Beschluss vom 31.08.2006 -
BVerwG 2 WDB 2.06ECLI:DE:BVerwG:2006:310806B2WDB2.06.0

Beschluss

BVerwG 2 WDB 2.06

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier
als Vorsitzender,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 31. August 2006 beschlossen:

Als zuständiges Gericht wird das Truppendienstgericht Süd bestimmt.

Gründe

I

1 Gegen den Soldaten, der gegenwärtig Angehöriger des Stabs der L...brigade ... in O. ist, ist mit Verfügung des Kommandeurs K...Div vom 19. Januar 2001, ausgehändigt am 25. Januar 2001, ein gerichtliches Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Am 18. Oktober 2005 ging beim Truppendienstgericht (TDG) Süd - 4. Kammer - in Erfurt die Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich der D... (WDA BerD...) vom 13. Oktober 2005 ein.

2 Bis zum 1. Oktober 2000 war der Soldat im Stab des K...Div in R. eingesetzt. Mit Fernschreiben des Personalamtes der Bundeswehr (PersABw) vom 25. September 2000 wurde eine Kommandierung für den Zeitraum 2. Oktober bis 31. Dezember 2000 zum Stab V... in L. mit dem Ziel der Versetzung angeordnet. Eine förmliche Kommandierungsverfügung entsprechend den Mustern der ZDv 20/15, Kapitel 4, erfolgte nicht. Am 2. Oktober 2000 trat der Soldat seinen Dienst im VBK 25 an. Mit Verfügung Nr. 3328 des PersABw vom 14. November 2000, die ihm (erst) am 15. Februar 2001 ausgehändigt wurde, wurde eine Versetzung zum Stab V... mit einer voraussichtlichen Verwendungsdauer bis zum 31. März 2001 ausgesprochen; die Aufnahme der Dienstobliegenheiten wurde auf den 1. Oktober 2000 und der Dienstantritt auf den 2. Oktober 2000 bestimmt. Ein Zeitpunkt für das Wirksamwerden gem. Nr. 14 Abs. 2 Satz 1 ZDv 14/5 B 171 wurde nicht verfügt. Mit erster Korrektur der Versetzungsverfügung Nr. 3328 vom 13. Februar 2001 wurde (nur) die voraussichtliche Verwendungsdauer auf den 31. März 2002 und mit zweiter Korrektur vom 26. Februar 2002 auf den 31. Dezember 2002 abgeändert. Mit Bescheid vom 18. Januar 2006 hob das PersABw die Versetzungsverfügung Nr. 3328 auf. Am 3. Februar 2006 erließ es für den Zeitraum 2. Oktober 2000 bis 31. Januar 2001 eine Kommandierungsverfügung und am selben Tag eine Versetzungsverfügung - jeweils zum V... in L. -, die als Zeitpunkt des Dienstantritts den 1. Februar 2001 bestimmte.

3 Der Vorsitzende der 4. Kammer des TDG Süd hat mit Schriftsatz vom 13. Februar 2006, beim Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenate - eingegangen am 15. Februar 2006, nach § 70 Abs. 3 WDO die Bestimmung des zuständigen TDG beantragt. Nach seiner Auffassung bestehen Zweifel an der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, weil der Soldat vor dem für die Zuständigkeitsbestimmung maßgebenden Zeitpunkt wirksam aus dem Zuständigkeitsbereich (des TDG Süd) versetzt worden sein könnte.

4 Die WDA BerD... geht von der Zuständigkeit des TDG Süd - 4. Kammer - aus, bei dem das Verfahren anhängig ist. Auch der Bundeswehrdisziplinaranwalt (BWDA) hält in seiner Stellungnahme vom 28. März 2006 diese Zuständigkeit für gegeben, weil die Versetzungsverfügung Nr. 3328 vom 14. November 2000 erst mit Aushändigung am 15. Februar 2001 wirksam geworden sei.

II

5 1. Der Antrag ist zulässig.

6 Nach § 70 Abs. 3 WDO bestimmt das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines TDG oder einer anderen am Verfahren beteiligten Behörde oder Dienststelle durch Beschluss das zuständige TDG, wenn der Gerichtsstand u.a. zweifelhaft oder streitig ist. Das ist hier der Fall.

