B3VR2.10.0]

Beschluss

BVerwG 3 VR 2.10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Juni 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
als Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

  1. Das Verfahren über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird eingestellt.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Da die Beteiligten das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen und gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen, weil die Antragsgegnerin keine Veranlassung zu dem Begehren auf einstweilige Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts gegeben hatte. Die an die Antragstellerin gerichtete Zahlungsaufforderung der Bundesanstalt ist abgeschickt worden, bevor diese Kenntnis von der Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin hatte. Nach Kenntnis von diesem Rechtsbehelf hat die Bundesanstalt umgehend erklärt, keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten zu wollen, bevor das Bundesverwaltungsgericht über die Nichtzulassungsbeschwerde entschieden habe. Es hätte für die Antragstellerin nahegelegen, vor einem Eilantrag zur Verhinderung von Zwangsvollsteckungsmaßnahmen bei der Antragsgegnerin anzufragen, ob die Einleitung solcher Maßnahmen trotz der erhobenen Beschwerde beabsichtigt sei.

2 Gerichtskosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.

Beschluss vom 29.07.2010 -
BVerwG 3 B 37.10ECLI:DE:BVerwG:2010:290710B3B37.10.0

Leitsatz:

Bei der vergleichenden Bewertung eines nach § 8 Abs. 5 VZOG angebotenen Ersatzgrundstücks ist dessen Zustand und Werthaltigkeit bei Abgabe der Ersetzungserklärung maßgeblich. Demgegenüber richten sich der Zustand und die Werthaltigkeit des den Vergleichsmaßstab bildenden veräußerten Grundstücks nach dem Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts, das Grundlage für die Verfügung zu Lasten des Zuordnungsberechtigten war.

  • Rechtsquellen
    VZOG § 8 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5

  • VG Chemnitz - 23.02.2010 - AZ: VG 4 K 1245/06

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.07.2010 - 3 B 37.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:290710B3B37.10.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 37.10

  • VG Chemnitz - 23.02.2010 - AZ: VG 4 K 1245/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juli 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert und Dr. Wysk
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 23. Februar 2010 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

1 Die Klägerin beansprucht nach § 8 Abs. 4 Satz 2 des Vermögenszuordnungsgesetzes - VZOG - von der beklagten Gemeinde Erlösauskehr wegen der Veräußerung eines Grundstücks, dessen Eigentümerin die Klägerin nach der bestandskräftigen Feststellung der Vermögenszuordnungsbehörde am 3. Oktober 1990 geworden war. Das Verwaltungsgericht hat ihrer Leistungsklage stattgegeben, weil das von der Beklagten nach § 8 Abs. 5 Satz 1 VZOG angebotene Ersatzgrundstück dem veräußerten Grundstück nicht vergleichbar sei.

2 Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat Erfolg. Das angegriffene Urteil beruht auf dem nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensfehler.

3 Die Beklagte beanstandet zu Recht, dass das Verwaltungsgericht von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen ist. Das Verwaltungsgericht hat die angebotene Ersatzfläche (nach Aktenlage handelt es sich offenbar um zwei benachbarte Teilflächen) als dem veräußerten Grundstück nicht adäquat beurteilt, weil es dem veräußerten Grundstück schon von der Größe her (3 400 gegenüber 6 800 m²) nicht vergleichbar sei, der Bebauungsplan an der betreffenden Stelle Parkflächen ausweise und zweifelhaft sei, ob der von der Beklagten angegebene Bodenrichtwert von 69 € pro Quadratmeter zu realisieren wäre. Wegen dieser auf der Hand liegenden Umstände sei der Schluss auf die mangelnde Vergleichbarkeit der Grundstücke auch ohne die von der Beklagten beantragte Einschaltung eines Sachverständigen möglich.

4 Die Feststellung, dass der Bebauungsplan an der betreffenden Stelle Parkflächen festsetze, ist aktenwidrig; denn ausweislich der von der Beklagten mit ihrem Schriftsatz vom 20. November 2009 vorgelegten Unterlagen befinden sich die festgesetzten Parkflächen neben den als Ersatzgrundstück angebotenen Flächen, die als Mischgebiet festgesetzt sind. Insoweit ist das Verwaltungsgericht den Behauptungen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in ihrem Schriftsatz vom 16. Dezember 2009 gefolgt, ohne die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen sowie die Verwaltungsvorgänge (roter Hefter) zur Kenntnis zu nehmen oder sich mit dem Hinweis der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 14. Januar 2010 (S. 3 Abs. 4) auseinanderzusetzen, dass es sich um Bauland handele, das „als Wohngebiet mit der Zulässigkeit von nicht störendem Gewerbe ausgewiesen“ sei.

5 Es liegt also gleichermaßen ein Mangel richterlicher Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO wie eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 108 Abs. 2 VwGO vor. Dieser Verfahrensmangel ist auch ursächlich für die getroffene Entscheidung, obwohl das Verwaltungsgericht für die mangelnde Vergleichbarkeit des Grundstücks neben den baulichen Nutzungsmöglichkeiten auch seine geringere Größe angeführt und daneben die Werthaltigkeit der Fläche in Zweifel gezogen hat; denn das Gericht hat diese Argumente in ihrer Gesamtheit herangezogen, um die Nichteinschaltung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Vergleichbarkeit zu rechtfertigen. Entfällt das Argument unzureichender baulicher Nutzbarkeit, wäre eine Aufklärung der Werthaltigkeit der Fläche unumgänglich; denn allein mit der geringeren Größe ließe sich seine Eignung als Surrogat nicht bezweifeln, weil es sich dabei nur um einen der vom Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats genannten Faktoren handelt, aus denen sich die Vergleichbarkeit ergibt (Urteil vom 26. April 2007 - BVerwG 3 C 14.06 - BVerwGE 128, 351 Rn. 21 f. = Buchholz 428.2 § 8 VZOG Nr. 8).

6 Die Kausalität des Verfahrensmangels lässt sich schließlich nicht damit in Abrede stellen, dass das Verwaltungsgericht die Tauglichkeit des vorgelegten Bebauungsplans zur Bestimmung der baulichen Nutzbarkeit bezweifelt hat, weil er bereits 10 Jahre alt sei. Abgesehen davon, dass das Alter eines Bebauungsplans allein nichts über seine Gültigkeit aussagt, hat das Verwaltungsgericht trotz seiner Vorbehalte die Festsetzungen dieses Plans - wenn auch fehlerhaft - zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.

7 Der Senat nimmt den geschehenen Verfahrensfehler zum Anlass, dass angegriffene Urteil nach § 133 Abs. 6 VwGO aufzuheben und den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen; denn die von der Beklagten neben ihrer Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erhobene Grundsatzrüge rechtfertigt nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens.