Verfahrensinformation

Die Klägerinnen sind Arzneimittelhersteller und besitzen Zulassungen für die Arzneimittel mit dem Wirkstoff „Clopidogrel-Hydrogensulfat“, die sie unter den Markennamen Plavix® und Iscover® vermarkten. Die Zulassungen für Europa waren ihnen 1998 durch die Europäische Kommission im zentralen Verfahren gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 erteilt worden. Die Klägerin zu 1 hat eine Zulassung für die USA erhalten. Auch die beiden Beigeladenen sind pharmazeutische Unternehmen. Die Beigeladene zu 1 vermarktet ein wirkstoffgleiches Arzneimittel. Die Zulassung hierfür hatte die Beigeladene zu 2 im Jahr 2007 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erhalten und auf die Beigeladene zu 1 übertragen. Die Beigeladene zu 2 hatte ihrem Zulassungsantrag Unterlagen beigefügt, u.a. ein Memorandum der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA), in denen Forschungsergebnisse der Klägerin zu 1 enthalten waren, die diese im US-amerikanischen Zulassungsverfahren vorgelegt hatte. Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass die der Beigeladenen zu 2 erteilte Zulassung rechtswidrig war, weil dadurch ihr europarechtlicher Unterlagenschutz verletzt worden sei.


Das Verwaltungsgericht hat die Klagen als unzulässig abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin zu 1 festgestellt, dass der Zulassungsbescheid der Beklagten bis zum Ablauf der europarechtlichen Schutzfrist Mitte 2008 rechtswidrig gewesen ist, und die Berufungen der Klägerinnen im Übrigen zurückgewiesen. Ein über das Ende der Schutzfrist hinausreichendes Recht auf Unterlagenschutz stehe der Klägerin nicht zu. Die Klage der Klägerin zu 2 sei unzulässig, weil keine eigenen Unterlagen der Klägerin verwertet worden seien. Das Bundesverwaltungsgericht wird im Revisionsverfahren voraussichtlich zu klären haben, welche Rechtspositionen dem Inhaber der Zulassung eines Referenzarzneimittels und seinem Lizenznehmer zustehen, wenn in einem späteren Verfahren auf Zulassung eines Generikums der gemeinschaftsrechtliche Unterlagenschutz verletzt worden ist.


Beschluss vom 17.11.2014 -
BVerwG 3 B 66.13ECLI:DE:BVerwG:2014:171114B3B66.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.11.2014 - 3 B 66.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:171114B3B66.13.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 66.13

  • VG Köln - 14.09.2011 - AZ: VG 24 K 7532/08
  • OVG Münster - 04.07.2013 - AZ: OVG 13 A 2788/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. November 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 4. Juli 2013 wird aufgehoben, soweit das Oberverwaltungsgericht die Berufungen zurückgewiesen hat.
  2. In diesem Umfang werden die Revisionen der Klägerinnen zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren wird vorläufig auf 14 000 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerden der Klägerinnen haben Erfolg. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

2 Das Revisionsverfahren wird dem Senat voraussichtlich Gelegenheit zur Klärung geben, welche Rechtspositionen dem Inhaber der Zulassung eines Referenzarzneimittels und seinem Lizenznehmer zustehen, wenn in einem späteren Verfahren auf Zulassung eines Generikums der gemeinschaftsrechtliche Unterlagenschutz nach Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl Nr. L 214 vom 24. August 1993, S. 1) verletzt wird. Dabei wird voraussichtlich auch die Rechtsfrage zu klären sein, ob der Lizenznehmer sich darauf beschränken kann, sich für die Verletzung seiner Rechte auf die Verwendung von Unterlagen zu berufen, die der Zulassung des Referenzarzneimittels zugrunde gelegen haben, wenn diese Unterlagen mit den Unterlagen identisch sind, die er für die Zulassung seines Arzneimittels verwendet hat.

3 Die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 3 C 18.14 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO vertreten lassen.

Urteil vom 10.12.2015 -
BVerwG 3 C 18.14ECLI:DE:BVerwG:2015:101215U3C18.14.0

Gemeinschaftsrechtlicher Unterlagenschutz bei der Zulassung von Arzneimitteln

Leitsatz:

Der gemeinschaftsrechtliche Unterlagenschutz nach Art. 13 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 2309/93 verwehrt es der Arzneimittelbehörde, innerhalb des Schutzzeitraums von zehn Jahren nach der Zulassung eines Referenzarzneimittels einem Zweitantragsteller die Zulassung für ein Arzneimittel zu erteilen, die (auch) auf bibliographische Unterlagen über Versuchsergebnisse des Vorantragstellers gestützt ist. Eine innerhalb des Schutzzeitraums erteilte Zulassung verletzt den Vorantragsteller bis zum Ende des Schutzzeitraums in seinem exklusiven Verwertungsrecht an den geschützten Unterlagen.

  • Rechtsquellen
    AMG §§ 24a; 24b; 141 Abs. 5
    VwGO § 42 Abs. 2; § 43 Abs. 1, Abs. 2; §§ 127; 141
    Richtlinie 65/65/EWG Art. 4 Abs. 2 Nr. 8
    Richtlinie 87/21/EWG Art. 1 Nr. 1
    VO (EWG) Nr. 2309/93 Art. 13 Abs. 4
    VO (EG) Nr. 141/2000 Art. 8 Abs. 1
    VO (EG) Nr. 726/2004 Art. 14 Abs. 11

  • VG Köln - 20.10.2010 - AZ: VG 24 K 7532/08
    OVG Münster - 04.07.2013 - AZ: OVG 13 A 2788/10

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 10.12.2015 - 3 C 18.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:101215U3C18.14.0]

Urteil

BVerwG 3 C 18.14

  • VG Köln - 20.10.2010 - AZ: VG 24 K 7532/08
  • OVG Münster - 04.07.2013 - AZ: OVG 13 A 2788/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2015
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Tegethoff
für Recht erkannt:

  1. Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Juli 2013 und die Anschlussrevisionen der Beigeladenen zu 1 und 2 werden zurückgewiesen.
  2. Die Kosten der Revisions- und Anschlussrevisionsverfahren tragen die Klägerinnen zu 1 und 2 je zur Hälfte einschließlich der hier entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2.

Gründe

I

1 Die Klägerinnen sind Inhaberinnen gesonderter Zulassungen für das von ihnen gemeinsam entwickelte Arzneimittel mit 75 mg des Wirkstoffs "Clopidogrel-Hydrogensulfat", das von der Klägerin zu 1 unter dem Markennamen Plavix® und von der Klägerin zu 2 unter dem Markennamen Iscover® vermarktet wird. Die Zulassungen für Europa waren den Klägerinnen am 15. Juli 1998 durch die Europäische Kommission im zentralisierten Verfahren nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 erteilt worden. Parallel dazu hat die Klägerin zu 1 für Plavix® eine Zulassung für die USA erhalten.

