Verfahrensinformation

Der Kläger begehrt die nachträgliche Einbeziehung seines Enkels in den ihm -dem Kläger - erteilten Aufnahmebescheid. Sein im Jahre 1996 in Kasachstan geborener Enkel wurde von seinem Sohn mit Wirkung vom 9. August 2011 in Kasachstan adoptiert.


Der Kläger reiste 1997 nach Deutschland ein und erhielt noch im gleichen Jahr eine Spätaussiedlerbescheinigung. Im Mai 2012 beantragte der Kläger die nachträgliche Einbeziehung seines Sohnes sowie dessen gesamter Familie in den Aufnahmebescheid. Diesen Antrag lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 22. Oktober 2012 ab. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage zurückgewiesen.


Nachdem das Bundesverwaltungsamt dem Sohn des Klägers im Dezember 2014 eine Spätaussiedlerbescheinigung ausgestellt hatte, haben die Beteiligten ihren Rechtsstreit in Bezug auf die Einbeziehung des Sohnes des Klägers sowie dessen Ehefrau und zweier Söhne in den dem Kläger erteilten Aufnahmebescheid übereinstimmend für erledigt erklärt.


Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit es sich auf die Einbeziehung des von seinem Sohn adoptierten Enkelkindes bezieht, hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 16. September 2015 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der adoptierte Enkelsohn des Klägers sei nicht i.S.d. § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ein „im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling eines Spätaussiedlers“. Eine nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers scheitere bereits daran, dass er im Jahr 2011 und damit erst nach der Übersiedlung des Klägers ins Bundesgebiet adoptiert worden sei. Nach der Intention des Gesetzgebers eröffne § 27 Abs. 3 BVFG keine Einbeziehungsmöglichkeit für Abkömmlinge, die es zum Zeitpunkt der Übersiedlung der Bezugsperson noch nicht gegeben habe. Der Enkelsohn des Klägers sei vor der Übersiedlung des Klägers nach Deutschland geboren worden, habe im Rechtssinne die Eigenschaft, „Abkömmling“ des Klägers zu sein, erst durch die Adoption im Jahr 2011 erworben.


Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.


Pressemitteilung Nr. 82/2016 vom 27.09.2016

Bei nachträglicher Adoption keine Einbeziehung in Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers

Erst nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers adoptierte Kinder können nicht nachträglich in dessen Aufnahmebescheid einbezogen werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der Kläger begehrt die nachträgliche Einbeziehung seines Enkels in seinen Aufnahmebescheid. Dieser wurde im Jahre 1996 in Kasachstan geboren und dort 2011 vom Sohn des Klägers adoptiert. Der Kläger reiste 1997 nach Deutschland ein und erhielt im gleichen Jahr eine Spätaussiedlerbescheinigung. Im Mai 2012 beantragte er u.a. die nachträgliche Einbeziehung des 2011 adoptierten Kindes in seinen Aufnahmebescheid. Diesen Antrag lehnte das Bundesverwaltungsamt ab. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen, weil die Adoption erst nach der Aussiedlung des Klägers erfolgt sei.


Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des 1. Revisionssenats kann der Enkelsohn des Klägers nicht nachträglich in dessen Aufnahmebescheid einbezogen werden, weil er kein i.S.d. § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling" ist. Dies setzt voraus, dass die einzubeziehende Person im Zeitpunkt der Aussiedlung der Bezugsperson bereits geboren und deren Abkömmling war. Der Enkelsohn des Klägers war im Zeitpunkt der Aussiedlung des Klägers im Jahre 1997 zwar bereits geboren, aber erst im Jahre 2011 von dem Sohn des Klägers adoptiert worden und konnte damit vertriebenenrechtlich die Abkömmlingseigenschaft erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Aussiedlung erlangen. Mit dem Instrument der nachträglichen Einbeziehung von Familienangehörigen wollte der Gesetzgeber nur solche dauerhaften Familientrennungen vermeiden, die durch die Aussiedlung der Bezugsperson entstanden sind. Die Vorschrift soll helfen, den Konflikt des Spätaussiedlers, der darin besteht, dass er entweder allein aussiedelt und dadurch die Familie zerstört oder an seiner Heimat im Aussiedlungsgebiet festhält, im Sinne der Familienerhaltung trotz Aussiedlung zu lösen. Wenn im Zeitpunkt der Aussiedlung - wie im vorliegenden Fall - noch keine familiäre Verbindung zu dem Spätaussiedler hergestellt war, konnte ein solcher Konflikt nicht entstehen; es fehlt dann auch an einer Grundlage für die nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid.


