Beschluss vom 30.01.2002 -
BVerwG 4 BN 6.02ECLI:DE:BVerwG:2002:300102B4BN6.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.01.2002 - 4 BN 6.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:300102B4BN6.02.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 6.02

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 17.05.2001 - AZ: OVG 1 K 7/99

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Januar 2002
durch den Vorsitzenden Richter Dr. P a e t o w
und die Richter Dr. L e m m e l und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 564,59 Euro (früher: 50 000 DM) festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.
1. Ob die zum Begriff des allgemeinen Wohngebiets erhobene Grundsatzrüge den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt, ist zweifelhaft. Eine konkrete Rechtsfrage wird in der Beschwerde nicht formuliert. Aus dem Beschwerdevortrag lässt sich allerdings entnehmen, dass es dem Beschwerdeführer vornehmlich um die Frage geht, ob bei der planungsrechtlichen Einordnung eines vorhandenen Baubestandes als allgemeines Wohngebiet "im Falle einer Divergenz von tatsächlicher Nutzung einerseits und vorhandenem Gebäudebestand mit (auch) anderweitiger objektiver Zweckbestimmung andererseits" auf die tatsächliche Nutzung oder auf den vorhandenen Gebäudebestand abzustellen ist.
Auch eine solche Frage rechtfertigt jedoch die Zulassung der Revision nicht. Denn sie ist im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich. Das Normenkontrollgericht geht davon aus, dass eine fehlerhafte planungsrechtliche Beurteilung des "überplanten" Bestandes zu einem Abwägungsfehler führen kann. Es führt dann jedoch weiter aus, dass ein - unterstellter - Abwägungsmangel hier gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB unbeachtlich wäre, weil er weder offensichtlich noch ergebnisrelevant wäre (Urteil, S. 13). Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt her kommt es auf die gestellte Grundsatzfrage nicht an.
Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt, dass es für die Bestimmung des Charakters eines Baugebiets gemäß § 34 BauGB auf die Prägung durch die tatsächliche Bebauung u n d deren Nutzung ankommt. Eine ursprünglich vorhandene Prägung der näheren Umgebung kann zwar noch für eine gewisse Zeit nach Aufgabe der Nutzung nachwirken. Hingegen verliert eine tatsächlich beendete bauliche Nutzung ihre den Rahmen für die Beurteilung nach § 34 BauGB mitbestimmende Kraft, wenn sie endgültig aufgegeben worden ist und nach der Verkehrsauffassung mit ihr nicht mehr gerechnet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1988 - BVerwG 4 CB 12.88 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG/BauGB Nr. 126 = BRS 48 Nr. 137, m.w.N.). Daraus folgt, dass Gebäude, die für landwirtschaftliche Zwecke errichtet worden sind (z.B. Ställe und Scheunen), ihre prägende Kraft als der Landwirtschaft dienende Baulichkeiten verlieren, wenn sie mehrere Jahre lang leer stehen oder anderweitig genutzt werden. Hiervon ist das Normenkontrollgericht zutreffend ausgegangen.
2. Soweit die Beschwerde eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend macht, ist sie unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes genügt. Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die mangelhafte Erforschung des Sachverhalts durch das Tatsachengericht gerügt, so ist substantiiert darzulegen, entweder welche Beweise angetreten worden sind oder welche Ermittlungen sich dem Gericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären und welches Ergebnis von einer entsprechenden Beweisaufnahme zu erwarten gewesen wäre. In der Beschwerdebegründung wird lediglich vorgetragen, das Normenkontrollgericht habe sich auf eine Ortsbesichtigung mit Feststellungen der zur Zeit der Ortsbesichtigung gegebenen Verhältnisse beschränkt. Es sei aber nicht der Frage nachgegangen, welche Grundstücke im Zeitpunkt der Planaufstellung wohngebietswidrig genutzt worden seien; tatsächlich seien damals noch mehrere andere Grundstücke landwirtschaftlich genutzt worden. Dieser Vortrag reicht nicht aus. Die Beschwerde legt nicht dar, auf welche Weise das Normenkontrollgericht die vermissten tatsächlichen Feststellungen hätte treffen sollen; und sie legt vor allem nicht dar, weshalb sich dem Normenkontrollgericht die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger nach Durchführung der Ortsbesichtigung offenbar keine weiteren Beweisanträge gestellt hat. Die Rüge, dass der Sachverhalt nicht von Amts wegen erschöpfend geklärt sei, kann nicht dazu dienen, Beweisanträge zu ersetzen, welche die Partei selbst zumutbarer Weise stellen konnte, aber zu stellen unterlassen hat.
Im Übrigen dürfte auch diese Rüge unbeachtlich sein, weil das Normenkontrollgericht in seiner alternativen Begründung einen Abwägungsmangel unterstellt hat, ihm jedoch gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB keine Bedeutung beigemessen hat. Da die Beschwerde insoweit keine Rügen erhebt, dürfte es auch auf den geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ankommen.
3. Die Rüge, das Urteil gelte als nicht mit schriftlichen Gründen versehen, weil es erst nach mehr als fünf Monaten nach der mündlichen Verhandlung zugestellt worden sei, ist unbegründet. Nach dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 - (BVerwGE 92, 367) ist ein bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, wenn es nicht binnen fünf Monaten schriftlich niedergelegt, von den Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden ist. Maßgeblich ist also nicht die Zustellung an die Verfahrensbeteiligten, sondern die Übergabe an die Geschäftsstelle. Die hierfür geltende Fünf-Monats-Frist hat das Normenkontrollgericht eingehalten; das am 17. Mai 2001 verkündete Urteil ist ausweislich des Vermerks auf dem Original (GA, Bl. 141) am 17. Oktober 2001 bei der Geschäftsstelle eingegangen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 GKG fest.