2 Die Beigeladene zu 1 vermarktet ein wirkstoffgleiches Arzneimittel. Die Zulassung hierfür hatte die Beigeladene zu 2 am 14. Mai 2007 im dezentralisierten Verfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragt und mit Zulassungsbescheid vom 21. Mai 2008 (gemeinsam mit zwei weiteren Zulassungen, von denen eine Gegenstand des Verfahrens BVerwG 3 C 19.14 ist) für das Arzneimittel "Clopidogrel YES 75 mg Filmtabletten" mit der Zulassungsnummer ... erhalten. Im Zulassungsverfahren hatte die Beigeladene zu 2 unter anderem Bewertungsberichte aus dem US-amerikanischen Zulassungsverfahren für Plavix® eingereicht. Diese enthielten ein von der in den USA für die Arzneimittelzulassung zuständigen US-Food and Drug Administration (FDA) freigegebenes Memorandum, das auf verschiedene wissenschaftliche Studien der Klägerin zu 1 Bezug nimmt, und eine ebenfalls freigegebene Bewertung der so genannten CAPRIE-Studie einschließlich nachträglicher Ergänzungen durch die Klägerin zu 1 zu Nebenwirkungen. Die Zulassung mit der Zulassungsnummer ... wurde zunächst zwischen den Beigeladenen und einem weiteren Unternehmen hin und her und dann endgültig am 29. Juli 2008 auf die Beigeladene zu 1 übertragen.

3 Gegen die Zulassung legten die Klägerinnen am 27. Mai 2008 Widerspruch ein, den das BfArM mit Bescheid vom 17. November 2008 als unzulässig zurückwies. Bereits mit Beschluss vom 25. Juli 2008 hatte das Verwaltungsgericht die sofortige Vollziehbarkeit der Zulassung angeordnet; die Beigeladene zu 1 hat daraufhin am 30. Juli 2008 mit der Vermarktung des Arzneimittels unter der Bezeichnung "Clopidogrel ratiopharm 75 mg Filmtabletten" begonnen.

4 Die Klägerinnen haben am 21. November 2008 Klage erhoben und zunächst die Aufhebung des Zulassungsbescheides vom 21. Mai 2008 beantragt. Während des Klageverfahrens hat die Beigeladene zu 1 eine so genannte generische Zulassung für Clopidogrel nach § 24b des Arzneimittelgesetzes (AMG) erhalten und deshalb am 27. Juli 2010 auf die streitige Zulassung verzichtet. Die Klägerinnen haben sodann die Feststellung begehrt, dass der Zulassungsbescheid vom 21. Mai 2008 bis zum 27. Juli 2010, hilfsweise bis zum 15. Juli 2009 und äußerst hilfsweise bis zum 15. Juli 2008 rechtswidrig gewesen sei. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, die der Beigeladenen zu 2 erteilte Zulassung sei rechtswidrig, weil dadurch ihre Rechte auf Unterlagenschutz verletzt worden seien. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen als unzulässig abgewiesen. Die Klägerinnen seien nicht klagebefugt; eine rechtlich geschützte Stellung habe ihnen über den 15. Juli 2008, dem Ende der gesetzlichen Frist für Unterlagenschutz, hinaus nicht zugestanden. Davon abgesehen hätten die Klägerinnen auch kein berechtigtes Interesse an der Feststellung.

5 Auf die Berufung der Klägerin zu 1 hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und festgestellt, dass der Zulassungsbescheid der Beklagten vom 21. Mai 2008 bis zum 15. Juli 2008 rechtswidrig war. Im Übrigen hat es die Berufungen der Klägerinnen zurückgewiesen. Die Klage der Klägerin zu 2 sei mit allen Anträgen mangels Klagebefugnis schon unzulässig. Sie sei nicht Inhaberin der Zulassung für Plavix®, sondern für Iscover®. Eine Verwertung von Iscover® betreffenden Unterlagen sei nicht dargelegt und nicht ersichtlich. Selbst wenn inhaltsgleiche Unterlagen vorgelegt worden sein sollten, rechtfertige dies nicht die Annahme einer Verletzung subjektiver Rechte der Klägerin zu 2, weil die Zulassungen rechtlich selbstständig seien. Die Klage der Klägerin zu 1 sei zulässig, aber nur teilweise begründet. Die streitige Zulassung sei für den Zeitraum vom 21. Mai bis 15. Juli 2008 rechtswidrig gewesen und habe die Klägerin zu 1 in ihren Rechten verletzt. Zum einen hätten sich in den von der Beigeladenen zu 2 eingereichten Antragsunterlagen Dokumente befunden, an denen die Klägerin zu 1 ein ausschließliches Recht auf Verwendung gehabt habe; zum anderen sei der Wirkstoff Clopidogrel bis zur Erteilung der Zweitzulassung noch nicht zehn Jahre in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet worden, wie es für eine so genannte gemischt-bibliographische Zulassung erforderlich sei. Der zeitlich darüber hinausreichende Fortsetzungsfeststellungsantrag sei unbegründet. Seit dem Ende des Schutzzeitraums sei die Klägerin zu 1 durch die Zulassung nicht mehr in ihren Rechten verletzt. Es spreche nichts für die von ihr vertretene extensive Auslegung, dass der Inhaber der Erstzulassung die Aufhebung einer Zweitzulassung auch nach Ablauf der Schutzfrist verlangen könne, wenn die geschützten Unterlagen vor Ablauf der Frist eingereicht und verwertet worden seien.

6 Der Senat hat die Revisionen der Klägerinnen zugelassen, soweit das Oberverwaltungsgericht die Berufungen zurückgewiesen hat.

7 Die Klägerinnen machen zur Begründung ihrer Revisionen geltend, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht der Klägerin zu 2 schon die Klagebefugnis abgesprochen und eine zeitlich über den 15. Juli 2008 hinausreichende Feststellung der Rechtswidrigkeit abgelehnt. Damit habe das Oberverwaltungsgericht die Reichweite des regulatorischen Unterlagenschutzes verkannt. Dieser Schutz bedeute, dass Zweitzulassungsanträge vor Ablauf der Schutzfrist weder gestellt noch von der Behörde bearbeitet und erst recht nicht positiv beschieden werden dürften. Das Bearbeitungsverbot bedeute, dass ein Zweitantragsteller eine auf fremde Forschungsergebnisse gestützte Zulassung erst nach Ablauf der Schutzfrist beantragen und die Zulassung erst nach einer Bearbeitungszeit erteilt werden dürfe. Die anderslautende Auffassung des Oberverwaltungsgerichts habe zur Konsequenz, dass der rechtswidrige Zeitvorteil, den sich ein Zweitantragsteller wie die Beigeladene zu 2 mit einer verfrühten Antragstellung verschaffe, sanktionslos bleibe. Unterlagenschutz bedeute aber keine bloße Marktexklusivität, sondern einen umfassenden Schutz der Unterlagen vor jeglicher Bezugnahme bis zum Ablauf der Frist. Das ergebe sich auch aus den Notices to Applicants, die eine wichtige Auslegungshilfe für das europäische Arzneimittelrecht darstellten. Der Fehler der verfrühten Erteilung der Zulassung werde nicht nachträglich durch Zeitablauf geheilt. Deshalb bestehe deren Rechtswidrigkeit unbegrenzt fort, hier jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Verzichts auf die Zulassung, jedenfalls aber für ein weiteres Jahr. Sollte der Senat dies anders sehen, sei eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen. Bei der Verneinung der Klagebefugnis der Klägerin zu 2 übersehe das Oberverwaltungsgericht, dass die Arzneimittel Plavix® und Iscover® völlig identisch seien und auf denselben geschützten Unterlagen beruhten. Die eingereichten Zulassungsdossiers seien inhaltlich identisch und nur mit anderen Handelsnamen versehen.

