Beschluss vom 30.12.2002 -
BVerwG 5 B 273.02ECLI:DE:BVerwG:2002:301202B5B273.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.12.2002 - 5 B 273.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:301202B5B273.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 273.02

  • Niedersächsisches OVG - 26.06.2002 - AZ: OVG 4 LB 35/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Dezember 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
  2. Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
  3. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vorgetragenen Gründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil der gerügte Verfahrensmangel nicht vorliegt.
Das Berufungsgericht war an einer Sachentscheidung über die Berufung der Klägerin nicht deswegen gehindert, weil die Berufung nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht begründet worden ist und die Berufung daher unzulässig geworden wäre. Die dem Beschluss über die Zulassung der Berufung beigefügte Rechtsmittelbelehrung entsprach aus den vom Berufungsgericht in der Verfügung vom 18. März 2002 bezeichneten Gründen nicht den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO und hat daher die Monatsfrist für die Berufungsbegründung nicht in Lauf gesetzt (§ 58 Abs. 2 VwGO); die Berufung ist innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO begründet worden.
Bei dieser Sachlage geht der Senat nicht der Frage nach, ob der Beklagte insoweit seines Rügerechts nach § 173 VwGO i.V.m. § 295 Abs. 1, § 556 ZPO verlustig gehen konnte.
2. Der Rechtssache kommt die weiterhin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Berufungsführer gemäß § 58 Abs. 1 VwGO über die Notwendigkeit der Berufungsbegründung mit dem Beschluss über die Zulassung der Berufung zu belehren ist, und zwar ungeachtet des Vertretungszwanges nach § 67 Abs. 1 VwGO (BVerwGE 107, 117; 109, 336; BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2000 - BVerwG 9 B 372.00 -, Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 18); genügt die Belehrung nicht den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO, gilt die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist weiterhin geklärt, dass eine Rechtsmittelbelehrung dann nicht den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO genügt, wenn sie einen Fehler oder einen Zusatz enthält, der geeignet ist, beim Betroffenen einen Irrtum über die formellen und/oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn davon abzuhalten, das Rechtsmittel - überhaupt, rechtzeitig oder in der rechten Weise - einzulegen (ständige Rechtsprechung, s. etwa BVerwGE 3, 273; 6, 66; 25, 191 <192>; 28, 178; 37, 85 <86>; 57, 188 <190>); ob tatsächlich ein Irrtum entsteht, ist unerheblich (BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 1959 - BVerwG VII C 36.58 -, DÖV 1960, 636 <637>). Die abstrakte Eignung zur Irrtumserregung bemisst sich nach dem objektiven Inhalt der jeweils in Rede stehenden Rechtsmittelbelehrung und ist demgemäß grundsätzlich keiner Klärung über den Einzelfall hinaus zugänglich (ständige Rechtsprechung, s. etwa BVerwG, Beschluss vom 21. März 1966 - BVerwG III B 119.65 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 9).
Die Beschwerdebegründung macht nicht ersichtlich, dass ein Revisionsverfahren in vorliegender Sache zu grundsätzlichen Erkenntnissen führen könnte, die über die Ergebnisse der bisherigen Rechtsprechung hinausgehen. Soweit der Beklagte sinngemäß geltend macht, dass wegen des Vertretungszwanges für die hinreichend abstrakte Eignung zur Irrtumserregung auf die besonderen Vorkenntnisse eines des Prozessrechts Kundigen abzustellen sei, wendet er sich in der Gestalt der Grundsatzrüge ohne Bezeichnung einer klärungsbedürftigen abstrakten Rechtsfrage in der Sache gegen die - in der Sache zudem zutreffende (s.o. 1.) - einzelfallbezogene Bewertung der beigefügten Rechtsmittelbelehrung; angesichts der gebotenen Formenstrenge des Verfahrensrechts kann für die Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts einer Rechtsmittelbelehrung überdies auch in Verfahren, in denen Vertretungszwang besteht, nicht auf besondere Rechtskenntnisse der Adressaten oder darauf abgestellt werden, dass diese wegen ihrer spezifischen Kenntnisse des Prozessrechts durch eine objektiv unrichtig erteilte Rechtsmittelbelehrung begründete Zweifel an deren Inhalt zurückzustellen haben. Entsprechendes gilt für das Beschwerdevorbringen, der Fehler in der Rechtsmittelbelehrung gründe in einer "offenbaren Unrichtigkeit" im Sinne des § 118 Abs. 1 VwGO; aus welchen Gründen es in einer Rechtsmittelbelehrung zu einer Formulierung gekommen ist, die nach ihrem objektiven Inhalt geeignet ist, die Rechtsverfolgung zu erschweren, ist ebenso unerheblich wie die Frage, ob eine fehlende oder fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung nach § 118 Abs. 1 VwGO nachträglich nachgeholt oder durch eine fehlerfreie Rechtsmittelbelehrung ersetzt werden kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.