Beschluss vom 04.06.2002 -
BVerwG 9 B 15.02ECLI:DE:BVerwG:2002:040602B9B15.02.0

Beschluss

BVerwG 9 B 15.02

  • OVG des Landes Sachsen-Anhalt - 06.12.2001 - AZ: OVG 1 L 310/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juni 2002
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
H i e n und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S t o r o s t und Prof. Dr. R u b e l
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6 693,73 € festgesetzt.

Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde folgende Fragen auf:
"1. Verstoßen die §§ 106 Abs. 1 Satz 2, 105 Abs. 2 WG LSA, indem sie die Berücksichtigung weiterer Faktoren als der in § 105 Abs. 2 WG LSA genannten bei der Ausgestaltung des Beitragsmaßstabes und damit eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Bodennutzungsarten ausschließen, gegen das grundgesetzlich verankerte Äquivalenzprinzip als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes?
Hierbei ist unter Berücksichtigung der bestehenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1973 insbesondere zu klären,
ob das Äquivalenzprinzip auf die Umlegung von Verbandslasten auf Grundstückseigentümer als Nichtverbandsmitglieder wie im Fall des hier streitigen Gewässerunterhaltsbeitrags Anwendung findet und
wenn ja, ob ein aufgrund gesetzlicher Fiktion (hier: vermuteter Zusammenhang zwischen Grundstücksgröße und Gewässerbelastung) angenommener Vorteil, der tatsächlich gar nicht oder in erheblich geringerem Umfang als vermutet besteht, den Anforderungen des Äquivalenzprinzips genügt.
2. Verletzen die §§ 106 Abs. 1 Satz 2, 105 Abs. 2 WG LSA, indem sie eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Bodennutzungsarten ausschließen, den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG?
Hierbei ist insbesondere danach zu fragen, ob der in den §§ 106 Abs. 1 Satz 2, 105 Abs. 2 WG LSA vorgeschriebene Flächenmaßstab, der eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Bodennutzungsarten ausschließt, wegen der in Kauf genommenen erheblichen Ungleichheiten ganzer Gruppen von Betroffenen die Typisierungskompetenz des Gesetzgebers überschreitet und daher gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
3. Verstoßen die §§ 106 Abs. 1 Satz 2, 105 Abs. 2 WG LSA, indem sie eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Bodennutzungsarten ausschließen, gegen Vorschriften des Wasserverbandsgesetzes, weil das im Wasserverbandsgesetz geregelte Vorteilsprinzip auch für landesrechtliche Regelungen zur Umlegung von Gewässerunterhaltungskosten beachtlich ist?"
Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Sie betreffen zunächst Normen des irrevisiblen Landesrechts, deren Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) und eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung deswegen nicht begründen kann.
Die aufgeworfenen Fragen werden auch nicht dadurch zu solchen des revisiblen Rechts, dass die Beschwerde die Vereinbarkeit dieser Normen mit Vorschriften und Grundsätzen des Bundes(verfassungs)rechts geklärt wissen will.
Hinsichtlich der dritten Frage ergibt sich dies bereits daraus, dass die dort als Prüfungsmaßstab angesprochenen "Vorschriften des Wasserverbandsgesetzes" revisionsrechtlich nicht als Bundesrecht zu qualifizieren sind. Denn sie kommen hier nicht aufgrund bundesrechtlicher Anordnung, sondern allein deswegen zur Anwendung, weil Landesrecht hierauf verweist (vgl. § 80 WVG). Diese landesrechtliche Verweisung ist für die Geltung des Wasserverbandsgesetzes sowohl dem Grunde als auch dem Umfang nach maßgeblich. Ist aber eine Vorschrift des Bundesrechts ausschließlich kraft eines - vom Oberverwaltungsgericht hier wiederum irrevisibel ausgelegten und dabei ausdrücklich nicht auf das "Vorteilsprinzip" bezogenen - Gesetzesbefehls des Landesgesetzgebers anzuwenden, handelt es sich insoweit um irrevisibles Landesrecht (stRspr des Bundesverwaltungsgerichts; vgl. Beschluss vom 1. September 1992 - BVerwG 11 B 24.92 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 171 m.w.N.).
Hinsichtlich der Fragen eins und zwei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Rüge der Verletzung von Bundesrecht bei der Auslegung von Landesrecht die Zulassung der Revision nur dann zu rechtfertigen vermag, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundesrechts darlegt, nicht aber dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 23. März 1992 - BVerwG 5 B 174.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 306 m.w.N.).
Diese Voraussetzung ist hinsichtlich der zweiten Frage nicht erfüllt. Die Beschwerde legt ihren Ausführungen einen feststehenden, höchstrichterlich geklärten Inhalt des Gleichheitssatzes zugrunde und rügt lediglich, das Oberverwaltungsgericht habe "wesentliche Ungleichheiten" des vorliegenden Sachverhalts verkannt, weswegen der für die Verteilung der Gewässerunterhaltungskosten gewählte reine Flächenmaßstab Differenzierungen hätte enthalten müssen. Wenn die Beschwerde insoweit auf die Bedeutung der Nutzungsart der herangezogenen Grundstücksflächen und hierzu auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse über den Beitrag von Waldflächen zur Gewässerbelastung insbesondere in Nordostdeutschland verweist und darüber hinaus geltend macht, die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen für typisierende Regelungen seien nicht gegeben, so wirft sie - ohne insoweit eine Verfahrensrüge zu erheben - tatsächliche Fragen sowie solche der Anwendung feststehender Grundsätze des Bundesrechts auf konkrete, landesrechtlich geregelte Sachverhalte auf, die eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht begründen können.
