Beschluss vom 31.10.2002 -
BVerwG 1 B 351.02ECLI:DE:BVerwG:2002:311002B1B351.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 31.10.2002 - 1 B 351.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:311002B1B351.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 351.02

  • Bayerischer VGH München - 04.07.2002 - AZ: VGH 20 B 01.30576

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. Oktober 2002
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z - H ö f e r , die Richterin am Bundes-
verwaltungsgericht B e c k und den Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Der Antrag der Beigeladenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Juli 2002 wird verworfen.
  3. Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Den Beigeladenen kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Beschwerde der Beigeladenen ist unzulässig. Sie legt die allein geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.
Die Beschwerde rügt sowohl eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3, § 108 Abs. 2 VwGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG) als auch einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO). Sie beanstandet, das Berufungsgericht sei dem Beweisantrag der Beigeladenen aus dem Schriftsatz vom 17. Mai 2002 zu Unrecht nicht nachgegangen. Die Beigeladenen hätten darin die Einholung weiterer Auskünfte sachverständiger Stellen zum Beweis der Tatsache beantragt, dass sie im Falle einer Rückkehr in den Irak und auch in den Nordirak aufgrund der Tatsache, dass der Ehemann und Vater, der eine herausragende berufliche Stellung als Universitätsdozent inne gehabt habe und arabischer Volkszugehöriger sei, unerlaubt mit seiner Familie das Land verlassen habe, mit Maßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben seitens staatlicher Stellen rechnen müssten. Außerdem bemängelt die Beschwerde, dass das Berufungsgericht dem Antrag auf Einvernahme der Beigeladenen zu 1 als Partei zu ihrer individuellen Verfolgungssituation sowie dem damit verbundenen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht entsprochen habe. Die Beschwerde zeigt indes mit ihrem Vorbringen nicht auf, dass die geltend gemachten Verfahrensfehler vorliegen.
Einen Beweisantrag auf Einholung von Sachverständigengutachten oder einer amtlichen Auskunft können die Tatsachengerichte nach ständiger Rechtsprechung im Allgemeinen nach tatrichterlichem Ermessen gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO oder mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen (vgl. etwa Beschluss vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60 S. 8 m.w.N. = InfAuslR 2000, 412 ). Das Gericht muss dies aber spätestens in der Sachentscheidung nachvollziehbar begründen und insbesondere angeben, woher es seine Sachkunde hat. Wie konkret der Nachweis der eigenen Sachkunde zu sein hat, hängt dabei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles, insbesondere den jeweils in tatsächlicher Hinsicht im Streit befindlichen Tatsachenfragen ab. Das Berufungsgericht hat vorliegend den Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, aus dem letzten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 20. März 2002 gehe deutlich hervor, dass die Beigeladenen auch bei herausgehobener beruflicher Stellung ihres Vaters und Ehemannes als Universitätsdozent und arabischer Volkszugehöriger im Nordirak nicht mit Gefahr für Leib und Leben rechnen müssten. Die Beigeladene zu 1 habe in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt selbst angegeben, sie wisse nicht, ob ihr Ehemann überhaupt politisch tätig gewesen sei. Entsprechendes oder detaillierte Umstände für eine exponierte Tätigkeit des Ehemannes - womit nach dem Gesamtzusammenhang eine exponierte politische Tätigkeit gemeint ist - würden auch nunmehr nicht behauptet (BA S. 5, 10). Inwiefern diese Ausführungen zum Nachweis der eigenen Sachkunde des Berufungsgerichts unter den gegebenen Umständen des Falles unzureichend seien sollen, zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie geht auf den auch unter Einbeziehung etwa der Erkenntnisse des UNHCR erstellten Lagebericht vom 20. März 2002 überhaupt nicht näher ein. Ihre Behauptung, dass allein die Bezugnahme auf den allgemeinen Lagebericht des Auswärtigen Amtes "im vorliegenden differenzierten Fall" keine Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen darstelle, ist auch sonst nicht weiter substantiiert. Der Hinweis auf die aktuelle Stellungnahme des UNHCR, die der Beschwerde beigefügt ist, geht schon deshalb fehl, weil diese Stellungnahme sich nur auf die Rückkehr in das von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gebiet und nicht auf den Nordirak bezieht, um den es hier allein geht. Eine prozessrechtlich fehlerhafte Ablehnung des Sachverständigenbeweisantrags ist somit nicht dargetan.
