Beschluss vom 30.09.2008 -
BVerwG 1 WB 23.08ECLI:DE:BVerwG:2008:300908B1WB23.08.0

Leitsätze:

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1. Für Streitigkeiten um die Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen Soldaten ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet.

  • Rechtsquellen
    SG § 14 Abs. 1
    BBG § 61 Abs, 2, § 62
    StGB § 77b

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.09.2008 - 1 WB 23.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:300908B1WB23.08.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 23.08

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
die ehrenamtliche Richterin Oberstabsarzt Dr. Richter und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Schäfer
am 30. September 2008 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt die Erteilung einer Aussagegenehmigung, um als Verletzter einen Strafantrag wegen Beleidigung stellen zu können.

2 Der 40-jährige Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 30. September 2022. Zum Stabsfeldwebel wurde er mit Wirkung vom 1. Juli 2007 ernannt. Der Antragsteller ist Dauerverwender im ... Seit dem 11. Februar 2008 wird er beim Amt für den ... (...-Amt) - Abteilung ... (...) - in K. verwendet; davor war er bei der Teileinheit „...“ der ...-Stelle ... in Ko. eingesetzt.

3 Am 4. September 2007 führten der Antragsteller und Oberstleutnant W. im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) die Befragung einer Frau V. als Betroffener durch.

4 Mit Schreiben vom 13. September 2007 erhob der Ehemann der Betroffenen, Herr Dr. V., wegen der Befragung vom 4. September 2007 und unter Verweis auf ein beigefügtes Telefax seiner Ehefrau vom 6. September 2007 die folgende Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Antragsteller:
„[G]egenwärtig unterzieht sich meine Ehefrau (...) einer Ü 3-Überprüfung durch den ... für einen späteren Einsatz beim ‚Zentrum ...’ (Ma.). In einer Befragung durch den ... (Stelle ... Ko.; Oberfeldwebel ..., Oberstleutnant W.[...]) wurden ihr am 04.09.2007 eine Reihe von Fragen gestellt, die meine Intim- und Privatsphäre in unvertretbarer Art und Weise verletzen. Eine genaue Schilderung des gesamten Herganges der Befragung finden Sie als Anlage. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise ich darauf.
Mir ist durchaus bewusst und einsichtig, dass die Prüfung der Stabilität von familiären Verhältnissen im Rahmen einer SÜ ein notwendiges Übel ist. Allerdings ist auch Herr Oberfeldwebel ... an die ‚Spielregeln’ gebunden, die das GG Amtsträgern wie ihm nun einmal auferlegt. Deswegen muss er dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strikt Folge leisten, der es ihm untersagt, derart anzügliche Fragen - und dann noch als Mann gegenüber einer Frau - zu stellen. Wo hat Herr ... sich denn herumgetrieben, dass er nicht über das erforderliche Taktgefühl und vor allem die Professionalität verfügt, um zu wissen, wann er die Grenzen des Anstands bei der Befragung von Frauen überschreitet?
Während ich die Ermittlung zu den familiären Verhältnissen dem Grunde nach akzeptiere, fehlt mir jedes Verständnis für die Fragen, die sich Herr ... im Fall meiner Mitgliedschaft im Bund der Freimaurer herausnimmt. Mir erschließt sich noch nicht einmal im Ansatz, warum die Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge für einen Vertreter des ... Anlass gibt, irgendwelche Rückfragen der Art, wie sie Herrn ... in den Kopf gekommen sind, zu stellen. Seine Aufgabe ist die Sammlung von Erkenntnissen über verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Bundeswehr und von Bestrebungen gegen die Bundeswehr von außen. Was geht es den ... an, ob mein Vorgesetzter davon Kenntnis hat, dass ich Freimaurer bin oder ob er dies gar selbst ist? Was verraten derartige Fragen über die Motivation und Gesinnung des Fragenden? Zu Herrn ... Gunsten will ich einmal unterstellen, dass er einfach nicht über die Bildung verfügt, um zu wissen, dass der letzte deutsche Geheimdienst, der die Freimaurerei im Rahmen der ‚weltanschaulichen Gegnererforschung’ zu seinen Beobachtungsobjekten zählte, das Reichssicherheitshauptamt war.
Insgesamt muss ich unter größtem Befremden leider feststellen, dass Herr ... sich offenbar nicht der außerordentlichen Verantwortung bewusst ist, die ihm als Angehörigen eines Nachrichtendienstes zukommt, wenn ihm erlaubt wird, in das Privat- und nicht Intimleben anderer einzudringen. Wenn er damit nicht umgehen kann, ihm dies zu Kopfe steigt und er sich noch bemüßigt fühlt, sich als ‚James Bond’ zu gerieren, er dabei aber nicht Willens oder in der Lage ist, die Grenzen einzuhalten, unter denen ihm dies ausnahmsweise gestattet wird, sollte er sich lieber einer Tätigkeit widmen, bei der er weniger Schaden anrichten kann - Versicherungen verkaufen etwa.
In Anbetracht all dieser Umstände lege ich Dienstaufsichtsbeschwerde wegen des Verhaltens von Herrn ... ein und erwarte, dass alle Daten, die Herr ... unrechtmäßig über meine Frau und mich erhoben hat, endgültig gelöscht werden. (...)“