7 Der Vorsitzende der 4. Kammer des TDG Süd hat seine Zweifel in seinem Antrag vom 13. Februar 2006 im Einzelnen vorgetragen. Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzungsverfügung Nr. 3328 vom 14. November 2000 ist auch entscheidungserheblich, weil von dieser Frage die Zuständigkeit des TDG abhängen kann. Denn bei einer wirksamen Versetzung zum Stab V... wäre nach § 2 Abs. 1 („Wehrbereich II“) der damals gültigen „Verordnung über die Errichtung von Truppendienstgerichten“ vom 5. November 1997 (BGBl I S. 2690), geändert durch Verordnung vom 1. April 1999 (BGBl I S. 703), eine Zuständigkeitsverlagerung vom TDG Süd hin zum TDG Nord eingetreten.

8 Außerdem bestehen zwischen dem Vorsitzenden der angerufenen Truppendienstkammer einerseits und dem WDA BerD... sowie dem BWDA andererseits unterschiedliche Auffassungen über die Zuständigkeit.

9 Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 3 WDO sind deshalb gegeben.

10 Der Antrag ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil ihn der Vorsitzende allein und nicht die Kammer gestellt hat. Nach § 70 Abs. 3 WDO ist zur Antragstellung das TDG oder jede andere am Verfahren beteiligte Behörde oder Dienststelle berechtigt. Das Antragsrecht des TDG kann aber vor Beginn der Hauptverhandlung auch vom Vorsitzenden ohne Hinzuziehung von ehrenamtlichen Richtern wahrgenommen werden, da dies der Vorbereitung der Hauptverhandlung dient und der Vorsitzende in dieser Lage des Verfahrens das erkennende Gericht ist (Beschlüsse vom 23. Oktober 1970 - BVerwG 2 WDB 28.70 , 29.70 - und vom 23. März 1998 - BVerwG 2 WDB 7.97 , 8.97 - Buchholz 235.0 § 64 WDO Nr. 1).

11 2. Die Zweifel des angerufenen TDG an seiner Zuständigkeit sind unbegründet.

12 Nach § 70 Abs. 1 WDO ist dasjenige TDG zuständig, das für den Befehlsbereich errichtet ist, zu dem der Truppenteil oder die Dienststelle des Soldaten bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens, also im Zeitpunkt der Zustellung der Einleitungsverfügung an den Soldaten (§ 93 Abs. 1 Satz 3 WDO), gehört.

13 Die Zuständigkeit des TDG Süd wurde durch § 2 Abs. 2 der damals geltenden „Verordnung über die Errichtung von Truppendienstgerichten“ vom 5. November 1997 (BGBl I S. 2690), geändert durch Verordnung vom 1. April 1999 (BGBl I S. 703), u.a. für den Befehlsbereich des damaligen Wehrbereichs VI, zu dem der Stab des damaligen K...Div in R. gehörte, normativ bestimmt. Der Soldat gehörte diesem Truppenteil nach seiner durch die Versetzungsverfügung Nr. 3079 vom 7. April 1999 erfolgten Zuversetzung auch noch zum Zeitpunkt der am 25. Januar 2001 wirksam gewordenen Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens an. Eine Änderung trat weder durch die Anordnung der Kommandierung im Fernschreiben des PersABw vom 25. September 2000 noch durch die Versetzungsverfügung Nr. 3328 des PersABw vom 14. November 2000 ein.

14 Die erstgenannte Personalmaßnahme führte deshalb zu keiner Änderung der Zugehörigkeit des Soldaten zum Befehlsbereich des damaligen Wehrbereichs VI, weil eine Kommandierung bei der Zuständigkeitsbestimmung des TDG außer Betracht zu bleiben hat (Beschluss vom 28. Juli 1969 - BVerwG 2 WDB 15.69 -). Unter „Truppenteil“ im Sinne des § 70 Abs. 1 WDO ist der Stammtruppenteil zu verstehen, zu dem der Beschuldigte planmäßig gehört; die Zugehörigkeit dazu wird (nur) durch eine (Erst-)Einstellung oder eine Versetzung begründet (Beschluss vom 28. Juli 1969 - BVerwG 2 WDB 15.69 -), nicht aber durch eine Kommandierung.