8 Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Juli 2013 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Oktober 2010 zu ändern und festzustellen, dass der Zulassungsbescheid der Beklagten vom 21. Mai 2008 mit der Zulassungsnummer ... in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2008 bis zum 27. Juli 2010 rechtswidrig war,
hilfsweise festzustellen, dass der Zulassungsbescheid der Beklagten vom 21. Mai 2008 mit der Zulassungsnummer ... in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2008 bis zum 15. Juli 2009 rechtswidrig war.

9 Die Beklagte beantragt,
die Revisionen der Klägerinnen zurückzuweisen.

10 Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Berufungen zurückgewiesen wurden.

11 Die Beigeladenen treten den Revisionen entgegen und machen hierzu und zur Begründung ihrer Anschlussrevisionen geltend, die Klage sei schon mit den ursprünglichen Anträgen unzulässig gewesen, sie sei es aber auch mit allen geänderten Anträgen auf Feststellung, ohne dass es auf europarechtliche Fragen ankomme. Die Umstellung auf die Feststellungsklage sei eine unzulässige Klageänderung. Ihr stehe die (rechtswegübergreifende) Subsidiarität entgegen. Im Hinblick auf die vermeintlichen Schadensersatzansprüche hätten die Klägerinnen von Anfang an unmittelbar Klage vor den Zivilgerichten erheben müssen. Wegen der Aussichtslosigkeit dieser Schadensersatzprozesse fehle auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung. Im Übrigen sei die Klage für die Zeit bis zum 15. Juli 2008 auch aus anderen Gründen unzulässig. Es komme auf den Zulassungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides an, der den maßgeblichen Prüfungszeitpunkt bestimme. Bei dessen Zustellung sei aber der Unterlagenschutz bereits mehr als vier Monate abgelaufen gewesen. Die Klägerinnen hätten zu diesem Zeitpunkt selbst gegen eine bezugnehmende Zulassung nicht mehr vorgehen können. Die Klagen seien zudem unbegründet. Die vorgelegten Unterlagen der FDA seien nicht geschützt gewesen, eine Bezugnahme auf geschützte Unterlagen habe es nicht gegeben. Schon vor der Antragstellung habe festgestanden, dass der Wirkstoff allgemein medizinisch verwendet worden sei. Deshalb seien die vorgelegten Unterlagen der FDA auch nicht kausal für die Zulassung gewesen, wie auch das Gutachten des Dr. G. bestätige. Der Unterlagenschutz beinhalte auch kein Verbot der Antragstellung; denn dies bedeutete eine verfassungs- und unionsrechtswidrige Beeinträchtigung der pharmazeutischen Unternehmer. Ein Bearbeitungsverbot für die Behörde sei regelungssystematisch ausgeschlossen. Jedenfalls sei eine Rechtsverletzung der Klägerinnen nach dem 15. Juli 2008 ausgeschlossen.

12 Die Beigeladenen beantragen,
die Revisionen der Klägerinnen zurückzuweisen und
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Juli 2013 zu ändern und die Berufung der Klägerin zu 1 im vollen Umfang zurückzuweisen.

13 Die Klägerinnen beantragen,
die Anschlussrevisionen zurückzuweisen.

II

14 Die Revisionen der Klägerinnen sind unbegründet (1.). Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht festgestellt, dass der streitige Zulassungsbescheid vom 21. Mai 2008 nur für die Zeit von der Erteilung bis zum 15. Juli 2008 - dem Ablauf der Unterlagenschutzfrist - rechtswidrig war und die Klägerin zu 1 in ihren Rechten verletzte. Entsprechend sind die Anschlussrevisionen, mit denen die Beigeladenen die berufungsgerichtliche Feststellung auch für diese Zeit beseitigen möchten, unbegründet (2.).

15 1. a) Die Klage der Klägerin zu 1 ist zulässig, aber nur für den vom Berufungsgericht ausgeurteilten Zeitraum begründet. Eine weitergehende Feststellung der Rechtswidrigkeit des streitigen Zulassungsbescheides kann die Klägerin zu 1 nicht beanspruchen.

16 aa) Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Ein klärungsfähiges Rechtsverhältnis liegt in der behaupteten Verletzung des Rechts der Klägerin, das von ihr entwickelte Arzneimittel Plavix® und die dazu erstellten Unterlagen exklusiv verwerten zu dürfen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <278 f.>).

17 Die begehrte Feststellung, in welchen Zeiträumen die streitige Zulassung ihre Rechte verletzte, wird in der vorliegenden Konstellation den Interessen der Klägerin am besten gerecht. Die Klägerin erstrebt diese Feststellung zur anschließenden Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen, nachdem sich die streitige Zulassung jedenfalls infolge des Verzichts auf sie im Verlauf des Rechtsstreits mit Wirkung für die Zukunft erledigt hat und die Rückgängigmachung des Inverkehrbringens des Arzneimittels der Beigeladenen für die Zeit davor ihr jedenfalls nicht von Nutzen ist. Die allein noch interessierende Frage der Rechtsverletzung kann mit der Feststellungsklage beantwortet werden, ohne dass es darauf ankäme, welches rechtliche Schicksal die streitige Zulassung in den jeweiligen Zeitabschnitten erlitten hat, insbesondere unabhängig davon, ob, wann und wodurch sie sich erledigt hat.

18 Die Klägerin muss sich nicht im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGO auf eine andere Klageart verweisen lassen. In Bezug auf ihr Klageziel steht ihr keine sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung. Insbesondere kann der Feststellungsklage nicht, wie von der Beigeladenen zu 2 geltend gemacht, die (rechtswegübergreifende) Subsidiarität gegenüber einer unmittelbar vor den Zivilgerichten zu erhebenden Schadensersatzklage gegen die Beigeladenen oder Amtshaftungsklage gegen die Beklagte entgegengehalten werden. Die Beigeladene übersieht, dass die Klägerin zu 1 ursprünglich eine Anfechtungsklage erhoben hatte, die keinen Zulässigkeitsbedenken ausgesetzt war. Bei Klageerhebung war der Zulassungsbescheid jedenfalls für die Zukunft noch ausnutzbar und nicht erledigt. Daher kann nicht gesagt werden, dass gegenüber der Feststellungsklage Zulässigkeitshindernisse fortwirken, die bereits die Anfechtung gehindert hätten. Die Umstellung auf eine Feststellungsklage hat die Klägerin mit Blick darauf vorgenommen, dass die Beigeladene zu 1 den angefochtenen Zulassungsbescheid infolge des Verzichts nicht mehr ausnutzen würde.

19 Die weiteren von den Beigeladenen vorgebrachten Einwände gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage greifen nicht durch. Insbesondere kann der Klägerin zu 1 nicht das berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung abgesprochen werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der von ihr anhängig gemachte, zurzeit ruhend gestellte Schadensersatzprozess bzw. die Amtshaftungsklage aussichtslos sind und ihr die begehrte Feststellung dort keinen Nutzen bringen könnte. Aussichtslosigkeit darf nur angenommen werden, wenn sie offensichtlich ist und sich ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung aufdrängt; der vor den Zivilgerichten zu führende Prozess darf nicht auch in den von der Feststellung der Rechtswidrigkeit unabhängigen Teilen gleichsam vorweggenommen werden (BVerwG, Urteil vom 28. August 1987 - 4 C 31.86 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 173 Rn. 14 m.w.N.). Die Einwände der Beigeladenen ergeben keine derartige Offensichtlichkeit. Vielmehr zeigen schon Umfang und Detailschärfe der Ausführungen, dass sie wesentliche Teile der Begründetheit in die Prüfung des Feststellungsinteresses einbeziehen möchten. Überdies ist hier nicht zu verkennen, dass es um die effektive Durchsetzung von Recht der Europäischen Gemeinschaft geht, das der Klägerin, wie noch auszuführen ist, eigene Rechte vermittelt.