5 Unter dem 6. Oktober 2007 wandte sich auch Frau V. mit einem Schreiben an den ..., das als Dienstaufsichtsbeschwerde gewertet wurde.

6 Mit im Wesentlichen gleichlautendem Schreiben vom 7. November 2007 beschied das ...-Amt die Dienstaufsichtsbeschwerden des Dr. V. und seiner Ehefrau. Das Amt teilte den Beschwerdeführern im Wesentlichen mit, dass der Antragsteller keine zu beanstandenden Äußerungen getätigt habe. Soweit sich die gestellten Fragen als nicht notwendig für die Sicherheitsüberprüfung erwiesen hätten, seien die jeweiligen Antworten geschwärzt worden, so dass den Beschwerdeführern keine Nachteile erwachsen könnten. Frau V. wurde außerdem mitgeteilt, dass die weitere Durchführung der Sicherheitsüberprüfung durch die nunmehr für sie regional zuständige ...-Stelle ... erfolgen werde.

7 Bereits mit Schreiben vom 5. Oktober 2007 hatte der Antragsteller beim ...-Amt eine „umfassende Aussagegenehmigung“ beantragt, weil er beabsichtige, gegen Dr. V. und Frau V. wegen der Äußerungen in der Dienstaufsichtsbeschwerde vom 13. September 2007 Strafantrag gemäß §§ 186, 187 StGB zu stellen.

8 Mit Bescheid vom 20. Dezember 2007, dem Antragsteller eröffnet am 2. Januar 2008, lehnte das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ I 7 - den Antrag ab. Dienstliche Rücksichten im Sinne von § 62 Abs. 3 BBG erforderten unabweisbar die Versagung der Aussagegenehmigung. Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 SÜG dürften die im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung gespeicherten personenbezogenen Daten nur für die Zwecke der Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung genutzt und übermittelt werden. Würde diese Vorschrift von den die Daten erhebenden Behörden nicht beachtet, wäre das Vertrauen der durch eine Sicherheitsüberprüfung betroffenen Personen in den Datenschutz zerstört. In der Folge würde dies die Gefahr eines Verlustes an Effizienz künftiger Sicherheitsüberprüfungsverfahren bedeuten. Die Verschwiegenheitspflicht des Soldaten diene dem Schutz des Staates und der informationellen Selbstbestimmung des von der dienstlichen Tätigkeit betroffenen Bürgers. Diese Interessen kollidierten mit den Rechtsschutzinteressen des Antragstellers. Eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung durch den Antragsteller sei ohne Angabe von im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeicherten personenbezogenen Daten nicht möglich. Der beabsichtigte Strafantrag wegen übler Nachrede und Verleumdung betreffe jedoch nicht Straftaten von erheblicher Bedeutung. Da somit die beabsichtigte Interessenwahrnehmung mit einem Verstoß gegen § 21 SÜG verbunden wäre, stünden der Erteilung einer umfassenden Aussagegenehmigung unabweisbare dienstliche Rücksichten entgegen.