BVerwG 1 C 17.15 - Urteil vom 27. September 2016

Vorinstanzen:

OVG Münster, 11 A 1838/14 - Urteil vom 16. September 2015 -

VG Köln, 7 K 3449/13 - Urteil vom 15. Juli 2014 -


Urteil vom 27.09.2016 -
BVerwG 1 C 17.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916U1C17.15.0

Keine nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid von nach der Aussiedlung adoptierten Abkömmlingen des Spätaussiedlers

Leitsätze:

1. Abkömmlinge im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG sind nicht nur Abkömmlinge ersten Grades, sondern auch deren Abkömmlinge.

2. Auch als Minderjährige adoptierte Kinder sind Abkömmlinge im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG.

3. Nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers adoptierte Kinder können nicht nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in dessen Aufnahmebescheid einbezogen werden.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 6 Abs. 1
    BVFG § 27 Abs. 2 Satz 3 i.d.F. des 10. BVFGÄndG, § 27 Abs. 3 i.d.F. des 9. BVFGÄndG
    BGB §§ 1752, 1754

  • VG Köln - 15.07.2014 - AZ: VG 7 K 3449/13
    OVG Münster - 16.09.2015 - AZ: OVG 11 A 1838/14

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 27.09.2016 - 1 C 17.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:270916U1C17.15.0]

Urteil

BVerwG 1 C 17.15

  • VG Köln - 15.07.2014 - AZ: VG 7 K 3449/13
  • OVG Münster - 16.09.2015 - AZ: OVG 11 A 1838/14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke, Dr. Rudolph und
Dr. Wittkopp
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt die nachträgliche Einbeziehung eines von seinem Sohn adoptierten Kindes in seinen Aufnahmebescheid.

2 Der 1955 geborene Kläger reiste im Februar 1997 nach Deutschland ein und erhielt im Jahr 1997 eine Spätaussiedlerbescheinigung. Sein Sohn Eduard S. war ebenfalls im Februar 1997 mit seiner damaligen Ehefrau und seiner Tochter in das Bundesgebiet eingereist. Er kehrte mit seiner Familie im Oktober 1997 nach Kasachstan zurück. Dort heiratete er im Jahr 2000 seine jetzige Ehefrau Violetta S. und adoptierte 2011 deren 1996 geborenes Kind Dmitrij.

3 Am 31. Mai 2012 beantragte der Kläger die nachträgliche Einbeziehung seines Sohnes Eduard S., dessen Ehefrau Violetta S., seiner beiden leiblichen Enkelkinder Vladislav und Artur S. sowie des von seinem Sohn im Jahre 2011 in Kasachstan adoptierten Dmitrij S. in den Aufnahmebescheid. Diesen Antrag lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 22. Oktober 2012 ab. Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 3 BVFG lägen nicht vor, da der Sohn des Klägers durch seine Rückkehr nach Kasachstan nicht mehr zu dem Personenkreis der im Herkunftsgebiet verbliebenen Personen gehöre. Auch seine Ehefrau und seine nach der Rückkehr geborenen Kinder gehörten nicht zu dem berechtigten Personenkreis, da sie keinen gemeinsamen Wohnsitz mit dem Kläger im Aussiedlungsgebiet gehabt hätten. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 2. Mai 2013 zurück.

4 Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Juli 2014 ergangenem Urteil ab. Der Sohn des Klägers gehöre nicht zu der von § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG genannten Personengruppe von Abkömmlingen, die im Aussiedlungsgebiet verblieben sei. Denn er sei nicht in Kasachstan verblieben, sondern habe das Aussiedlungsgebiet bereits 1997 verlassen und sei in die Bundesrepublik Deutschland mit der Absicht dauernder Wohnsitznahme eingereist.

5 Nachdem das Bundesverwaltungsamt dem Sohn des Klägers im Dezember 2014 mit Blick auf dessen 1997 erfolgte Übersiedlung eine Spätaussiedlerbescheinigung ausgestellt hatte, haben die Beteiligten den Rechtsstreit in Bezug auf eine Einbeziehung des Sohnes des Klägers, dessen Ehefrau und seiner Söhne Vladislav und Artur S., in den dem Kläger erteilten Aufnahmebescheid übereinstimmend für erledigt erklärt. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht das Verfahren abgetrennt.

