Beschluss vom 30.01.2006 -
BVerwG 7 B 3.06ECLI:DE:BVerwG:2006:300106B7B3.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.01.2006 - 7 B 3.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:300106B7B3.06.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 3.06

  • VG Berlin - 04.08.2005 - AZ: VG 22 A 540/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Januar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und G u t t e n b e r g e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom
  2. 4. August 2005 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 161 670 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger beansprucht die Rückübertragung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks, das nach seinem im Oktober 1980 eingetragenen Erwerb vier Monate später auf der Grundlage eines von ihm und seiner Ehefrau erklärten Eigentumsverzichts in Volkseigentum überführt wurde. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, weil der Kläger nicht habe nachweisen können, dass er durch staatliche Stellen zum unentgeltlichen Verzicht auf das Grundstückseigentum genötigt worden sei. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Die Beschwerde ist nicht wegen der geltend gemachten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO); denn diese liegen nicht vor. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe seine Pflicht zur Erörterung der Streitsache in der mündlichen Verhandlung (§ 104 Abs. 1 VwGO) verletzt, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht war nicht verpflichtet, die bei der Zeugenvernehmung zutage getretenen Widersprüche zum bisherigen Klagevorbringen im Einzelnen "aufzuklären oder richtig zu stellen", wie die Beschwerde meint. Die Bewertung derartiger Ungereimtheiten ist Sache der Beweiswürdigung und damit Gegenstand der Entscheidungsgründe (§ 108 Abs. 1 VwGO). Dass dem anwaltlich vertretenen Kläger keine Gelegenheit gegeben worden wäre, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern (§ 108 Abs. 2 VwGO), behauptet die Beschwerde nicht. Dafür ist nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung und die Beweisaufnahme auch nichts ersichtlich.

3 Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen die gerichtliche Pflicht zur Sachaufklärung vor (§ 86 Abs. 1 VwGO). Eine Vernehmung der Verkäufer des Grundstücks als Zeugen musste sich dem Verwaltungsgericht schon deshalb nicht aufdrängen, weil der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag gestellt hat. Abgesehen davon hatte das Verwaltungsgericht keinen Anlass zu der Annahme, dass eine Vernehmung der Verkäufer als Zeugen Erkenntnisse erbracht hätte, die über deren Angaben in ihrem Rückübertragungsverfahren hinausgingen. Für das Verwaltungsgericht war nicht entscheidungserheblich, aus welchen Gründen die Rechtsvorgänger des Klägers ihr Grundstück verkauft hatten. Gleiches gilt für die Behauptung des Klägers, dass er an die Verkäufer Schwarzgeld gezahlt habe. Die Behauptung der Verkäufer, der Kläger sei beim Kauf des Grundstücks als Strohmann für das Ministerium für Staatssicherheit aufgetreten, hat das Verwaltungsgericht zwar als Indiz für Zweifel am Wahrheitsgehalt des Klagevorbringens angesehen. Abgesehen davon aber, dass diese Behauptung nur eines von mehreren Indizien war, die den Wahrheitsgehalt der Darstellung des Klägers nach Auffassung des Gerichts in Frage stellten, war dem Kläger das Strohmann-Vorbringen der Verkäufer durch Übersendung der einschlägigen Verwaltungsvorgänge bereits im Klageverfahren bekannt geworden. Es wäre daher seine Sache gewesen, einen Beweisantrag auf Vernehmung der Grundstücksverkäufer zu stellen. Die Versäumung dieses Antrags lässt sich mit einer Aufklärungsrüge im Rahmen des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht wettmachen.

4 Unbegründet ist die Beschwerde auch, soweit sie sinngemäß eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht (§ 108 Abs. 2 VwGO). Der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen des Klägers auseinander gesetzt, wonach auch einem Strohmann Rückübertragungsansprüche zugebilligt werden könnten, geht schon deshalb ins Leere, weil das von der Beschwerde angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2000 - BVerwG 3 C 15.99 - die Wirksamkeit eines Strohmannkaufs und nicht die hier in Rede stehende Frage betrifft, ob ein Verzicht auf dergestalt erworbenes Grundstückseigentum auf unlauteren Machenschaften beruhte. Nicht entscheidungserheblich war für das Verwaltungsgericht auch, ob der Verkauf des Grundstücks durch den Kläger an das MfS formgerecht vorgenommen wurde; da der Kläger mit dem geltend gemachten Rückübertragungsanspruch von einem wirksamen Verkauf ausging, hatte das Verwaltungsgericht keinen Anlass, sich mit den Rechtsfolgen einer möglichen Unwirksamkeit des Verkaufs auseinander zu setzen. Mit dem Einwand der Beschwerde gegen die vermeintlich unrichtige Annahme des Verwaltungsgerichts, das Eigentum an zwei Wohnhäusern sei DDR-Bürgern durch eine rechtswirksame gesetzliche Bestimmung untersagt gewesen, wird kein Verfahrensfehler, sondern ein materieller Mangel geltend gemacht, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt.

5 Soweit die Beschwerde bemängelt, dem Verwaltungsgericht hätte sich aufdrängen müssen, dass keine staatliche Stelle der DDR ihren eigenen Strohmann enteignet hätte, wie es in Bezug auf den Malerbetrieb des Klägers geschehen sei, greift sie der Sache nach die Überzeugungsbildung des Gerichts als denkfehlerhaft an. Die Rüge ist unbegründet, weil das Vorbringen keinen Verstoß gegen die Denkgesetze ergibt. Ein solcher liegt nicht schon dann vor, wenn das Gericht einen fern liegenden Schluss gezogen hat. Denkfehlerhaft ist nur ein Schluss, der aus logischen Gründen schlechthin unmöglich ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist weder dargetan noch ersichtlich. Ähnliches gilt für das Vorbringen der Beschwerde, wonach es unwahrscheinlich sei, dass ein für das MfS tätiger Strohmann bei der Enteignung seines Betriebs nicht als Mitarbeiter übernommen worden wäre. In Bezug auf die Enteignung des Betriebs war das Verwaltungsgericht nicht aus logischen Gründen an der Annahme gehindert, der Kläger könne bei dem Grundstücksverkauf als Strohmann tätig gewesen sein.

6 Das Vorbringen der Beschwerde zur angeblichen Verfassungswidrigkeit der Rechtswegbeschränkung im Vermögensrecht (§ 37 Abs. 2 VermG) führt nicht zur Zulassung der Rechtssache wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Insbesondere werden Antragsteller nach dem Vermögensgesetz gegenüber Antragstellern nach dem Lastenausgleichsgesetz, dem Bundesrückerstattungsgesetz und dem Bundesentschädigungsgesetz in der Rechtswegfrage nicht sachwidrig benachteiligt. Das folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber des Vermögensgesetzes mit Blick auf die gesetzliche Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG den Ausschluss der Berufung und der Beschwerde vorsehen durfte, um die Verfahren zu beschleunigen und damit die Beeinträchtigung des Grundstücksverkehrs durch angemeldete Restitutionsansprüche zu begrenzen. Eine derartige Verfügungssperre gab es weder im Rückerstattungsrecht noch in den beiden anderen Rechtsgebieten, die überdies keine Rückübertragung von Grundstücken regelten und infolgedessen kein Hindernis für den Grundstücksverkehr begründeten. Auch Art. 19 Abs. 4 GG begründet keinen Anspruch auf mehrere Gerichtsinstanzen.

7 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.