9 Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 8. Januar 2008 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag wurde vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - zusammen mit seiner Stellungnahme vom 14. März 2008 dem Senat vorgelegt.

10 Zur Begründung seines Antrags trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die Ablehnung der Aussagegenehmigung sei nicht nachvollziehbar, weil sie bedeuten würde, dass jeder Amtsträger, der mit Befragungen im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen beauftragt sei, sich durch Dritte oder durch die betroffene Person schriftlich beleidigen lassen müsste, ohne sich hiergegen mit rechtlichen Mitteln verwahren zu können. Besonders schwerwiegend erscheine der Umstand, dass der Beschwerdeführer Dr. V. und anschließend Frau V. bewusst die Unwahrheit gesagt und schriftlich dokumentiert hätten. Seine Absicht sei es, sich mit Hilfe des Antrags auf Aussagegenehmigung gegen die schriftlich geäußerte Beleidigung durch die Eheleute V. zur Wehr zu setzen. Die beabsichtigte Interessenwahrnehmung verstoße auch nicht gegen § 21 SÜG, weil es sich bei der Dienstaufsichtsbeschwerde des Dr. V. um ein eigenständiges und somit losgelöstes Verfahren außerhalb des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes handele. Darüber hinaus solle die Grundsatzproblematik von Beleidigungen gegenüber Befragern im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung geklärt werden. Mit Schreiben vom 24. April 2008 hat der Antragsteller sich nochmals ausführlich zum Sachverhalt geäußert und die Begründung seines Antrags vertieft.

11 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

12 Der Antrag sei bereits unzulässig, weil die von dem Antragsteller begehrte strafrechtliche Ahndung nicht mehr erreicht werden könne. Da der Antragsteller bereits seit Anfang Oktober 2007 Kenntnis von der behaupteten Tat und der Person des angeblichen Täters habe, sei die dreimonatige Frist zur Stellung eines Strafantrags abgelaufen. Der Antrag sei aber auch aus den in dem ablehnenden Bescheid genannten Gründen unbegründet. Wegen der in § 21 SÜG normierten strengen Zweckbindung für die in der Sicherheitsüberprüfung erhobenen Daten würden vorliegend dienstliche Rücksichten unabweisbar die Versagung einer Aussagegenehmigung gebieten. Die Erörterung von Einzelheiten der Sicherheitsüberprüfung von Frau V. in einem strafgerichtlichen Verfahren würde im Ergebnis zu einer Nichtbeachtung des strengen Zweckbindungsgedankens des § 21 SÜG führen. Darüber hinaus wäre die Nichteinhaltung der strengen Zweckbindung geeignet, die Wahrnehmung der dem ... gesetzlich obliegenden Mitwirkungspflicht im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens ernstlich zu gefährden. Die Effektivität und Bedeutung von Befragungen als Mittel der Erkenntnisgewinnung würden durch eine öffentliche Erörterung von Einzelheiten der Befragung ernstlich gefährdet, da der das Sicherheitsüberprüfungsverfahren maßgeblich prägende Gedanke des Vertrauens zwischen Auskunftsgeber und mitwirkender Behörde durch die Behandlung in einem anderen Verfahren erkennbar ad absurdum geführt werden würde. Unbestreitbar stehe diese Bewertung in einem Spannungsverhältnis zu dem vom Antragsteller angenommenen berechtigten Interesse, auf eine Wiederherstellung seines - seiner Auffassung nach - verletzten Achtungsanspruchs hinzuwirken. Eine Abwägung beider Interessen gehe jedoch zu Lasten des Antragstellers. Die angestrebte Genugtuung vermöge das bedeutsamere und weiterreichende Interesse des Staates an einem wirksamen Verschlusssachenschutz nicht zu überwiegen.

