Verfahrensinformation

In den Verfahren BVerwG 3 C 15.17 bis 17.17 begehren die Kläger von dem beklagten Land Baden-Württemberg jeweils die Erteilung einer auf den Bereich der Osteopathie beschränkten Heilpraktikererlaubnis. Ihre darauf gerichteten Anträge lehnte das Landratsamt Heilbronn im April 2015 mit der Begründung ab, eine beschränkte (sektorale) Heilpraktikererlaubnis sehe das Heilpraktikergesetz nicht vor. Eine Ausnahmeregelung bestehe in Baden-Württemberg nur für Inhaber einer auf das Gebiet der Psychotherapie, der Physiotherapie oder der Podologie beschränkten Erlaubnis. Die Widersprüche der Kläger wies das Landesgesundheitsamt mit Bescheiden vom 17. November 2015 zurück. Die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis, beschränkt auf ein bestimmtes Gebiet, komme nur in Betracht, wenn der Tätigkeitsumfang hinreichend ausdifferenziert und von anderen Gebieten abgrenzbar sei. Das sei bei der Osteopathie nicht der Fall. Für diesen Bereich gebe es, anders als für die Psychotherapie, die Physiotherapie und die Podologie, keine staatlich geregelte Ausbildungs- und Prüfungsordnung. Die dagegen erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Stuttgart abgewiesen. Die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis setze voraus, dass die Inhalte der Tätigkeit verbindlich festgelegt seien. Es müsse klar sein, welche Behandlungsmethoden und Therapieformen umfasst seien, zur Behandlung welcher Krankheiten sie eingesetzt würden und wo ihre Grenzen lägen. Der Bereich der Osteopathie erfülle diese Voraussetzung nicht. Für den Osteopathen fehle es an einem gesetzlich bestimmten Berufsbild. Der Tätigkeitsumfang werde nicht durch eine staatliche Ausbildungs- und Prüfungsordnung definiert und abgegrenzt. Auch zwischen den diversen Berufsverbänden im Bereich Osteopathie bestehe keine Festlegung auf einheitliche und verbindliche Standards für die osteopathische Tätigkeit und Ausbildung.


Mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Sprungrevision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.


Die Klägerinnen in den beiden übrigen Verfahren begehren die Erteilung einer auf den Bereich der Logopädie (BVerwG 3 C 8.17) bzw. Ergotherapie (BVerwG 3 C 10.17) beschränkten Heilpraktikererlaubnis. Im Verwaltungsverfahren blieben ihre Anträge ohne Erfolg. Die Verwaltungsgerichte Sigmaringen und Karlsruhe haben die angegriffenen Bescheide aufgehoben und das beklagte Land Baden-Württemberg verpflichtet, über die Anträge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Beklagten jeweils zurückgewiesen. Er hat die Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten sektoralen Heilpraktikererlaubnis als erfüllt angesehen, weil der Bereich der Logopädie (Ergotherapie) hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. Der Tätigkeitsumfang werde durch die in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung aufgeführten Unterrichts- und Ausbildungsinhalte definiert. Es handele sich zudem um ein gesetzlich vorgesehenes und durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgegebenes Heilmittel. Angesichts dieses normativen Rahmens sei daher nicht zu besorgen, dass in der Praxis Unklarheit darüber bestehen könnte, ob eine bestimmte Anwendung zur Logopädie (Ergotherapie) zähle. Der bei einer weiteren sektoralen Aufsplittung der Heilpraktikererlaubnis zu erwartende erhöhte Verwaltungsaufwand sei nicht geeignet, Beschränkungen der Berufsfreiheit zu rechtfertigen. Ein Logopäde (Ergotherapeut) sei allerdings nicht schon kraft seiner Ausbildung zu einer heilkundlichen Tätigkeit befähigt. Zum Schutz der Patienten sei deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass die in der Ausbildung nicht vermittelten Kenntnisse zur logopädischen (ergotherapeutischen) Behandlung ohne ärztliche Verordnung nachgewiesen würden.


Gegen diese Berufungsurteile wendet sich der Beklagte mit den vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revisionen.


Pressemitteilung Nr. 72/2019 vom 10.10.2019

Sektorale Heilpraktikererlaubnis für ausgebildete Logopäden möglich

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass eine ausgebildete Logopädin eine Erlaubnis zur eigenverantwortlichen Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz begrenzt auf den Bereich der Logopädie erhalten kann. Für die Erlaubniserteilung muss sie sich einer eingeschränkten Kenntnisüberprüfung unterziehen.


Die Klägerin ist ausgebildete Logopädin mit eigener Praxis in Baden-Württemberg. Im März 2015 beantragte sie die Erteilung einer auf das Gebiet der Logopädie beschränkten (sektoralen) Heilpraktikererlaubnis. Das beklagte Land lehnte dies ab, weil die Erlaubnis grundsätzlich nur unbeschränkt erteilt werden könne. Soweit eine Ausnahme in Betracht komme, wenn ein Antragsteller die Heilkunde nur auf einem abgrenzbaren Gebiet ausüben wolle, lägen diese Voraussetzungen hier nicht vor. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat die Voraussetzungen einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Logopädie bejaht und den Beklagten verpflichtet, über den Antrag der Klägerin erneut zu entscheiden. Die Berufung des Beklagten vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ist ohne Erfolg geblieben.


Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die Klägerin eine auf das Gebiet der Logopädie begrenzte Heilpraktikererlaubnis erhalten kann, sie sich dafür allerdings einer auf die beabsichtigte sektorale Heilkundeausübung zugeschnittenen Kenntnisüberprüfung unterziehen muss. Der Gesundheitsfachberuf des Logopäden ist auf eine Krankenbehandlung nach ärztlicher Verordnung ausgerichtet. Die Ausbildung zum Logopäden berechtigt nicht zur eigenverantwortlichen Ausübung der Heilkunde. Die gesetzliche Fixierung des Berufsbildes steht andererseits einer eigenverantwortlichen Ausübung der Heilkunde mit den Mitteln der Logopädie nicht entgegen, wenn die Voraussetzungen des Heilpraktikergesetzes für die Erteilung einer Erlaubnis erfüllt sind. Diese Erlaubnis kann bei ausgebildeten Logopäden auf ihr Fachgebiet beschränkt werden. Es ist im Lichte der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt, die Klägerin auf den Erwerb einer uneingeschränkten Heilpraktikererlaubnis und damit auf eine umfassende Kenntnisüberprüfung zu verweisen, wenn sie nur auf dem abgrenzbaren Gebiet der Logopädie heilkundlich tätig werden will. Die nach dem Heilpraktikerrecht zum Schutz vor Gesundheitsgefahren vorgeschriebene Kenntnisüberprüfung ist auf solche Kenntnisse und Fähigkeiten zu beschränken, die zur eigenverantwortlichen Anwendung von Logopädie erforderlich und nicht bereits durch die Berufsausbildung vermittelt worden sind.


Im Parallelverfahren einer Klägerin, die eine sektorale Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Ergotherapie erstrebt, hat die Revision des Beklagten Erfolg gehabt. Die Vorinstanzen hatten den Beklagten zur Neubescheidung des Antrags der Klägerin verpflichtet. Das Bundesverwaltungsgericht hat das angefochtene Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückverwiesen. Die Ausübung der Heilkunde i.S.d. Heilpraktikergesetzes umfasst jede berufs- oder gewerbsmäßige Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen. Wegen der mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG fallen darunter regelmäßig nur solche Heilbehandlungen, die heilkundliche Fachkenntnisse erfordern und nennenswerte gesundheitliche Schäden verursachen können. Der Beklagte hat die berufungsgerichtlichen Feststellungen dazu, dass die von der Klägerin beabsichtigte Anwendung von Ergotherapie ohne ärztliche Verordnung nennenswerte Gesundheitsgefährdungen zur Folge haben könne, mit Erfolg angegriffen. Das Bundesverwaltungsgericht kann die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zur Gefahrengeneigtheit der beabsichtigten Tätigkeit nicht selbst treffen. Die Sache war daher zur weiteren Sachaufklärung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.


Die Revisionen von drei Klägern, die vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erfolglos die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer auf den Bereich der Osteopathie begrenzten Heilpraktikererlaubnis begehrt haben, hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Das Berufsbild des Osteopathen ist nicht hinreichend klar umrissen, so dass es an der für eine sektorale Heilpraktikererlaubnis erforderlichen Abgrenzbarkeit der erlaubten Heiltätigkeit fehlt.


BVerwG 3 C 8.17 - Urteil vom 10. Oktober 2019

Vorinstanzen:

VGH Mannheim, 9 S 1899/16 - Urteil vom 23. März 2017 -

VG Sigmaringen, 7 K 3134/15 - Urteil vom 28. Juni 2016 -

BVerwG 3 C 15.17 - Urteil vom 10. Oktober 2019

Vorinstanz:

VG Stuttgart, 4 K 5925/15 - Urteil vom 26. Januar 2017 -

BVerwG 3 C 16.17 - Urteil vom 10. Oktober 2019

Vorinstanz:

VG Stuttgart, 4 K 5923/15 - Urteil vom 26. Januar 2017 -

BVerwG 3 C 17.17 - Urteil vom 10. Oktober 2019

Vorinstanz:

VG Stuttgart, 4 K 5924/15 - Urteil vom 26. Januar 2017 -

BVerwG 3 C 10.17 - Urteil vom 10. Oktober 2019

Vorinstanzen:

VGH Mannheim, 9 S 1034/15 - Urteil vom 23. März 2017 -

VG Karlsruhe, 9 K 1519/13 - Urteil vom 19. März 2015 -


Urteil vom 10.10.2019 -
BVerwG 3 C 10.17ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U3C10.17.0

Sektorale Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Ergotherapie

Leitsatz:

Eine Heiltätigkeit, die keine nennenswerte Gesundheitsgefährdung zur Folge haben kann, fällt nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 12 Abs. 1
    HeilprG § 1 Abs. 1 und 2, § 2 Abs. 1, § 5
    ErgThG § 2 Abs. 1 Nr. 1
    1. DVO-HeilprG § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i
    ErgThAPrV § 1 Abs. 1

  • VG Karlsruhe - 19.03.2015 - AZ: VG 9 K 1519/13
    VGH Mannheim - 23.03.2017 - AZ: VGH 9 S 1034/15

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 10.10.2019 - 3 C 10.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U3C10.17.0]

Urteil

BVerwG 3 C 10.17

  • VG Karlsruhe - 19.03.2015 - AZ: VG 9 K 1519/13
  • VGH Mannheim - 23.03.2017 - AZ: VGH 9 S 1034/15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2019
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 23. März 2017 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land eine auf den Bereich der Ergotherapie beschränkte - sektorale - Heilpraktikererlaubnis.

2 Im Jahr 1989 wurde ihr die Erlaubnis erteilt, eine Tätigkeit unter der (damals gesetzlich vorgesehenen) Berufsbezeichnung "Beschäftigungs- und Arbeitstherapeutin" auszuüben. Im Jahr 2009 erwarb sie den akademischen Grad "Diplom-Ergotherapeutin (FH)". Sie ist in einer eigenen Praxis tätig. Ihren im Dezember 2011 gestellten Antrag auf Erteilung einer auf das Gebiet der Ergotherapie beschränkten Heilpraktikererlaubnis lehnte das Landratsamt Karlsruhe mit Bescheid vom 30. November 2012 ab. Es handele sich bei ergotherapeutischen Behandlungen nicht um Ausübung der Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes (HeilprG), da sie keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge haben könnten. Zudem sei der Tätigkeitsbereich der Ergotherapie nicht hinreichend abgrenzbar. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2013 zurück. Die Ergotherapie lasse sich aufgrund ihres breit gefächerten Einsatzes nicht klar abgrenzen. Sie werde in praktisch allen medizinischen Fachbereichen zur Wiederherstellung und Förderung eingeschränkter körperlicher und kognitiver Fähigkeiten angewendet, z.B. in der Pädiatrie, Orthopädie, Chirurgie, Inneren Medizin, Psychiatrie, Neurologie und Geriatrie. Die mangelnde Abgrenzbarkeit des Tätigkeitsfeldes stehe auch der Durchführung einer sektoralen Kenntnisüberprüfung auf diesem Gebiet entgegen. Ob von ergotherapeutischen Behandlungen nennenswerte Gesundheitsgefahren ausgehen könnten, könne dahingestellt bleiben.

3 Im Klageverfahren hat die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 30. November 2012 und 5. Juni 2013 zu verpflichten, über ihren Erlaubnisantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, hilfsweise festzustellen, dass sie für selbstständige Behandlungen aus dem Aufgabenkreis der ihr erteilten Erlaubnis zur Ausübung einer Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung "Ergotherapeutin" keiner Heilpraktikererlaubnis bedarf. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat der Klage mit Urteil vom 19. März 2015 im Hauptantrag stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 23. März 2017 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die von der Klägerin beabsichtigte Anwendung ergotherapeutischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung erfülle die Voraussetzungen der erlaubnispflichtigen Heilkundeausübung im Sinne von § 1 Abs. 2 HeilprG. Die Tätigkeit erfordere heilkundliche Fachkenntnisse und könne nennenswerte Gesundheitsgefährdungen zur Folge haben. Die Gefahrengeneigtheit der Ergotherapie lasse sich auch ohne Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens bejahen. Es könne bereits davon ausgegangen werden, dass mit der Anwendung mancher ergotherapeutischen Behandlungsmethoden unmittelbare Gesundheitsrisiken verbunden seien. Unabhängig davon drohten jedenfalls mittelbare Gefährdungen, weil Patienten im Einzelfall davon absehen könnten, einen Arzt aufzusuchen, obwohl dies geboten wäre. Die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz entfalle nicht deshalb, weil die Klägerin ausgebildete Ergotherapeutin sei. Dieser Berufsabschluss berechtige nicht zur Krankenbehandlung ohne ärztliche Verordnung und somit nicht zur selbstständigen Ausübung der Heilkunde. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Recht angenommen, dass die Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf den Bereich der Ergotherapie erteilt werden dürfe. Der Umfang der erlaubten Heiltätigkeit sei hinreichend bestimmt, weil das Gebiet der Ergotherapie hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. Der Tätigkeitsumfang werde durch die staatliche Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Ergotherapeuten definiert. Zudem handele es sich um ein in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehenes Heilmittel. Dass zur Ergotherapie auch Methoden zählten, die nicht dem Heilkundebereich zuzuordnen seien oder bei denen die Zuordnung zweifelhaft sein könnte, stehe der Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis nicht entgegen. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit bestehe kein Anlass. Es handele sich dabei nicht um medizinisch-fachliche Tatsachen, die einem Beweis zugänglich wären. Ein Ergotherapeut sei allerdings allein kraft seiner Ausbildung nicht zu einer Krankenbehandlung ohne ärztliche Verordnung befähigt. Zum Schutz der Patienten sei deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass die in der Ausbildung nicht vermittelten Kenntnisse für eine eigenverantwortliche ergotherapeutische Heilkundetätigkeit nachgewiesen würden.

4 Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Der Verwaltungsgerichtshof habe seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung verletzt. Er hätte ein Sachverständigengutachten dazu einholen müssen, ob ergotherapeutische Behandlungen geeignet seien, unmittelbare oder mittelbare Gesundheitsgefährdungen hervorzurufen, und ob das Gebiet der Ergotherapie hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. Zudem hätte er weiter aufklären müssen, ob die Ergotherapie überwiegend von Tätigkeiten geprägt sei, die heilkundliche Fachkenntnisse erforderten. Die Einstufung der ergotherapeutischen Behandlungsmethoden als insgesamt heilkundliche Tätigkeit sei nur nachvollziehbar, sofern der heilkundliche Tätigkeitsanteil den nicht-heilkundlichen Anteil weit überwiege. Das Berufungsurteil lasse im Unklaren, welche Verrichtungen dem Bereich der Heilkundeausübung zuzuordnen seien und wie sie vom nicht-heilkundlichen Bereich abzugrenzen seien. Es gebe eine Vielzahl ergotherapeutischer Therapieformen, die nicht eindeutig oder ausschließlich heilkundlicher Natur seien. Die für die Erlaubniserteilung erforderliche Abgrenzbarkeit der heilkundlichen Tätigkeit sei deshalb nicht gegeben. Es sei zudem verfehlt, die Vorschriften über die Versorgung mit Heilmitteln zur Bestimmung des Berufsbildes der Ergotherapie heranzuziehen. Das Berufungsurteil beruhe außerdem auf einer unrichtigen Auslegung des Heilpraktikerrechts. Eine weitere Aufsplitterung der Heilpraktikererlaubnis stehe nicht im Einklang mit dem vom Heilpraktikergesetz bezweckten Gesundheitsschutz der Bevölkerung und widerspreche der staatlichen Schutzverpflichtung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Der Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, den Gesundheitsfachberufen die Befugnis zur selbstständigen Ausübung der Heilkunde einzuräumen. Die Zulassung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für Ergotherapie und der damit verbundenen eingeschränkten Kenntnisüberprüfung höhle das gesetzliche Schutzkonzept aus und gefährde die Patientensicherheit. Wegen der fehlenden Abgrenzbarkeit der Ergotherapie sei es nicht möglich, die Kenntnisse zu bestimmen, die für die eigenverantwortliche Anwendung ergotherapeutischer Behandlungen erforderlich seien. Es bestehe die Gefahr fehlerhafter Erstdiagnosen. Vor Beginn einer ergotherapeutischen Maßnahme müsse stets eine ausführliche Diagnostik stehen. Ohne ärztlichen Befund könne kein sinnvolles Therapiekonzept erstellt werden, schwerwiegende Grunderkrankungen würden möglicherweise nicht rechtzeitig erkannt und behandelt. Aufgrund des weiten Einsatzgebietes der Ergotherapie, das praktisch alle medizinischen Fachbereiche berühre, bedürfe es einer umfassenden Kenntnisüberprüfung. Damit entfalle aber der Grund für die Zulassung einer sektoralen Erlaubnis. Die Änderungen des Heilpraktikerrechts durch Art. 17e und Art. 17f des Dritten Pflegestärkungsgesetzes vom 23. Dezember 2016 zeigten die Absicht des Gesetzgebers, das Niveau der Überprüfung der Heilpraktikeranwärter im Interesse des Patientenschutzes zu erhöhen. Die Zulassung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Ergotherapie widerspreche diesem Ziel. Soweit der Verwaltungsgerichtshof auf das Bestehen einer systematischen Unstimmigkeit verweise, die sich daraus ergebe, dass der Gesetzgeber einerseits Gesundheitsfachberufe mit erheblichen Qualifikationsanforderungen geschaffen habe und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit der Heilkundeausübung allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt beibehalten habe, berücksichtige er nicht, dass sich diese Unstimmigkeit aufgrund der gestiegenen Anforderungen an die Kenntnisüberprüfung erheblich verringert habe.