15 Auch die Versetzungsverfügung Nr. 3328 des PersABw vom 14. November 2000 führte bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt, den 25. Januar 2001, zu keinem Wechsel der Zugehörigkeit. Zwar war als Datum des Dienstantritts (nicht des Wirksamwerdens der Versetzungsverfügung) in dieser Verfügung der 2. Oktober 2000 genannt, zu dem der Soldat auch seinen Dienst im Stab des VBK 25 antrat; aber Wirksamkeit erlangte die Versetzungsverfügung Nr. 3328 gemäß dem in § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (in der damaligen Fassung) normierten allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch in den Vorschriften der § 41 Abs. 2 Halbs. 1, § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1, § 58 Abs. 2 Satz 1 SG Ausdruck gefunden hat, erst mit ihrer Bekanntgabe in Form der Aushändigung an den Soldaten am 15. Februar 2001. Vor ihrer Bekanntgabe vermochte die Versetzungsverfügung gegenüber ihrem Adressaten, dem Soldaten, keine rechtlichen Wirkungen zu entfalten. Er hatte hiervon keine Kenntnis durch die zuständige Stelle erhalten und konnte demzufolge sein Verhalten nicht danach ausrichten. Er war mithin von ihr in seiner Rechtsstellung (noch) in keiner Weise betroffen. Dass eine Versetzungsverfügung zu ihrer Wirksamkeit der Bekanntgabe bedarf, ergibt sich auch aus Nr. 20 der Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung von Soldaten vom 3. März 1988 (VMBl S. 76) in der Fassung vom 11. August 1998 (VMBl S. 242). Gegen diese Richtlinien bestehen keine rechtlichen Bedenken (vgl. Beschlüsse vom 14. Juli 2005 - BVerwG 1 WB 66.04 - und vom 1. Juni 2006 - BVerwG 1 WDS-VR 1.06 ). Nach Nr. 14 Abs. 1 ZDv 14/5 B 171, gegen die ebenfalls keine rechtlichen Bedenken bestehen (Beschlüsse vom 30. Juli 1980 - BVerwG 1 WB 79.79 - BVerwGE 73, 51 <52> und vom 17. Mai 1988 - BVerwG 1 WB 14.87 - NZWehrr 1989, 77), werden für die Rechtsstellung des Soldaten Versetzungen allerdings frühestens mit dem Tage des tatsächlichen Dienstantritts wirksam. Bei Versetzungen in die gleiche Verwendung, die einer Kommandierung folgen, ist nach Nr. 14 Abs. 2 Satz 1 ZDv 14/5 B 171 der Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in der Versetzungsverfügung festzulegen. Dies ist im vorliegenden Fall in der Versetzungsverfügung vom 14. November 2000 nicht geschehen. Dies ändert aber aus den dargelegten Gründen nichts daran, dass der Zeitpunkt des Wirksamwerdens nach Nr. 14 Abs. 2 Satz 2 ZDv 14/5 B 171 nicht vor der dienstlichen Bekanntgabe der Versetzungsverfügung liegen kann. Diese ist unbestritten erst am 15. Februar 2001 erfolgt.

16 Dass die Versetzungsverfügung Nr. 3328 zwischenzeitlich am 18. Januar 2006 im Nachhinein aufgehoben und durch eine neue ersetzt wurde, hat für die hier maßgebliche Zuständigkeitsbestimmung nach § 70 Abs. 1 WDO, die allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens abstellt und für die eine nachträgliche Änderung der die Zuständigkeit begründenden Umstände unbeachtlich ist, außer Betracht zu bleiben (vgl. Beschlüsse vom 6. August 1959 - BDH WDB 8.59 - NZWehrr 1960, 127 und vom 23. März 1998 a.a.O.).

17 Der Umstand, dass mit der Bekanntgabe der Versetzungsverfügung Nr. 3328 offenbar bewusst deshalb so lange gewartet wurde - seit Erstellen der Verfügung am 14. November 2000 bis zu ihrer Aushändigung am 15. Februar 2001 verging ein Zeitraum von drei Monaten -, um das gerichtliche Disziplinarverfahren noch durch die bis dahin zuständige Einleitungsbehörde einleiten zu können (vgl. Aussagen des WDA BerD... und des früheren Personalführers des Soldaten beim PersABw jeweils vom 25. Januar 2006), vermag an dem Wirksamwerden der Versetzungsverfügung Nr. 3328 (erst) zum 15. Februar 2001 nichts zu ändern.

18 Die Bestimmung der zuständigen Kammer innerhalb des TDG Süd gehört nicht zur Aufgabe des Senats im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung nach § 70 Abs. 3 WDO; sie hat vielmehr durch das Präsidium des TDG Süd zu erfolgen (Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 70 Rn. 16).