13 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Verfahrensakte des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis C, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

14 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

15 Der Antragsteller hat keinen bestimmten Sachantrag gestellt. Sinngemäß beantragt er, den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, ihm, dem Antragsteller, eine Aussagegenehmigung zu erteilen, um gegen Herrn Dr. V. und dessen Ehefrau im Zusammenhang mit der Dienstaufsichtsbeschwerde des Dr. V. vom 13. September 2007 Strafantrag wegen Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) stellen zu können.

16 Für dieses Rechtsschutzbegehren ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet (vgl. Beschluss vom 3. Oktober 1974 - BVerwG 1 WB 1.74 - BVerwGE 46, 303 <305> = NZWehrr 1975, 104). Das Bundesverwaltungsgericht ist sachlich zuständig, weil die Aussagegenehmigung durch den - hierzu allein befugten (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SG, § 62 Abs. 4 BBG) - Bundesminister der Verteidigung versagt wurde (§ 21 Abs. 1 WBO).

17 Der Streit um die Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen Soldaten betrifft eine dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO). Der Antragsteller hat insoweit eine Verletzung seiner Rechte bzw. eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber geltend gemacht, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes (mit Ausnahme der der §§ 24, 25, 30 und 31) geregelt sind (§ 17 Abs. 1 Satz 1 WBO i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO), nämlich eine Verletzung seines Anspruchs darauf, dass ihm die Genehmigung zur Aussage in eigener Sache vor Strafverfolgungsbehörden und Gerichten nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen versagt werden darf (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SG i.V.m. § 62 Abs. 1 und 3 BBG; vgl. hierzu auch Beschluss vom 3. Oktober 1974 a.a.O. S. 305 ff.).

18 Der Antrag ist schließlich auch nicht deshalb mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil die Tat, die Gegenstand der Aussagegenehmigung ist, nicht mehr verfolgt werden kann.

19 Zwar wird eine Tat, die - wie ein Beleidigungsdelikt (siehe § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB) - nur auf Antrag verfolgbar ist, nicht verfolgt, wenn der Antragsberechtigte - hier: der Antragsteller als Verletzter (§ 77 Abs. 1 StGB) - es unterlässt, den Antrag bis zum Ablauf einer Frist von drei Monaten zu stellen (§ 77b Abs. 1 Satz 1 StGB). Die für den Beginn der Antragsfrist maßgebliche Kenntnis von der Tat und der Person des Täters (§ 77b Abs. 2 Satz 1 StGB) hatte der Antragsteller spätestens am 2. Oktober 2007, als er zu der Dienstaufsichtsbeschwerde des Dr. V. vom 13. September 2007 eine dienstliche Erklärung abgab. Ein die Strafverfolgung ausschließendes „Unterlassen“ liegt jedoch nicht vor, wenn der Antragsberechtigte aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen gehindert ist, den Strafantrag zu stellen; in diesem Fall beginnt die Frist nicht zu laufen bzw. wird eine schon in Lauf gesetzte Frist durch den Eintritt des Hindernisses gehemmt (vgl. Schmid, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Bd. 3, 12. Aufl. 2008, § 77b Rn. 12; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 77b Rn. 19, jeweils m.w.N.).

20 Vorliegend war der Antragsteller dadurch, dass er nicht über die erforderliche Aussagegenehmigung verfügte, gehindert, den Strafantrag zu stellen. Ein Soldat hat über die ihm bei seiner dienstlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SG). Er darf ohne Genehmigung über solche Angelegenheiten weder vor Gericht noch außergerichtlich - also etwa auch nicht gegenüber Polizei oder Staatsanwaltschaft - aussagen oder Erklärungen abgeben (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SG). Der Inhalt der Dienstaufsichtsbeschwerde des Dr. V. vom 13. September 2007, einschließlich der darin geschilderten oder in Bezug genommenen Vorgänge aus der Befragung von Frau V. im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung, ist eine Angelegenheit, die dem Antragsteller bei seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt geworden ist. Es ist nicht ersichtlich, auf welche Weise der Antragsteller den Gegenstand des Strafantrags hätte hinreichend bezeichnen können, ohne dabei Tatsachen, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, zu offenbaren.