5 Die Klägerin verteidigt das angegriffene Berufungsurteil.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht teilt die Rechtsauffassung des Beklagten.

II

7 Die zulässige Revision des Beklagten hat Erfolg. Das angefochtene Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Beklagte hat die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, die eigenverantwortliche Anwendung ergotherapeutischer Methoden zur Krankenbehandlung könne nennenswerte Gesundheitsgefährdungen zur Folge haben, mit durchgreifenden Revisionsgründen angegriffen (§ 137 Abs. 2 VwGO). Der Senat kann ohne hinreichende Feststellungen zur Gefahrengeneigtheit der Ergotherapie nicht abschließend entscheiden, ob der Klägerin eine Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf das Gebiet der Ergotherapie erteilt werden darf. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

8 1. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin sind § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz - HeilprG) vom 17. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2, veröffentlichten bereinigten Fassung) in Verbindung mit der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (1. DVO-HeilprG) vom 18. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2-1, veröffentlichten bereinigten Fassung), jeweils zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191, 3219). Danach bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein. Auf die Erteilung der Erlaubnis besteht ein Rechtsanspruch, wenn kein - rechtsstaatlich unbedenklicher - Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der 1. DVO-HeilprG eingreift (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 3 C 26.11 - BVerwGE 145, 275 Rn. 11 und vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 9 m.w.N.).

9 2. Ausübung der Heilkunde nach § 1 Abs. 2 HeilprG ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen. Wegen der mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG fallen darunter nur solche Heilbehandlungen, die heilkundliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verursachen können, wobei ein nur geringfügiges Gefährdungspotential nicht ausreicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 25 Rn. 18 m.w.N.). Der Verwaltungsgerichtshof hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die eigenverantwortliche Anwendung ergotherapeutischer Methoden zur Krankenbehandlung heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzt (a)). Seine weitere Feststellung, die selbstständige Ausübung der Ergotherapie sei mit der Gefahr nennenswerter gesundheitlicher Schäden verbunden, leidet hingegen an Rechtsfehlern (b)).

10 a) Die Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen für den Beruf des Ergotherapeuten zeigen, dass die Anwendung ergotherapeutischer Behandlungsmethoden heilkundliche Fachkenntnisse erfordert. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Beruf der Ergotherapeutin und des Ergotherapeuten (Ergotherapeutengesetz - ErgThG) vom 25. Mai 1976 (BGBl. I S. 1246, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2019 <BGBl. I S. 1307>) setzt die Erlaubnis, eine Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung "Ergotherapeutin" oder "Ergotherapeut" auszuüben, eine dreijährige Ausbildung und das Bestehen der staatlichen Prüfung zum Ergotherapeuten voraus. Gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 (Teil A) der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten (Ergotherapeuten-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung - ErgThAPrV) vom 2. August 1999 (BGBl. I S. 1731, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2019 <BGBl. I S. 1307>) umfasst der theoretische und praktische Unterricht unter anderem die Unterrichtsfächer Biologie, beschreibende und funktionelle Anatomie, Physiologie (180 Stunden), Allgemeine Krankheitslehre (30 Stunden), Spezielle Krankheitslehre einschließlich diagnostischer, therapeutischer, präventiver und rehabilitativer Maßnahmen sowie psychosozialer Aspekte (Orthopädie, Rheumatologie, Innere Medizin und Geriatrie, Chirurgie/Traumatologie, Onkologie, Neurologie einschließlich der neuropsychologischen Störungen, Psychosomatik, Psychiatrie/Gerontopsychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Pädiatrie und Neuropädiatrie) mit insgesamt 280 Stunden, Arzneimittellehre (20 Stunden), Grundlagen der Arbeitsmedizin (30 Stunden), Motorisch-funktionelle Behandlungsverfahren (100 Stunden), Neurophysiologische Behandlungsverfahren (100 Stunden) und Neuropsychologische Behandlungsverfahren (100 Stunden). Die praktische Ausbildung im motorisch-funktionellen, neurophysiologischen und neuropsychologischen Bereich beläuft sich auf 400 Stunden (§ 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 <Teil B> ErgThAPrV). Der schriftliche Teil der Prüfung erstreckt sich unter anderem auf die Fächergruppen Allgemeine Krankheitslehre, Spezielle Krankheitslehre, Grundlagen der Arbeitsmedizin (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErgThAPrV) sowie Motorisch-funktionelle Behandlungsverfahren, Neurophysiologische Behandlungsverfahren, Neuropsychologische Behandlungsverfahren, Psychosoziale Behandlungsverfahren, Arbeitstherapeutische Verfahren (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ErgThAPrV). Gegenstand der mündlichen Prüfung sind unter anderem die Fächer Biologie, beschreibende und funktionelle Anatomie, Physiologie, Medizinsoziologie und Gerontologie (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 ErgThAPrV).

11 Die Gesetzesmaterialien zum Ergotherapeutengesetz bestätigen ebenfalls, dass die Anwendung ergotherapeutischer Behandlungsmethoden heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzt. Dort heißt es, der Beruf des Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten sei ein nichtärztlicher Heilberuf, der hohe Anforderungen an die Ausbildung stelle, die sich neben psychologischen, pädagogischen, handwerklichen und sonstigen Fähigkeiten auf ein umfangreiches Wissen in der Medizin erstreckten. Weiter heißt es, die Tätigkeiten des Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten beträfen zahlreiche Bereiche der Medizin und umfassten neben der speziellen Behandlung von psychisch kranken Menschen die Anwendung von besonderen Behandlungsweisen zur Wiedergewinnung oder Besserung der Bewegungsfähigkeit, zur Förderung von Gelenkmobilisation, Muskelkraft und Koordination (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über den Beruf des Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten, BT-Drs. 7/3113 S. 7 f.).

12 Nicht zu beanstanden ist, dass sich der Verwaltungsgerichtshof ergänzend auf die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL) i.d.F. vom 19. Mai 2011 (BAnz Nr. 96 S. 2247), zuletzt geändert am 21. September 2017 (BAnz AT 23.11.2017 B1) gestützt hat. Die Ergotherapie ist ein gesetzlich vorgesehenes und durch die Heilmittel-Richtlinie vorgegebenes Heilmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 124 Abs. 1 SGB V, § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Abs. 6 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1, §§ 35 ff. HeilM-RL/Erster Teil). Der Verwaltungsgerichtshof hat daraus zu Recht abgeleitet, dass die Heilmittel-Richtlinie das Berufsbild des Ergotherapeuten mitbestimmt, weil sie wesentliche Behandlungsmethoden und Therapieformen der Ergotherapie beschreibt (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 19). Danach dient eine motorisch-funktionelle Behandlung der gezielten Therapie krankheitsbedingter Störungen der motorischen Funktionen. Sie umfasst beispielsweise Maßnahmen zum Aufbau und Erhalt physiologischer Funktionen, zur Entwicklung und Verbesserung der Grob- und Feinmotorik, zur Vermeidung der Entstehung von Kontrakturen und zur Schmerzlinderung (§ 36 Abs. 1 und 2 HeilM-RL). Die sensomotorisch-perzeptive Behandlung erstreckt sich unter anderem auf Maßnahmen zur Desensibilisierung und Sensibilisierung einzelner Sinnesfunktionen und zur Hemmung und zum Abbau pathologischer Haltungs- und Bewegungsmuster (§ 37 Abs. 2 HeilM-RL). Auch der Zweite Teil der Heilmittel-Richtlinie (Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen - Heilmittelkatalog), Abschnitt III (Maßnahmen der Ergotherapie) veranschaulicht, dass die eigenverantwortliche Anwendung ergotherapeutischer Maßnahmen heilkundliche Fachkenntnisse erfordert.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht dadurch verletzt, dass er zur Beurteilung des Erfordernisses heilkundlicher Fachkenntnisse kein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Einen förmlichen Beweisantrag hat der Beklagte in der Vorinstanz nicht gestellt. Die Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens brauchte sich dem Berufungsgericht auch nicht aufzudrängen. Nach der Ergotherapeuten-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung und den Bestimmungen der Heilmittel-Richtlinie ist nicht zweifelhaft, dass die eigenverantwortliche Anwendung ergotherapeutischer Methoden zur Krankenbehandlung heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzt. Der Beklagte hat dies in den Gründen seiner angefochtenen Bescheide auch nicht in Frage gestellt. Das Gleiche gilt hinsichtlich seiner Beweisanregung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. Bl. 190 der Gerichtsakte).

14 Die Einholung eines Sachverständigengutachtens musste sich dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht zur Beurteilung der Frage aufdrängen, ob die Ergotherapie (weit) überwiegend von Tätigkeiten geprägt ist, die heilkundliche Fachkenntnisse erfordern. Er hat angenommen, dass sich am Heilkundecharakter der eigenverantwortlich ausgeübten Ergotherapie nicht deshalb etwas ändere, weil zum Gebiet der Ergotherapie ebenso Methoden zählten, die für sich genommen keine heilkundlichen Fachkenntnisse erforderten. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Einstufung der eigenverantwortlich ausgeübten Ergotherapie als Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 HeilprG verlangt nicht, dass jede Maßnahme aus dem Bereich der Ergotherapie heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzt. Der Heilkundecharakter hängt auch nicht davon ab, dass der heilkundliche Anteil des ergotherapeutischen Tätigkeitsfeldes eine bestimmte quantitative Schwelle überschreitet. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass dem heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzenden Tätigkeitsbereich erhebliches Gewicht zukommt, weil er einen bedeutsamen Bestandteil der eigenverantwortlich ausgeübten Tätigkeit ausmacht. Hier hat der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage der Ergotherapeuten-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung und der Bestimmungen der Heilmittel-Richtlinie nachvollziehbar festgestellt, dass die eigenverantwortlich ausgeübte Ergotherapie in erheblichem Maß durch Behandlungsmaßnahmen geprägt ist, die heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzen.

15 b) Er ist des Weiteren davon ausgegangen, dass die eigenverantwortlich ausgeübte Ergotherapie sowohl mit unmittelbaren als auch mit mittelbaren Gesundheitsrisiken verbunden ist. Die dagegen erhobenen Rügen des Beklagten haben Erfolg.

16 aa) Der Verwaltungsgerichtshof begründet die mittelbare Gesundheitsgefährdung damit, dass ein Patient im Einzelfall davon absehen könnte, einen Arzt aufzusuchen, obwohl dies geboten wäre. Das wird den Anforderungen an die Abgrenzung einer nicht erlaubnispflichtigen Heiltätigkeit von der erlaubnispflichtigen Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 1 und 2 HeilprG nicht gerecht.

17 Eine Heiltätigkeit, die keine nennenswerte Gesundheitsgefährdung zur Folge haben kann, fällt nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes, auch wenn sie heilkundliche Fachkenntnisse erfordert (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1970 - 1 C 53.66 - BVerwGE 35, 308 <311>; Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 3 B 39.09 - juris Rn. 3 m.w.N.). Voraussetzung für ein nennenswertes Risiko ist, dass die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung nicht nur geringfügig ist (BVerwG, Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 25 Rn. 18). Allein die Möglichkeit, dass ein gebotener Arztbesuch unterbleibt, reicht nicht aus, um eine mittelbare Gesundheitsgefahr zu bejahen. Denn dies lässt sich nie ausschließen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 7. August 2000 - 1 BvR 254/99 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2000:​rk20000807.1bvr025499] - NJW 2000, 2736 und vom 3. Juni 2004 - 2 BvR 1802/02 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2004:​rk20040603.2bvr180202] - BVerfGK 3, 237 <239>). Es muss vielmehr hinzukommen, dass die in Rede stehende Heiltätigkeit als eine die ärztliche Behandlung ersetzende Tätigkeit erscheint. Maßgeblich dafür ist insbesondere der äußere Eindruck, der sich für die angesprochenen Patientenkreise aus der fraglichen Heiltätigkeit ergibt (BVerwG, Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 25 Rn. 18 und 28 ff.). Den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs lässt sich nicht entnehmen, dass die von der Klägerin beabsichtigte eigenverantwortliche Anwendung ergotherapeutischer Behandlungsmethoden gegenüber den sie aufsuchenden Patienten den äußeren Eindruck vermittelt, eine ärztliche Behandlung zu ersetzen. Die Ausführungen in dem angegriffenen Berufungsurteil beschränken sich im Wesentlichen auf die Erwägung, dass Patienten, die schon einmal ergotherapeutisch behandelt worden sind, im Fall einer (unerkannten) Neu- oder Wiedererkrankung geneigt sein könnten, statt eines Arztes einen eigenverantwortlich tätigen Ergotherapeuten aufzusuchen. Diese Möglichkeit genügt aber, wie gezeigt, nicht für die Annahme einer nennenswerten mittelbaren Gesundheitsgefahr.

18 bb) Die Feststellung einer unmittelbaren Gesundheitsgefährdung beruht auf einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung und trägt deshalb die berufungsgerichtliche Annahme einer zur Erfüllung des Heilkundebegriffs führenden Gefahrengeneigtheit ebenfalls nicht.

19 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung lediglich ausgeführt, es könne davon ausgegangen werden, dass durch die Anwendung (mancher) ergotherapeutischer Behandlungsmethoden unmittelbar Gefahren hervorgerufen werden könnten. Weiter begründet und konkretisiert hat er das nicht. Damit bleibt, wie der Beklagte zu Recht einwendet, im Unklaren, um welche Methoden es sich handelt und ob es dabei um einen Tätigkeitsbereich geht, der für die eigenverantwortlich ausgeübte Ergotherapie von erheblichem Gewicht ist. Darauf kommt es aber entscheidungserheblich an. Die von der Klägerin beantragte Erlaubnis knüpft an das Gebiet der Ergotherapie an. Entsprechend ist auch die Beurteilung des Heilkundecharakters gebietsbezogen vorzunehmen. Danach setzt die Einstufung der eigenverantwortlich ausgeübten Ergotherapie als Heilkundeausübung voraus, dass die Heiltätigkeit in erheblichem Maß durch ergotherapeutische Methoden geprägt ist, die nennenswerte Gesundheitsgefährdungen zur Folge haben können.

20 Der Senat kann die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen. Anders als im Fall der Logopädie (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019 - 3 C 8.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​101019U3C8.17.0] -) ist die Gefahrengeneigtheit ergotherapeutischer Behandlungsmethoden keine allgemeinkundige Tatsache im Sinne von § 173 Satz 1 VwGO, § 291 ZPO. Die ergotherapeutische Tätigkeit umfasst Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, durch Anwendung aktivierender und handlungsorientierter Methoden und Verfahren, mit Hilfe der Betätigung von Handfertigkeiten und handwerklichen Fähigkeiten sowie durch Erlernung beruflicher Kenntnisse motorische, sensorische, psychische und kognitive Störungen zu beheben oder zu lindern und eine Eingliederung in Beruf und Alltag zu erreichen. Dabei dienen die beschäftigungstherapeutischen Verfahren vor allem der Wiederherstellung von Grundfunktionen beim Patienten und der Wiedereingliederung in das Alltagsleben, während die arbeitstherapeutischen Verfahren auf eine Wiedereingliederung in das Arbeits- und Berufsleben zielen (BT-Drs. 7/3113 S. 6 f.). Zum Einsatz kommen adaptiertes Übungsmaterial, funktionelle, spielerische, handwerkliche und gestalterische Techniken sowie lebenspraktische Übungen (vgl. Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 ErgThAPrV, Teil A, Nr. 13 und 21; § 35 Abs. 2 HeilM-RL). Danach erschließt sich nicht ohne Weiteres, welche nennenswerten Gesundheitsgefährdungen mit der Anwendung ergotherapeutischer Maßnahmen verbunden sein können. Ohne Einbeziehung fachkundiger Stellungnahmen lässt sich die Gefahrengeneigtheit der eigenverantwortlichen Ausübung der Ergotherapie daher nicht beurteilen.

21 3. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen zu den unmittelbaren Gesundheitsgefährdungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob der Klägerin eine Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf das Gebiet der Ergotherapie erteilt werden darf. Die Erlaubniserteilung ist nicht aus anderen Rechtsgründen ausgeschlossen.

22 a) Sollte die eigenverantwortliche Anwendung ergotherapeutischer Methoden zur Krankenbehandlung als Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 HeilprG einzustufen sein, handelte es sich um eine heilkundliche Tätigkeit, die ohne Erlaubnis nicht ausgeübt werden darf.

23 Die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz entfiele nicht deshalb, weil die Klägerin ausgebildete Ergotherapeutin ist. Das hat der Senat für die Ausübung der Heilkunde durch einen ausgebildeten Physiotherapeuten oder Logopäden bereits entschieden (BVerwG, Urteile vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 12 ff. und vom 10. Oktober 2019 - 3 C 8.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​101019U3C8.17.0] -). Für den Bereich der Ergotherapie gilt nichts Anderes. Die der Klägerin erteilte Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Ergotherapeutin" berechtigt nicht zur Krankenbehandlung ohne ärztliche Verordnung und damit nicht zur Ausübung der Heilkunde nach § 1 Abs. 2 HeilprG. Das Berufsrecht unterscheidet zwischen den Heilberufen, die eigenverantwortlich körperliche oder seelische Krankheiten, Leiden oder Schäden beim Menschen behandeln dürfen (Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeut, Heilpraktiker), und den Gesundheitsfachberufen, die zur Krankenbehandlung grundsätzlich nur aufgrund ärztlicher Verordnung befugt sind. Das gesetzlich fixierte Berufsbild des Ergotherapeuten zählt zur zweiten Gruppe (vgl. BT-Drs. 7/3113 S. 6 <ärztlich überwachte Behandlungen> und S. 8 <übt seine Tätigkeit unter ärztlicher Anleitung aus>). Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen ist die Ausbildung darauf ausgerichtet, dass der Ergotherapeut anhand einer vom Arzt angegebenen Diagnose die Einzelheiten der ergotherapeutischen Behandlung abklärt und durchführt. Dementsprechend beschränken sich die Ausbildungsinhalte auf Kenntnisse und Fähigkeiten für eine ergotherapeutische Befunderhebung, Behandlungsplanung und -durchführung. In dem dafür notwendigen Umfang erstreckt sich der Unterrichtsstoff auch auf medizinische Fächer. Dagegen vermittelt die Ausbildung nicht die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für eine Erstdiagnose im Sinne einer ärztlichen Differentialdiagnostik (vgl. § 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 <Teil A>, § 7 Abs. 1 ErgThAPrV). Deutlich wird die den Ergotherapeuten durch das Berufsrecht gezogene Grenze zudem durch den Vergleich mit der gesetzlichen Ausgestaltung des Berufsbildes der Psychotherapeuten, denen die Ausübung der Heilkunde im Bereich der Psychotherapie ausdrücklich erlaubt ist (vgl. § 1 Abs. 1 und 3 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten <Psychotherapeutengesetz - PsychThG> vom 16. Juni 1998 <BGBl. I S. 1311>, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2019 <BGBl. I S. 1307>). Das Ergotherapeutengesetz enthält eine solche Regelung nicht. Schließlich bestätigt auch § 63 Abs. 3b Satz 3 i.V.m. Satz 2 SGB V in der bis zum 10. Mai 2019 gültigen Fassung, dass Ergotherapeuten nur aufgrund ärztlicher Anordnung tätig werden dürfen (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 15).