6 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 16. September 2015 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die nachträgliche Einbeziehung des von seinem Sohn adoptierten Dmitrij S. in den ihm erteilten Aufnahmebescheid. Dmitrij S. sei nicht im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ein "im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling eines Spätaussiedlers". Seine nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers scheitere bereits daran, dass er im Jahr 2011 und damit erst nach Aussiedlung des Klägers ins Bundesgebiet im Jahre 1997 adoptiert worden sei. Nach der Intention des Gesetzgebers eröffne § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG keine Einbeziehungsmöglichkeit für Abkömmlinge, die es zum Zeitpunkt der Übersiedlung der Bezugsperson noch nicht gegeben habe. Dmitrij S. sei zwar bereits 1996 und damit vor der Übersiedlung des Klägers nach Deutschland im Februar 1997 geboren worden. Er sei aber zu diesem Zeitpunkt im Rechtssinne noch kein "Abkömmling" des Klägers gewesen. Vielmehr habe er diese Eigenschaft erst durch die Adoption im Jahre 2011 erworben. Erst mit der Wirksamkeit der Annahme erlange ein Kind die rechtliche Stellung eines Kindes des Annehmenden (vgl. § 1754 BGB). Dies gelte auch nach dem Recht der Republik Kasachstan.

7 Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, dass § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG keine Gleichbehandlung von nach der Übersiedlung adoptierten Personen mit den erst nach der Übersiedlung geborenen Personen gebiete. Entscheidend sei vielmehr, dass der Adoptivsohn im Zeitpunkt der Übersiedlung des Klägers bereits geboren worden sei. Die Anerkennungsfähigkeit der Adoption im Sinne eines schützenswerten Eltern-Kind-Verhältnisses begründe die Vergleichbarkeit mit der Fallgruppe der vor der Übersiedlung geborenen leiblichen Abkömmlinge.

8 Die Beklagte verteidigt das angegriffene Berufungsurteil.

II

9 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung ohne Verstoß gegen Bundesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zurückgewiesen. Es hat im Einklang mit Bundesrecht einen Anspruch des Klägers auf nachträgliche Einbeziehung seines Enkels in den Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG verneint und diese Vorschrift zu Recht dahin ausgelegt, dass die Eigenschaft als "Abkömmling" im Sinne dieser Bestimmung erst ab dem Zeitpunkt der Adoption der einzubeziehenden Person und nicht bereits mit deren Geburt begründet wird.

10 1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der hier vorliegenden Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind allerdings zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. März 2002 - 5 C 2.01 - BVerwGE 116, 114 <115> und vom 22. April 2004 - 5 C 27.02 - Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 11).

11 2. Für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist § 27 Abs. 2 Satz 3 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2007 (BGBl. I S. 1902), geändert durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) zugrunde zu legen. Nachfolgende Änderungen des Bundesvertriebenengesetzes (zuletzt durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner vom 20. November 2015, BGBl. I S. 2010) haben diese Regelung unverändert gelassen. Nach dieser Vorschrift kann abweichend von der Bestimmung des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG, die die Einbeziehung von Angehörigen zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung mit dem Spätaussiedler betrifft, der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.

12 2.1 Abkömmlinge im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG können nicht nur die Kinder (Abkömmlinge ersten Grades) der Bezugsperson sein, sondern auch die den Kindern nachfolgenden Abkömmlinge. Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut der Bestimmung, sondern auch aus dem allgemeinen Sprachgebrauch im Familien- und Eherecht (zum Abstammungsbegriff im Vertriebenenrecht siehe auch BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2008 - 5 C 8.07 - BVerwGE 130, 197). Auch Sinn und Zweck des § 27 Abs. 2 BVFG, den Spätaussiedler nicht vor die Wahl zwischen dem Zusammenleben mit seiner Familie oder des Aufenthalts in Deutschland zu stellen und dauerhafte Familientrennungen zu vermeiden, sprechen gegen eine Beschränkung des Einbeziehungsanspruchs auf die Kinder des Spätaussiedlers. Ferner gibt der Gesetzgeber mit der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 4 BVFG zu erkennen, dass er auch die weiteren Abkömmlinge als vom Begriff der Abkömmlinge erfasst ansieht.

