Beschluss vom 30.05.2007 -
BVerwG 8 B 89.06ECLI:DE:BVerwG:2007:300507B8B89.06.0

Beschluss

BVerwG 8 B 89.06

  • VG Potsdam - 19.04.2006 - AZ: VG 6 K 148/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Mai 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 19. April 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 191 350 € (entspricht 374 250 DM) festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Beschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.

2 Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Beschwerde hat keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht aufgeworfen. Die Beschwerde stellt zunächst die Frage,
„ob eine Nutzung des Restitutionsgrundstücks, die zwar an eine seinerzeit mit erheblichem baulichen Aufwand im Sinne von § 5 Abs. 1a VermG herbeigeführte Nutzungsänderung anknüpft, aber auf den seinerzeitigen bzw. auf den bis zum 29.09.1990 getätigten baulichen Aufwand nicht mehr zugreift bzw. nicht mehr zugreifen kann, den Tatbestand des § 5 Abs. 1a VermG erfüllt.“

3 Diese Frage wird sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen. Denn nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die mit wirksamen Verfahrensrügen nicht angegriffen sind, werden die auf dem streitbefangenen Grundstück befindlichen Anlagen der Energieversorgung nach wie vor genutzt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die Verfahrensbevollmächtigte der Beigeladenen unter Vorlage einer topografischen Netzübersicht und verschiedener Fotografien betreffend die Gebäude, Nebenanlagen und die in den Gebäuden enthaltenen technischen Einrichtungen erklärt, dass das Umspannwerk Potsdam-Zentrum Bestandteil des 110 KV-Ringes sei. Die 110 KV-Leitungen kämen auf dem dem streitgegenständlichen Grundstück gegenüberliegendem Grundstück an, auf dem sich die 110 KV-Schaltanlage mit den entsprechenden Transformatoren befände. Dort würden die 110 KV auf 10 KV heruntertransformiert. Wörtlich heißt es weiter: „Die 10 KV werden mittels unterirdischen Leitungen auf das streitgegenständliche Grundstück geleitet, und zwar in die dort befindliche 10 KV-Schaltanlage. Von dieser Schaltanlage aus wird der Bereich nördlich der Havel, das heißt die direkte Innenstadt, die Berliner- und die Nauener Vorstadt versorgt“. „Die unmittelbar hinter den Schalttoren gelegenen Räume werden zurzeit nicht genutzt. Es ist aber geplant, die 110 KV-Transformatoren, die sich gegenwärtig auf dem gegenüberliegenden Grundstück befinden, dort einzubauen“. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist das auf dem streitbefangenen Grundstück befindliche Umspannwerk bis heute in Betrieb (UA S. 2). Weiterhin hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass auf dem streitbefangenen Grundstück Gebäude errichtet sind, „in denen sich eine Schaltanlage, der Betriebshof des Meisterbetriebs TF mit Garagen, Werkstatt und Büros befinden“ (UA S. 7). Entgegen der - im Übrigen einzelfallbezogenen - Fragestellung der Beschwerde trifft es damit nicht zu, dass die derzeitige Nutzung nicht mehr „auf dem seinerzeitigen baulichen Aufwand zugreift“.

4 Die weiterhin gestellte Frage,
„ob eine Nutzung, die in quantitativer und qualitativer Hinsicht nicht mehr der Nutzung entspricht, die seinerzeit mit erheblichem baulichen Aufwand im Sinne des § 5 Abs. 1a VermG herbeigeführt wurde, den Tatbestand des § 5 Abs. 1a VermG erfüllt“,

5 stellt keine abstrakte Rechtsfrage, sondern eine schlichte Subsumtionsfrage dar. Sie wird sich im Übrigen ebenfalls nicht in einem Revisionsverfahren stellen, da nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Nutzung der technischen Anlagen auf dem streitbefangenen Grundstück „in quantitativer und qualitativer Hinsicht“ unter Zugrundelegung des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG gleichgeblieben ist. Auf eine Änderung der Nutzung in „quantitativer und qualitativer Hinsicht“ stellt im Übrigen die Regelung in § 5 Abs. 1Buchst. a VermG gar nicht ab. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Rückübertragung des Eigentums an einem Grundstück dann ausgeschlossen, wenn Grundstücke und Gebäude unter erheblichem baulichen Aufwand in ihrer Nutzungsart oder Zweckbestimmung verändert wurden und ein öffentliches Interesse an dieser Nutzung besteht. Dieser Regelung des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG liegt ebenso wie den übrigen Restitutionsausschlusstatbeständen in § 5 Abs. 1 VermG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, bestimmte tatsächliche oder rechtliche Veränderungen der Nutzungsart oder Zweckbestimmung eines entzogenen Grundstücks oder Gebäudes, an deren Aufrechterhaltung ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, nicht durch die Wiederbegründung der früheren Eigentumsverhältnisse in Frage zu stellen. Geschützt wird dabei der hierfür betriebene Aufwand, der nicht infolge einer Rückgabe nutzlos werden soll, nicht hingegen die geänderte Nutzung um ihrer selbst willen (vgl. nur Urteil vom 28. Februar 2001 - BVerwG 8 C 32.99 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 27 - diese Entscheidung hat das Verwaltungsgericht seinem Urteil ausdrücklich zugrunde gelegt).