21 Die Drei-Monats-Frist zur Stellung des Strafantrags beginnt deshalb erst zu laufen, wenn über den Antrag auf Erteilung der Aussagegenehmigung bestands- bzw. rechtskräftig entschieden ist. Ob etwas anderes gilt, wenn der Strafantragsberechtigte eine erforderliche Aussagegenehmigung nicht binnen angemessener Frist beantragt (insbesondere, wenn er mehr als drei Monate verstreichen lässt, nachdem er Kenntnis von der Tat und der Person des Täters erlangt hat), kann hier offenbleiben, weil der Antragsteller den Antrag auf Erteilung einer Aussagegenehmigung bereits am 5. Oktober 2007, also unmittelbar nach Kenntnis von der Dienstaufsichtsbeschwerde des Dr. V., gestellt hat.

22 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

23 Soll das Vorbringen eines Soldaten - wie hier der vom Antragsteller beabsichtigte Strafantrag - der Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen dienen, so darf die Aussagegenehmigung auch dann, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde, nur versagt werden, wenn die dienstlichen Rücksichten dies unabweisbar erfordern (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SG i.V.m. § 62 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BBG). Bei den tatbestandlichen Voraussetzungen der Versagung handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen; der zuständigen Behörde steht, wenn sie die Aussagegenehmigung versagen möchte, kein Ermessen und kein Beurteilungsspielraum zu (vgl. Beschluss vom 3. Oktober 1974 a.a.O. S. 307; vgl. ferner aus der Rechtsprechung zum Beamten- und Richterrecht Urteile vom 2. Dezember 1969 - BVerwG 6 C 138.67 - BVerwGE 34, 252 <254> = Buchholz 232 § 61 BBG Nr. 1 und vom 24. Juni 1982 - BVerwG 2 C 91.81 - BVerwGE 66, 39 <42, 44> = Buchholz 232 § 61 BBG Nr. 4; Beschluss vom 13. August 1999 - BVerwG 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 <265> = Buchholz 11 Art. 44 GG Nr. 2).

24 Danach hat das Bundesministerium der Verteidigung die Aussagegenehmigung im Ergebnis zu Recht versagt.

25 Nicht tragfähig ist allerdings die Begründung in dem Bescheid vom 20. Dezember 2007, dass dienstliche Rücksichten die Versagung unabweisbar erforderten, weil die von dem Antragsteller beabsichtigte Interessenwahrnehmung mit einem Verstoß gegen § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG verbunden sei. Zwar dürfen gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung (in Aktenform) gespeicherten personenbezogenen Daten nur für Zwecke der Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung genutzt und übermittelt werden. Ohne dass es vorliegend einer abschließenden Begriffsbestimmung bedürfte, stellen Beleidigungsdelikte wie üble Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) grundsätzlich keine „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ in Sinne dieser Vorschrift dar, sofern nicht besondere Umstände ausnahmsweise eine abweichende Bewertung rechtfertigen; dies ergibt sich aus den vergleichsweise niedrigen Strafrahmen, der Ausgestaltung als Antragsdelikte (§ 194 StGB) und der grundsätzlichen Verweisung auf den Privatklageweg (§ 374 Abs. 1 Nr. 2, § 376 StPO). Die strikte Bindung an bestimmte, abschließend aufgezählte Zwecke, die § 21 Abs. 1 SÜG anordnet, bezieht sich jedoch nur auf die Nutzung und Übermittlung von Daten durch die für die Sicherheitsüberprüfung zuständige Stelle oder die mitwirkende Behörde bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Sie betrifft nicht die hier strittige Frage, inwieweit der einzelne Soldat zur Wahrung seiner eigenen Rechte und Interessen Kenntnisse, die er bei der dienstlichen Tätigkeit erlangt hat, offenlegen darf. Im Übrigen würde das Beschwerdeschreiben des Dr. V. vom 13. September 2007 auch nicht zu den im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeicherten personenbezogenen Daten gehören.

26 Es kann dahingestellt bleiben, ob die vor allem in dem Vorlageschreiben des Bundesministers der Verteidigung ausgeführten Gesichtspunkte der Geheimhaltung und des Schutzes der Vertraulichkeit bei der Durchführung eines Sicherheitsüberprüfungsverfahrens, die unabhängig von der Vorschrift des § 21 Abs. 1 SÜG beachtlich sind, die Versagung der Aussagegenehmigung unabweisbar erfordern und ihnen insbesondere auch nicht durch Einschränkungen oder Auflagen bei der Genehmigungserteilung Rechnung getragen werden kann. Denn die Versagung der Aussagegenehmigung erweist sich als im Ergebnis rechtmäßig, weil die von dem Antragsteller beabsichtigte Stellung eines Strafantrags bereits nicht der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ im Sinne von § 62 Abs. 3 Satz 1 BBG dient.

27 Auch das Tatbestandsmerkmal der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Mai 1989 - 4 S 2862/88 - juris Rn. 32). Ob ein Vorbringen der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei in die Beurteilung auch eine Abwägung der betroffenen Güter und Interessen einfließt (vgl. Zängl, in: GKÖD, Bd. I, Stand: August 2008, K § 62 Rn. 30 f.). Dabei ist weiter zu beachten, dass § 62 Abs. 3 Satz 1 BBG (hier i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 3 SG) dem Soldaten für die Wahrnehmung berechtigter Interessen einen strikten, nur durch unabweisbare dienstliche Rücksichten begrenzten Anspruch auf Erteilung einer Aussagegenehmigung einräumt, also die Voraussetzungen, unter denen eine Genehmigung versagt werden darf, insbesondere im Verhältnis zu § 62 Abs. 1 BBG deutlich verschärft. Damit die Abstufung der Versagungsgründe im Verhältnis zwischen den Fällen des § 62 Abs. 1 BBG und denen des § 62 Abs. 3 Satz 1 BBG gewahrt bleibt und keine unkontrollierte Durchbrechung der grundsätzlichen Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SG) ermöglicht wird, darf der Begriff der Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht gleichsam zu einer Leerformel werden. Die Ausführungen des Soldaten zu den Rechten oder Interessen, zu deren Durchsetzung oder Verteidigung er die Aussagegenehmigung begehrt, sind deshalb von der für die Erteilung der Genehmigung zuständigen Stelle und von dem Gericht nicht ohne Rücksicht auf ihre Stichhaltigkeit zu übernehmen. Für die hier vorliegende Fallgestaltung bedeutet dies, dass eine Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht schon auf den bloßen Vortrag des Soldaten hin anzunehmen ist, er wolle einen Strafantrag stellen, der sich auf einen der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Sachverhalt bezieht. Voraussetzung ist vielmehr, dass sich aus der Darstellung des Soldaten zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat ergeben, die eine entsprechende strafrechtliche Ahndung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwarten lassen; außerdem darf der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Verhältnis zu den durch den Grundsatz der Amtsverschwiegenheit geschützten Rechtsgütern ein nicht nur untergeordnetes Gewicht zukommen.

28 Nach diesen Maßstäben dient der von dem Antragsteller beabsichtigte Strafantrag nicht der Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 62 Abs. 3 Satz 1 BBG.