13 2.2 Die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob bei Adoption als Minderjährige auch Adoptivkinder zu den "Abkömmlingen" im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG zählen, ist zu bejahen. Herkömmlicherweise wurde mit "Abstammung" vornehmlich die natürliche biologische Beziehung eines Menschen zu seinen Vorfahren bezeichnet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1974 - 1 BvL 22/71, 21/72 - BVerfGE 37, 217 <252>). Diese Sichtweise ist mittlerweile überholt. Denn auch rechtlich begründete Kindschaftsverhältnisse, wie sie durch die Adoption Minderjähriger entstehen (vgl. § 1754 Abs. 2 BGB), nehmen am besonderen Schutz der staatlichen Ordnung nach Art. 6 Abs. 1 GG teil (BVerfG, Beschluss vom 18. April 1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80, 81 <91>). Da minderjährig adoptierte Kinder den leiblichen Kindern nicht nur rechtlich gleichgestellt sind, sondern bei der Adoptivfamilie regelmäßig auch tatsächlich die gleichen familiären Bindungen bestehen wie bei den nicht durch Adoption begründeten Familien, ist im Hinblick auf den Zweck der vertriebenenrechtlichen Regelung, dauerhafte Familientrennungen zu vermeiden, eine Gleichbehandlung solcher Adoptivkinder mit den leiblichen Kindern geboten (vgl. in diesem Sinne auch: von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Stand März 2016, B 2 § 4 BVFG n.F. Nr. 4.d; Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesvertriebenengesetz <BVFG-VwV> vom 6. April 2010 zu § 7 Nr. 2).

14 2.3 Die nachträgliche Einbeziehung scheitert hier aber daran, dass die weiteren Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht erfüllt sind.

15 Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Enkel des Klägers kein im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling ist, da er mit Wirkung vom 2. August 2011 und damit erst nach der Aussiedlung des Klägers am 15. Februar 1997 adoptiert wurde.

16 Die nachträgliche Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in der Fassung des 10. BVFGÄndG setzt voraus, dass die einzubeziehende Person im Zeitpunkt der Aussiedlung des Spätaussiedlers nicht nur bereits geboren, sondern auch deren Abkömmling war. Dies ergibt sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Einbeziehungsregelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Der 5. Senat des erkennenden Gerichts hat auf der Grundlage des § 27 Abs. 2 BVFG in der Fassung des Spätaussiedlerstatusgesetzes vom 30. August 2001 (BGBl. I S. 2266) erkannt, dass die im Zeitpunkt der Ausreise der volksdeutschen Bezugsperson noch nicht geborenen Nachkommen die rechtlichen Voraussetzungen der Eigenschaft als "Abkömmling" nicht erfüllen, weshalb ihre Eintragung nicht "nachgeholt" werden kann. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Einführung der Möglichkeit der "Nachholung" der Eintragung für im Ausreisezeitpunkt noch nicht geborene Abkömmlinge mit der Neufassung des § 27 BVFG durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2094) nicht bezweckt war (BVerwG, Urteil vom 2. Juni 2005 - 5 C 14.04 - BVerwGE 123, 378 < 379> = juris Rn. 9). Dies ergibt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 12/3212 S. 26), in der es u.a. heißt:
"Eine nachträgliche Eintragung kommt also nicht in Betracht, wenn die Ehe zum Zeitpunkt der Aussiedlung des Spätaussiedlers noch nicht oder nicht mehr bestanden hat, oder wenn das Kind später geboren ist" (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juni 2005 - 5 C 14.04 - BVerwGE 123, 378 <379> = juris Rn. 9 f).

17 Mit dem Neunten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes (9. BVFGÄndG) vom 4. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2426) wurde es Ehegatten und Abkömmlingen von Spätaussiedlern, die im Aussiedlungsgebiet verblieben sind, durch § 27 Abs. 3 BVFG ermöglicht, im Wege nachträglicher Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers nach Deutschland auszusiedeln, wenn die Versagung der nachträglichen Einbeziehung eine Härte für den Spätaussiedler oder für seinen Ehegatten oder Abkömmling bedeuten würde. In der Gesetzesbegründung heißt es (BT-Drs. 17/5515 S.7):
"Nach dem Wortlaut von Absatz 1 Satz 1 kann nur der Ehegatte oder Abkömmling nachträglich einbezogen werden, der im Aussiedlungsgebiet verblieben ist. Eine nachträgliche Einbeziehung ist damit nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Aussiedlung des Spätaussiedlers die Ehe bereits bestanden hat (gemäß Absatz 1 Satz 2 mindestens drei Jahre) beziehungsweise der Abkömmling bereits geboren war."