20 bb) Die Feststellungsklage ist in dem vom Berufungsgericht zuerkannten Umfang begründet. Der Zulassungsbescheid verletzte die Klägerin zu 1 bis zum Ablauf der Schutzfrist in ihren Rechten.

21 (1) Rechtsgrundlage für den Unterlagenschutz der Klägerin zu 1 ist hier Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 vom 22. Juli 1993 (ABl. L 214 S. 1). Diese Verordnung ist zwar durch Art. 88 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 vom 31. März 2004 (ABl. L 136 S. 1) aufgehoben und die hier inmitten stehende Regelung durch eine differenziertere, die so genannte 8+2+1-Regelung in Art. 14 Abs. 11 VO Nr. 726/2004, ersetzt worden. Nach Art. 89 VO Nr. 726/2004 gelten aber für (Human)Referenzarzneimittel wie Plavix®, deren Genehmigung vor dem in Art. 90 Abs. 2 genannten Datum (20. November 2005) beantragt wurde, die bisherigen Schutzzeiträume weiter (entsprechend § 141 Abs. 5 i.V.m. § 24a a.F. AMG für generische Zulassungen). Einschlägig bleibt damit Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 2309/93, weil das Referenzarzneimittel im zentralisierten Verfahren nach dieser Verordnung zugelassen worden war.

22 (2) Der Beklagten war es durch Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 2309/93 verwehrt, bei der von der Beigeladenen zu 2 erstrebten Zulassung des Arzneimittels "Clopidogrel YES 75 mg Filmtabletten" Unterlagen zu berücksichtigen, mit denen die Klägerin zu 1 ihre europäische Zulassung für Plavix® erwirkt hatte. Nach der genannten Vorschrift unterliegen Arzneimittel, die von der Gemeinschaft in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieser Verordnung genehmigt worden sind, einem Schutzzeitraum von zehn Jahren nach Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 der Richtlinie 65/65/EWG. In Bezug genommen ist damit die Fassung, die diese Vorschrift durch Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie des Rates 87/21/EWG vom 22. Dezember 1986 (ABl. L 15 S. 36) erhalten hat. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bezeichnet die Gesamtregelung als exklusiven Unterlagenschutz: Sie verleiht dem Inhaber der Rechte an einer Arzneispezialität (dem Vorantragsteller des Referenzarzneimittels) ein ausschließliches Recht zur Verwertung der Ergebnisse seiner pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche, die innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren ab der ersten Zulassung seines Erzeugnisses in der Gemeinschaft zu den Akten genommen wurden (EuGH, Urteile vom 3. Dezember 1998 - C-368/96, Generics u.a. - Slg. I-7967 Rn. 81 und vom 22. Dezember 2010 - C-385/08, EU Kommission ./. Republik Polen - juris Rn. 76).

23 (3) Die Beklagte hat Rechte der Klägerin zu 1 verletzt, indem sie der Beigeladenen zu 2 vor Ablauf der Schutzfrist eine Zulassung erteilt hat, die (auch) auf zugunsten der Klägerin geschützte Versuchsergebnisse zu Plavix® gestützt war.

24 (3a) Die Beigeladene zu 2 hat ihrem Zulassungsantrag Unterlagen beigefügt, an denen der Klägerin zu 1 Unterlagenexklusivität zustand. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts entstammten diese Unterlagen den- nach amerikanischem Recht frei zugänglichen - Bewertungsberichten aus dem US-amerikanischen Zulassungsverfahren für Plavix®. Darin waren Ergebnisse von Studien der Klägerin zu 1 zu diesem Arzneimittel wiedergegeben und ausgewertet worden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass es sich aus der Sicht des gemeinschaftsrechtlichen Zulassungsrechts um bibliographische Unterlagen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a der Richtlinie 65/65/EWG i.d.F. der Richtlinie 87/21/EWG über pharmakologische, toxikologische, ärztliche bzw. klinische Versuche der Klägerin zu 1 handelte.

25 Das Eingreifen des Unterlagenschutzes scheitert in diesem Fall nicht schon daran, dass die Unterlagen einem außereuropäischen Zulassungsverfahren entstammten, in das sie von der Klägerin eingebracht worden waren. Zwar erstreckt sich der gemeinschaftsrechtliche Unterlagenschutz ausschließlich auf Zulassungsdossiers, die in einem (Erst)Zulassungsverfahren in der Europäischen Gemeinschaft eingereicht worden sind. Das zeigt schon Art. 4 der Richtlinie 65/65/EWG, auf den die Unterlagenschutzregelung in Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 2309/93 Bezug nimmt, indem er Vorgaben für die Antragstellung in einem Mitgliedstaat formuliert. Es ergibt sich aber auch aus dem Ziel des Unterlagenschutzes, innovative Arzneimittelhersteller im Geltungsbereich der gemeinschaftlichen Zulassungsvorschriften zu schützen. Deren Forschungsergebnisse sollen nicht dadurch entwertet werden können, dass Zweitantragsteller mit ihrer Hilfe "in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieser [gemeinschaftsrechtlichen] Verordnung" (vgl. Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 2309/93) eine eigene europäische Zulassung erwirken können.

26 Dieser innergemeinschaftliche Schutz wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Zulassungsdossier auch in einem außereuropäischen Drittstaat verwendet worden ist. Gemessen am Schutzzweck macht es keinen Unterschied, dass ein Zweitantragsteller in einem Zulassungsverfahren außerhalb der Gemeinschaft an Unterlagen gelangt, die der Inhaber des Referenzarzneimittels in einem innergemeinschaftlichen Zulassungsverfahren zu den Akten gereicht hat. Der gewährte Schutz ist nicht körperlich auf die Studien selbst ausgerichtet, sondern richtet sich inhaltlich auf die gewonnenen Versuchsergebnisse. Auf die äußere Form, in der diese präsentiert werden, kommt es nicht an. Werden sie, wie von der Beigeladenen zu 2, in einer bibliographischen Form vorgelegt, ist nur entscheidend, dass die Angaben im Zulassungsverfahren verwertbar sind. So lagen die Dinge hier. Das Berufungsgericht ist erkennbar der Darstellung der Klägerin gefolgt, dass die von ihr in den USA vorgelegten Studien, über die in den FDA-Dokumenten berichtet wird, sachlich deckungsgleich sind mit den von ihr im zentralisierten europäischen Verfahren verwendeten Studienergebnissen für Plavix®. Hiervon ist auch die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2009/4110 ausgegangen. Das Revisionsverfahren hat nichts ergeben, was den Senat an der inhaltlichen Identität zweifeln ließe. Dann aber kommt es für den Unterlagenschutz nicht darauf an, ob die Dossiers in den amerikanischen und europäischen Verfahren vollständig deckungsgleich sind; ausreichend ist, dass überhaupt geschützte Unterlagen aus dem innergemeinschaftlichen Zulassungsverfahren für Plavix® verwertet worden sind.

27 (3b) Die verwerteten Unterlagen sind unabhängig davon geschützt, ob eine auf sie gestützte Zulassung als originäre, generische, bibliographische oder gemischt-bibliographische beantragt und erteilt wird. Das Gemeinschaftsrecht bietet keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass Unterlagenschutz nur bei bestimmten Verfahrensarten gewährt sein soll. Eine derartige Differenzierung lassen weder Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 2309/93 noch die dort in Bezug genommene Regelung in der Nr. 8 des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 65/65/EWG erkennen. Schon der Umstand, dass die Schutzvorschrift undifferenziert auf die gesamte Regelung in Nr. 8 Bezug nimmt und nicht auf eine der in Buchst. a Ziffer i bis iii zugelassenen Formen der Antragstellung, spricht eine deutliche Sprache. Vor allem aber widerspräche es dem vom Verordnungsgeber bezweckten umfassenden Schutz der Forschungsergebnisse von Arzneimittelherstellern, wollte man den Unterlagenschutz davon abhängig machen, welche Zulassung begehrt wird. Die Interessen des Vorantragstellers sind unabhängig hiervon stets in derselben Weise beeinträchtigt: Der Zweitantragsteller macht seinen Antrag dadurch genehmigungsfähig, dass er ihn mit bibliographischen Angaben über Versuche im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 der Richtlinie 65/65/EWG vervollständigt, die der Vorantragsteller mit großem Aufwand durchgeführt hat. Dass er die Genehmigungsfähigkeit nur herbeiführen kann, wenn er Angaben im rechtlich geforderten Umfang macht, berechtigt ihn nicht dazu, Unterlagen unter Verletzung des Unterlagenschutzes beizubringen.

28 (3c) Die Beklagte hat die von der Beigeladenen zu 2 in das Zulassungsverfahren eingebrachten geschützten Dokumente in ihrer Zulassungsentscheidung vom 21. Mai 2008 verwertet und damit das Verwertungsrecht der Klägerin zu 1 verletzt.

29 Ob sich das Verwertungsrecht bereits dahin auswirkt, dass ein Zweitantragsteller einem Antrag innerhalb der Schutzfrist keine geschützten Unterlagen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 der Richtlinie 65/65/EWG beifügen darf und die Arzneimittelbehörde einen solchen Antrag nicht prüfen und bearbeiten darf, wie die Beigeladenen - zu Unrecht, wie noch auszuführen ist - meinen, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Für die erstrebte Feststellung, ob die Beklagte Rechte verletzt hat, kommt es ausschließlich auf die streitige Zulassung an. Erst diese, und nicht die Antragstellung oder Bearbeitung, kann einen Vor-antragsteller in seinem Rechtskreis berühren, weil sie dem Zweitantragsteller eine nach außen wirkende, unmittelbar ausnutzbare Rechtsposition verschafft, die er ohne die Vorarbeiten des Vorantragstellers nicht erlangt hätte. Ob der Zweitantragsteller diese Rechtsposition tatsächlich genutzt hat, ist für die Rechtsverletzung ohne Bedeutung; maßgebend ist, dass er die Zulassung hätte nutzen können.

30 Die Beklagte hat bei ihrer Zulassungsentscheidung zu dieser Zeit noch geschützte Unterlagen verwertet. Eine Verwertung ist anzunehmen, wenn die Zulassung ohne die geschützten Unterlagen mangels ausreichender Begründung hätte verweigert werden müssen oder sich die Zulassungsbehörde bei ihrer Entscheidung tatsächlich auf geschützte Unterlagen gestützt hat. Dafür spricht eine Vermutung, sofern die Behörde nicht klar und eindeutig dartut, dass die geschützten Unterlagen für ihre Entscheidung in keiner Weise erheblich waren. Eine genaue Prüfung der Erheblichkeit für die Entscheidung, wie sie die Beigeladenen befürworten, ist nicht erforderlich. Der vom Gemeinschaftsrecht vorgesehene effektive Schutz des Verwertungsrechts wäre gefährdet, würde man auf häufig spekulativ bleibende oder nur schwer abzusichernde Kausalitätserwägungen abstellen. Daher reicht für die Verletzung bereits die Möglichkeit der Verwertung aus, sofern sie sich im Einzelfall nicht eindeutig ausschließen lässt. Danach ist eine Verwertung hier ohne Weiteres gegeben. Es spricht nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nichts dafür, dass die Beklagte die Zulassung ohne Berücksichtigung der geschützten Forschungsergebnisse der Klägerin zu 1 erteilt hat. Ob sie die Zulassung ohne diese Ergebnisse aus anderen Gründen hätte erteilen dürfen oder müssen, ist für die Rechtsverletzung der Klägerin zu 1 unerheblich. Die Beigeladenen können sich insoweit nicht darauf stützen, dass der Wirkstoff der Arzneimittelspezialität im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 der Richtlinie 65/65/EWG ausreichend lange allgemein medizinisch verwendet worden sei. Dieser Umstand schließt die Verletzung der Unterlagenexklusivität nicht aus, wenn geschützte Unterlagen tatsächlich verwendet worden sind. Überdies hat das Oberverwaltungsgericht die Voraussetzungen einer allgemeinen medizinischen Verwendung über mindestens zehn Jahre für das Revisionsverfahren verbindlich verneint.

31 (3d) Die Rechtsverletzung reichte allerdings nicht über das Ende der Schutzfrist hinaus. Plavix® genoss, wie der Europäische Gerichtshof bestätigt hat und im Übrigen unstreitig ist, Unterlagenexklusivität gemäß Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 2309/93 nur bis zum 15. Juli 2008 (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 - C-385/08, EU Kommission ./. Republik Polen - juris Rn. 20). Mit diesem Tag endete das ausschließliche Verwertungsrecht der Klägerin. Entsprechend war die Beklagte nicht länger daran gehindert, sich bei ihren Entscheidungen auf Versuchsergebnisse zu Plavix® zu stützen.

32 Die Ansicht der Klägerin, in Fällen einer verfrühten Anbringung und Bearbeitung eines Zulassungsantrags müsse ein "nachwirkender", also über die zehnjährige Schutzfrist hinausreichender Unterlagenschutz anerkannt werden, überzeugt nicht. Schon ihre Prämisse trifft nicht zu, vor Ablauf der Schutzfrist seien Antragstellung unter Verwendung geschützter Unterlagen und Antragsbearbeitung durch die Behörde untersagt. Die Regelung in Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 2309/93 bietet hierfür keinen Ansatzpunkt. Das bestätigen spätere Regelungen, die nun sehr wohl auch Verbote der Antragstellung und Bearbeitung kennen. Die 8+2+1-Nachfolgeregelung des Art. 14 Abs. 11 VO Nr. 726/2004 (ebenso Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG) trägt dem von der Klägerin angesprochenen Problem durch Unterteilung des Schutzzeitraums in acht Jahre Datenschutz und einen anschließenden Vermarktungsschutz Rechnung, in dem keine Zulassung erteilt werden darf, die das Inverkehrbringen des neuen Arzneimittels vor dem Ende des Schutzzeitraums ermöglicht. In ähnlicher Weise verbietet die Parallelregelung in Art. 8 Abs. 1 ("Marktexklusivitätsrecht") der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. L 18 S. 1) den Organen der Mitgliedstaaten ausdrücklich, einen Antrag anzunehmen oder eine Genehmigung zu erteilen. Demgegenüber ist zur Durchsetzung des Verwertungsrechts nach Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 2309/93 ein Bearbeitungsverbot nicht erforderlich. Das exklusive Verwertungsrecht soll forschende Arzneimittelhersteller für zehn Jahre vor einer wirtschaftlich beeinträchtigenden Nutzung ihrer für die Zulassung des Referenzarzneimittels bedeutsamen Versuchsergebnisse durch Konkurrenten schützen. Gewährt wird ein Vermarktungsschutz, für den ausreichend ist, dass Konkurrenten vor Ablauf der Frist keine Rechtsposition erlangen, die ihnen das Inverkehrbringen eines Arzneimittels erlaubt. Dieses Recht wächst ihnen aber erst durch die Erteilung einer Genehmigung zu (vgl. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. L 311 S. 67).

33 Umfasst die Unterlagenexklusivität kein Bearbeitungsverbot, erledigt sich das weitere Argument der Klägerin, ein nachwirkender Unterlagenschutz müsse anerkannt werden, um zu verhindern, dass dem Zweitantragsteller aus der Bearbeitung des Antrags innerhalb der Schutzfrist ein zeitlicher Vorteil erwachse, der bei rechtmäßigem Verhalten nicht entstanden wäre. Eine Bearbeitungszeit, die sich über die Schutzfrist hinaus erstreckt, ist für die Beeinträchtigung des Verwertungsrechts irrelevant; eine dadurch eintretende Verzögerung der Vermarktung stellt sich insofern als bloß zufälliger tatsächlicher Vorteil dar. Allein maßgeblich für den Vermarktungsschutz nach Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 2309/93 ist, dass keine Zulassung erteilt wird, die das Inverkehrbringen des Arzneimittels vor dem Ende der Schutzfrist ermöglicht.

34 Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Beklagte hier noch vor Ablauf der Schutzfrist eine sofort ausnutzbare Zulassung erteilt und damit das Verwertungsrecht der Klägerin verletzt hat. Sie kann der Fortdauer der rechtswidrig erteilten Genehmigung ebenso wenig entgegentreten wie einer erst nach dem Ende der Schutzfrist rechtmäßig erteilten Genehmigung. Das Gemeinschaftsrecht sieht für Fälle verfrühter Erteilung keinen Sanktionsmechanismus vor, aus dem sich eine Verlängerung des Verwertungsrechts ergeben könnte. Ebenso wenig lässt sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darauf ein Hinweis entnehmen (vgl. etwa Urteil vom 22. Dezember 2010 - C-385/08, EU-Kommission ./. Republik Polen - juris). Das ist wegen der Deutung der Unterlagenexklusivität als zeitlich begrenzter Vermarktungsschutz auch folgerichtig. Entsprechend hat der Gemeinschaftsgesetzgeber bei der 8+2+1-Nachfolgeregelung erneut davon abgesehen, an die vorzeitige Antragsbearbeitung oder Genehmigungserteilung eine Sanktion zu knüpfen oder den Schutzzeitraum über zehn bzw. elf Jahre hinaus zu verlängern.

35 (3e) Der Erlass des Widerspruchsbescheides ändert an dieser Beurteilung nichts. Unabhängig davon, dass die von den Beigeladenen herangezogene Regelung des § 79 VwGO nicht den Gegenstand der vorliegenden Feststellungsklage beschreibt, ist infolge der Widerspruchsbescheidung weder eine Verlegung des maßgeblichen Prüfungszeitpunkts eingetreten noch ist der ursprüngliche Rechtsfehler der Zulassung beseitigt worden.

36 Die Beurteilung der Rechtslage auf den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides zu konzentrieren, verbietet sich hier schon wegen des zulässigerweise zeitlich gestuften Begehrens der Klägerin. Sie bestimmt, was Gegenstand ihrer Klage ist, und zwar auch in zeitlicher Hinsicht (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1, §§ 88, 90 Abs. 1 VwGO). Das gewinnt gerade in Fällen Bedeutung, in denen ein Verwaltungsakt fortlaufend ausgenutzt werden kann, so wie die streitige arzneimittelrechtliche Zulassung das Inverkehrbringen des Arzneimittels über die gesamte Dauer ihrer Wirksamkeit erlaubte (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2012 - 8 B 62.11 - NVwZ 2012, 510 Rn. 13). Der Klägerin ist damit unbenommen, das rechtliche Schicksal der Zulassung für einen bestimmten Zeitpunkt, für den gesamten Zeitraum ihrer Wirksamkeit oder auch nur für Teile dieses Zeitraums zur Prüfung zu stellen. Hiervon ausgehend kann von vornherein nur entscheidungserheblich sein, ob der Widerspruchsbescheid die Rechtsverletzung der Klägerin beseitigt hat. Das ist aber nicht der Fall. Das hätte nur dadurch geschehen können, dass der Widerspruchsbescheid die Zulassung für die Zeit von ihrer Erteilung bis zum Ende der Schutzfrist aufgehoben hätte. Hierzu ist es aber nicht gekommen, weil die Beklagte der Klägerin in Verkennung der gemeinschaftsrechtlichen Schutzwirkung schon die Widerspruchsbefugnis abgesprochen hat, bis zur Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit ihrer Zulassung also gar nicht vorgedrungen ist. Schon deshalb geht auch die Auffassung fehl, die den Ausführungen der Beigeladenen wohl sinngemäß zugrunde liegt, der Widerspruchsbescheid sei als Bestätigung der Zulassung oder bekräftigende Neuerteilung zu sehen.

37 b) Die Revision der Klägerin zu 2 ist zulässig, aber unbegründet. Ihre Klage ist aus den vom Berufungsgericht zutreffend herausgearbeiteten Gründen bereits unzulässig.

38 Der Klägerin zu 2 fehlt für die begehrte Feststellung - ebenso wie bereits für die Anfechtung - die Klagebefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO. Es ist offensichtlich und eindeutig, dass sie zwar mit Blick auf ihre Versuchsergebnisse Unterlagenexklusivität genoss, darin aber durch den streitigen Zulassungsbescheid nicht verletzt worden ist. Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 2309/93 gewährt, wie der Bezug der Regelung auf ein vorangegangenes Genehmigungsverfahren in der Europäischen Gemeinschaft deutlich macht, dem Inhaber einer Zulassung Schutz für die Ergebnisse seiner Versuche. Das Berufungsgericht hat aber festgestellt, dass auf Unterlagen aus dem Zulassungsdossier für das von der Klägerin zu 2 vermarktete Arzneimittel Iscover® im Zulassungsverfahren der Beigeladenen zu 2 in keiner Weise Bezug genommen worden ist.

39 Die Klägerin zu 2 stellt dies nicht in Frage, sondern macht geltend, dass die Versuchsergebnisse für beide Arzneimittel inhaltlich übereinstimmten, weil die Forschungen gemeinsam durchgeführt worden seien. Auf diesen Umstand kommt es nicht an. Maßgeblich ist, wem das Nutzungsrecht an den im Erstzulassungsverfahren vorgelegten Unterlagen zusteht. Nur dies erlaubt der Zulassungsbehörde die ihr durch die Unterlagenschutzvorschriften aufgegebene Prüfung, ob die von einem Zweitantragsteller vorgelegten bibliographischen Unterlagen verwertbar sind. Hingegen ist ihr kaum möglich zu erkennen, ob einem Dritten ein Verwertungsrecht an inhaltsgleichen Unterlagen zusteht. Es ist hier nicht fraglich, dass die Klägerinnen selbstständige Nutzungsrechte an den Versuchsergebnissen begründet hatten; denn nur dies ermöglichte es ihnen, in den Erstzulassungsverfahren für Plavix® und Iscover® ohne bibliographische Bezugnahmen auf andere Unterlagen jeweils originäre Zulassungen zu erhalten. Der Rechtsschutz der Klägerin zu 2 wird durch diese Sichtweise nicht erschwert. In Fällen gemeinsamer Forschung ist es den beteiligten Herstellern ohne Weiteres möglich und zumutbar, sich etwa vertraglich wechselseitig zu verpflichten, gegen eine rechtswidrige Verwertung ihrer eigenen Zulassungsdossiers vorzugehen und damit den Schutz des Forschungspartners faktisch mit sicherzustellen.

40 2. Die Anschlussrevisionen der Beigeladenen sind zulässig, aber unbegründet. Mit ihnen verlangen die Beigeladenen die Beseitigung der vom Berufungsgericht zugunsten der Klägerin zu 1 getroffenen Feststellung. Dass sie damit über den Streitgegenstand der Revisionen hinausgehen, ist statthaft. Nach § 141 Satz 1 i.V.m. § 127 VwGO ist eine Anschlussrevision nicht an den Rahmen gebunden, der durch die Zulassung der Revision eröffnet worden ist (BVerwG, Urteil vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - NVwZ 2015, 301 Rn. 23 f.; Kuhlmann, in: Wysk, VwGO, § 141 Rn. 7 m.w.N.).

41 Dass die Anschlussrevisionen keinen Erfolg haben, ist den vorstehenden Ausführungen zur Revision der Klägerin zu 1 zu entnehmen. Das Berufungsgericht hat seine Feststellung zu Recht getroffen, weil die Klägerin zu 1 durch den Zulassungsbescheid bis zum Ablauf der Schutzfrist in ihren Rechten verletzt worden ist. Entsprechend ist das Berufungsurteil auch in diesem Umfang zu bestätigen.

42 3. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ist nicht erforderlich. Die entscheidungserheblichen Fragestellungen des Gemeinschaftsrechts sind durch den Gerichtshof geklärt oder eindeutig zu beantworten.

43 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Den Klägerinnen sind trotz ihres teilweisen Obsiegens die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die zugunsten der Klägerin zu 1 zu treffende Feststellung kann im Verhältnis zu dem geltend gemachten Gesamtzeitraum wertmäßig außer Ansatz bleiben.

Beschluss vom 08.12.2016 -
BVerwG 3 C 9.16ECLI:DE:BVerwG:2016:081216B3C9.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.12.2016 - 3 C 9.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:081216B3C9.16.0]

Beschluss

BVerwG 3 C 9.16

  • VG Köln - 20.10.2010 - AZ: VG 24 K 7532/08
  • OVG Münster - 04.07.2013 - AZ: OVG 13 A 2788/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Dezember 2016
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrügen der Klägerinnen und der Beigeladenen zu 2 gegen das Urteil des Senats vom 10. Dezember 2015 - BVerwG 3 C 18.14 - werden zurückgewiesen.
  2. Die Klägerinnen und die Beigeladene zu 2 tragen je ein Drittel der Gerichtskosten des Rügeverfahrens, ihre eigenen Kosten tragen sie jeweils selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

1 Die von beiden Klägerinnen und der Beigeladenen zu 2 erhobenen Anhörungsrügen gegen das Urteil des Senats vom 10. Dezember 2015 - BVerwG 3 C 18.14 - sind unbegründet. Keine der Rügen zeigt auf, dass der Senat den Anspruch des jeweiligen Rügeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt hat, § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 VwGO. Eine Verletzung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), die sich aus der Nichteinholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs ergeben soll, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit der Anhörungsrüge nicht geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. März 2013 - 7 C 3.13 - juris Rn. 4; Kuhlmann, in: Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 152a Rn. 3 m.w.N.), liegt abgesehen davon aber auch nicht vor.

2 1. Die Klägerinnen machen mit ihren Anhörungsrügen geltend, das Urteil lasse eine Auseinandersetzung mit den Kernargumenten ihrer Revisionen nicht ansatzweise erkennen. Das gelte insbesondere für die Ausführungen zur Auslegung des hier anzuwendenden Gemeinschaftsrechts und zur notwendigen Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den von ihnen formulierten Grundsatzfragen. Im Revisionsverfahren sei detailliert dargelegt worden, dass das Unionsrecht eine Antragstellung und Bearbeitung von Zweitzulassungsanträgen vor Ablauf der Unterlagenschutzfrist verbiete. Auf Verletzungen dieser Verbote könne sich ein Originalhersteller auch noch nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist berufen. Die eindeutigen Aussagen der Notice to Applicants hierzu würden im Urteil nicht gewürdigt. Dort bleibe auch unerwähnt, dass die Europäische Kommission aus Anlass der streitigen Zweitzulassungen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet und die Beklagte vor dem Verwaltungsgericht Köln ausdrücklich anerkannt habe, dass die Zulassungen rechtswidrig erteilt worden seien. Unberücksichtigt bleibe schließlich, dass der Klägerin zu 2 die Klagebefugnis nicht abgesprochen werden könne, weil ihre geschützten Unterlagen mit denen zu Plavix® vollkommen identisch seien.

3 Mit diesem Vorbringen wird nicht aufgezeigt, dass der Senat entscheidungserheblichen Vortrag übersehen, übergangen oder wesentlich verkannt hätte. Vielmehr versuchen die Klägerinnen mithilfe einer Wiederholung ihrer Ausführungen im Revisionsverfahren, ihre - im angegriffenen Urteil explizit abgelehnte - Rechtsauffassung durchzusetzen, der Unterlagenschutz nach Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 habe die Beantragung und die Bearbeitung von Zweitanträgen durch die Behörde verboten, und Verletzungen dieser Verbote würden dem Hersteller des Originalarzneimittels einen "nachwirkenden" Schutz über die 10-jährige Unterlagenschutzfrist hinaus verschaffen. Es trifft nicht zu, dass der Senat sich mit dieser Rechtsansicht und den von den Klägerinnen angeführten Fragestellungen nicht befasst hat. Die angesprochenen Punkte sind in dem Urteil - soweit sie nach dessen Argumentationsgang entscheidungserheblich waren - eingehend behandelt worden (vgl. Urteilsabdruck - UA - Rn. 31 ff.). Dasselbe gilt für die Klagebefugnis der Klägerin zu 2, die der Senat in offenkundigem Bezug zu ihrem Vortrag verneint hat, wegen der Identität der vorgelegten Unterlagen mit denen der Klägerin zu 1 werde auch sie durch die verfrühte Zulassung in eigenen Rechten verletzt (vgl. UA Rn. 37 ff.).

4 Es versteht sich allerdings von selbst, dass die Würdigung nicht für jeden der von den Klägerinnen genannten Punkte gleich intensiv ausfallen musste. Nach dem Argumentationsweg und dem Ergebnis des Urteils ist unschwer erkennbar, dass den von den Klägerinnen genannten Umständen für die Beurteilung der Rechtslage keine oder nur eine geringe Bedeutung zukommt. Das gilt besonders für die Notice to Applicants, die sich als praktische Anwendungshinweise aus sich heraus nicht gegen das vom Senat für klar erachtete Gemeinschaftsrecht durchsetzen können. Auf das Vertragsverletzungsverfahren und das Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit durch die Beklagte musste der Senat in den Entscheidungsgründen nicht weiter eingehen, weil diese Umstände in ihrem Aussagegehalt mit dem Urteilsergebnis übereinstimmen, dass die Zulassung wegen ihrer Erteilung vor Ablauf der Unterlagenschutzfrist objektiv rechtswidrig ist; im Übrigen zeigt der Verweis auf die Stellungnahme der Europäischen Kommission in Rn. 26 des Urteilsabdrucks, dass der Senat das Vertragsverletzungsverfahren mit in den Blick genommen hat. Übergangen worden ist auch nicht der Vortrag zu den Vorlagefragen. Die Notwendigkeit einer Vorlage an den EuGH ist im Urteil ausdrücklich verneint worden (UA Rn. 42). Dass die Urteilsbegründung dabei auf die von den Klägerinnen formulierten Fragen nicht detailliert eingeht, erklärt sich zwangslos daraus, dass sich die Antworten auf diese Fragen, soweit entscheidungserheblich, aus dem vorstehenden Begründungstext leicht ersehen lassen.