Auch mit dem Vorwurf, das Berufungsgericht hätte nicht ohne mündliche Verhandlung und ohne Einvernahme der Beigeladenen zu 1 als Partei entscheiden dürfen, ist ein Verfahrensmangel nicht aufgezeigt. Nach § 130 a Satz 1 VwGO kann das Berufungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Das dem Berufungsgericht damit eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung kann vom Revisionsgericht nur auf sachfremde Erwägungen oder grobe Fehleinschätzungen überprüft werden (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 10. April 1992 - BVerwG 9 B 142.91 - Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 5 = NVwZ 1992, 890). Einen solchen Ermessensfehlgebrauch vermag die Beschwerde mit dem Hinweis, das Berufungsgericht hätte sich einen eigenen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Beigeladenen zu 1 verschaffen müssen, nicht aufzuzeigen. Denn das Berufungsgericht hat seine Entscheidung nicht etwa auf die (fehlende) Glaubwürdigkeit der Beigeladenen zu 1 hinsichtlich ihrer Angaben zur Person und zur Tätigkeit ihres Ehemannes gestützt, sondern hat diese als wahr unterstellt, für eine daraus folgende Gefahr politischer Verfolgung der Beigeladenen aufgrund der Auskunftslage aber keine Anhaltspunkte gesehen. Die Beschwerde kann sich schon aus diesem Grund nicht auf die von ihr angeführte Rechtsprechung zur Notwendigkeit einer persönlichen Anhörung des Asylbewerbers bei abweichender Beurteilung der Glaubwürdigkeit durch das Berufungsgericht stützen (vgl. zuletzt Beschluss vom 10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01 - DVBl 2002, 1213 m.w.N.). Im Übrigen trifft es auch nicht zu, dass - wie die Beschwerde behauptet - das Bundesamt und das Verwaltungsgericht die individuell geltend gemachten Verfolgungsgründe der Beigeladenen im Ergebnis anders beurteilt hätten als das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung. Denn sowohl das Bundesamt als auch das Verwaltungsgericht haben einen Abschiebungsschutz zu Gunsten der Beigeladenen nach § 51 Abs. 1 AuslG allein wegen des Nachfluchtgrundes der Asylantragstellung im Ausland bejaht, ohne auf das individuelle Verfolgungsvorbringen abzustellen. Das Bundesamt hat sogar ausdrücklich ausgeführt, dass dieses Vorbringen der Beigeladenen die Annahme selbst einer latenten Gefährdungslage beim Verlassen des Nordirak in Bezug auf politische Verfolgung "nicht glaubhaft nahe gelegt" habe (Bescheid vom 18. Juli 1997 Bl. 7). Auch der 23. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der nach der ersten Zurückverweisung der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht über die Berufung durch das (später aufgehobene) Urteil vom 23. März 2000 entschieden hat, hat aus dem individuellen Verfolgungsvorbringen der Beigeladenen keine Rückkehrgefährdung hergeleitet. Er ist vielmehr ebenso wie der jetzt zuständig gewordene 20. Senat von einer hinreichenden Sicherheit der Beigeladenen vor politischer Verfolgung im Nordirak ausgegangen und hat einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG lediglich mangels Erreichbarkeit des Nordirak für die Beigeladenen bejaht. Schließlich hatten die Beigeladenen entgegen dem von der Beschwerde vermittelten Eindruck auch Gelegenheit, ihr individuelles Verfolgungsschicksal in mündlicher Verhandlung persönlich zu schildern, da die Sache nach der ersten Zurückverweisung an das Berufungsgericht am 23. März 2000 mündlich verhandelt worden ist. Inwiefern bei dieser Sachlage eine (erneute) persönliche Anhörung der Beigeladenen geboten gewesen sein sollte, legt die Beschwerde nicht dar.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.