18 Die nachträgliche Einbeziehung nach § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG in der Fassung des 9. BVFGÄndG setzte somit voraus, dass der einzubeziehende Abkömmling im Zeitpunkt der Ausreise der Bezugsperson bereits geboren war. Dies ist auch bei der nunmehr maßgeblichen Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in der Fassung des 10. BVFGÄndG der Fall, die der Vorgängerregelung im Wesentlichen entspricht. Die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers sollte weiter erleichtert werden, indem eine Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Einschränkungen ermöglicht wurde. Sie stellt eine "weitere Option" dar, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt (BT-Drs. 17/13937 S. 7). Auch § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (in der Fassung des 10. BVFGÄndG) ermöglicht daher ebenso wenig wie die Vorgängerregelung die nachträgliche Einbeziehung von Abkömmlingen, die erst nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers geboren wurden. Gleiches gilt auch für Abkömmlinge, die erst nach der Aussiedlung der Bezugsperson nach Deutschland die Abkömmlingseigenschaft erlangt haben. Denn Ziel der neuen Möglichkeit härtefallunabhängiger nachträglicher Einbeziehung im Aussiedlungsgebiet lebender Abkömmlinge ist es, ebenso wie im Fall der Härtefallregelung des 9. BVFGÄndG, dauerhafte Familientrennungen zu vermeiden, die durch die Aussiedlung der Bezugsperson entstanden sind. Mit dem Instrument der nachträglichen Einbeziehung von Familienangehörigen wollte der Gesetzgeber ausschließlich Familientrennungen beseitigen, deren Ursache in der Aussiedlung des Spätaussiedlers und der zu diesem Zeitpunkt von dem Angehörigen getroffenen Entscheidung lag, zunächst im Herkunftsgebiet zu verbleiben. Die Vorschrift des § 27 Abs. 2 BVFG soll weiterhin helfen, den Konflikt der Bezugsperson, der darin besteht, dass sie entweder allein aussiedelt und dadurch Ehe und Familie zerstört bzw. gefährdet oder an ihrer Heimat im Aussiedlungsgebiet festhält, im Sinne der Ehe- und Familienerhaltung trotz Aussiedlung zu lösen (von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Stand März 2016, B 2 § 27 BVFG n.F. Rn. 33). Wenn der Betroffene im Zeitpunkt der Aussiedlung noch nicht geboren oder zu diesem Zeitpunkt noch keine familiäre Verbindung zu der Bezugsperson hergestellt war (wie im Falle einer erst nach der Aussiedlung erfolgten Adoption), konnte ein solcher Konflikt nicht entstehen. Es fehlt somit an einer Grundlage für die nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid.

19 2.4 Das Berufungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass der Enkel des Klägers die Eigenschaft eines Abkömmlings erst durch die Adoption im Jahre 2011 erworben hat und somit im maßgeblichen Zeitpunkt der Aussiedlung der Bezugsperson kein Abkömmling im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gewesen sein kann. Dies gilt unabhängig von Fragen der Wirksamkeit einer Adoption nach deutschem oder kasachischem Recht und ihrer zivilrechtlich abgelehnten Rückwirkung (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1981 - IVb ZR 597/80 - NJW 1981, 2298 = juris Rn. 18).

20 3. Eine nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers kommt schließlich auch nicht nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BVFG in Betracht. Unabhängig von der Frage, ob diese Vorschrift nicht voraussetzt, dass sich der Familienangehörige bereits in Deutschland aufhält (vgl. von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Stand März 2016, B 2 § 27 BVFG n.F. Rn. 100), scheitert eine Anwendbarkeit dieser Bestimmung am Fehlen der "sonstigen Voraussetzungen" im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BVFG, die sich aus § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG ergeben. Denn die nachträgliche Einbeziehung scheidet aus, wenn der Betroffene - wie hier - die rechtlichen Voraussetzungen der Eigenschaft als Abkömmling im Zeitpunkt der Aussiedlung der Bezugsperson nicht erfüllt.

21 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.