6 Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts besteht das öffentliche Interesse am Fortbestand der geänderten Nutzung auch noch zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Das belegt ausdrücklich der Vortrag der Beigeladenen, der mit den überreichten Fotografien und dem Schaltplan untermauert wurde. Für diesen maßgeblichen Zeitpunkt war der Restitutionsausschluss weiterhin zu rechtfertigen, denn zu diesem Zeitpunkt war die Schließung der Einrichtung in keiner Weise absehbar, vielmehr war nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts von einer Fortführung der technischen Anlagen der Beigeladenen auszugehen.

7 Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auch auf etwaige Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

8 Soweit die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, so kann sie damit nicht durchdringen. Der Vorwurf unzureichender Sachaufklärung ist nur dann begründet, wenn dieser Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet wird. Das setzt voraus, dass dargelegt wird, welche Beweise angetreten worden sind oder welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären, welches mutmaßliche Ergebnis die Beweisaufnahme gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht konnte sich schon aufgrund der in der mündlichen Verhandlung überreichten Fotografien der Beigeladenen und des Übersichtsplans aber auch anhand der von der Klägerin selbst überreichten Fotografien (Anlagenkonvolut 9 Bl. 67 ff. der Gerichtsakte) und anhand der Erklärung des Beklagten vom 24. August 2001 (Bl. 98 ff. der Gerichtsakte) und der seinerseits vorgelegten Fotografien über den Bediengang mit den damals vorhandenen 30 KV-Schaltzellen (Bl. 102 ff. der Gerichtsakte) und den Fotografien über die Hofansicht und das Betriebsgebäude etc. (Bl. 108 ff.) ein Bild über die Örtlichkeit machen. Wenn die Beschwerde Zweifel an der Richtigkeit dieser fotografischen Wiedergabe gehabt haben sollte, hätte sie diese in der mündlichen Verhandlung vortragen müssen. In der mündlichen Verhandlung hat zudem die anwaltlich vertretene Klägerin keine Beweisanträge bezüglich der Örtlichkeit und des Zustandes der auf dem streitbefangenen Grundstück befindlichen technischen Anlagen gestellt.

9 Soweit die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht habe Beweisanträge der Klägerin zu Unrecht abgelehnt (§ 86 Abs. 2 VwGO), so kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Nach der für die Beurteilung von Verfahrensmängeln maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die im Übrigen mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts übereinstimmt, kam es auf die Richtigkeit der klägerischen Behauptungen nicht an. Ob die auf dem streitbefangenen Grundstück befindlichen Anlagen für die heutige Energie-/Netzversorgung der Beigeladenen unter Berücksichtigung rechtlicher und technischer Standards nicht mehr verwendbar waren oder in absehbarer Zeit nicht mehr zu verwenden waren (vgl. Beweisantrag 1 in der mündlichen Verhandlung) oder die Schaltanlagen technisch veraltet waren und nicht mehr den technischen Erfordernissen entsprachen (Beweisantrag 2) oder die heutige Schalttechnik einen erheblich geringeren Platzbedarf benötige mit der Folge, dass das vorhandene Gebäude für eine Anlage auf dem neuesten Stand der Technik nicht mehr benötigt werde (Beweisantrag 3), war von vornherein nicht entscheidungserheblich. Denn nach ständiger Rechtsprechung muss nur am Fortbestand der geänderten Nutzung ein öffentliches Interesse im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG bestehen. Wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht der Fortbestand des öffentlichen Interesses noch feststellbar ist, ist auch weiterhin der Restitutionsausschluss zu rechtfertigen. Nur wenn zu diesem Zeitpunkt die Schließung der Einrichtung absehbar ist, stehen die zur Umnutzung in der Vergangenheit getätigten erheblichen Aufwendungen der Restitution des Grundstücks nicht mehr entgegen (vgl. Urteil vom 2. Mai 1996 - BVerwG 7 C 16.95 - Buchholz 428 § 12 InVorG Nr. 7). Von einer solchen Schließung der Einrichtung konnte nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und dem gesamten Akteninhalt aber nicht die Rede sein. Ob daher die Anlage noch dem Stand der neuesten Technik entsprach oder nicht, war von vornherein belanglos.