24 Die gesetzliche Ausgestaltung des Berufsbildes des Ergotherapeuten als Gesundheitsfachberuf bedeutet aber auf der anderen Seite keine Sperre für eine entsprechende Heiltätigkeit auf der Grundlage einer Heilpraktikererlaubnis. Die eigenverantwortliche Heilbehandlung von Patienten mit den Methoden der Ergotherapie bleibt unter den Voraussetzungen des Heilpraktikergesetzes weiter möglich (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 17).

25 b) In der Rechtsprechung des Senats ist auch geklärt, dass die Heilpraktikererlaubnis teilbar ist. Das Heilpraktikergesetz enthält weder dem Wortlaut nach noch nach seinem Sinn und Zweck ein Verbot der Erteilung einer inhaltlich beschränkten Erlaubnis. Seit Inkrafttreten des vorkonstitutionellen Gesetzes haben sich die Berufsbilder auf dem Sektor der Gesundheitsberufe in damals nicht vorhersehbarer Weise ausdifferenziert. Die Vorschriften des Heilpraktikergesetzes müssen daher im Lichte der Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG durch Auslegung an die gegenwärtigen Gegebenheiten angepasst werden. Danach ist eine uneingeschränkte Heilpraktikererlaubnis mit der Folge einer umfassenden Kenntnisüberprüfung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Patienten nicht erforderlich und deshalb unverhältnismäßig, wenn ein Antragsteller die Heilkunde nur auf einem abgrenzbaren Gebiet ausüben will, dessen Tätigkeitsumfang hinreichend ausdifferenziert ist. In einem solchen Fall reicht es aus, eine auf dieses Gebiet beschränkte Erlaubnis zuzusprechen, solange sichergestellt ist, dass der Antragsteller die Grenzen seines Könnens kennt und beachtet (BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1993 - 3 C 34.90 - BVerwGE 91, 356 <361>, vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 18 und vom 10. Oktober 2019 - 3 C 8.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​101019U3C8.17.0] -).

26 Die Anerkennung sektoraler Beschränkungen der Heilpraktikererlaubnis beruht darauf, dass im Bereich der Gesundheitsberufe durch den Gesetzgeber einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen festgelegt werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit aufrechterhalten bleibt, allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG) eigenverantwortlich Patienten zu behandeln. Darin liegt eine systematische Unstimmigkeit, die sich dadurch jedenfalls abmildern lässt, dass der Zugang zu abgrenzbaren heilkundlichen Betätigungsfeldern durch entsprechend beschränkte Heilpraktikererlaubnisse eröffnet wird (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 20).

27 Die Änderungen des Heilpraktikergesetzes und der Ersten Durchführungsverordnung durch Art. 17e und 17f des Dritten Pflegestärkungsgesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191, 3219) haben an dieser systematischen Unstimmigkeit nichts Grundlegendes geändert. Der neu gefasste § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG sieht wie bisher eine Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt vor, um festzustellen, ob die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung bedeuten würde. Neu ist der Zusatz, dass die Überprüfung auf der Grundlage von Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern durchzuführen ist. Zudem ist die Regelung dahingehend ergänzt worden, dass bei der Gefahrenabwehrprüfung auch die einzelnen Patientinnen und Patienten, die den Heilpraktiker aufsuchen, in den Blick zu nehmen sind (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf des Dritten Pflegestärkungsgesetzes, BT-Drs. 18/10510 S. 142). Das Bundesministerium für Gesundheit hat gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 der 1. DVO-HeilprG unter dem 7. Dezember 2017 die Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien bekannt gemacht, die zum 22. März 2018 in Kraft getreten sind (BAnz AT 22.12.2017 B5). Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern, die das Ministerium im September 1992 veröffentlicht hatte und die seither als Grundlage der Kenntnisüberprüfung dienten (BT-Drs. 18/10510 S. 141 f.; Leitlinien vom 7. Dezember 2017, Präambel). Die Neufassung des § 2 Abs. 1 der 1. DVO-HeilprG wird flankiert durch eine Änderung des § 2 Abs. 1 HeilprG (vgl. BT-Drs. 18/10510 S. 141 f.). Der Rechtscharakter der Kenntnisüberprüfung ist danach unverändert geblieben. Sie fragt weiterhin keinen bestimmten Ausbildungsstand ab, sondern dient der Abwehr von Gefahren im konkreten Einzelfall (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 22 m.w.N.). Entsprechend orientieren sich auch die Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien vom 7. Dezember 2017 am Ziel der Gefahrenabwehr. Sie sollen die Feststellung ermöglichen, ob der Antragsteller die Grenzen seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zuverlässig einschätzt, sich der Gefahren bei Überschreitung dieser Grenzen bewusst sowie bereit ist, sein Handeln angemessen daran auszurichten (vgl. Leitlinien vom 7. Dezember 2017, Absatz 5 der Präambel).

28 c) Die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, das Gebiet der Ergotherapie sei hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

29 Der Tätigkeitsumfang wird durch die in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten aufgeführten Ausbildungsinhalte (Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 ErgThAPrV) beschrieben und definiert. Es handelt sich zudem um ein gesetzlich vorgesehenes und durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgegebenes Heilmittel. Wegen dieses normativen Rahmens ist nicht zu besorgen, dass in der Praxis Unklarheiten darüber bestehen könnten, ob eine bestimmte Behandlungsmaßnahme zur Ergotherapie zählt oder nicht. Die dagegen erhobenen Rügen des Beklagten greifen nicht durch.

30 aa) Dass das Ergotherapeutengesetz anders als § 8 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie (Masseur- und Physiotherapeutengesetz - MPhG) keine ausdrückliche Beschreibung des Ausbildungsziels enthält, steht der Abgrenzbarkeit des Tätigkeitsbereichs nicht entgegen. Die Aufgabenstellung des Berufs des Ergotherapeuten ergibt sich hinreichend klar aus den Ausbildungsinhalten, den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 7/3113 S. 6 ff.) und aus der Heilmittel-Richtlinie (vgl. §§ 35 ff. HeilM-RL).

31 bb) An der erforderlichen Abgrenzbarkeit fehlt es auch nicht deshalb, weil sich andere Berufe ebenfalls mit Fachdisziplinen der Ergotherapie befassen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass das Tätigkeitsfeld des Ergotherapeuten genügend ausdifferenziert und umrissen ist. Teilweise Überschneidungen (Schnittmengen) mit den fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten anderer Berufsbilder und mit deren Tätigkeitsbereich könnten nur dann entgegenstehen, wenn sich deswegen der Umfang der erlaubten ergotherapeutischen Heiltätigkeit nicht bestimmen ließe.

32 cc) Eine hinreichende Abgrenzbarkeit der Ergotherapie wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass zur ergotherapeutischen Tätigkeit auch nicht-heilkundliche Verfahren, Behandlungsmethoden und Therapieformen zählen. Daraus ergeben sich keine Schwierigkeiten für die Bestimmung des Umfangs der erlaubten Heiltätigkeit. Ergotherapeutische Maßnahmen, die keine Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 HeilprG sind, unterfallen nicht der Erlaubnispflicht des § 1 Abs. 1 HeilprG. Auf sie würde sich daher die sektorale Heilpraktikererlaubnis nicht erstrecken. Insoweit ergeben sich keine Unterschiede zur Erteilung einer unbeschränkten Erlaubnis. Erlaubnisgegenstand ist nach § 1 Abs. 1 und 2 HeilprG allein die erlaubnispflichtige heilkundliche Tätigkeit.

33 Abgrenzungsprobleme entstehen auch nicht in Bezug auf die Strafvorschrift des § 5 HeilprG. Die nicht-heilkundlichen ergotherapeutischen Tätigkeiten werden von § 5 HeilprG tatbestandlich nicht erfasst, weil es sich nicht um Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 1 und 2 HeilprG handelt. Jede heilkundliche Behandlungsmaßnahme darf im Fall der Erteilung der sektoralen Erlaubnis ausgeübt werden und ist damit nicht nach § 5 HeilprG strafbewehrt.

34 Allerdings setzt die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Ergotherapie voraus, dass in diesem Gebiet die eigenverantwortliche Tätigkeit in erheblichem Maß durch Methoden geprägt ist, die dem heilkundlichen Bereich zuzurechnen sind. Hat die heilkundliche Tätigkeit nur einen geringen Umfang, kommt eine an das Gebiet der Ergotherapie anknüpfende Erlaubnis nicht in Betracht. Insoweit hat der Beklagte zu Recht gerügt, dass es auf die Ermittlung und Gewichtung der heilkundlichen im Verhältnis zu den nicht-heilkundlichen Verrichtungen ankommt. Ausreichend ist, dass dem heilkundlichen Bereich erhebliches Gewicht zukommt, weil er einen bedeutsamen Bestandteil der eigenverantwortlich ausgeübten Tätigkeit ausmacht. Das ist aber keine Frage der hinreichenden Abgrenzbarkeit, sondern - wie bereits ausgeführt - bei der Prüfung des Heilkundecharakters zu berücksichtigen.

35 dd) Unklarheiten über den Umfang der erlaubten Tätigkeit würden sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt beruflicher Fort- und Weiterbildungen von Ergotherapeuten ergeben. Fachliche Weiterbildungen und Zusatzqualifikationen, die sich im Rahmen der Aufgabenstellung des Berufsbildes und der Behandlungsmethoden und Therapieformen nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung halten, sind bei der Bestimmung des Tätigkeitsumfangs zu berücksichtigen.

36 d) Sollte der Klägerin eine Erlaubnis erteilt werden dürfen, muss sie sich dafür einer eingeschränkten Kenntnisüberprüfung unterziehen. Die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs sind nicht zu beanstanden. Für den Umfang der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG vorzunehmenden Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers gilt das Verhältnismäßigkeitsgebot. Von ihm dürfen nur solche Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt werden, die in einem Bezug zu der geplanten Heilkundetätigkeit stehen. Er muss keine Kenntnisse und Fähigkeiten nachweisen, die er für die beabsichtigte Tätigkeit nicht benötigt oder aufgrund seiner Ausbildung ohnehin schon besitzt (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 22).

Urteil vom 10.10.2019 -
BVerwG 3 C 15.17ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U3C15.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 10.10.2019 - 3 C 15.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U3C15.17.0]

Urteil

BVerwG 3 C 15.17

  • VG Stuttgart - 26.01.2017 - AZ: VG 4 K 5925/15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2019
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt von dem beklagten Land eine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte - sektorale - Heilpraktikererlaubnis.

2 Zur Begründung seines im März 2015 gestellten Erlaubnisantrages führte er aus, er habe in den vergangenen drei Jahren auf Verordnung durch einen Arzt oder Heilpraktiker osteopathische Behandlungen durchgeführt. Zukünftig wolle er diese Tätigkeit selbstständig ohne ärztliche Verordnung ausüben. Er besitze einen Abschluss als Physiotherapeut und habe eine sechsjährige Zusatzausbildung zum Osteopathen absolviert. Zudem verfüge er über einen Studienabschluss in Osteopathie. Aufgrund seiner beruflichen Ausbildung und Tätigkeit sehe er sich als qualifiziert an, eine Diagnose im Rahmen der Osteopathie zu stellen.

3 Das Landratsamt Heilbronn lehnte den Antrag mit Bescheid vom 22. April 2015 ab. Das Heilpraktikergesetz (HeilprG) kenne nur die einheitliche Berufsbezeichnung "Heilpraktiker/in". Die Verwaltungsvorschrift des Landes zur Durchführung des Heilpraktikergesetzes sehe die ausnahmsweise Erteilung einer sektoralen Erlaubnis nur für die Gebiete der Psychotherapie, Physiotherapie und Podologie vor. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2015 zurück. Die Osteopathie sei in Deutschland nicht gesetzlich geregelt und habe kein eigenständiges Berufsbild. Damit sei auch ihr Tätigkeitsumfang nicht hinreichend definiert und abgrenzbar. Nach ihrem Selbstverständnis gehe die Osteopathie von einem ganzheitlichen Behandlungsansatz aus und könne bei einer Vielzahl von gesundheitlichen Beschwerden und in praktisch allen medizinischen Fachbereichen Anwendung finden. Aufgrund ihres breit gefächerten Einsatzes sei eine klare Abgrenzung wie bei der Physiotherapie oder Podologie wirklichkeitsfern. Die osteopathische Ausbildung sei derzeit nicht einheitlich geregelt. Es gebe diverse Berufsverbände, die unterschiedliche Voraussetzungen für die Mitgliedschaft aufstellten. Die Anforderungen variierten zwischen 300 und 1 350 Stunden in der Weiterbildung.

4 Die dagegen erhobene Klage mit dem Antrag, die Bescheide aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf den Bereich der Osteopathie und ohne Kenntnisüberprüfung zu erteilen, hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 26. Januar 2017 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Erlaubnis. Die von ihm beabsichtigte Anwendung osteopathischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung sei zwar eine erlaubnispflichtige heilkundliche Tätigkeit im Sinne des Heilpraktikergesetzes. Die Osteopathie erfülle aber nicht die Voraussetzungen für eine sektorale Heilpraktikererlaubnis, da sie nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. Um von anderen heilkundlichen Gebieten abgrenzbar zu sein, bedürfe es einer verbindlichen Festlegung auf einheitliche Inhalte der Tätigkeit. Es müsse klar sein, was Osteopathie sei, welche Behandlungsmethoden und -formen sie umfasse, zur Behandlung welcher Krankheiten sie eingesetzt werde und wo ihre Grenzen lägen. Diese Festlegung müsse für alle Anwender verpflichtend sein und bundesweit gelten. Daran fehle es hier. Es existiere für den Bereich der Osteopathie bislang kein normativer Rahmen, der den Tätigkeitsumfang definiere. Ob sich die erforderliche einheitliche und verbindliche Festlegung des Tätigkeitsbereichs auch aus der Vorgabe von Standards durch die Berufsverbände ergeben könne, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung. Es gebe (derzeit) keine allgemeinverbindlichen Standards. Es existiere noch nicht einmal eine einheitliche Definition der Osteopathie, die allgemein anerkannt und verbindlich wäre.

5 Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Das angefochtene Urteil verstoße gegen § 1 Abs. 1 HeilprG i.V.m. § 2 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz. Es habe die Abgrenzbarkeit der Osteopathie zu Unrecht verneint. Dass es kein gesetzlich fixiertes Berufsbild und keine staatlich geregelte Ausbildungs- und Prüfungsordnung gebe, sei unschädlich. Auch die Chiropraktik sei nicht staatlich geregelt. Gleichwohl hätten mehrere Verwaltungsgerichte ihre hinreichende Abgrenzbarkeit bejaht. Betrachte man die Ausbildungsangebote für Osteopathie und die Anforderungen der Berufsverbände, ergebe sich hinsichtlich der Ausbildungsinhalte ein einheitliches Bild. Danach bestehe auch eine ausreichende Abgrenzungsmöglichkeit zu anderen Therapieformen. Das Verwaltungsgericht habe zudem die Bedeutung der Weiterbildungs- und Prüfungsordnung für Osteopathie des Landes Hessen verkannt. Die Regelung setze voraus, dass der Verordnungsgeber die Osteopathie für hinreichend abgrenzbar halte. Gegen das Erfordernis eines Berufsgesetzes spreche auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Psychotherapie. Als die Entscheidung ergangen sei, habe es noch kein Psychotherapeutengesetz gegeben. Eine normative Grundlage sei für die Abgrenzung zwar hilfreich. Fehle sie, könnten aber andere Kriterien herangezogen werden, wie beispielsweise die Vorgaben der Berufsverbände. Im Übrigen entspreche eine Abgrenzung anhand gesetzlich fixierter Ausbildungen nicht dem Heilpraktikergesetz. Es erfasse ein heilkundliches Berufsfeld, ohne nach Aus- und Vorbildung oder fest umrissenen Berufsbildern zu differenzieren. Dem Gesichtspunkt der Kostenübernahme osteopathischer Behandlungsleistungen durch die Krankenkassen habe das Verwaltungsgericht nicht die richtige Bedeutung beigemessen. Das Gleiche gelte hinsichtlich der von den Berufsverbänden festgelegten Standards für die osteopathische Tätigkeit, die sich inhaltlich glichen. Das Verwaltungsgericht habe außerdem gegen den Grundsatz der Amtsermittlung verstoßen, weil es zu der Frage, was Osteopathie sei und wie die Tätigkeit von anderen Bereichen abzugrenzen sei, kein Sachverständigengutachten eingeholt habe.

6 Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht teilt die Rechtsauffassung des Beklagten. Es bestünden grundlegende Bedenken, die Rechtsprechung zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Physiotherapie auf andere Bereiche zu übertragen. Darüber hinaus lägen die in der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für eine Teilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis hier nicht vor, weil das Gebiet der Osteopathie nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. In Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit sei anzumerken, dass die Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung überschritten würden, wenn eine sektorale Erlaubnis für ein Gebiet anerkannt würde, für das der Gesetzgeber bewusst keine berufsrechtliche Regelung getroffen habe.

II

8 Die zulässige Sprungrevision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass der Kläger keine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte Heilpraktikererlaubnis beanspruchen kann.

9 Anspruchsgrundlage für sein Begehren sind § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz - HeilprG) vom 17. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2, veröffentlichten bereinigten Fassung) in Verbindung mit der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (1. DVO-HeilprG) vom 18. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2-1, veröffentlichten bereinigten Fassung), jeweils zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191, 3219). Danach bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein. Auf die Erteilung der Erlaubnis besteht ein Rechtsanspruch, wenn kein - rechtsstaatlich unbedenklicher - Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der 1. DVO-HeilprG eingreift (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 3 C 26.11 - BVerwGE 145, 275 Rn. 11 und vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 9 m.w.N.). Eine sektorale Erlaubnis ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 18 m.w.N.). Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf die beantragte Erlaubnis. Zwar ist die von ihm beabsichtigte Anwendung osteopathischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung eine heilkundliche Tätigkeit, die ohne Erlaubnis nicht ausgeübt werden darf (1.). Jedoch liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer sektoral beschränkten Heilpraktikererlaubnis in Bezug auf das Gebiet der Osteopathie nicht vor (2.).

