Beschluss vom 31.03.2008 -
BVerwG 8 B 114.07ECLI:DE:BVerwG:2008:310308B8B114.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 31.03.2008 - 8 B 114.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:310308B8B114.07.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 114.07

  • VG Dresden - 20.09.2007 - AZ: VG 3 K 713/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. März 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf Grund mündlicher Verhandlung vom 20. September 2007 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 988 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 - 3 VwGO liegen nicht vor.

2 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dies ist nur dann der Fall, wenn eine Rechtssache eine über den Einzelfall hinausgehende klärungsfähige und klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht aufwirft, die in einem künftigen Revisionsverfahren zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortentwicklung des Rechts beantwortet werden kann. Die von der Beschwerde für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage,
ob bei Willenserklärung der Erbausschlagung einzig und allein auf das streitbefangene Grundstück abzustellen ist oder ob bei dieser Prüfung der Voraussetzung der Überschuldung gleichfalls die weiteren Vermögenswerte des Erblassers mit einbezogen werden müssen,
ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach hat die Prüfung, ob eine Schädigung gemäß § 1 Abs. 2 VermG vorliegt, grundsätzlich für jedes einzelne Grundstück zu erfolgen. Ausnahmsweise gilt etwas anderes nur, wenn ein unbebautes Grundstück mit einem überschuldeten bebauten Grundstück eine Funktionseinheit bildet (Beschluss vom 8. Juni 2006 - BVerwG 7 B 44.06 - ZOV 2006, 299 - 300; Urteil vom 24. Juni 1993 - BVerwG 7 C 27.92 - BVerwGE 94, 16-23 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 4).

3 2. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nicht gegeben (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

4 Die Beschwerde versäumt es schon, einander widersprechende Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Begründung des angegriffenen Urteils herauszuarbeiten. Sie beanstandet in Wirklichkeit die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und übersieht, dass sich das Verwaltungsgericht an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der Notwendigkeit einer Instandsetzungsmaßnahme orientiert hat (vgl. UA S. 11).

5 3. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf einen etwaigen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 86 Abs. 1 VwGO).

6 Die Beschwerde meint, dass Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unvollständig aufgeklärt, weil es den Fragen nicht nachgegangen sei, ob eine Fassadensanierung des Hauses zu einer bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit der Immobilie unaufschiebbar notwendig gewesen sei. Gleiches gelte für die Frage, ob im Jahre 1959 Aufwendungen für das Legen von Elektroleitungen erforderlich gewesen seien.

7 Hinsichtlich der Erneuerung der Fassade hat das Verwaltungsgericht festgestellt, die Zeugin G. habe angegeben, dass die Fassade „überholungsbedürftig“ gewesen sei. Der Putz sei abgebröckelt. Die Zeugin A. habe ausgesagt, die Fassade sei „nicht schön gewesen". Man habe das damals nicht als sehr wichtig angesehen. Wenn etwas abgebröckelt sei, habe es jemand aus dem Haus mit Zement wieder zugeschmiert. Aus diesen Aussagen folgerte das Verwaltungsgericht, dass die Fassade des Hauses zwar nicht in Ordnung gewesen sei, eine komplette Erneuerung habe sich aber nicht als unabweisbar herausgestellt. Es hätten sich größere Schäden im Rahmen der üblichen Instandhaltungsarbeiten durch einfaches Ausbessern von Putzschäden verhindern lassen. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts orientiert sich an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach gehören zu den konkret sich abzeichnenden und deshalb berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten insbesondere die Kosten der zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts anstehenden Instandsetzungsarbeiten, soweit deren Unterlassung sich bei der Grundstücksbewertung nicht schon wertmindernd ausgewirkt hat. Da sich die Notwendigkeit von Reparaturen regelmäßig nicht nach festen Terminen bestimmen lasse, besteht insoweit ein gewisser zeitlicher Spielraum. In diesem Sinne ist der nachträglich in das Gesetz eingefügte erläuternde Begriff „unmittelbar bevorstehend“ aufzufassen. Er soll einerseits ein wirklichkeitsfremdes Stichtagsdenken verhindern, andererseits aber auch gewährleisten, dass nur solche Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, die nach Grund und Höhe bereits unabweisbar feststanden, auch wenn sie noch nicht eingegangen worden waren. Der geltend gemachte Finanzierungsbedarf für Instandsetzungsarbeiten muss aber nicht nur zeitlich, sondern auch sachlich unabweisbar gewesen sein, um einen ökonomischen Zwang zur Eigentumsaufgabe annehmen zu können. Der schlechte Allgemeinzustand eines Gebäudes und seiner Einrichtungen genügt nicht, um Reparaturen im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG als unmittelbar notwendig anzusehen. Diese Vorschrift will nicht den Regelfall des Unterhaltungs- und Instandsetzungsbedarfs erfassen, der gemessen am Standard der alten Bundesrepublik Deutschland auf Grund des schlechten Bauzustands älterer Mietshäuser in der DDR allgemein vorhanden war. Vielmehr sollen nur solche Maßnahmen berücksichtigt werden, die zur bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit der Häuser unaufschiebbar notwendig waren. Insoweit dürfen die Anforderungen jedoch nicht überspannt werden. Ziel der Maßnahmen musste es zwar sein, die Nutzbarkeit zu erhalten, sie mussten aber nicht in dem Sinne unabweisbar gewesen sein, dass anderenfalls unmittelbar die Unbewohnbarkeit gedroht hätte. Notwendig im Gesetzessinne waren sie vielmehr auch dann, wenn in absehbarer Zeit die bestimmungsgemäße Nutzbarkeit des Hauses gefährdet oder ein weitaus größerer Sachschaden als Folge der unterbliebenen Reparatur zu erwarten gewesen wäre. Für die Beurteilung der sachlichen Notwendigkeit von Instandsetzungsarbeiten ist die Sicht des verständigen Hauseigentümers ausschlaggebend (vgl. Urteil vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 48.94 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 40).