10 Auch dem weiteren Beweisantrag der Klägerin bezüglich der Investitionsstrategie der Beigeladenen unter Berücksichtigung der angewandten Technik und der allgemein technischen Entwicklung und vergleichbarer Anlagen von anderen Kommunen und die dadurch bedingte Inanspruchnahme wesentlich kleinerer Gebäude und Grundstücke ist im Hinblick auf die genannte Rechtsprechung ohne Bedeutung. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber den Restitutionsausschluss nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG von der Erfüllung besonderer baulicher Anforderungen abhängig gemacht hat. Er wollte mit dieser Vorschrift die Rückgabe solcher Vermögenswerte ausschließen, an deren geänderter Nutzung gerade wegen der baulichen Investition ein gesteigertes öffentliches Interesse besteht. Die Weiterführung öffentlicher Einrichtungen soll nicht durch die Rückgabe der von ihnen genutzten Anwesen gefährdet werden, wenn diese bereits eine entsprechende bauliche Prägung erfahren haben. Auf ein besonderes Gewicht des öffentlichen Nutzungsinteresses oder die Möglichkeit das öffentliche Interesse auf einem anderen Grundstück zu verwirklichen, kommt es daher nicht an (vgl. Urteil vom 28. Februar 2001 - BVerwG 8 C 32.99 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 27).

11 Auch etwaige Verfahrensmängel bezüglich einer unterlassenen Tatsachenermittlung im Hinblick auf eine Teilrestitution greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat nach seinen tatsächlichen Feststellungen (UA S. 9) die Teilbarkeit der streitigen Fläche verneint, da sonst die im öffentlichen Interesse liegende Nutzung beeinträchtigt würde und die Prägung des streitbefangenen Grundstücks durch die der Stromversorgung dienenden Gebäude wie Schaltanlage, Betriebshof, Garagen, Bürogebäude etc. beeinträchtigt würde. Hiergegen hat die Beschwerde keine ordnungsgemäß bezeichnete Sachverhaltsaufklärungsrüge vorbringen können, denn sie hat nicht dargelegt, dass insoweit ein bestimmter Beweis angetreten worden ist, welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht hätten insoweit aufdrängen müssen, welche Beweismittel insoweit in Betracht gekommen wären und welches mutmaßliche Ergebnis die Beweisaufnahme gehabt hätte. Auf einen - vom Kläger behaupteten - erheblich geringeren Platzbedarf bei einer Nutzung der heutigen Schalttechnik, die dazu führe, dass das vorhandene Gebäude für die Anlage nicht mehr benötigt werde (vgl. Beweisantrag 3, Bl. 296 f. der Gerichtsakte), kommt es , wie bereits dargelegt, nicht entscheidend an. Maßgeblich ist regelmäßig allein die tatsächlich genutzte Schalttechnik, die auch auf absehbare Zeit weiterhin genutzt werden soll.

12 Soweit die Beschwerde meint, das angegriffene Urteil sei nicht innerhalb der Frist von fünf Monaten nach der Verkündung (vgl. Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 - BVerwGE 92, 367) abgefasst worden, widerspricht sie sich selbst, da sie zwei Sätze später darauf hinweist, dass „in der Tat ... diese Frist um einen Tag eingehalten“ worden sei. Zwar kann auch bei Einhaltung der Fünf-Monats-Frist ein kausaler Verfahrensmangel vorliegen, wenn sich aus den Umständen des Falles ergibt, dass infolge der verzögerten Abfassung der Urteilsgründe die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses und der für die Entscheidungsfindung leitenden Erwägungen nicht mehr gewährleistet ist (Beschluss vom 25. April 2001 - BVerwG 4 B 31.01 - Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 47). Solche Anhaltspunkte zeigt die Beschwerde aber nicht auf. Vielmehr beruft sie sich auf Verfahrensmängel, die durch die verspätete Abfassung des Urteils erheblich verstärkt worden seien.

13 Soweit die Beschwerde einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO) geltend macht, übersieht sie schon, dass der Überzeugungsgrundsatz nur beinhaltet, dass die vom Verwaltungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen und die von ihm gegebene Begründung für seine Überzeugung nach den Grundsätzen der Logik und sonstigen Denk- und Erfahrungssätzen ausreichen müssen, um diese Überzeugung zu rechtfertigen. An diese Vorgaben hat sich das Verwaltungsgericht aber gehalten.

14 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

15 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52, 72 GKG.