10 1. Ausübung der Heilkunde nach § 1 Abs. 2 HeilprG ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen. Wegen der mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG fallen darunter nur solche Heilbehandlungen, die heilkundliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verursachen können, wobei ein nur geringfügiges Gefährdungspotential nicht ausreicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 25 Rn. 18 m.w.N.).

11 Die eigenverantwortliche Anwendung osteopathischer Methoden zur Krankenbehandlung ist danach Ausübung der Heilkunde. Sie setzt nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) heilkundliche Fachkenntnisse voraus und kann auch nennenswerte gesundheitliche Schäden verursachen. Es bedarf einer umfassenden Untersuchung und Differentialdiagnose, um insbesondere bei Patienten mit einer vorgeschädigten Struktur Komplikationen durch die osteopathische Befunderhebung und Therapie zu vermeiden. Diese unmittelbare Gesundheitsgefährdung begründet bereits die Einordnung der eigenverantwortlichen osteopathischen Heiltätigkeit als Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 HeilprG. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob von der Tätigkeit auch eine nennenswerte mittelbare Gefährdung ausgeht (BVerwG, Urteile vom 26. August 2010 - 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 25 Rn. 18 und 28 ff. und vom 10. Oktober 2019 - 3 C 10.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​101019U3C10.17.0] -).

12 2. Das Verwaltungsgericht hat auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen auch zu Recht angenommen, dass dem Kläger keine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte Heilpraktikererlaubnis erteilt werden kann.

13 a) In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Heilpraktikererlaubnis teilbar ist. Das Heilpraktikergesetz enthält weder dem Wortlaut nach noch nach seinem Sinn und Zweck ein Verbot der Erteilung einer inhaltlich beschränkten Erlaubnis. Seit Inkrafttreten des vorkonstitutionellen Gesetzes haben sich die Berufsbilder auf dem Sektor der Gesundheitsberufe in damals nicht vorhersehbarer Weise ausdifferenziert. Die Vorschriften des Heilpraktikergesetzes müssen daher im Lichte der Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG durch Auslegung an die gegenwärtigen Gegebenheiten angepasst werden. Danach ist eine uneingeschränkte Heilpraktikererlaubnis mit der Folge einer umfassenden Kenntnisüberprüfung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Patienten nicht erforderlich und deshalb unverhältnismäßig, wenn ein Antragsteller die Heilkunde nur auf einem abgrenzbaren Gebiet ausüben will, dessen Tätigkeitsumfang hinreichend ausdifferenziert ist. In einem solchen Fall reicht es aus, eine auf dieses Gebiet beschränkte Erlaubnis zuzusprechen, solange sichergestellt ist, dass der Antragsteller die Grenzen seines Könnens kennt und beachtet. Dies hat der Senat für die Bereiche der Psychotherapie (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1993 - 3 C 34.90 - BVerwGE 91, 356 <361>) und der Physiotherapie bereits entschieden (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 18).

14 Die durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 vorgenommenen Änderungen des Heilpraktikerrechts führen zu keiner anderen Beurteilung. Die Anerkennung sektoraler Beschränkungen der Heilpraktikererlaubnis beruht darauf, dass im Bereich der Gesundheitsberufe durch den Gesetzgeber einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen festgelegt werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit aufrechterhalten bleibt, allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG) eigenverantwortlich Patienten zu behandeln. Darin liegt eine systematische Unstimmigkeit, die sich dadurch jedenfalls abmildern lässt, dass der Zugang zu abgrenzbaren heilkundlichen Betätigungsfeldern durch entsprechend beschränkte Heilpraktikererlaubnisse eröffnet wird (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 20). Die Änderungen des Heilpraktikergesetzes und der Ersten Durchführungsverordnung durch Art. 17e und 17f des Dritten Pflegestärkungsgesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191, 3219) haben an dieser systematischen Unstimmigkeit nichts Grundlegendes geändert. Der neu gefasste § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG sieht wie bisher eine Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt vor, um festzustellen, ob die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung bedeuten würde. Neu ist der Zusatz, dass die Überprüfung auf der Grundlage von Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern durchzuführen ist. Zudem ist die Regelung dahingehend ergänzt worden, dass bei der Gefahrenabwehrprüfung auch die einzelnen Patientinnen und Patienten, die den Heilpraktiker aufsuchen, in den Blick zu nehmen sind (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf des Dritten Pflegestärkungsgesetzes, BT-Drs. 18/10510 S. 142). Das Bundesministerium für Gesundheit hat gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 der 1. DVO-HeilprG unter dem 7. Dezember 2017 die Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien bekannt gemacht, die zum 22. März 2018 in Kraft getreten sind (BAnz AT 22.12.2017 B5). Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern, die das Ministerium im September 1992 veröffentlicht hatte und die seither als Grundlage der Kenntnisüberprüfung dienten (BT-Drs. 18/10510 S. 141 f.; Leitlinien vom 7. Dezember 2017, Präambel). Die Neufassung des § 2 Abs. 1 der 1. DVO-HeilprG wird flankiert durch eine Änderung des § 2 Abs. 1 HeilprG (vgl. BT-Drs. 18/10510 S. 141 f.). Danach ist der Rechtscharakter der Kenntnisüberprüfung unverändert geblieben. Sie fragt weiterhin keinen bestimmten Ausbildungsstand ab, sondern dient der Abwehr von Gefahren im konkreten Einzelfall (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 22 m.w.N.). Entsprechend orientieren sich auch die Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien vom 7. Dezember 2017 am Ziel der Gefahrenabwehr. Sie sollen die Feststellung ermöglichen, ob der Antragsteller die Grenzen seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zuverlässig einschätzt, sich der Gefahren bei Überschreitung dieser Grenzen bewusst sowie bereit ist, sein Handeln angemessen daran auszurichten (vgl. Leitlinien vom 7. Dezember 2017, Absatz 5 der Präambel).

15 b) Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte Heilpraktikererlaubnis nicht vorliegen, weil er nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar ist. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

16 aa) Die für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis erforderliche Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit des beantragten Tätigkeitssektors ist gegeben, wenn sich der Umfang der erlaubten Heiltätigkeit klar bestimmen und von anderen Bereichen der Heilkundeausübung abgrenzen lässt. In der Praxis dürfen keine Unklarheiten darüber bestehen, ob eine konkrete Behandlungsmaßnahme zu dem betreffenden Tätigkeitsgebiet zählt oder nicht (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 19). Es muss eindeutig sein, welche Behandlungsmethoden und Therapieformen von dem Gebiet umfasst werden und zur Behandlung welcher Krankheiten, Leiden und Beschwerden sie eingesetzt werden. Die Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist daher nur möglich, soweit sich auf dem Gebiet der Heilkunde ein eigenständiges und abgrenzbares Berufsbild herausgebildet hat (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22.09 - BVerwGE 137, 1 Rn. 14).

17 bb) Im Unterschied zu den Gesundheitsfachberufen des Physiotherapeuten (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 19) und des Logopäden (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019 - 3 C 8.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​101019U3C8.17.0] -) ist das Berufsbild des Osteopathen bislang nicht gesetzlich festgelegt. Es gibt kein entsprechendes Berufsgesetz, das das Führen der Berufsbezeichnung "Osteopathin/Osteopath" regelt, und keine gesetzliche Ausgestaltung der Ausbildung zum Osteopathen. Damit fehlt ein normativer Rahmen, anhand dessen sich der Tätigkeitsumfang der Osteopathie bestimmen und von anderen Behandlungsmethoden und Therapieformen abgrenzen ließe.

18 Die hessische Verordnung einer Weiterbildungs- und Prüfungsordnung im Bereich der Osteopathie (WPO-Osteo) vom 4. November 2008 (GVBl. I S. 949) i.d.F. der Verordnung vom 23. Juli 2013 (GVBl. S. 526) führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen ist gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung, von der der Bundesgesetzgeber unter anderem durch die Gesetze über die Berufe in der Physiotherapie und über den Beruf des Logopäden Gebrauch gemacht hat. Regelungen über die Weiterbildung der ärztlichen und anderen Heilberufe (einschließlich der Gesundheitsfachberufe) fallen demgegenüber als Berufsausübungsregeln in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 70 GG (BVerwG, Beschluss vom 20. November 2009 - 3 BN 1.09 - juris Rn. 3). Danach wird durch die hessische Verordnung kein Berufsbild für das Gebiet der Osteopathie geschaffen, sondern lediglich eine Weiterbildung für Personen geregelt, die eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes oder nach § 1 HeilprG besitzen (vgl. § 1 Abs. 1 WPO-Osteo; VGH Kassel, Urteil vom 18. Juni 2009 - 3 C 2604/08.N [ECLI:​DE:​VGHHE:​2009:​0618.3C2604.08.N.0A] - juris Rn. 22). Abgesehen davon ist die Verordnung mit Ausnahme einer Übergangs- und Überleitungsvorschrift mit Wirkung vom 1. Januar 2019 aufgehoben worden (vgl. Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung einer Weiterbildungs- und Prüfungsordnung im Bereich der Osteopathie vom 13. August 2018, GVBl. S. 372).

19 cc) Anders als bei der Physiotherapie und der Logopädie handelt es sich bei der Osteopathie auch nicht um ein gesetzlich vorgesehenes und durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgegebenes Heilmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 124 Abs. 1 SGB V, § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Abs. 6 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung <Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL> i.d.F. vom 19. Mai 2011 <BAnz Nr. 96 S. 2247>, zuletzt geändert am 21. September 2017 <BAnz AT 23.11.2017 B1>). Soweit die Kosten für osteopathische Leistungen von einer Krankenkasse nach deren Satzungsrecht auf freiwilliger Basis übernommen werden, genügt dies - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht, um eine hinreichende Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit der Osteopathie zu bejahen.

20 dd) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis erforderliche Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit des betreffenden Gebiets der Heilkundeausübung auch ohne ein gesetzlich fixiertes Berufsbild gegeben sein kann.

21 Die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis beruht - wie schon ausgeführt - darauf, dass sie eine systematische Unstimmigkeit abmildert, die sich ergibt, weil einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen geschaffen werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Heilbehandlung allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung aufrechterhalten bleibt. Dem entspricht, die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis an die Voraussetzung zu knüpfen, dass für den fraglichen Sektor ein gesetzlich bestimmtes Berufsbild vorliegt (VGH Mannheim, Urteil vom 24. Juli 2019 - 9 S 1460/18 [ECLI:​DE:​VGHBW:​2019:​0724.9S1460.18.00] - Sasse, GesR 2013, 641 <646>).

22 Allerdings ist der Schutz der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht auf gesetzlich festgelegte Berufsbilder beschränkt. Er erfasst auch traditionell fixierte Berufsbilder sowie Berufe, die aufgrund einer fortschreitenden technischen, sozialen oder wirtschaftlichen Entwicklung neu entstanden sind (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 120 m.w.N.). Die Anerkennung eines Berufs hängt nicht davon ab, dass der Gesetzgeber bereits ein Berufsbild entwickelt hat (BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1997 - 1 BvR 780/87 - BVerfGE 97, 12 <33 f.>). Dieser ist im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG befugt, Berufsbilder zu fixieren und dabei den Umfang der beruflichen Tätigkeit in bestimmter Weise festzuschreiben (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22.09 - BVerwGE 137, 1 Rn. 13 m.w.N.). Er verfügt über einen weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum, ob er von dieser Befugnis Gebrauch macht oder von einer Normierung absieht. Eine gesetzliche Berufsbildbestimmung mit der Festlegung berufsrechtlicher Zugangsvoraussetzungen greift in die Berufsfreiheit ein. Das Bundesverfassungsgericht hat daher ein Recht auf "strengere" Berufszulassungsvorschriften im Grundsatz verneint (BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 u.a. - BVerfGE 78, 179 <193, 195 f.>). Dieser verfassungsrechtliche Rahmen könnte einem generellen Ausschluss nicht gesetzlich fixierter Berufsbilder von der Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis entgegenstehen (VG München, Urteil vom 18. Januar 2018 - M 27 K 17.693 [ECLI:​DE:​VGMUENC:​2018:​0118.M27K17.693.00] - juris Rn. 30; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 27. Mai 2014 - 4 K 2714/12.F [ECLI:​DE:​VGFFM:​2014:​0527.4K2714.12.F.0A] - juris Rn. 27 f.).

23 Die Frage bedarf keiner abschließenden Klärung. Auch wenn die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis kein gesetzlich fixiertes Berufsbild voraussetzen sollte, muss sich der Umfang der erlaubten Tätigkeit jedenfalls anhand eines in vergleichbarer Weise fest umrissenen, abgrenzbaren Berufsbildes bestimmen lassen können. Das ist hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts für den Bereich der Osteopathie nicht der Fall. Es gibt keine einheitliche Definition der Osteopathie, die allgemein anerkannt und verbindlich ist. Auch fehlt es an einheitlichen Vorgaben für die Ausbildung zum Osteopathen. Die Feststellungen sind für das Revisionsverfahren bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Auf die geltend gemachten Verfahrensmängel kann die Sprungrevision nicht gestützt werden (§ 134 Abs. 4 VwGO).

24 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Urteil vom 10.10.2019 -
BVerwG 3 C 16.17ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U3C16.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 10.10.2019 - 3 C 16.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U3C16.17.0]

Urteil

BVerwG 3 C 16.17

  • VG Stuttgart - 26.01.2017 - AZ: VG 4 K 5923/15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2019
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt von dem beklagten Land eine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte - sektorale - Heilpraktikererlaubnis.

2 Zur Begründung seines im März 2015 gestellten Erlaubnisantrages führte er aus, er habe in den vergangenen fünf Jahren auf Verordnung durch einen Arzt oder Heilpraktiker osteopathische Behandlungen durchgeführt. Zukünftig wolle er diese Tätigkeit selbstständig ohne ärztliche Verordnung ausüben. Er besitze einen Abschluss als Physiotherapeut sowie in Manueller Therapie und habe eine sechsjährige Zusatzausbildung zum Osteopathen absolviert. Zudem verfüge er über einen Studienabschluss in Osteopathie. Aufgrund seiner beruflichen Ausbildung und Tätigkeit sehe er sich als qualifiziert an, eine Diagnose im Rahmen der Osteopathie zu stellen.

3 Das Landratsamt Heilbronn lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. April 2015 ab. Das Heilpraktikergesetz (HeilprG) kenne nur die einheitliche Berufsbezeichnung "Heilpraktiker/in". Die Verwaltungsvorschrift des Landes zur Durchführung des Heilpraktikergesetzes sehe die ausnahmsweise Erteilung einer sektoralen Erlaubnis nur für die Gebiete der Psychotherapie, Physiotherapie und Podologie vor. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2015 zurück. Die Osteopathie sei in Deutschland nicht gesetzlich geregelt und habe kein eigenständiges Berufsbild. Damit sei auch ihr Tätigkeitsumfang nicht hinreichend definiert und abgrenzbar. Nach ihrem Selbstverständnis gehe die Osteopathie von einem ganzheitlichen Behandlungsansatz aus und könne bei einer Vielzahl von gesundheitlichen Beschwerden und in praktisch allen medizinischen Fachbereichen Anwendung finden. Aufgrund ihres breit gefächerten Einsatzes sei eine klare Abgrenzung wie bei der Physiotherapie oder Podologie wirklichkeitsfern. Die osteopathische Ausbildung sei derzeit nicht einheitlich geregelt. Es gebe diverse Berufsverbände, die unterschiedliche Voraussetzungen für die Mitgliedschaft aufstellten. Die Anforderungen variierten zwischen 300 und 1 350 Stunden in der Weiterbildung.

4 Die dagegen erhobene Klage mit dem Antrag, die Bescheide aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf den Bereich der Osteopathie und ohne Kenntnisüberprüfung zu erteilen, hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 26. Januar 2017 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Erlaubnis. Die von ihm beabsichtigte Anwendung osteopathischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung sei zwar eine erlaubnispflichtige heilkundliche Tätigkeit im Sinne des Heilpraktikergesetzes. Die Osteopathie erfülle aber nicht die Voraussetzungen für eine sektorale Heilpraktikererlaubnis, da sie nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. Um von anderen heilkundlichen Gebieten abgrenzbar zu sein, bedürfe es einer verbindlichen Festlegung auf einheitliche Inhalte der Tätigkeit. Es müsse klar sein, was Osteopathie sei, welche Behandlungsmethoden und -formen sie umfasse, zur Behandlung welcher Krankheiten sie eingesetzt werde und wo ihre Grenzen lägen. Diese Festlegung müsse für alle Anwender verpflichtend sein und bundesweit gelten. Daran fehle es hier. Es existiere für den Bereich der Osteopathie bislang kein normativer Rahmen, der den Tätigkeitsumfang definiere. Ob sich die erforderliche einheitliche und verbindliche Festlegung des Tätigkeitsbereichs auch aus der Vorgabe von Standards durch die Berufsverbände ergeben könne, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung. Es gebe (derzeit) keine allgemeinverbindlichen Standards. Es existiere noch nicht einmal eine einheitliche Definition der Osteopathie, die allgemein anerkannt und verbindlich wäre.

5 Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Das angefochtene Urteil verstoße gegen § 1 Abs. 1 HeilprG i.V.m. § 2 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz. Es habe die Abgrenzbarkeit der Osteopathie zu Unrecht verneint. Dass es kein gesetzlich fixiertes Berufsbild und keine staatlich geregelte Ausbildungs- und Prüfungsordnung gebe, sei unschädlich. Auch die Chiropraktik sei nicht staatlich geregelt. Gleichwohl hätten mehrere Verwaltungsgerichte ihre hinreichende Abgrenzbarkeit bejaht. Betrachte man die Ausbildungsangebote für Osteopathie und die Anforderungen der Berufsverbände, ergebe sich hinsichtlich der Ausbildungsinhalte ein einheitliches Bild. Danach bestehe auch eine ausreichende Abgrenzungsmöglichkeit zu anderen Therapieformen. Das Verwaltungsgericht habe zudem die Bedeutung der Weiterbildungs- und Prüfungsordnung für Osteopathie des Landes Hessen verkannt. Die Regelung setze voraus, dass der Verordnungsgeber die Osteopathie für hinreichend abgrenzbar halte. Gegen das Erfordernis eines Berufsgesetzes spreche auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Psychotherapie. Als die Entscheidung ergangen sei, habe es noch kein Psychotherapeutengesetz gegeben. Eine normative Grundlage sei für die Abgrenzung zwar hilfreich. Fehle sie, könnten aber andere Kriterien herangezogen werden, wie beispielsweise die Vorgaben der Berufsverbände. Im Übrigen entspreche eine Abgrenzung anhand gesetzlich fixierter Ausbildungen nicht dem Heilpraktikergesetz. Es erfasse ein heilkundliches Berufsfeld, ohne nach Aus- und Vorbildung oder fest umrissenen Berufsbildern zu differenzieren. Dem Gesichtspunkt der Kostenübernahme osteopathischer Behandlungsleistungen durch die Krankenkassen habe das Verwaltungsgericht nicht die richtige Bedeutung beigemessen. Das Gleiche gelte hinsichtlich der von den Berufsverbänden festgelegten Standards für die osteopathische Tätigkeit, die sich inhaltlich glichen. Das Verwaltungsgericht habe außerdem gegen den Grundsatz der Amtsermittlung verstoßen, weil es zu der Frage, was Osteopathie sei und wie die Tätigkeit von anderen Bereichen abzugrenzen sei, kein Sachverständigengutachten eingeholt habe.

6 Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht teilt die Rechtsauffassung des Beklagten. Es bestünden grundlegende Bedenken, die Rechtsprechung zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Physiotherapie auf andere Bereiche zu übertragen. Darüber hinaus lägen die in der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für eine Teilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis hier nicht vor, weil das Gebiet der Osteopathie nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. In Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit sei anzumerken, dass die Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung überschritten würden, wenn eine sektorale Erlaubnis für ein Gebiet anerkannt würde, für das der Gesetzgeber bewusst keine berufsrechtliche Regelung getroffen habe.

II

8 Die zulässige Sprungrevision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass der Kläger keine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte Heilpraktikererlaubnis beanspruchen kann.

9 Anspruchsgrundlage für sein Begehren sind § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz - HeilprG) vom 17. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2, veröffentlichten bereinigten Fassung) in Verbindung mit der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (1. DVO-HeilprG) vom 18. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2-1, veröffentlichten bereinigten Fassung), jeweils zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191, 3219). Danach bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein. Auf die Erteilung der Erlaubnis besteht ein Rechtsanspruch, wenn kein - rechtsstaatlich unbedenklicher - Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der 1. DVO-HeilprG eingreift (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 3 C 26.11 - BVerwGE 145, 275 Rn. 11 und vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 9 m.w.N.). Eine sektorale Erlaubnis ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 18 m.w.N.). Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf die beantragte Erlaubnis. Zwar ist die von ihm beabsichtigte Anwendung osteopathischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung eine heilkundliche Tätigkeit, die ohne Erlaubnis nicht ausgeübt werden darf (1.). Jedoch liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer sektoral beschränkten Heilpraktikererlaubnis in Bezug auf das Gebiet der Osteopathie nicht vor (2.).

10 1. Ausübung der Heilkunde nach § 1 Abs. 2 HeilprG ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen. Wegen der mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG fallen darunter nur solche Heilbehandlungen, die heilkundliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verursachen können, wobei ein nur geringfügiges Gefährdungspotential nicht ausreicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 25 Rn. 18 m.w.N.).

11 Die eigenverantwortliche Anwendung osteopathischer Methoden zur Krankenbehandlung ist danach Ausübung der Heilkunde. Sie setzt nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) heilkundliche Fachkenntnisse voraus und kann auch nennenswerte gesundheitliche Schäden verursachen. Es bedarf einer umfassenden Untersuchung und Differentialdiagnose, um insbesondere bei Patienten mit einer vorgeschädigten Struktur Komplikationen durch die osteopathische Befunderhebung und Therapie zu vermeiden. Diese unmittelbare Gesundheitsgefährdung begründet bereits die Einordnung der eigenverantwortlichen osteopathischen Heiltätigkeit als Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 HeilprG. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob von der Tätigkeit auch eine nennenswerte mittelbare Gefährdung ausgeht (BVerwG, Urteile vom 26. August 2010 - 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 25 Rn. 18 und 28 ff. und vom 10. Oktober 2019 - 3 C 10.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​101019U3C10.17.0] -).

12 2. Das Verwaltungsgericht hat auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen auch zu Recht angenommen, dass dem Kläger keine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte Heilpraktikererlaubnis erteilt werden kann.

13 a) In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Heilpraktikererlaubnis teilbar ist. Das Heilpraktikergesetz enthält weder dem Wortlaut nach noch nach seinem Sinn und Zweck ein Verbot der Erteilung einer inhaltlich beschränkten Erlaubnis. Seit Inkrafttreten des vorkonstitutionellen Gesetzes haben sich die Berufsbilder auf dem Sektor der Gesundheitsberufe in damals nicht vorhersehbarer Weise ausdifferenziert. Die Vorschriften des Heilpraktikergesetzes müssen daher im Lichte der Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG durch Auslegung an die gegenwärtigen Gegebenheiten angepasst werden. Danach ist eine uneingeschränkte Heilpraktikererlaubnis mit der Folge einer umfassenden Kenntnisüberprüfung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Patienten nicht erforderlich und deshalb unverhältnismäßig, wenn ein Antragsteller die Heilkunde nur auf einem abgrenzbaren Gebiet ausüben will, dessen Tätigkeitsumfang hinreichend ausdifferenziert ist. In einem solchen Fall reicht es aus, eine auf dieses Gebiet beschränkte Erlaubnis zuzusprechen, solange sichergestellt ist, dass der Antragsteller die Grenzen seines Könnens kennt und beachtet. Dies hat der Senat für die Bereiche der Psychotherapie (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1993 - 3 C 34.90 - BVerwGE 91, 356 <361>) und der Physiotherapie bereits entschieden (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 18).

14 Die durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 vorgenommenen Änderungen des Heilpraktikerrechts führen zu keiner anderen Beurteilung. Die Anerkennung sektoraler Beschränkungen der Heilpraktikererlaubnis beruht darauf, dass im Bereich der Gesundheitsberufe durch den Gesetzgeber einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen festgelegt werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit aufrechterhalten bleibt, allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG) eigenverantwortlich Patienten zu behandeln. Darin liegt eine systematische Unstimmigkeit, die sich dadurch jedenfalls abmildern lässt, dass der Zugang zu abgrenzbaren heilkundlichen Betätigungsfeldern durch entsprechend beschränkte Heilpraktikererlaubnisse eröffnet wird (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 20). Die Änderungen des Heilpraktikergesetzes und der Ersten Durchführungsverordnung durch Art. 17e und 17f des Dritten Pflegestärkungsgesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191, 3219) haben an dieser systematischen Unstimmigkeit nichts Grundlegendes geändert. Der neu gefasste § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG sieht wie bisher eine Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt vor, um festzustellen, ob die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung bedeuten würde. Neu ist der Zusatz, dass die Überprüfung auf der Grundlage von Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern durchzuführen ist. Zudem ist die Regelung dahingehend ergänzt worden, dass bei der Gefahrenabwehrprüfung auch die einzelnen Patientinnen und Patienten, die den Heilpraktiker aufsuchen, in den Blick zu nehmen sind (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf des Dritten Pflegestärkungsgesetzes, BT-Drs. 18/10510 S. 142). Das Bundesministerium für Gesundheit hat gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 der 1. DVO-HeilprG unter dem 7. Dezember 2017 die Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien bekannt gemacht, die zum 22. März 2018 in Kraft getreten sind (BAnz AT 22.12.2017 B5). Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern, die das Ministerium im September 1992 veröffentlicht hatte und die seither als Grundlage der Kenntnisüberprüfung dienten (BT-Drs. 18/10510 S. 141 f.; Leitlinien vom 7. Dezember 2017, Präambel). Die Neufassung des § 2 Abs. 1 der 1. DVO-HeilprG wird flankiert durch eine Änderung des § 2 Abs. 1 HeilprG (vgl. BT-Drs. 18/10510 S. 141 f.). Danach ist der Rechtscharakter der Kenntnisüberprüfung unverändert geblieben. Sie fragt weiterhin keinen bestimmten Ausbildungsstand ab, sondern dient der Abwehr von Gefahren im konkreten Einzelfall (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 22 m.w.N.). Entsprechend orientieren sich auch die Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien vom 7. Dezember 2017 am Ziel der Gefahrenabwehr. Sie sollen die Feststellung ermöglichen, ob der Antragsteller die Grenzen seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zuverlässig einschätzt, sich der Gefahren bei Überschreitung dieser Grenzen bewusst sowie bereit ist, sein Handeln angemessen daran auszurichten (vgl. Leitlinien vom 7. Dezember 2017, Absatz 5 der Präambel).

15 b) Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte Heilpraktikererlaubnis nicht vorliegen, weil er nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar ist. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

16 aa) Die für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis erforderliche Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit des beantragten Tätigkeitssektors ist gegeben, wenn sich der Umfang der erlaubten Heiltätigkeit klar bestimmen und von anderen Bereichen der Heilkundeausübung abgrenzen lässt. In der Praxis dürfen keine Unklarheiten darüber bestehen, ob eine konkrete Behandlungsmaßnahme zu dem betreffenden Tätigkeitsgebiet zählt oder nicht (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 19). Es muss eindeutig sein, welche Behandlungsmethoden und Therapieformen von dem Gebiet umfasst werden und zur Behandlung welcher Krankheiten, Leiden und Beschwerden sie eingesetzt werden. Die Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist daher nur möglich, soweit sich auf dem Gebiet der Heilkunde ein eigenständiges und abgrenzbares Berufsbild herausgebildet hat (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22.09 - BVerwGE 137, 1 Rn. 14).

17 bb) Im Unterschied zu den Gesundheitsfachberufen des Physiotherapeuten (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 19) und des Logopäden (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019 - 3 C 8.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​101019U3C8.17.0] -) ist das Berufsbild des Osteopathen bislang nicht gesetzlich festgelegt. Es gibt kein entsprechendes Berufsgesetz, das das Führen der Berufsbezeichnung "Osteopathin/Osteopath" regelt, und keine gesetzliche Ausgestaltung der Ausbildung zum Osteopathen. Damit fehlt ein normativer Rahmen, anhand dessen sich der Tätigkeitsumfang der Osteopathie bestimmen und von anderen Behandlungsmethoden und Therapieformen abgrenzen ließe.

18 Die hessische Verordnung einer Weiterbildungs- und Prüfungsordnung im Bereich der Osteopathie (WPO-Osteo) vom 4. November 2008 (GVBl. I S. 949) i.d.F. der Verordnung vom 23. Juli 2013 (GVBl. S. 526) führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen ist gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung, von der der Bundesgesetzgeber unter anderem durch die Gesetze über die Berufe in der Physiotherapie und über den Beruf des Logopäden Gebrauch gemacht hat. Regelungen über die Weiterbildung der ärztlichen und anderen Heilberufe (einschließlich der Gesundheitsfachberufe) fallen demgegenüber als Berufsausübungsregeln in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 70 GG (BVerwG, Beschluss vom 20. November 2009 - 3 BN 1.09 - juris Rn. 3). Danach wird durch die hessische Verordnung kein Berufsbild für das Gebiet der Osteopathie geschaffen, sondern lediglich eine Weiterbildung für Personen geregelt, die eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes oder nach § 1 HeilprG besitzen (vgl. § 1 Abs. 1 WPO-Osteo; VGH Kassel, Urteil vom 18. Juni 2009 - 3 C 2604/08.N [ECLI:​DE:​VGHHE:​2009:​0618.3C2604.08.N.0A] - juris Rn. 22). Abgesehen davon ist die Verordnung mit Ausnahme einer Übergangs- und Überleitungsvorschrift mit Wirkung vom 1. Januar 2019 aufgehoben worden (vgl. Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung einer Weiterbildungs- und Prüfungsordnung im Bereich der Osteopathie vom 13. August 2018, GVBl. S. 372).

19 cc) Anders als bei der Physiotherapie und der Logopädie handelt es sich bei der Osteopathie auch nicht um ein gesetzlich vorgesehenes und durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgegebenes Heilmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 124 Abs. 1 SGB V, § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Abs. 6 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung <Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL> i.d.F. vom 19. Mai 2011 <BAnz Nr. 96 S. 2247>, zuletzt geändert am 21. September 2017 <BAnz AT 23.11.2017 B1>). Soweit die Kosten für osteopathische Leistungen von einer Krankenkasse nach deren Satzungsrecht auf freiwilliger Basis übernommen werden, genügt dies - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht, um eine hinreichende Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit der Osteopathie zu bejahen.

20 dd) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis erforderliche Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit des betreffenden Gebiets der Heilkundeausübung auch ohne ein gesetzlich fixiertes Berufsbild gegeben sein kann.

21 Die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis beruht - wie schon ausgeführt - darauf, dass sie eine systematische Unstimmigkeit abmildert, die sich ergibt, weil einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen geschaffen werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Heilbehandlung allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung aufrechterhalten bleibt. Dem entspricht, die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis an die Voraussetzung zu knüpfen, dass für den fraglichen Sektor ein gesetzlich bestimmtes Berufsbild vorliegt (VGH Mannheim, Urteil vom 24. Juli 2019 - 9 S 1460/18 [ECLI:​DE:​VGHBW:​2019:​0724.9S1460.18.00] - Sasse, GesR 2013, 641 <646>).

22 Allerdings ist der Schutz der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht auf gesetzlich festgelegte Berufsbilder beschränkt. Er erfasst auch traditionell fixierte Berufsbilder sowie Berufe, die aufgrund einer fortschreitenden technischen, sozialen oder wirtschaftlichen Entwicklung neu entstanden sind (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 120 m.w.N.). Die Anerkennung eines Berufs hängt nicht davon ab, dass der Gesetzgeber bereits ein Berufsbild entwickelt hat (BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1997 - 1 BvR 780/87 - BVerfGE 97, 12 <33 f.>). Dieser ist im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG befugt, Berufsbilder zu fixieren und dabei den Umfang der beruflichen Tätigkeit in bestimmter Weise festzuschreiben (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22.09 - BVerwGE 137, 1 Rn. 13 m.w.N.). Er verfügt über einen weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum, ob er von dieser Befugnis Gebrauch macht oder von einer Normierung absieht. Eine gesetzliche Berufsbildbestimmung mit der Festlegung berufsrechtlicher Zugangsvoraussetzungen greift in die Berufsfreiheit ein. Das Bundesverfassungsgericht hat daher ein Recht auf "strengere" Berufszulassungsvorschriften im Grundsatz verneint (BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 u.a. - BVerfGE 78, 179 <193, 195 f.>). Dieser verfassungsrechtliche Rahmen könnte einem generellen Ausschluss nicht gesetzlich fixierter Berufsbilder von der Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis entgegenstehen (VG München, Urteil vom 18. Januar 2018 - M 27 K 17.693 [ECLI:​DE:​VGMUENC:​2018:​0118.M27K17.693.00] - juris Rn. 30; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 27. Mai 2014 - 4 K 2714/12.F [ECLI:​DE:​VGFFM:​2014:​0527.4K2714.12.F.0A] - juris Rn. 27 f.).

23 Die Frage bedarf keiner abschließenden Klärung. Auch wenn die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis kein gesetzlich fixiertes Berufsbild voraussetzen sollte, muss sich der Umfang der erlaubten Tätigkeit jedenfalls anhand eines in vergleichbarer Weise fest umrissenen, abgrenzbaren Berufsbildes bestimmen lassen können. Das ist hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts für den Bereich der Osteopathie nicht der Fall. Es gibt keine einheitliche Definition der Osteopathie, die allgemein anerkannt und verbindlich ist. Auch fehlt es an einheitlichen Vorgaben für die Ausbildung zum Osteopathen. Die Feststellungen sind für das Revisionsverfahren bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Auf die geltend gemachten Verfahrensmängel kann die Sprungrevision nicht gestützt werden (§ 134 Abs. 4 VwGO).

24 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Urteil vom 10.10.2019 -
BVerwG 3 C 17.17ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U3C17.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 10.10.2019 - 3 C 17.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U3C17.17.0]

Urteil

BVerwG 3 C 17.17

  • VG Stuttgart - 26.01.2017 - AZ: VG 4 K 5924/15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2019
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt von dem beklagten Land eine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte - sektorale - Heilpraktikererlaubnis.

2 Zur Begründung seines im März 2015 gestellten Erlaubnisantrages führte er aus, er habe in den vergangenen Jahren auf Verordnung durch einen Arzt oder Heilpraktiker osteopathische Behandlungen durchgeführt. Zukünftig wolle er diese Tätigkeit selbstständig ohne ärztliche Verordnung ausüben. Er besitze einen Abschluss als Physiotherapeut sowie in Manueller Therapie und habe eine sechsjährige Zusatzausbildung zum Osteopathen absolviert. Aufgrund seiner beruflichen Ausbildung und Tätigkeit sehe er sich als qualifiziert an, eine Diagnose im Rahmen der Osteopathie zu stellen.

3 Das Landratsamt Heilbronn lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. April 2015 ab. Das Heilpraktikergesetz (HeilprG) kenne nur die einheitliche Berufsbezeichnung "Heilpraktiker/in". Die Verwaltungsvorschrift des Landes zur Durchführung des Heilpraktikergesetzes sehe die ausnahmsweise Erteilung einer sektoralen Erlaubnis nur für die Gebiete der Psychotherapie, Physiotherapie und Podologie vor. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2015 zurück. Die Osteopathie sei in Deutschland nicht gesetzlich geregelt und habe kein eigenständiges Berufsbild. Damit sei auch ihr Tätigkeitsumfang nicht hinreichend definiert und abgrenzbar. Nach ihrem Selbstverständnis gehe die Osteopathie von einem ganzheitlichen Behandlungsansatz aus und könne bei einer Vielzahl von gesundheitlichen Beschwerden und in praktisch allen medizinischen Fachbereichen Anwendung finden. Aufgrund ihres breit gefächerten Einsatzes sei eine klare Abgrenzung wie bei der Physiotherapie oder Podologie wirklichkeitsfern. Die osteopathische Ausbildung sei derzeit nicht einheitlich geregelt. Es gebe diverse Berufsverbände, die unterschiedliche Voraussetzungen für die Mitgliedschaft aufstellten. Die Anforderungen variierten zwischen 300 und 1 350 Stunden in der Weiterbildung.

4 Die dagegen erhobene Klage mit dem Antrag, die Bescheide aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf den Bereich der Osteopathie und ohne Kenntnisüberprüfung zu erteilen, hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 26. Januar 2017 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Erlaubnis. Die von ihm beabsichtigte Anwendung osteopathischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung sei zwar eine erlaubnispflichtige heilkundliche Tätigkeit im Sinne des Heilpraktikergesetzes. Die Osteopathie erfülle aber nicht die Voraussetzungen für eine sektorale Heilpraktikererlaubnis, da sie nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. Um von anderen heilkundlichen Gebieten abgrenzbar zu sein, bedürfe es einer verbindlichen Festlegung auf einheitliche Inhalte der Tätigkeit. Es müsse klar sein, was Osteopathie sei, welche Behandlungsmethoden und -formen sie umfasse, zur Behandlung welcher Krankheiten sie eingesetzt werde und wo ihre Grenzen lägen. Diese Festlegung müsse für alle Anwender verpflichtend sein und bundesweit gelten. Daran fehle es hier. Es existiere für den Bereich der Osteopathie bislang kein normativer Rahmen, der den Tätigkeitsumfang definiere. Ob sich die erforderliche einheitliche und verbindliche Festlegung des Tätigkeitsbereichs auch aus der Vorgabe von Standards durch die Berufsverbände ergeben könne, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung. Es gebe (derzeit) keine allgemeinverbindlichen Standards. Es existiere noch nicht einmal eine einheitliche Definition der Osteopathie, die allgemein anerkannt und verbindlich wäre.

5 Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Das angefochtene Urteil verstoße gegen § 1 Abs. 1 HeilprG i.V.m. § 2 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz. Es habe die Abgrenzbarkeit der Osteopathie zu Unrecht verneint. Dass es kein gesetzlich fixiertes Berufsbild und keine staatlich geregelte Ausbildungs- und Prüfungsordnung gebe, sei unschädlich. Auch die Chiropraktik sei nicht staatlich geregelt. Gleichwohl hätten mehrere Verwaltungsgerichte ihre hinreichende Abgrenzbarkeit bejaht. Betrachte man die Ausbildungsangebote für Osteopathie und die Anforderungen der Berufsverbände, ergebe sich hinsichtlich der Ausbildungsinhalte ein einheitliches Bild. Danach bestehe auch eine ausreichende Abgrenzungsmöglichkeit zu anderen Therapieformen. Das Verwaltungsgericht habe zudem die Bedeutung der Weiterbildungs- und Prüfungsordnung für Osteopathie des Landes Hessen verkannt. Die Regelung setze voraus, dass der Verordnungsgeber die Osteopathie für hinreichend abgrenzbar halte. Gegen das Erfordernis eines Berufsgesetzes spreche auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Psychotherapie. Als die Entscheidung ergangen sei, habe es noch kein Psychotherapeutengesetz gegeben. Eine normative Grundlage sei für die Abgrenzung zwar hilfreich. Fehle sie, könnten aber andere Kriterien herangezogen werden, wie beispielsweise die Vorgaben der Berufsverbände. Im Übrigen entspreche eine Abgrenzung anhand gesetzlich fixierter Ausbildungen nicht dem Heilpraktikergesetz. Es erfasse ein heilkundliches Berufsfeld, ohne nach Aus- und Vorbildung oder fest umrissenen Berufsbildern zu differenzieren. Dem Gesichtspunkt der Kostenübernahme osteopathischer Behandlungsleistungen durch die Krankenkassen habe das Verwaltungsgericht nicht die richtige Bedeutung beigemessen. Das Gleiche gelte hinsichtlich der von den Berufsverbänden festgelegten Standards für die osteopathische Tätigkeit, die sich inhaltlich glichen. Das Verwaltungsgericht habe außerdem gegen den Grundsatz der Amtsermittlung verstoßen, weil es zu der Frage, was Osteopathie sei und wie die Tätigkeit von anderen Bereichen abzugrenzen sei, kein Sachverständigengutachten eingeholt habe.

6 Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht teilt die Rechtsauffassung des Beklagten. Es bestünden grundlegende Bedenken, die Rechtsprechung zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Physiotherapie auf andere Bereiche zu übertragen. Darüber hinaus lägen die in der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für eine Teilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis hier nicht vor, weil das Gebiet der Osteopathie nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. In Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit sei anzumerken, dass die Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung überschritten würden, wenn eine sektorale Erlaubnis für ein Gebiet anerkannt würde, für das der Gesetzgeber bewusst keine berufsrechtliche Regelung getroffen habe.

II

8 Die zulässige Sprungrevision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass der Kläger keine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte Heilpraktikererlaubnis beanspruchen kann.

9 Anspruchsgrundlage für sein Begehren sind § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz - HeilprG) vom 17. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2, veröffentlichten bereinigten Fassung) in Verbindung mit der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (1. DVO-HeilprG) vom 18. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2-1, veröffentlichten bereinigten Fassung), jeweils zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191, 3219). Danach bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein. Auf die Erteilung der Erlaubnis besteht ein Rechtsanspruch, wenn kein - rechtsstaatlich unbedenklicher - Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der 1. DVO-HeilprG eingreift (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 3 C 26.11 - BVerwGE 145, 275 Rn. 11 und vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 9 m.w.N.). Eine sektorale Erlaubnis ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 18 m.w.N.). Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf die beantragte Erlaubnis. Zwar ist die von ihm beabsichtigte Anwendung osteopathischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung eine heilkundliche Tätigkeit, die ohne Erlaubnis nicht ausgeübt werden darf (1.). Jedoch liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer sektoral beschränkten Heilpraktikererlaubnis in Bezug auf das Gebiet der Osteopathie nicht vor (2.).

10 1. Ausübung der Heilkunde nach § 1 Abs. 2 HeilprG ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen. Wegen der mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG fallen darunter nur solche Heilbehandlungen, die heilkundliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verursachen können, wobei ein nur geringfügiges Gefährdungspotential nicht ausreicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 25 Rn. 18 m.w.N.).

11 Die eigenverantwortliche Anwendung osteopathischer Methoden zur Krankenbehandlung ist danach Ausübung der Heilkunde. Sie setzt nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) heilkundliche Fachkenntnisse voraus und kann auch nennenswerte gesundheitliche Schäden verursachen. Es bedarf einer umfassenden Untersuchung und Differentialdiagnose, um insbesondere bei Patienten mit einer vorgeschädigten Struktur Komplikationen durch die osteopathische Befunderhebung und Therapie zu vermeiden. Diese unmittelbare Gesundheitsgefährdung begründet bereits die Einordnung der eigenverantwortlichen osteopathischen Heiltätigkeit als Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 HeilprG. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob von der Tätigkeit auch eine nennenswerte mittelbare Gefährdung ausgeht (BVerwG, Urteile vom 26. August 2010 - 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 25 Rn. 18 und 28 ff. und vom 10. Oktober 2019 - 3 C 10.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​101019U3C10.17.0] -).

12 2. Das Verwaltungsgericht hat auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen auch zu Recht angenommen, dass dem Kläger keine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte Heilpraktikererlaubnis erteilt werden kann.

13 a) In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Heilpraktikererlaubnis teilbar ist. Das Heilpraktikergesetz enthält weder dem Wortlaut nach noch nach seinem Sinn und Zweck ein Verbot der Erteilung einer inhaltlich beschränkten Erlaubnis. Seit Inkrafttreten des vorkonstitutionellen Gesetzes haben sich die Berufsbilder auf dem Sektor der Gesundheitsberufe in damals nicht vorhersehbarer Weise ausdifferenziert. Die Vorschriften des Heilpraktikergesetzes müssen daher im Lichte der Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG durch Auslegung an die gegenwärtigen Gegebenheiten angepasst werden. Danach ist eine uneingeschränkte Heilpraktikererlaubnis mit der Folge einer umfassenden Kenntnisüberprüfung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Patienten nicht erforderlich und deshalb unverhältnismäßig, wenn ein Antragsteller die Heilkunde nur auf einem abgrenzbaren Gebiet ausüben will, dessen Tätigkeitsumfang hinreichend ausdifferenziert ist. In einem solchen Fall reicht es aus, eine auf dieses Gebiet beschränkte Erlaubnis zuzusprechen, solange sichergestellt ist, dass der Antragsteller die Grenzen seines Könnens kennt und beachtet. Dies hat der Senat für die Bereiche der Psychotherapie (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1993 - 3 C 34.90 - BVerwGE 91, 356 <361>) und der Physiotherapie bereits entschieden (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 18).

14 Die durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 vorgenommenen Änderungen des Heilpraktikerrechts führen zu keiner anderen Beurteilung. Die Anerkennung sektoraler Beschränkungen der Heilpraktikererlaubnis beruht darauf, dass im Bereich der Gesundheitsberufe durch den Gesetzgeber einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen festgelegt werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit aufrechterhalten bleibt, allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG) eigenverantwortlich Patienten zu behandeln. Darin liegt eine systematische Unstimmigkeit, die sich dadurch jedenfalls abmildern lässt, dass der Zugang zu abgrenzbaren heilkundlichen Betätigungsfeldern durch entsprechend beschränkte Heilpraktikererlaubnisse eröffnet wird (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 20). Die Änderungen des Heilpraktikergesetzes und der Ersten Durchführungsverordnung durch Art. 17e und 17f des Dritten Pflegestärkungsgesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191, 3219) haben an dieser systematischen Unstimmigkeit nichts Grundlegendes geändert. Der neu gefasste § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG sieht wie bisher eine Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt vor, um festzustellen, ob die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung bedeuten würde. Neu ist der Zusatz, dass die Überprüfung auf der Grundlage von Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern durchzuführen ist. Zudem ist die Regelung dahingehend ergänzt worden, dass bei der Gefahrenabwehrprüfung auch die einzelnen Patientinnen und Patienten, die den Heilpraktiker aufsuchen, in den Blick zu nehmen sind (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf des Dritten Pflegestärkungsgesetzes, BT-Drs. 18/10510 S. 142). Das Bundesministerium für Gesundheit hat gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 der 1. DVO-HeilprG unter dem 7. Dezember 2017 die Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien bekannt gemacht, die zum 22. März 2018 in Kraft getreten sind (BAnz AT 22.12.2017 B5). Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern, die das Ministerium im September 1992 veröffentlicht hatte und die seither als Grundlage der Kenntnisüberprüfung dienten (BT-Drs. 18/10510 S. 141 f.; Leitlinien vom 7. Dezember 2017, Präambel). Die Neufassung des § 2 Abs. 1 der 1. DVO-HeilprG wird flankiert durch eine Änderung des § 2 Abs. 1 HeilprG (vgl. BT-Drs. 18/10510 S. 141 f.). Danach ist der Rechtscharakter der Kenntnisüberprüfung unverändert geblieben. Sie fragt weiterhin keinen bestimmten Ausbildungsstand ab, sondern dient der Abwehr von Gefahren im konkreten Einzelfall (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 22 m.w.N.). Entsprechend orientieren sich auch die Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien vom 7. Dezember 2017 am Ziel der Gefahrenabwehr. Sie sollen die Feststellung ermöglichen, ob der Antragsteller die Grenzen seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zuverlässig einschätzt, sich der Gefahren bei Überschreitung dieser Grenzen bewusst sowie bereit ist, sein Handeln angemessen daran auszurichten (vgl. Leitlinien vom 7. Dezember 2017, Absatz 5 der Präambel).

15 b) Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte Heilpraktikererlaubnis nicht vorliegen, weil er nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar ist. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

16 aa) Die für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis erforderliche Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit des beantragten Tätigkeitssektors ist gegeben, wenn sich der Umfang der erlaubten Heiltätigkeit klar bestimmen und von anderen Bereichen der Heilkundeausübung abgrenzen lässt. In der Praxis dürfen keine Unklarheiten darüber bestehen, ob eine konkrete Behandlungsmaßnahme zu dem betreffenden Tätigkeitsgebiet zählt oder nicht (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 19). Es muss eindeutig sein, welche Behandlungsmethoden und Therapieformen von dem Gebiet umfasst werden und zur Behandlung welcher Krankheiten, Leiden und Beschwerden sie eingesetzt werden. Die Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist daher nur möglich, soweit sich auf dem Gebiet der Heilkunde ein eigenständiges und abgrenzbares Berufsbild herausgebildet hat (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22.09 - BVerwGE 137, 1 Rn. 14).

17 bb) Im Unterschied zu den Gesundheitsfachberufen des Physiotherapeuten (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 19) und des Logopäden (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019 - 3 C 8.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​101019U3C8.17.0] -) ist das Berufsbild des Osteopathen bislang nicht gesetzlich festgelegt. Es gibt kein entsprechendes Berufsgesetz, das das Führen der Berufsbezeichnung "Osteopathin/Osteopath" regelt, und keine gesetzliche Ausgestaltung der Ausbildung zum Osteopathen. Damit fehlt ein normativer Rahmen, anhand dessen sich der Tätigkeitsumfang der Osteopathie bestimmen und von anderen Behandlungsmethoden und Therapieformen abgrenzen ließe.

18 Die hessische Verordnung einer Weiterbildungs- und Prüfungsordnung im Bereich der Osteopathie (WPO-Osteo) vom 4. November 2008 (GVBl. I S. 949) i.d.F. der Verordnung vom 23. Juli 2013 (GVBl. S. 526) führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen ist gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung, von der der Bundesgesetzgeber unter anderem durch die Gesetze über die Berufe in der Physiotherapie und über den Beruf des Logopäden Gebrauch gemacht hat. Regelungen über die Weiterbildung der ärztlichen und anderen Heilberufe (einschließlich der Gesundheitsfachberufe) fallen demgegenüber als Berufsausübungsregeln in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 70 GG (BVerwG, Beschluss vom 20. November 2009 - 3 BN 1.09 - juris Rn. 3). Danach wird durch die hessische Verordnung kein Berufsbild für das Gebiet der Osteopathie geschaffen, sondern lediglich eine Weiterbildung für Personen geregelt, die eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes oder nach § 1 HeilprG besitzen (vgl. § 1 Abs. 1 WPO-Osteo; VGH Kassel, Urteil vom 18. Juni 2009 - 3 C 2604/08.N [ECLI:​DE:​VGHHE:​2009:​0618.3C2604.08.N.0A] - juris Rn. 22). Abgesehen davon ist die Verordnung mit Ausnahme einer Übergangs- und Überleitungsvorschrift mit Wirkung vom 1. Januar 2019 aufgehoben worden (vgl. Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung einer Weiterbildungs- und Prüfungsordnung im Bereich der Osteopathie vom 13. August 2018, GVBl. S. 372).

19 cc) Anders als bei der Physiotherapie und der Logopädie handelt es sich bei der Osteopathie auch nicht um ein gesetzlich vorgesehenes und durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgegebenes Heilmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 124 Abs. 1 SGB V, § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Abs. 6 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung <Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL> i.d.F. vom 19. Mai 2011 <BAnz Nr. 96 S. 2247>, zuletzt geändert am 21. September 2017 <BAnz AT 23.11.2017 B1>). Soweit die Kosten für osteopathische Leistungen von einer Krankenkasse nach deren Satzungsrecht auf freiwilliger Basis übernommen werden, genügt dies - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht, um eine hinreichende Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit der Osteopathie zu bejahen.

20 dd) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis erforderliche Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit des betreffenden Gebiets der Heilkundeausübung auch ohne ein gesetzlich fixiertes Berufsbild gegeben sein kann.

21 Die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis beruht - wie schon ausgeführt - darauf, dass sie eine systematische Unstimmigkeit abmildert, die sich ergibt, weil einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen geschaffen werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Heilbehandlung allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung aufrechterhalten bleibt. Dem entspricht, die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis an die Voraussetzung zu knüpfen, dass für den fraglichen Sektor ein gesetzlich bestimmtes Berufsbild vorliegt (VGH Mannheim, Urteil vom 24. Juli 2019 - 9 S 1460/18 [ECLI:​DE:​VGHBW:​2019:​0724.9S1460.18.00] - Sasse, GesR 2013, 641 <646>).

22 Allerdings ist der Schutz der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht auf gesetzlich festgelegte Berufsbilder beschränkt. Er erfasst auch traditionell fixierte Berufsbilder sowie Berufe, die aufgrund einer fortschreitenden technischen, sozialen oder wirtschaftlichen Entwicklung neu entstanden sind (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 120 m.w.N.). Die Anerkennung eines Berufs hängt nicht davon ab, dass der Gesetzgeber bereits ein Berufsbild entwickelt hat (BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1997 - 1 BvR 780/87 - BVerfGE 97, 12 <33 f.>). Dieser ist im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG befugt, Berufsbilder zu fixieren und dabei den Umfang der beruflichen Tätigkeit in bestimmter Weise festzuschreiben (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22.09 - BVerwGE 137, 1 Rn. 13 m.w.N.). Er verfügt über einen weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum, ob er von dieser Befugnis Gebrauch macht oder von einer Normierung absieht. Eine gesetzliche Berufsbildbestimmung mit der Festlegung berufsrechtlicher Zugangsvoraussetzungen greift in die Berufsfreiheit ein. Das Bundesverfassungsgericht hat daher ein Recht auf "strengere" Berufszulassungsvorschriften im Grundsatz verneint (BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 u.a. - BVerfGE 78, 179 <193, 195 f.>). Dieser verfassungsrechtliche Rahmen könnte einem generellen Ausschluss nicht gesetzlich fixierter Berufsbilder von der Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis entgegenstehen (VG München, Urteil vom 18. Januar 2018 - M 27 K 17.693 [ECLI:​DE:​VGMUENC:​2018:​0118.M27K17.693.00] - juris Rn. 30; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 27. Mai 2014 - 4 K 2714/12.F [ECLI:​DE:​VGFFM:​2014:​0527.4K2714.12.F.0A] - juris Rn. 27 f.).

23 Die Frage bedarf keiner abschließenden Klärung. Auch wenn die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis kein gesetzlich fixiertes Berufsbild voraussetzen sollte, muss sich der Umfang der erlaubten Tätigkeit jedenfalls anhand eines in vergleichbarer Weise fest umrissenen, abgrenzbaren Berufsbildes bestimmen lassen können. Das ist hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts für den Bereich der Osteopathie nicht der Fall. Es gibt keine einheitliche Definition der Osteopathie, die allgemein anerkannt und verbindlich ist. Auch fehlt es an einheitlichen Vorgaben für die Ausbildung zum Osteopathen. Die Feststellungen sind für das Revisionsverfahren bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Auf die geltend gemachten Verfahrensmängel kann die Sprungrevision nicht gestützt werden (§ 134 Abs. 4 VwGO).