8 Das Verwaltungsgericht hatte in Anbetracht dieser Rechtsprechung auf Grund des festgestellten Sachverhalts keine Veranlassung, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob eine Fassadensanierung des Hauses zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt anstand. Es war daher nur konsequent, dass das Verwaltungsgericht den Beweisantrag hinsichtlich der unter Beweis gestellten Tatsache der Kosten einer Fassadenreparatur im Jahre 1959 abgelehnt hat.

9 Das Verwaltungsgericht ist auch der Frage, ob im Jahre 1959 das Haus an das öffentliche Stromnetz angeschlossen war, nachgegangen. Auf entsprechende Nachfrage haben die Stadtwerke Dresden GmbH am 31. Juli 2007 schriftlich mitgeteilt, dass das Grundstück M.-Straße 7 mit Strom versorgt worden ist. Nach dieser Auskunft verfügt das Grundstück mindestens ab April 1941 über einen Stromanschluss aus dem öffentlichen Netz sowie einen Hausanschlusskasten. Eine fernmündliche Rückfrage bei den Stadtwerken Dresden hat ergeben, dass Hausanschlusskästen auch schon im Jahre 1941 nur auf Antrag des Grundstückseigentümers aufgestellt worden seien. Eine weitere Möglichkeit zu überprüfen, ob ein Haus damals tatsächlich mit Strom versorgt worden sei, gäbe es heute nicht mehr. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 20. September 2007 hat der Bevollmächtigte des Klägers zu dieser Frage keinen Beweisantrag gestellt. Im Übrigen legt die Beschwerde nicht dar, in welche Richtung das Verwaltungsgericht zu dieser Frage noch weiter hätte ermitteln können und welches Ergebnis zu erwarten gewesen wäre. Im Übrigen wendet sich die Beschwerde gegen die richterliche Überzeugungsbildung. Die Würdigung des Sachverhalts ist dem materiellen Recht zuzurechnen. Die Beweiswürdigung des Tatrichters ist auf Grund des § 137 Abs. 2 VwGO vom Revisionsgericht nur auf die Verletzung allgemein verbindlicher Beweisgrundsätze überprüfbar, zu denen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze gehören (vgl. Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225).

10 Das Verwaltungsgericht hat auch keinen Verfahrensfehler begangen, weil es den Beweisantrag des Klägers, dass das Grundstück im Jahre 1959 einen Verkehrswert von 5 500 M gehabt habe, abgelehnt hat. Nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts kam es hierauf nicht entscheidungserheblich an. Das Verwaltungsgericht hat selbst für die Annahme, dass das Grundstück im Jahre 1959 einen Verkehrswert von nur 5 500 M gehabt habe, einen Betrag von 1 291,62 M als Überschuss ermittelt.

11 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG.