Beschluss vom 30.07.2002 -
BVerwG 7 B 16.02ECLI:DE:BVerwG:2002:300702B7B16.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.07.2002 - 7 B 16.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:300702B7B16.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 16.02

  • VG Berlin - 12.10.2001 - AZ: VG 31 A 18.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juli 2002
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Dr. F r a n ß e n und die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht G ö d e l und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 221 538 € (entspricht 433 290 DM) festgesetzt.

Die Klägerin begehrt die Rückübertragung des Grundstücks R. Weg 46 in Berlin-B. nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes (VermG). Das Grundstück wurde aufgrund des Gesetzes zur Entziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 (VOBl für Groß-Berlin I S. 34) durch die Bekanntmachung des Magistrats von Groß-Berlin über weitere Einziehungen (Liste 3) vom 14. November 1949 (VOBl für Groß-Berlin I S. 425) enteignet. Die Klägerin macht geltend, dass das Grundstück nicht sequestriert gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil eine Restitution nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ausgeschlossen sei; die Revision hat es nicht zugelassen.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet. Weder rechtfertigen die gerügten Verfahrensmängel die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO noch kommt der Sache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
1. Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe seine Pflicht zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO dadurch verletzt, dass es dem Antrag auf Vernehmung von Frau Dr. S. als sachverständige Zeugin nicht nachgekommen sei. Diese hatte außergerichtlich im Auftrag der Klägerin ein "Gutachten zur Akte der Magistratsverwaltung für Finanzen Liste 3 B Nr. 980 Z., E." erstellt und war darin zum Ergebnis gekommen, dass eine Beschlagnahme des Grundstücks in der vom Verwaltungsgericht beigezogenen Akte nicht dokumentiert sei.
Die Rüge greift nicht durch. Eine Vernehmung der Frau Dr. S. wäre, wenn überhaupt, nur als Sachverständige, nicht aber als (sachverständige) Zeugin in Betracht gekommen. Nach dem Antrag der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren sollte sie nicht über bestimmte Tatsachen und auch nicht über den Inhalt von Akten Auskunft geben, sondern zu ihrem bei den Akten befindlichen Gutachten und der darin vorgenommenen Bewertung gehört werden. Wenn das Verwaltungsgericht diesem Begehren nicht nachgekommen ist, liegt darin keine Verletzung seiner Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Die Würdigung der in Akten dokumentierten Verwaltungsvorgänge mit Blick darauf, ob sich aus ihnen bestimmte rechtliche Schlussfolgerungen ziehen lassen, ist eine typische Aufgabe des Richters. Dass diese Beurteilung im vorliegenden Fall eine besondere historische Sachkunde erfordert hätte, die dem Gericht nicht zur Verfügung stand, hat die Klägerin nicht dargetan; hierfür ist auch nichts ersichtlich.
Ein Anspruch der Klägerin auf Vernehmung der Frau Dr. S. ergibt sich auch nicht aus § 98 VwGO i.V.m. §§ 397, 402, 411 Abs. 3 ZPO; danach ist das Gericht verpflichtet, das Erscheinen des - vom Gericht beauftragten - Sachverständigen zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens anzuordnen, wenn ein Beteiligter dies beantragt, weil er dem Sachverständigen Fragen stellen will (Beschluss vom 13. September 1999 - BVerwG 6 B 61.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 57). Eine entsprechende Verpflichtung zur Vernehmung eines von einem Beteiligten privat beauftragten Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens besteht nicht (Beschluss vom 3. August 2001 - BVerwG 1 B 63.01 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 64).
2. Die Klägerin macht ferner sinngemäß einen Verstoß gegen Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend. Sie rügt, das Verwaltungsgericht hätte anhand der vorliegenden Beweismittel nach den Gesetzen der Logik zu dem Schluss kommen müssen, dass das Grundstück nicht sequestriert gewesen sei. Auch diese Rüge hat keinen Erfolg. Zwar scheitert sie nicht bereits daran, dass ein Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung regelmäßig dem sachlichen Recht zuzuordnen ist und deshalb grundsätzlich keinen Verfahrensmangel begründen kann (Beschluss vom 10. Oktober 2001 - BVerwG 9 BN 2.01 - Buchholz 401.65 Nr. 7 S. 11). Denn eine Beweiswürdigung unter Verstoß gegen Denkgesetze kann ausnahmsweise einen Verfahrensfehler begründen, wenn sie dem Tatsachenbereich zuzuordnen ist (Beschluss vom 3. April 1996 - BVerwG 4 B 253.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 269 S. 28). Letzteres ist hier der Fall. Die Rüge der Klägerin bezieht sich auf die tatsächliche Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass die Anordnungen der sowjetischen Militärverwaltung und die Verwaltungsvorgänge im Bereich der deutschen Dienststellen den Schluss auf eine Sequestrierung des Grundstücks zulassen. Ein Verfahrensfehler ist aber nur dann gegeben, wenn die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Denkgesetze sowie die allgemeinen Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist. Hieran fehlt es. Die Klägerin hat sich zwar allgemein auf die Gesetze der Logik berufen, aber nichts dafür vorgetragen, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der vorgenommenen Würdigung einen aus denkgesetzlichen Gründen unmöglichen Schluss gezogen hat (vgl. Beschluss vom 19. Oktober 1999 - BVerwG 9 B 407.99 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 11).
3. Die Klägerin möchte als grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geklärt wissen, ob die listenmäßige Erfassung der Vermögenswerte für eine rechtswirksame Sequestrierung - im Sinne des sowjetischen Befehls Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 - erforderlich gewesen sei. Dies rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Damit ist nicht, wie es § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, eine Frage des revisiblen Rechts formuliert, die im Interesse der Einheit oder der Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf. Sie bezeichnet keinen Klärungsbedarf, der den Inhalt und die Auslegung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG betrifft, sondern bezieht sich auf tatsächliche Voraussetzungen (Aufnahme in Sequesterlisten), die - wie sie behauptet - nach den Anordnungen und der Praxis der sowjetischen Militärverwaltung für die Annahme einer Sequestrierung vorliegen mussten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 73 Abs. 1 Satz 1 GKG.