24 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Urteil vom 10.10.2019 -
BVerwG 3 C 8.17ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U3C8.17.0

Sektorale Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Logopädie

Leitsatz:

Einem ausgebildeten Logopäden kann die Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf den Bereich der Logopädie erteilt werden.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 12 Abs. 1
    HeilprG § 1 Abs. 1 und 2, § 2 Abs. 1, § 5
    LogopG § 2 Abs. 1 Nr. 1
    1. DVO-HeilprG § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i
    LogAPrO § 1 Abs. 1

  • VG Sigmaringen - 28.06.2016 - AZ: VG 7 K 3134/15
    VGH Mannheim - 23.03.2017 - AZ: VGH 9 S 1899/16

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 10.10.2019 - 3 C 8.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U3C8.17.0]

Urteil

BVerwG 3 C 8.17

  • VG Sigmaringen - 28.06.2016 - AZ: VG 7 K 3134/15
  • VGH Mannheim - 23.03.2017 - AZ: VGH 9 S 1899/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2019
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 23. März 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land eine auf den Bereich der Logopädie beschränkte - sektorale - Heilpraktikererlaubnis.

2 Sie absolvierte in den Jahren 1999 bis 2002 eine Ausbildung zur Logopädin und ist seitdem - zunächst angestellt, seit dem Jahr 2004 selbstständig - unter dieser Berufsbezeichnung tätig. Ihren im März 2015 gestellten Antrag auf Erteilung einer auf das Gebiet der Logopädie beschränkten Heilpraktikererlaubnis lehnte das Landratsamt Tübingen mit Bescheid vom 30. April 2015 ab. Das Heilpraktikergesetz (HeilprG) kenne nur die einheitliche Berufsbezeichnung "Heilpraktiker/in". Die Verwaltungsvorschrift des Landes zur Durchführung des Heilpraktikergesetzes sehe die ausnahmsweise Erteilung einer sektoralen Erlaubnis nur für die Gebiete Psychotherapie, Physiotherapie und Podologie vor. Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies das Regierungspräsidium Tübingen mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2015 zurück. Die Erteilung einer auf ein bestimmtes Fachgebiet beschränkten Heilpraktikererlaubnis setze voraus, dass die beabsichtigte heilkundliche Tätigkeit hinreichend abgrenzbar sei. Das sei bei der Logopädie nicht der Fall. Die eigenverantwortliche Ausübung der Heilkunde in diesem Bereich erfordere in vielen Fällen eine umfangreiche Differentialdiagnostik in ganz unterschiedlichen medizinischen Fachgebieten. Die logopädische Therapie sei auch nicht eindeutig umrissen. Je nach Art und Ursache der zu behandelnden Sprach-, Sprech-, Stimm-, Schluck- oder Hörstörungen würden unterschiedliche Therapieformen angewendet.

3 Ihrer Klage mit dem Antrag, den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 30. April und 28. August 2015 zu verpflichten, über ihren Erlaubnisantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen mit Urteil vom 28. Juni 2016 stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 23. März 2017 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die von der Klägerin beabsichtigte Anwendung logopädischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung erfülle die Voraussetzungen der erlaubnispflichtigen Heilkundeausübung im Sinne von § 1 Abs. 2 HeilprG. Die Tätigkeit erfordere heilkundliche Fachkenntnisse und könne nennenswerte Gesundheitsgefährdungen zur Folge haben. Die Gefahrengeneigtheit der heilkundlichen Tätigkeit lasse sich auch ohne Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens bejahen. Es könne bereits davon ausgegangen werden, dass mit der Anwendung mancher logopädischer Behandlungsmethoden unmittelbare Gesundheitsrisiken verbunden seien. Unabhängig davon drohten jedenfalls mittelbare Gefährdungen, weil Patienten im Einzelfall davon absehen könnten, einen Arzt aufzusuchen, obwohl dies geboten wäre. Die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz entfalle nicht deshalb, weil die Klägerin ausgebildete Logopädin sei. Dieser Berufsabschluss berechtige nicht zur Krankenbehandlung ohne ärztliche Verordnung und somit nicht zur selbstständigen Ausübung der Heilkunde. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Recht angenommen, dass die Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf den Bereich der Logopädie erteilt werden dürfe. Der Umfang der erlaubten Heiltätigkeit sei hinreichend bestimmt, weil das Gebiet der Logopädie hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. Der Tätigkeitsumfang werde durch die staatliche Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Logopäden definiert. Zudem handele es sich um ein in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehenes Heilmittel. Dass die logopädische Tätigkeit zu einem gewissen Teil Verrichtungen umfasse, die nicht dem Heilkundebereich zuzuordnen seien oder bei denen die Zuordnung zweifelhaft sein könnte, stehe der Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis nicht entgegen. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens bestehe kein Anlass. Die hinreichende Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit seien keine medizinisch-fachlichen Tatsachen, die einem Beweis zugänglich wären. Ein Logopäde sei allerdings allein kraft seiner Ausbildung nicht zu einer Krankenbehandlung ohne ärztliche Verordnung befähigt. Zum Schutz der Patienten sei deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass die in der Ausbildung nicht vermittelten Kenntnisse für eine eigenverantwortliche logopädische Heilkundetätigkeit nachgewiesen würden.

4 Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Der Verwaltungsgerichtshof habe seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung verletzt. Er hätte ein Sachverständigengutachten dazu einholen müssen, ob logopädische Verfahren geeignet seien, unmittelbare oder mittelbare Gesundheitsgefährdungen hervorzurufen, und ob das Gebiet der Logopädie hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. Zudem hätte er weiter aufklären müssen, ob die Logopädie überwiegend von Tätigkeiten geprägt sei, die heilkundliche Fachkenntnisse erforderten. Die Einstufung der logopädischen Behandlungsmethoden als insgesamt heilkundliche Tätigkeit sei nur nachvollziehbar, sofern der heilkundliche Tätigkeitsanteil den nicht-heilkundlichen Anteil weit überwiege. Das Berufungsurteil lasse im Unklaren, was der heilkundliche Teil der logopädischen Tätigkeit sei und wie er vom nicht-heilkundlichen Bereich abzugrenzen sei. Es gebe eine Vielzahl logopädischer Therapieformen, die nicht eindeutig oder ausschließlich heilkundlicher Natur seien. Die für die Erlaubniserteilung erforderliche Abgrenzbarkeit der heilkundlichen logopädischen Tätigkeit sei deshalb nicht gegeben. Es sei zudem verfehlt, die krankenversicherungsrechtlichen Heilmittelvorschriften zur Bestimmung des Berufsbildes der Logopädie heranzuziehen. Das Berufungsurteil beruhe außerdem auf einer unrichtigen Auslegung des Heilpraktikerrechts. Eine weitere Aufsplitterung der Heilpraktikererlaubnis stehe nicht im Einklang mit dem Zweck des Heilpraktikergesetzes und widerspreche der staatlichen Schutzverpflichtung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Der Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, den Gesundheitsfachberufen die Befugnis zur selbstständigen Ausübung der Heilkunde einzuräumen. Die Zulassung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für Logopädie mit der damit verbundenen eingeschränkten Kenntnisüberprüfung höhle das gesetzliche Schutzkonzept aus und gefährde die Patientensicherheit. Logopäden behandelten oftmals Patienten mit einer schwerwiegenden Grunderkrankung. Es bedürfe daher stets einer ausführlichen Diagnostik. Ohne ärztliche Befunderhebung könne kein sinnvolles Therapiekonzept erstellt werden, schwerwiegende Grunderkrankungen würden möglicherweise nicht rechtzeitig diagnostiziert und behandelt. Aufgrund des weiten logopädischen Tätigkeitsgebietes, das praktisch alle medizinischen Fachbereiche berühre, müssten die Anforderungen an die Kenntnisüberprüfung im Wesentlichen denen der allgemeinen Heilpraktikererlaubnis entsprechen. Sei aber eine umfassende Kenntnisüberprüfung geboten, fehle der Grund für die Zulassung einer sektoralen Erlaubnis. Die Änderungen des Heilpraktikerrechts durch Art. 17e und Art. 17f des Dritten Pflegestärkungsgesetzes vom 23. Dezember 2016 zeigten die Absicht des Gesetzgebers, das Niveau der Überprüfung der Heilpraktikeranwärter im Interesse des Patientenschutzes zu erhöhen. Die Zulassung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Logopädie widerspreche diesem Ziel. Soweit der Verwaltungsgerichtshof auf das Bestehen einer systematischen Unstimmigkeit verweise, die sich daraus ergebe, dass der Gesetzgeber einerseits Gesundheitsfachberufe mit erheblichen Qualifikationsanforderungen geschaffen habe und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit der Heilkundeausübung allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt beibehalten habe, berücksichtige er nicht, dass sich diese Unstimmigkeit aufgrund der gestiegenen Anforderungen an die Kenntnisüberprüfung erheblich verringert habe.

5 Die Klägerin verteidigt das angegriffene Berufungsurteil.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht lehnt eine auf das Gebiet der Logopädie beschränkte Heilpraktikererlaubnis ab. Es bestünden grundlegende Bedenken, die Rechtsprechung zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Physiotherapie auf andere Bereiche zu übertragen. Bei der sektoralen Heilpraktikererlaubnis handele es sich um einen Ausnahmetatbestand, der dazu diene, einen Widerspruch im System der Gesundheitsberufe aufzulösen. Dieser liege darin, dass Angehörige eines gesetzlich normierten Gesundheitsfachberufs nicht zur selbstständigen Ausübung von Heilkunde befugt seien, obwohl sie eine geregelte Ausbildung und eine staatlich anerkannte Fachprüfung absolviert hätten, während Heilpraktiker zur eigenverantwortlichen Heilkundeausübung berechtigt seien, ohne dass sie eine staatliche Ausbildung und Fachprüfung vorweisen müssten. Als Ausnahme von der Regel, dass Angehörige von Gesundheitsfachberufen die Heilkunde nicht ohne ärztliche Verordnung ausüben sollten, sei die sektorale Heilpraktikererlaubnis restriktiv zu handhaben. Im Übrigen seien die gesetzessystematischen Unstimmigkeiten durch eine Erhöhung des Überprüfungsniveaus bei der Heilpraktiker-Kenntnisüberprüfung verringert worden. Durch das Änderungsgesetz vom 23. Dezember 2016 seien verbindliche Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern eingeführt worden, die verschärfte Anforderungen in Bezug auf das Vorliegen medizinischer Kenntnisse vorsähen. Zudem lägen die Voraussetzungen für eine Teilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis hier nicht vor, weil das gesetzlich fixierte Berufsbild keine klare Einordnung einer Heiltätigkeit in den Bereich der Logopädie ermögliche.

II

7 Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Berufungsurteil beruht nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die Klägerin eine auf den Bereich der Logopädie beschränkte Heilpraktikererlaubnis erhalten kann und sie sich dafür einer eingeschränkten Kenntnisüberprüfung unterziehen muss.

8 Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin sind § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz - HeilprG) vom 17. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2, veröffentlichten bereinigten Fassung), in Verbindung mit der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (1. DVO-HeilprG) vom 18. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2-1, veröffentlichten bereinigten Fassung), jeweils zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191, 3219). Danach bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein. Auf die Erteilung der Erlaubnis besteht ein Rechtsanspruch, wenn kein - rechtsstaatlich unbedenklicher - Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der 1. DVO-HeilprG eingreift (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 3 C 26.11 - BVerwGE 145, 275 Rn. 11 und vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 9 m.w.N.).

9 1. Der Verwaltungsgerichtshof ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die von der Klägerin beabsichtigte Anwendung logopädischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung eine heilkundliche Tätigkeit ist, die ohne Erlaubnis nicht ausgeübt werden darf.

10 a) Ausübung der Heilkunde nach § 1 Abs. 2 HeilprG ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen. Wegen der mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG fallen darunter nur solche Heilbehandlungen, die heilkundliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verursachen können, wobei ein nur geringfügiges Gefährdungspotential nicht ausreicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 25 Rn. 18 m.w.N.). Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass die eigenverantwortliche Anwendung logopädischer Methoden zur Krankenbehandlung heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzt und mit der Gefahr nennenswerter gesundheitlicher Schäden verbunden ist. Diese Feststellungen sind nicht zu beanstanden. Die gegen sie vorgebrachten Revisionsgründe des Beklagten greifen nicht durch.

11 aa) Die Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen für den Beruf des Logopäden zeigen, dass für die Anwendung logopädischer Behandlungsmethoden heilkundliche Fachkenntnisse erforderlich sind. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Beruf des Logopäden (LogopG) vom 7. Mai 1980 (BGBl. I S. 529, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2019 <BGBl. I S. 1307>) setzt die Erlaubnis, eine Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung "Logopäde" oder "Logopädin" auszuüben, eine dreijährige Ausbildung und das Bestehen der staatlichen Prüfung zum Logopäden voraus. Gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Logopäden (LogAPrO) vom 1. Oktober 1980 (BGBl. I S. 1892, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2019 <BGBl. I S. 1307>) umfasst der theoretische und praktische Unterricht unter anderem die Unterrichtsfächer Anatomie und Physiologie (100 Stunden), Pathologie (20 Stunden), Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde (60 Stunden), Pädiatrie und Neuropädiatrie (80 Stunden), Neurologie und Psychiatrie (60 Stunden), Kieferorthopädie, Kieferchirurgie (20 Stunden), Phoniatrie (120 Stunden) und Aphasiologie (40 Stunden). Hinzu kommt ein Logopädie-Teil von 480 Stunden mit Unterricht unter anderem in der logopädischen Befunderhebung und Therapie bei organisch oder funktionell bedingten Stimmstörungen, bei Zustand nach Kehlkopfoperationen, bei erworbenen, zentral bedingten Sprach- und Sprechstörungen sowie bei frühkindlichen cerebralen Bewegungsstörungen. Der schriftliche Teil der Prüfung erstreckt sich nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LogAPrO unter anderem auf die Fächer Logopädie, Phoniatrie einschließlich Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Audiologie und Pädaudiologie, Neurologie und Psychiatrie. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 LogAPrO sollen Kenntnisse in Anatomie und Physiologie in die Prüfung einbezogen werden.

12 Die Gesetzesmaterialien zum Logopädengesetz bestätigen ebenfalls, dass die Tätigkeit des Logopäden heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzt. Dort heißt es, der Beruf des Logopäden sei ein dem medizinischen Bereich zugehöriger nichtärztlicher Heilberuf, dessen Tätigkeit in erster Linie die Erkennung und Behandlung von Hör-, Stimm- und Sprachkrankheiten umfasse. Die Ausbildung stelle hohe Anforderungen, die sich neben einem umfangreichen Wissen in der Medizin auf psychologische, heilpädagogische, pädaudiologische und gesundheitsfürsorgerische Fähigkeiten erstreckten (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über den Beruf des Logopäden, BT-Drs. 8/741 S. 5).

13 Nicht zu beanstanden ist, dass sich der Verwaltungsgerichtshof ergänzend auf die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL) i.d.F. vom 19. Mai 2011 (BAnz Nr. 96 S. 2247), zuletzt geändert am 21. September 2017 (BAnz AT 23.11.2017 B1), gestützt hat. Bei der Logopädie handelt es sich um ein gesetzlich vorgesehenes und durch die Heilmittel-Richtlinie vorgegebenes Heilmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 124 Abs. 1 SGB V, § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Abs. 6 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1, §§ 30 ff. HeilM-RL/Erster Teil). Der Verwaltungsgerichtshof hat daraus zu Recht abgeleitet, dass die Heilmittel-Richtlinie das Berufsbild des Logopäden mitbestimmt, weil sie wesentliche Behandlungsmethoden und Therapieformen der Logopädie beschreibt (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 19). Insbesondere der Zweite Teil der Heilmittel-Richtlinie (Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen - Heilmittelkatalog), Abschnitt II (Maßnahmen der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie) veranschaulicht, dass die eigenverantwortliche Anwendung logopädischer Maßnahmen heilkundliche Fachkenntnisse erfordert.

14 bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht dadurch verletzt, dass er zur Beurteilung des Erfordernisses heilkundlicher Fachkenntnisse kein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Einen förmlichen Beweisantrag hat der Beklagte in der Vorinstanz nicht gestellt. Die Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens brauchte sich dem Berufungsgericht auch nicht aufzudrängen. Nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Logopäden und den Bestimmungen der Heilmittel-Richtlinie ist nicht zweifelhaft, dass die eigenverantwortliche Anwendung logopädischer Methoden zur Krankenbehandlung heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzt. Der Beklagte hat dies in den Gründen seines Widerspruchsbescheides vom 28. August 2015 nicht anders gesehen. Auch in den Entscheidungsgründen der vorinstanzlichen Urteile wird jeweils festgestellt, dass die Beteiligten übereinstimmend vom Erfordernis heilkundlicher Fachkenntnisse ausgehen.

15 Die Einholung eines Sachverständigengutachtens musste sich dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht zur Beurteilung der Frage aufdrängen, ob die Logopädie (weit) überwiegend von Tätigkeiten geprägt ist, die heilkundliche Fachkenntnisse erfordern. Er hat angenommen, dass sich am Heilkundecharakter der eigenverantwortlich ausgeübten Logopädie nicht deshalb etwas ändere, weil zum Gebiet der Logopädie auch Methoden zählten, die für sich genommen keine heilkundlichen Fachkenntnisse erforderten. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Die Einstufung der eigenverantwortlichen Anwendung logopädischer Behandlungsmethoden als Heilkundeausübung im Sinne von § 1 Abs. 2 HeilprG verlangt nicht, dass jede Maßnahme aus dem Bereich der Logopädie heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzt. Der Heilkundecharakter hängt auch nicht davon ab, dass der heilkundliche Anteil des logopädischen Tätigkeitsfeldes eine bestimmte quantitative Schwelle überschreitet. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass dem heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzenden Tätigkeitsbereich erhebliches Gewicht zukommt, weil er einen bedeutsamen Bestandteil der eigenverantwortlich ausgeübten Tätigkeit ausmacht. Hier hat der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Logopäden und der Bestimmungen der Heilmittel-Richtlinie nachvollziehbar festgestellt, dass die eigenverantwortlich ausgeübte Logopädie in erheblichem Maß durch Behandlungsmaßnahmen geprägt ist, die heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzen.

16 cc) Er hat auch ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht zugrunde gelegt, dass die eigenverantwortliche Anwendung logopädischer Methoden zur Krankenbehandlung mit der Gefahr nennenswerter gesundheitlicher Schäden verbunden ist.