29 Nach Auffassung des Senats stellen die von dem Antragsteller beanstandeten Aussagen in der Dienstaufsichtbeschwerde des Dr. V. (mit der von Frau V. verfassten Anlage) keine Straftaten im Sinne der §§ 185 ff. StGB dar. Passagen wie „Wo hat [der Antragsteller] sich denn herumgetrieben, dass er nicht über das erforderliche Taktgefühl ... verfügt“, „er sich ... bemüßigt fühlt, sich als ‚James Bond’ zu gerieren“ oder „sollte er sich lieber einer Tätigkeit widmen, bei der er weniger Schaden anrichten kann - Versicherungen verkaufen etwa“ bedienen sich zwar einer kräftigen bis drastischen Ausdrucksweise, die jedoch nicht die Schwelle der Ehrenrührigkeit überschreitet; insoweit sind bereits die Straftatbestände der Beleidigung (§ 185 StGB), üblen Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) nicht erfüllt. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass sich der Verfasser der Dienstaufsichtsbeschwerde, Dr. V., und die Betroffene des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens, Frau V., ihrerseits auf den besonderen strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB berufen können, wonach - unter anderem - Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, nur insofern strafbar sind, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht. Jedenfalls danach ist auch der - von dem Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 24. April 2008 nicht ausdrücklich beanstandete - Satz: „Zu Gunsten [des Antragstellers] will ich einmal unterstellen, dass er einfach nicht über die Bildung verfügt, um zu wissen, dass der letzte deutsche Geheimdienst, der die Freimaurerei im Rahmen der ‚weltanschaulichen Gegnererforschung’ zu seinen Beobachtungsobjekten zählte, das Reichssicherheitshauptamt war,“ nicht als Beleidigungsdelikt zu sanktionieren. Die Äußerung enthält keine Formalbeleidigung und steht - wiederum ungeachtet ihrer Schärfe und des in Bezug genommenen geschichtlichen Hintergrunds - in einem sachlichen Zusammenhang mit der Dienstaufsichtsbeschwerde, die in einem wesentlichen Punkt gerade die Frage betraf, ob die Mitgliedschaft von Dr. V. im Bund der Freimaurer für das Sicherheitsüberprüfungsverfahren relevant ist und zum Gegenstand der Befragung der Frau V. gemacht werden durfte.

30 Hinzu kommt, dass - unabhängig von den strafrechtlichen Aspekten - den berechtigten Interessen des Antragstellers bereits durch die Schreiben vom 7. November 2007, mit denen das Amt für den ... (...-Amt) die Dienstaufsichtsbeschwerden des Dr. V. und seiner Ehefrau beschieden hat, Rechnung getragen wurde. Die Äußerungen, wegen derer der Antragsteller Strafantrag stellen möchte, haben den dienstlichen Bereich nicht verlassen. Sie wurden nur von denjenigen Personen zur Kenntnis genommen, an die die Dienstaufsichtsbeschwerden gerichtet und die mit deren Bearbeitung befasst waren. In den Bescheiden vom 7. November 2007 ist das ...-Amt aufgrund der durchgeführten Ermittlungen zum Ablauf und Inhalt der Befragung von Frau V. im Wesentlichen der Darstellung des Antragstellers gefolgt und hat die abweichende Darstellung und die darauf gegründeten Vorwürfe der Eheleute V. gegen den Antragsteller zurückgewiesen. So wurde festgestellt, dass der Antragsteller bestimmte, ihm vorgehaltene Äußerungen nicht getätigt habe (Punkte 1, 2, 4 und 5 der Bescheide vom 7. November 2007) bzw. von ihm getane Äußerungen nicht zu beanstanden seien (Punkt 6); ferner wurde festgestellt, dass eine Voreingenommenheit oder gar Befangenheit des Antragstellers nicht erkennbar gewesen sei (Punkt 7). Den Dienstaufsichtsbeschwerden wurde nur insoweit stattgegeben, als einzelne Passagen der Antworten von Frau V. in dem Befragungsbericht geschwärzt wurden, weil sie für das Sicherheitsüberprüfungsverfahren keine Bedeutung haben (Punkte 1 und 2); dies aber belastet den Antragsteller nicht und wurde von ihm auch nicht beanstandet. Insgesamt haben sich damit die Dienstvorgesetzten, an die die Beschwerden gerichtet waren, in den hier strittigen Punkten uneingeschränkt hinter den Antragsteller gestellt und dies auch in den Bescheiden vom 7. November 2007 gegenüber den Eheleuten V. zum Ausdruck gebracht.