5 2. Die Anhörungsrüge der Beigeladenen zu 2 bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

6 Sie rügt, der Senat habe entscheidungserheblichen Vortrag ihrer Anschlussrevision nicht berücksichtigt. Er habe die Klageart falsch bestimmt und daher die Klage der Klägerin zu 1 zu Unrecht für zulässig erachtet. Das Klagebegehren sei aber nicht als Feststellungsklage im Sinne des § 43 VwGO zu verstehen, sondern als kombinierte Fortsetzungsfeststellungsklage in Bezug auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Zulassungsbescheides vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2008 und als Feststellungsbegehren in Bezug auf den Zeitraum 18. November 2008 bis 27. Juli 2010 bzw. 2009. Der Senat mache keine Ausführungen zu der geltend gemachten Unzulässigkeit der isolierten Feststellungsklage gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides bis zum 15. Juli 2008. Dieser Klage stehe die rechtswegübergreifende Subsidiarität nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen, weil die Klägerinnen ihre behaupteten Schadensersatzansprüche auch für die Zeit bis zum 15. Juli 2008 vor den Zivilgerichten hätten verfolgen müssen. Der Senat setze sich ferner in Widerspruch zu der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Erlass des Widerspruchsbescheides der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheides sei.

7 Auch diese Rügen machen keine Verletzung des rechtlichen Gehörs deutlich. Sie bemängeln im Kern ebenfalls nur, dass der Senat der Rechtsauffassung der Beigeladenen nicht gefolgt ist und zur Begründung seines Ergebnisses einen Argumentationsgang für zutreffend erachtet hat, nach dem viele Erwägungen der Beigeladenen zu 2 unerheblich wurden. Dass der Senat dabei gleichwohl die Ausführungen der Beigeladenen - namentlich auch diejenigen zu ihrer Anschlussrevision - zur Kenntnis genommen und erwogen hat, zeigen die Ausführungen der Beigeladenen selbst, in dem sie auf die Passagen der Urteilsgründe hinweist, in denen sich der Senat mit der statthaften Klageart, der Bedeutung des Widerspruchsbescheides und dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt befasst hat.

8 Die Beigeladene zu 2 sieht den Ausgangspunkt für das angenommene Übergehen ihres Vortrags in einer falschen Wahl der Klageart. Das trifft nicht zu. Der Senat hat dargelegt, dass in der gegebenen Prozesssituation - nach endgültiger Sacherledigung eines zeitlich teilbaren Anfechtungsbegehrens - die Feststellungsklage im Sinne des § 43 VwGO dem Begehren der Klägerinnen für alle Zeitabschnitte am besten gerecht wird. Zur sachgerechten Zuordnung des Klagebegehrens zu einer Klageart ist ein Gericht durch § 88 VwGO verpflichtet. Die im Urteil vorgenommene Bestimmung der Klageart entspricht erkennbar dem Willen und Interesse der Klägerinnen, was auch daraus deutlich wird, dass sie dieser Bestimmung im gesamten Verfahren und auch in ihrer Anhörungsrüge nicht entgegengetreten sind. Erweist sich aber eine Klageart als sachgerecht, effektiv, statthaft und auch im Übrigen zulässig, verbietet es sich, eine andere Klageart zu wählen, zumal, wenn dieser Zulässigkeitshindernisse entgegenstehen, wie es die Beigeladene zu 2 meint. Aus den Urteilsgründen hierzu geht im Übrigen klar hervor, dass der Senat die abweichenden Konstruktionen des Berufungsgerichts oder der Beigeladenen zu 2 erwogen, aber nicht für überzeugend erachtet hat.

9 Abgesehen von all dem zeigt die Beigeladene zu 2 nicht auf, inwieweit sich die Zuordnung des Klagebegehrens zu einer "kombinierten" Fortsetzungsfeststellungs- und allgemeinen Feststellungsklage im Ergebnis zu ihren Gunsten hätte auswirken können. Auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage - bezogen auf den Zeitraum der Zulassungserteilung bis zum Ablauf der Unterlagenschutzfrist am 15. Juli 2008 - wäre nach Zulässigkeit und Begründetheit im vorliegenden Fall nicht anders zu beurteilen. Da die Erledigung erst nach Erhebung der Anfechtungsklage eingetreten ist, konnte auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage nicht an der Nachrangigkeit gegenüber der Amtshaftungsklage scheitern.

10 Auf die Bedeutung des Widerspruchsbescheides für diese Zusammenhänge geht das angegriffene Urteil ausdrücklich ein - im Blick auf die anderslautende Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2 und nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung. Die Beigeladene zu 2 verfolgt nunmehr mit der Anhörungsrüge ihre im Urteil zurückgewiesene Ansicht weiter, die Rechtmäßigkeit der streitigen Zulassung beurteile sich allein nach dem Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides. Dass diese Ansicht, die ganz generell zu pauschal ist (vgl. nur Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 45 ff.), gerade für Dauerverwaltungsakte, als die die Beigeladene zu 2 arzneimittelrechtliche Genehmigungen ansieht, unrichtig ist, ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und auch aus dem im Urteil zitierten Beschluss vom 5. Januar 2012 (8 B 62.11 - NVwZ 2012, 510). Es liegt auch auf der Hand, dass bei Verwaltungsakten, deren Rechtmäßigkeit zeitabschnittsweise unterschiedlich beurteilt werden kann, von vornherein nicht ausschließlich auf die Rechtslage bei Ergehen der letzten Verwaltungsentscheidung abgestellt werden kann. Insofern kommt es entscheidend auf das Begehren des jeweiligen Klägers und auf die geltend gemachten Gründe der Rechtswidrigkeit an. Ist in einer solchen Konstellation - wie hier - festzustellen, dass der Ausgangsbescheid rechtswidrig erteilt worden ist, kann daher bezogen auf den Widerspruchsbescheid nur gefragt werden, ob dieser an der Rechtswidrigkeit etwas geändert hat. Dass dies im Fall der Klägerin zu 1 nicht der Fall war, hat der Senat dargelegt. Den Widerspruchsbescheid als "heilende" Neuerteilung der arzneimittelrechtlichen Zulassung zu betrachten, war dabei so fernliegend, dass darauf nicht einzugehen war; eine Neuerteilung hätte aber vorliegend vor allem nichts daran ändern können, dass für den Zeitraum der Unterlagenschutzfrist eine Zulassung nicht rechtmäßig erteilt werden konnte. Die behauptete Abweichung von einer ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt mithin nicht vor, einer "Auseinandersetzung" mit der von der Beigeladenen zu 2 zitierten Rechtsprechung bedurfte es insofern nicht. Die Beigeladene zu 2 überzeugen diese Ausführungen nicht; darin liegt aber keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.