17 Zuzugestehen ist der Revision allerdings, dass der Verwaltungsgerichtshof seine Feststellung, durch die Anwendung (mancher) Behandlungsmethode könnten unmittelbar Gefahren hervorgerufen werden, nicht weiter begründet hat. Dies erweist sich hier indes als unschädlich, denn es ist nicht zweifelhaft, dass insbesondere logopädische Maßnahmen zur Behandlung von krankhaften Schluckstörungen (Dysphagie; vgl. Abschnitt II.5 des Heilmittelkatalogs) eine gefahrengeneigte Tätigkeit sind. Vor allem bei Patienten, die künstlich beatmet werden müssen (u.a. Schlaganfallpatienten), kann die Behandlung wegen der Anforderungen des Trachealkanülenmanagements eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung zur Folge haben. Auch bei der Therapie von Stimmstörungen können gesundheitliche Schäden auftreten, wenn eine organisch bedingte Erkrankung der Stimme (z.B. aufgrund eines Tumors) zunächst nicht oder nicht richtig erkannt wird. Diese Gefahrengeneigtheit logopädischer Behandlungsmethoden kann der Senat seiner Entscheidung auch ohne entsprechende berufungsgerichtliche Feststellungen zugrunde legen, da es sich um allgemeinkundige und damit offenkundige Tatsachen im Sinne von § 173 Satz 1 VwGO, § 291 ZPO handelt (BVerwG, Urteil vom 27. September 2017 - 6 C 32.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​270917U6C32.16.0] - BVerwGE 160, 54 Rn. 45 m.w.N.). Auch die Beteiligten sind in den Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgegangen, dass eine logopädische Behandlung gegebenenfalls gesundheitliche Schäden zur Folge haben kann. Nachdem der Beklagte erstmals im Revisionsverfahren die Gefahrengeneigtheit in Frage gestellt hat, hat die Klägerin unter anderem auf das Gefahrenpotential bei der logopädischen Dysphagietherapie verwiesen (Schriftsatz vom 30. Oktober 2017, Bl. 234). Es unterliegt auch keinen Zweifeln, dass die Behandlung von Stimm- und Schluckstörungen ein bedeutsamer Bestandteil der logopädischen Heiltätigkeit ist. Danach ist die eigenverantwortlich ausgeübte Logopädie in erheblichem Maß durch Methoden geprägt, die gesundheitliche Schäden verursachen können.

18 Die unmittelbaren Gefahren begründen die Einstufung der von der Klägerin beabsichtigten eigenverantwortlichen Heiltätigkeit als erlaubnispflichtige Ausübung der Heilkunde, ohne dass es noch darauf ankommt, ob von der Tätigkeit auch nennenswerte mittelbare Gesundheitsgefährdungen ausgehen. Daher musste sich dem Verwaltungsgerichtshof die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Gesundheitsgefährdung nicht aufdrängen.

19 b) Die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz entfällt nicht deshalb, weil die Klägerin ausgebildete Logopädin ist. Das hat der Senat für die Ausübung der Heilkunde durch einen ausgebildeten Physiotherapeuten bereits entschieden (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 12 ff.). Für den Bereich der Logopädie gilt nichts Anderes. Die der Klägerin nach § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 LogopG erteilte Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Logopädin" berechtigt nicht zur Krankenbehandlung ohne ärztliche Verordnung und damit nicht zur Ausübung der Heilkunde nach § 1 Abs. 2 HeilprG. Das Berufsrecht unterscheidet zwischen den Heilberufen, die eigenverantwortlich körperliche oder seelische Krankheiten, Leiden oder Schäden beim Menschen behandeln dürfen (Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeut, Heilpraktiker), und den Gesundheitsfachberufen, die zur Krankenbehandlung grundsätzlich nur aufgrund ärztlicher Verordnung befugt sind. Das gesetzlich fixierte Berufsbild des Logopäden zählt zur zweiten Gruppe. In den Gesetzesmaterialien wird darauf hingewiesen, dass die logopädische Therapie auf einer ärztlichen Diagnose und eigenen Erhebungen des Logopäden beruhe. Der Logopäde sei befähigt, einen Behandlungsplan selbstständig zu gestalten, habe aber ärztlichen Anweisungen Folge zu leisten (Allgemeiner Teil der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 8/741 S. 5). Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen ist die Ausbildung darauf ausgerichtet, dass der Logopäde anhand einer vom Arzt angegebenen Diagnose die Einzelheiten der logopädischen Therapie abklärt und durchführt. Dementsprechend beschränken sich die Ausbildungsinhalte auf Kenntnisse und Fähigkeiten für eine logopädische Befunderhebung und Therapie und für die Aufstellung von Behandlungsplänen. In dem dafür notwendigen Umfang erstreckt sich der Unterrichtsstoff auch auf medizinische Fächer. Dagegen vermittelt die Ausbildung nicht die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für eine Erstdiagnose im Sinne einer ärztlichen Differentialdiagnostik (vgl. Anlagen 1 und 2 zu § 1 Abs. 1 LogAPrO). Deutlich wird die den Logopäden durch das Berufsrecht gezogene Grenze zudem durch den Vergleich mit der gesetzlichen Ausgestaltung des Berufsbildes der Psychotherapeuten, denen die Ausübung der Heilkunde im Bereich der Psychotherapie ausdrücklich erlaubt ist (vgl. § 1 Abs. 1 und 3 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten <Psychotherapeutengesetz - PsychThG> vom 16. Juni 1998 <BGBl. I S. 1311>, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2019 <BGBl. I S. 1307>). Das Logopädengesetz enthält eine solche Regelung nicht.

20 c) Die gesetzliche Ausgestaltung des Berufsbildes des Logopäden als Gesundheitsfachberuf bedeutet aber auf der anderen Seite keine Sperre für eine entsprechende Heiltätigkeit auf der Grundlage einer Heilpraktikererlaubnis. Die eigenverantwortliche Heilbehandlung von Patienten mit den Methoden der Logopädie bleibt unter den Voraussetzungen des Heilpraktikergesetzes weiter möglich (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 17).

21 2. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin eine Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf den Bereich der Logopädie erteilt werden darf.

22 a) In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Heilpraktikererlaubnis teilbar ist. Das Heilpraktikergesetz enthält weder dem Wortlaut nach noch nach seinem Sinn und Zweck ein Verbot der Erteilung einer inhaltlich beschränkten Erlaubnis. Seit Inkrafttreten des vorkonstitutionellen Gesetzes haben sich die Berufsbilder auf dem Sektor der Gesundheitsberufe in damals nicht vorhersehbarer Weise ausdifferenziert. Die Vorschriften des Heilpraktikergesetzes müssen daher im Lichte der Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG durch Auslegung an die gegenwärtigen Gegebenheiten angepasst werden. Danach ist eine uneingeschränkte Heilpraktikererlaubnis mit der Folge einer umfassenden Kenntnisüberprüfung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Patienten nicht erforderlich und deshalb nicht gerechtfertigt, wenn ein Antragsteller die Heilkunde nur auf einem abgrenzbaren Gebiet ausüben will, dessen Tätigkeitsumfang hinreichend ausdifferenziert ist. In einem solchen Fall reicht es aus, eine auf dieses Gebiet beschränkte Erlaubnis zuzusprechen, solange sichergestellt ist, dass der Antragsteller die Grenzen seines Könnens kennt und beachtet. Dies hat der Senat für die Bereiche der Psychotherapie (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1993 - 3 C 34.90 - BVerwGE 91, 356 <361>) und der Physiotherapie bereits entschieden (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 18). Die dortigen Erwägungen sind nicht auf diese Bereiche beschränkt, sondern gelten weiterhin allgemein (dazu unter b)). Die Voraussetzungen einer teilbaren Heilpraktikererlaubnis liegen auch für den Bereich der Logopädie vor (dazu unter c)).

23 b) Die Anerkennung sektoraler Beschränkungen der Heilpraktikererlaubnis beruht darauf, dass im Bereich der Gesundheitsberufe durch den Gesetzgeber einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen festgelegt werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit aufrechterhalten bleibt, allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG) eigenverantwortlich Patienten zu behandeln. Darin liegt eine systematische Unstimmigkeit, die sich dadurch jedenfalls abmildern lässt, dass der Zugang zu abgrenzbaren heilkundlichen Betätigungsfeldern durch entsprechend beschränkte Heilpraktikererlaubnisse eröffnet wird (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 20).

24 Die Änderungen des Heilpraktikergesetzes und der Ersten Durchführungsverordnung durch Art. 17e und 17f des Dritten Pflegestärkungsgesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191, 3219) haben an dieser systematischen Unstimmigkeit nichts Grundlegendes geändert. Der neu gefasste § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG sieht wie bisher eine Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt vor, um festzustellen, ob die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung bedeuten würde. Neu ist der Zusatz, dass die Überprüfung auf der Grundlage von Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern durchzuführen ist. Zudem ist die Regelung dahingehend ergänzt worden, dass bei der Gefahrenabwehrprüfung auch die einzelnen Patientinnen und Patienten, die den Heilpraktiker aufsuchen, in den Blick zu nehmen sind (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf des Dritten Pflegestärkungsgesetzes, BT-Drs. 18/10510 S. 142). Das Bundesministerium für Gesundheit hat gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 der 1. DVO-HeilprG unter dem 7. Dezember 2017 die Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien bekannt gemacht, die zum 22. März 2018 in Kraft getreten sind (BAnz AT 22.12.2017 B5). Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern, die das Ministerium im September 1992 veröffentlicht hatte und die seither als Grundlage der Kenntnisüberprüfung dienten (BT-Drs. 18/10510 S. 141 f.; Leitlinien vom 7. Dezember 2017, Präambel). Die Neufassung des § 2 Abs. 1 der 1. DVO-HeilprG wird flankiert durch eine Änderung des § 2 Abs. 1 HeilprG (vgl. BT-Drs. 18/10510 S. 141 f.). Danach ist der Rechtscharakter der Kenntnisüberprüfung unverändert geblieben. Sie fragt weiterhin keinen bestimmten Ausbildungsstand ab, sondern dient der Abwehr von Gefahren im konkreten Einzelfall (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 22 m.w.N.). Entsprechend orientieren sich auch die Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien vom 7. Dezember 2017 am Ziel der Gefahrenabwehr. Sie sollen die Feststellung ermöglichen, ob der Antragsteller die Grenzen seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zuverlässig einschätzt, sich der Gefahren bei Überschreitung dieser Grenzen bewusst sowie bereit ist, sein Handeln angemessen daran auszurichten (vgl. Leitlinien vom 7. Dezember 2017, Absatz 5 der Präambel).

25 c) Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass das Gebiet der Logopädie hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar ist. Diese Anforderung ist erfüllt, wenn sich der Umfang der erlaubten Heiltätigkeit klar bestimmen und von anderen Bereichen der Heilkundeausübung abgrenzen lässt. In der Praxis dürfen keine Unklarheiten darüber bestehen, ob eine konkrete Behandlungsmaßnahme zu dem betreffenden Tätigkeitsgebiet zählt oder nicht (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 19). Es muss eindeutig sein, welche Behandlungsmethoden und Therapieformen von dem Gebiet umfasst werden und zur Behandlung welcher Krankheiten, Leiden und Beschwerden sie eingesetzt werden. Die Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist daher nur möglich, soweit sich auf dem Gebiet der Heilkunde ein eigenständiges und abgrenzbares Berufsbild herausgebildet hat (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22.09 - BVerwGE 137, 1 Rn. 14).

26 So ist es hier. Der Tätigkeitsumfang wird durch die in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Logopäden aufgeführten Ausbildungsinhalte (Anlagen 1 und 2 zu § 1 Abs. 1 LogAPrO) beschrieben und definiert. Es handelt sich zudem - wie gezeigt - um ein gesetzlich vorgesehenes und durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgegebenes Heilmittel. Wegen dieses normativen Rahmens ist nicht zu besorgen, dass bei der von der Klägerin beabsichtigten Heilkundetätigkeit in der Praxis Unklarheiten darüber bestehen könnten, ob eine bestimmte Behandlungsmaßnahme zur Logopädie zählt oder nicht. Die dagegen erhobenen Rügen des Beklagten greifen nicht durch.

27 aa) Dass das Gesetz über den Beruf des Logopäden anders als § 8 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie (Masseur- und Physiotherapeutengesetz - MPhG) keine ausdrückliche Beschreibung des Ausbildungsziels enthält, steht der Abgrenzbarkeit des Tätigkeitsbereichs nicht entgegen. Die Aufgabenstellung des Berufs des Logopäden ergibt sich hinreichend klar aus den Ausbildungsinhalten (Anlagen 1 und 2 zu § 1 Abs. 1 LogAPrO), den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 8/741 S. 5) und aus der Heilmittel-Richtlinie (vgl. §§ 30 ff. HeilM-RL). Danach soll die Ausbildung dazu befähigen, durch Anwendung geeigneter Therapieverfahren und Behandlungsmethoden der Logopädie die Kommunikationsfähigkeit, die Stimmgebung, das Sprechen, die Sprache und den Schluckakt bei krankheitsbedingten Störungen wiederherzustellen, zu verbessern, zu erhalten oder eine Verschlimmerung zu vermeiden.

28 bb) An der erforderlichen Abgrenzbarkeit fehlt es auch nicht deshalb, weil sich noch weitere Berufe mit den Disziplinen Phonetik, Linguistik, Stimmbildung, Sprecherziehung, Pädagogik oder Sonderpädagogik befassen. Für eine hinreichende Abgrenzbarkeit der Logopädie ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass das Tätigkeitsfeld des Logopäden genügend ausdifferenziert und umrissen ist. Teilweise Überschneidungen (Schnittmengen) mit den fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten anderer Berufsbilder könnten nur dann entgegenstehen, wenn sich deswegen der Umfang der erlaubten logopädischen Heiltätigkeit nicht bestimmen ließe. Dafür ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen nichts ersichtlich.

29 cc) Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) davon abgesehen, zur Beurteilung der hinreichenden Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit der Logopädie ein Sachverständigengutachten einzuholen. Er hat für die Beurteilung der beiden Kriterien auf die normative Ausgestaltung des Berufsbildes durch die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Logopäden sowie die Vorschriften der Heilmittel-Richtlinie abgestellt. Die von ihm vorgenommene Bewertung dieses normativen Rahmens (UA S. 24 ff.) ist keine Tatsachenfeststellung, sondern rechtliche Würdigung, die einer Beweiserhebung entzogen ist.

30 dd) Die hinreichende Abgrenzbarkeit des Bereichs der Logopädie begegnet auch nicht deshalb Bedenken, weil zum logopädischen Tätigkeitsfeld nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht-heilkundliche Verrichtungen zählen. Daraus ergeben sich keine Schwierigkeiten für die Bestimmung des Umfangs der erlaubten Heilkundetätigkeit.

31 Logopädische Tätigkeiten, die keine Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 HeilprG sind, unterfallen nicht der Erlaubnispflicht des § 1 Abs. 1 HeilprG. Auf sie erstreckt sich daher die von der Klägerin begehrte sektorale Heilpraktikererlaubnis nicht. Insoweit ergeben sich keine Unterschiede zur Erteilung einer unbeschränkten Erlaubnis. Erlaubnisgegenstand ist nach § 1 Abs. 1 und 2 HeilprG allein die erlaubnispflichtige heilkundliche Tätigkeit.

32 Abgrenzungsprobleme entstehen auch nicht in Bezug auf die Strafvorschrift des § 5 HeilprG. Die nicht-heilkundlichen logopädischen Tätigkeiten werden von § 5 HeilprG tatbestandlich nicht erfasst, weil es sich nicht um Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 1 und 2 HeilprG handelt. Jede heilkundliche Behandlungsmaßnahme darf im Fall der Erteilung der sektoralen Erlaubnis ausgeübt werden und ist damit nicht nach § 5 HeilprG strafbewehrt. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend angenommen, dass es für die von der Klägerin begehrte sektorale Erlaubniserteilung nicht auf die Ermittlung und Gewichtung der heilkundlichen im Verhältnis zu den nicht-heilkundlichen Verrichtungen eines Logopäden ankommt. Wie bereits dargelegt genügt, dass dem heilkundlichen Tätigkeitsbereich erhebliches Gewicht zukommt, weil er einen bedeutenden Bestandteil der eigenverantwortlich ausgeübten Tätigkeit ausmacht. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung greift daher auch insoweit nicht durch.

33 ee) Unklarheiten über den Umfang der erlaubten Tätigkeit ergeben sich schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt beruflicher Fort- und Weiterbildungen von Logopäden. Fachliche Weiterbildungen und Zusatzqualifikationen, die sich im Rahmen der Aufgabenstellung des Berufsbildes und der Behandlungsmethoden und Therapieformen nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung halten, sind bei der Bestimmung des Tätigkeitsumfangs zu berücksichtigen.

34 3. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG ist eine Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin durch das Gesundheitsamt vorzunehmen, um festzustellen, ob die von ihr beabsichtigte Ausübung der Heilkunde eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung oder für die sie aufsuchenden Patientinnen und Patienten bedeuten würde. Für den Umfang der Überprüfung gilt das Verhältnismäßigkeitsgebot. Von der Klägerin dürfen nur solche Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt werden, die in einem Bezug zu der geplanten Heilkundetätigkeit stehen. Sie muss keine Kenntnisse und Fähigkeiten nachweisen, die sie für die beabsichtigte Tätigkeit nicht benötigt oder aufgrund ihrer Ausbildung ohnehin schon besitzt (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 22).

35 Der Verwaltungsgerichtshof ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat angenommen, dass die Klägerin die richtige Ausführung einer Krankenbehandlung mit den Mitteln der Logopädie aufgrund ihrer Ausbildung hinreichend sicher beherrscht und deshalb ihre Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der logopädischen Behandlungsmethoden nicht überprüft werden müssen. Er hat des Weiteren entschieden, dass es keiner Überprüfung heilkundlicher Kenntnisse über Krankheiten bedarf, die mit Beschwerden auf dem Gebiet der Logopädie in keinem Zusammenhang stehen und mit denen ein Logopäde in der Praxis nicht konfrontiert wird. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 23).

36 Der Verwaltungsgerichtshof hat weiter festgestellt, dass ihre Ausbildung die Klägerin nicht zu einer selbstständigen Erstdiagnose befähigt und deshalb von ihr zum Schutz der Patienten verlangt werden muss, dass über die richtige Anwendung der Therapie hinausgehende Kenntnisse darüber vorhanden sind, ob eine solche Behandlung angezeigt ist. Sie muss zudem nachweisen, dass sie ausreichende Kenntnisse über die Abgrenzung der heilkundlichen Tätigkeit als Logopädin gegenüber der den Ärzten und den allgemein als Heilpraktiker tätigen Personen vorbehaltenen heilkundlichen Tätigkeit besitzt und ausreichende diagnostische Fähigkeiten in Bezug auf die einschlägigen Krankheitsbilder hat. Auch insoweit sind die berufungsgerichtlichen Feststellungen aus Sicht des Revisionsrechts nicht zu beanstanden (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 25 a.E. und Rn. 27).

37 Jenseits dessen gilt nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO-HeilprG, dass die Kenntnisüberprüfung auf der Grundlage der vom Bundesministerium für Gesundheit bekannt gemachten Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien vom 7. Dezember 2017 durchzuführen ist.

38 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.