Beschluss vom 30.01.2003 -
BVerwG 1 VR 4.02ECLI:DE:BVerwG:2003:300103B1VR4.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.01.2003 - 1 VR 4.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:300103B1VR4.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 VR 4.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 07.08.2001 - AZ: OVG 18 A 2065/96

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Januar 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z - H ö f e r , den Richter am Bundesverwaltungs-
gericht R i c h t e r und die Richterin am Bundes-
verwaltungsgericht B e c k
beschlossen:

  1. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen seine Ausweisung in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 8. September 1992 wird wieder hergestellt.
  2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf 2 000 € festgesetzt.

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Ausweisungsverfügung des Antragsgegners vom 8. September 1992 wieder herzustellen, ist zulässig. Das Bundesverwaltungsgericht, bei dem das Revisionsverfahren hinsichtlich der streitigen Ausweisungsverfügung anhängig ist, ist als Gericht der Hauptsache gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO berufen, über diesen Antrag zu entscheiden.
Der Antrag ist auch begründet. Bei der hier gebotenen Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens in Deutschland zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse daran, dass der ausreisepflichtige Antragsteller das Bundesgebiet (vorläufig) verlässt, kommt dem Interesse des Antragstellers gegenwärtig Vorrang zu. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zur Klärung der Fragen zugelassen, welcher Zeitpunkt nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben für die Beurteilung einer Ausweisungsverfügung, die einen türkischen Staatsangehörigen mit vom Berufungsgericht unterstelltem assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrecht betrifft, durch die Gerichte maßgeblich ist und unter welchen Voraussetzungen insbesondere eine positive Entwicklung des Ausländers nach der letzten Behördenentscheidung zu berücksichtigen ist. Damit ist derzeit offen, ob die Ausweisung des Antragstellers rechtlich Bestand haben wird. Die angefochtene Ausweisungsverfügung ist inzwischen jedenfalls nicht mehr offensichtlich rechtmäßig. Erweist sie sich nachträglich als rechtswidrig, so wären insbesondere die familiären Belange des Antragstellers, der sich seit 1976 in Deutschland aufhält und dessen Kinder und Eltern in Deutschland leben, durch eine erzwungene Ausreise bzw. Abschiebung aus dem Bundesgebiet in schwerwiegender Weise verletzt. Der Antragsteller befindet sich seit Oktober 1998 nicht mehr in Haft. Die zur Bewährung ausgesetzte Restfreiheitsstrafe aus dem Strafurteil vom 7. Oktober 1991 ist ihm nach Ablauf der Bewährungszeit im Dezember 2002 erlassen worden. Der Antragsgegner macht im vorliegenden Verfahren nicht geltend, es sei nach wie vor zu besorgen, dass der Antragsteller erneut straffällig werde. Unter diesen Umständen fallen inzwischen die gegen die weitere Anwesenheit des Antragstellers sprechenden öffentlichen Belange nicht mehr so erheblich ins Gewicht, dass ihnen der Vorrang vor den Interessen des Antragstellers gebührt.
Der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich der in der Verfügung des Antragsgegners vom 8. September 1992 enthaltenen Abschiebungsandrohung bedarf es nicht. Das Berufungsgericht hat im Berufungsurteil überzeugend dargestellt, dass diese Abschiebungsandrohung inzwischen gegenstandslos ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 GKG.