Beschluss vom 29.10.2003 -
BVerwG 6 B 63.03ECLI:DE:BVerwG:2003:291003B6B63.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.10.2003 - 6 B 63.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:291003B6B63.03.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 63.03

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 13.08.2003 - AZ: OVG 3 LB 83/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Oktober 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H a h n und Dr. G r a u l i c h
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. August 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 14 725 € festgesetzt.

1. Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
a) Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung von der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte ist nicht gegeben. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist. Dabei müssen die Rechtssätze sich grundsätzlich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Daran fehlt es.
Die Beklagte macht geltend, der angefochtene Beschluss weiche von einem in dem Urteil vom 16. Oktober 1984 - BVerwG 9 C 453/82 - (Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 144 = NJW 1985, 1178) aufgestellten Rechtssatz ab. Sie legt indessen nicht in der erforderlichen Weise einander widersprechende Rechtssätze dar. In dem Urteil vom 16. Oktober 1984 befasst sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen sich der damalige Prozessbevollmächtigte ein Verschulden eines angestellten Rechtsanwalts zurechnen lassen muss, der nicht prozessbevollmächtigt war. Der aus dem genannten Urteil abzuleitende Rechtssatz geht dahin, dass angestellte Rechtsanwälte nur dann als Vertreter eines Prozessbeteiligten im Sinne des § 85 ZPO angesehen werden können, wenn sie von dem Prozessbevollmächtigten mit der selbständigen Bearbeitung eines Rechtsstreits betraut worden sind. Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht unter den Umständen des damaligen Falles ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten, das in der Bitte an den angestellten Rechtsanwalt, eine Rechtsmittelschrift in den Nachtbriefkasten des Gerichts zu werfen, verneint, weil auf den bevorstehenden Fristablauf ausdrücklich hingewiesen worden war. Die Beklagte legt nicht dar, dass das Berufungsgericht davon mit einem abstrakten Rechtssatz abgewichen ist. Das ist auch nicht der Fall. Denn hier lag ein anderer Geschehensablauf vor, so dass das Oberverwaltungsgericht sich nicht in Widerspruch zu dem angeführten Urteil setzen konnte. Rechtsanwalt J., dem die Bedienung des Fax-Gerätes zur Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift anvertraut gewesen sein soll, war schon im Zeitpunkt der Berufungseinlegung auf dem Briefkopf der Prozessbevollmächtigten der Beklagten als Rechtsanwalt mit dem Interessenschwerpunkt Verwaltungsrecht aufgeführt und erschien daher nach außen als Prozessbevollmächtigter. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Bedienung eines Fax-Gerätes steht zudem der Bitte um Einwurf eines Schriftsatzes in einen Nachtbriefkasten nicht zwangsläufig gleich. Außerdem verweist das Oberverwaltungsgericht auf Besonderheiten, etwa hinsichtlich der Arbeitsbelastung des Rechtsanwalts J.
Von alledem abgesehen, beruht der angefochtene Beschluss nicht auf den Erwägungen zum Verschulden des Rechtsanwalts Dr. K. im Zusammenhang mit der Bitte an Rechtsanwalt J. um Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift per Fax. Denn nach den Ausführungen des Berufungsgerichts (BA S. 4) war dem Wiedereinsetzungsgesuch bereits deshalb der Erfolg zu versagen, weil die Beklagte die zur Begründung des Gesuchs angeführten Tatsachen nicht glaubhaft gemacht hatte, insbesondere hinsichtlich des Vorbringens, die Niederschrift der Berufungsbegründung sei bereits am 5. September 2002 erfolgt, obwohl der Schriftsatz das Datum des 6. September 2002 aufweise. Diese Erwägung trägt die Entscheidung selbständig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte meint, diesem Umstand dürfe "keine Bedeutung beigemessen werden". Entscheidend ist allein, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung darauf gestützt hat und die Beklagte insoweit einen Revisionszulassungsgrund nicht geltend macht.
b) Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Die Beklagte führt aus, infolge der Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei ihr rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) versagt und ihr "Rechtsweganspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt" worden. Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Wenn die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht glaubhaft gemacht worden waren, wie das Berufungsgericht angenommen hat, ist der Wiedereinsetzungsantrag mit Recht abgelehnt worden.
2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 14, 13 Abs. 2 GKG.