Beschluss vom 29.07.2013 -
BVerwG 3 B 77.12ECLI:DE:BVerwG:2013:290713B3B77.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.07.2013 - 3 B 77.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:290713B3B77.12.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 77.12

  • VG Magdeburg - 03.07.2012 - AZ: VG 5 A 289/11 MD

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juli 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 3. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger begehrt seine berufliche Rehabilitierung für die Zeit von Juni 1984 bis Oktober 1990.

2 Nach einer Ausbildung zum Bilanzbuchhalter war er ab 1970 beim VEB Magdeburger Armaturen Werke „Karl Marx“ tätig, ab 1975 bei dem VEB Stahlgießerei „Wilhelm Pieck“ in Magdeburg, dort zunächst als Abteilungsleiter Buchhaltung, seit 1976 als stellvertretender Hauptbuchhalter und dann als „Reservekader“ für die Funktion als Hauptbuchhalter. 1984 wurde er befristet zum Hauptbuchhalter berufen, ab 1985 zum Abteilungsleiter Buchhaltung und Organisator der EDV. Anfang 1987 wechselte er als Hauptbuchhalter an den VEB Magdeburger Pumpenfabrik, bat dort um Abberufung und arbeitete ab November 1989 als Bewachungskraft beim Hauptpostamt Magdeburg und als Transportarbeiter beim VEB Magdeburger Oberbekleidung. Seinen 2009 gestellten Antrag auf berufliche Rehabilitierung begründete er damit, dass er ab 1984 wiederholt für Finanzmanipulationen und Bilanzfälschungen verantwortlich gemacht worden sei, die andere begangen hätten. Er habe deshalb in seinem erlernten Beruf nicht Fuß fassen können, sei disziplinarisch zur Rechenschaft gezogen und Verfolgungsmaßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) ausgesetzt gewesen. Dadurch sei er gezwungen gewesen, berufsfremde Arbeiten minderer Qualität mit einem geringeren Einkommen auszuüben.

3 Der Antrag hatte im Verwaltungs- und im Klageverfahren keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht führte zur Begründung der Klageabweisung im Wesentlichen aus, der Kläger sei von 1984 bis November 1989 weder arbeitslos gewesen noch beruflich abgestiegen. Ein beruflicher und sozialer Abstieg sei erst nach Oktober 1989 festzustellen. Dies gehe jedoch darauf zurück, dass sich der Kläger den Anforderungen seiner Tätigkeit als Hauptbuchhalter nicht mehr gewachsen gefühlt habe. Auch wenn seine psychischen Probleme wahrscheinlich durch berufliche Repressionen mitverursacht worden seien, sei nicht erwiesen, dass dies auf politische Verfolgung zurückgehe. Eine feindliche Einstellung des MfS ihm gegenüber könne nicht festgestellt werden. In den Unterlagen des MfS, dem der Kläger ein Zimmer für die Nutzung zu konspirativen Zwecken überlassen habe, finde sich kein Hinweis, dass der Kläger als Abweichler betrachtet worden sei; vielmehr sei er sogar irrig als SED-Mitglied bezeichnet worden.

4 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Soweit der Kläger sich allgemein gegen die Richtigkeit des angegriffenen Urteils und der darin getroffenen Feststellungen wendet, unterlässt er es, einen der in § 132 Abs. 2 VwGO genannte Gründe zu bezeichnen, aus denen allein die Revision zugelassen werden kann. Aber auch, soweit er den aus seiner Sicht „eigentlichen“ Revisionsgrund anspricht und sich sinngemäß auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft, ergibt sich aus seinen Ausführungen keine Rechtsfrage, welche die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen kann.

5 1. Der Kläger macht zur Begründung seiner Beschwerde geltend, das Verwaltungsgericht habe die Bedeutung verkannt, welche die jahrelangen beruflichen Auseinandersetzungen, falschen Verdächtigungen und Beschuldigungen auf seine berufliche Entwicklung gehabt hätten. Auch wenn sich die Zermürbung erst Ende 1989 in einem beruflichen Abstieg ausgewirkt habe, habe dieser doch bereits Ende 1984 begonnen. Schon der Wechsel in die Funktion als Abteilungsleiter Buchhaltung und Organisator der EDV sei ein Abstieg gewesen. Die Tätigkeit als Hauptbuchhalter von Anfang 1987 bis Oktober 1989 sei keine berufliche Rehabilitierung gewesen, weil das Pumpenwerk einen ökonomisch deutlich geringeren Stellenwert gehabt habe. Soweit das Verwaltungsgericht seine Zusammenarbeit mit dem MfS kritisch bewerte, habe es übersehen, dass es ihm, dem Kläger, nur darum gegangen sei, Beweismaterial zu beschaffen, das ihn vom unberechtigten Vorwurf der Bilanzfälschung reinwasche. Die Kernfrage des Rechtsstreits, die auch den eigentlichen Revisionsgrund ausmache, habe das Verwaltungsgericht nur am Rand behandelt. Es sei zu klären, ob sich eine politische Verfolgung allein daraus ableiten lasse, dass er sich als Nichtparteimitglied zum Zeitpunkt des Vorwurfs der Bilanzfälschung gegenüber seinem Anstellungsträger in einer schwächeren Position befunden habe als Mitglieder der SED oder einer Blockpartei. Es entspreche seiner Erfahrung im beruflichen Umfeld, dass Nichtmitglieder der SED allein deshalb ausgegrenzt und schutzlos gewesen seien. Zum Beweis könnte das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden.

6 2. Mit diesem Vortrag bewertet der Kläger die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Tatsachen abweichend vom Verwaltungsgericht und beanstandet im Wesentlichen die sachliche Richtigkeit des Urteils. Damit sind Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung oder bei der Rechtsanwendung geltend gemacht, die, selbst wenn sie vorliegen, für sich gesehen von vornherein keinen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO ergeben; einen solchen bezeichnet der Kläger in diesem Zusammenhang auch nicht. Dass ein Verfahrensfehler in Betracht kommt, weil die tatsächliche Würdigung auf einem Verstoß gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze beruht oder sonst objektiv willkürlich ist, ist nicht ersichtlich.

7 3. Die sinngemäß geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung setzt die Formulierung einer fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und geboten erscheint. Die vom Kläger formulierte „Kernfrage“, ob die schwächere Stellung, die er als Nicht-Parteimitglied gegenüber beruflichen Vorwürfen hatte, als politische Verfolgung anzusehen ist, geht von Benachteiligungen aus, die das Verwaltungsgericht gerade nicht festgestellt hat. Dies gesteht der Kläger selbst zu, wenn er sich dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht diesen Nachteilen nicht in der gebotenen Weise nachgegangen sei. Das vermeintliche Aufklärungsdefizit führt der Kläger darauf zurück, dass das Verwaltungsgericht in einer solchen Benachteiligung von Nicht-Parteimitgliedern keine politische Verfolgung gesehen habe. Dafür geben jedoch die Gründe des Urteils nichts her. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr ausdrücklich festgestellt, dass es keine Hinweise dafür gebe, dass der Kläger als Abweichler Repressionen ausgesetzt gewesen sei oder ihm die mangelnde Mitgliedschaft in der SED geschadet habe. Die vom Kläger aufgeworfene Grundsatzfrage würde sich daher ausgehend von diesen nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellungen in einem Revisionsverfahren von vornherein nicht stellen, sodass offen bleiben kann, ob sie überhaupt fallübergreifend beantwortet werden könnte.

8 Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.