Pressemitteilung Nr. 27/2005 vom 29.04.2005

Gegen Verkürzung des Rechtswegs bei Infrastrukturplanungen

Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts und die Präsidentin und die Präsidenten der Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe der Länder haben sich gegen eine Verkürzung des Rechtswegs bei Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben ausgesprochen.


Nach einem Gesetzentwurf des Bundesverkehrsministeriums soll das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zuständig sein für Klagen, die sich gegen die Planung von bestimmten Bundesfernstraßen, Bundeswasserstraßen und Eisenbahnanlagen richten sowie für alle Klagen gegen die Planung und Änderung von Flughäfen, Magnetschwebebahnen, Hochspannungsfreileitungen und Gasversorgungsleitungen.


Diese Zuständigkeitsregelung widerspricht zum einen der im Grundgesetz vorgesehenen Funktion eines Bundesgerichts als Rechtsmittelgericht letzter Instanz für die Klärung von Fragen des Bundesrechts, sie ist zum anderen auch aus Gründen der Praktikabilität abzulehnen.


Die seit 1991 bestehende und Ende 2005 auslaufende erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Verkehrsprojekte in den neuen Ländern (Stichwort: Verkehrsprojekte Deutsche Einheit) war einer besonderen Ausnahmesituation geschuldet: Zum einen war die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den neuen Ländern erst im Aufbau begriffen und konnte schwerlich mit den Planungsverfahren belastet werden; zum anderen waren die Verkehrsverbindungen zwischen "Ost und West" in einem desolaten Zustand und bedurften im Interesse des raschen Zusammenwachsens der beiden Teile Deutschlands eines zügigen Ausbaus.


Diese Sondersituation und damit die sachlich einleuchtenden Gründe für die verfassungsrechtlich nur ausnahmsweise zulässige Zuständigkeitskonzentration beim Bundesverwaltungsgericht bestehen nicht mehr.


Das allgemeine Bestreben nach Verfahrensbeschleunigung ist zwar verständlich. Das würde aber für nahezu alle Gerichtsverfahren gelten und kann deshalb eine gegenständlich begrenzte Ausnahmeregelung nicht rechtfertigen, zumal dann nicht, wenn das dazu führen würde, dass das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich und letztverbindlich auch über die Auslegung von Landesrecht zu entscheiden hätte, das bei Planfeststellungen wegen der Konzentrationswirkung des Verfahrens in großem Umfang zur Anwendung kommt.


Abgesehen von diesem Systembruch wäre die vorgesehene Zuständigkeitsregelung auch deshalb nicht sachgerecht, weil das Bundesverwaltungsgericht dann als Tatsachengericht aufwändige Ortstermine und Tatsachenermittlungen in der ganzen Bundesrepublik durchführen müsste. Die Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe verfügen bereits über die notwendige Kenntnis der örtlichen Verhältnisse und Interessen. Es wäre deshalb kontraproduktiv, gerade bei standortbedeutsamen Verfahren auf den örtlichen Sachverstand zu verzichten.