Mit ihrer ersten Frage geht die Beschwerde insoweit über eine bloße Rüge der Unvereinbarkeit von Landesrecht bzw. landesrechtlicher Auslegung mit Bundes(verfassungs)recht hinaus, als sie das Problem der Anwendbarkeit des Äquivalenzprinzips und des Vorteilsbegriffs auf die Umlegung von Verbandslasten auf Nichtverbandsmitglieder aufwirft. Diese Frage ist jedoch entgegen der Auffassung der Beschwerde auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu beantworten, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Umlage von Verbandslasten auf Verbandsmitglieder mangels Entgeltcharakter nicht des Nachweises eines äquivalenten Vorteils für den Umlagepflichtigen bedarf (BVerwGE 42, 210 <217> sowie Beschluss vom 21. Oktober 1987 - BVerwG 7 B 64.87 - Buchholz 401.64 § 3 AbwAG Nr. 1, S. 2).
Die Beschwerde meint, diese Rechtsprechung könne auf die hier interessierende Umlegung von Verbandslasten auf Grundstückseigentümer als Nichtverbandsmitglieder nicht übertragen werden. Das trifft jedoch nicht zu. Mit der in § 106 Abs. 1 WG LSA geschaffenen Umlegungsmöglichkeit auf die Grundsteuerpflichtigen hat der Landesgesetzgeber eine der Umlegung auf Verbandsmitglieder ähnliche Regelung geschaffen (BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1992 - BVerwG 7 B 149.91 - Buchholz 445.4 § 29 WHG Nr. 3, S. 2), die an der Qualifizierung als Verbandslast und am fehlenden Entgeltcharakter der Umlage nichts ändert. Wollte man dennoch einen mit der zu zahlenden Umlage korrespondierenden "Vorteil" für die in Anspruch genommenen Grundstückseigentümer verlangen, wäre er mit dem Oberverwaltungsgericht hier jedenfalls darin zu sehen, dass den Grundstückseigentümern durch diese Ausgestaltung die ihnen an sich selbst aufzuerlegende Unterhaltungspflicht aufgrund der Mitgliedschaft der Gemeinde im Unterhaltungsverband abgenommen wird. Gerade dieser Umstand macht aber deutlich, dass für die Umlegung von Verbandslasten auf Nichtmitglieder keine anderen oder gar weitergehenden rechtlichen Anforderungen und Maßstäbe gelten als für die Umlegung auf Verbandsmitglieder selbst.
Die Entbehrlichkeit des Nachweises eines äquivalenten Vorteils wird entgegen der Auffassung der Beschwerde durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Anwendbarkeit des Äquivalenzprinzips auf Mitgliedsbeiträge für Industrie- und Handelskammern (BVerwGE 107, 169 <176> m.w.N.), für berufsständische Kammern (siehe etwa BVerwGE 92, 24 <26>) oder für verfasste Studierendenschaften (BVerwGE 109, 97 <110 f.> m.w.N.) nicht infrage gestellt. Denn insoweit handelt es sich nicht um Verbandslasten, die nämlich der Erfüllung bzw. der Finanzierung einer den Verbandsmitgliedern selbst obliegenden Aufgabe dienen, sondern um Beiträge im Rechtssinne, an deren Erhebung strengere rechtliche Anforderungen zu stellen sind (BVerwGE 109, 97 <110 f.>).
Hiervon ist das Oberverwaltungsgericht in der Sache auch ausgegangen, wenn es ausführt, dass der Erhebungsanlass zulässigerweise in einer bloßen gesetzlichen Vermutung des Vorteils bestehen könne. Zu Unrecht meint die Beschwerde, die Umlegung von Gewässerunterhaltungslasten auf Nichtmitglieder unterliege deswegen keinen hinreichenden rechtlichen Grenzen, sondern sei letztlich in das freie Belieben des Gesetzgebers gestellt. Auch wenn es nicht des Nachweises eines äquivalenten Vorteils bedarf, gilt im Hinblick auf den mit der Verbandsmitgliedschaft bzw. der Umlegung der Verbandslast verbundenen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG, dass für die Inanspruchnahme eines Grundstückseigentümers ein sachgerechter Grund vorliegen und die Umlegung ihrerseits nicht sachunangemessen sein und nicht zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung führen darf (BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 1987 - a.a.O., S. 3). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist eine tatsächliche und im Übrigen von der Gestaltung des Einzelfalles abhängige Frage, die die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht begründen kann. Wenn das Oberverwaltungsgericht einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG auf der Grundlage der von der Beschwerde nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Annahme, dass Waldflächen infolge der hohen Verdunstungsrate und des Wasserrückhaltevermögens von Waldbodenflächen (nicht keinen, sondern bloß) einen geringeren Anteil an dem den Gewässern zweiter Ordnung zufließenden und abzuführenden Wasser haben, verneint und den Gesetzgeber deswegen nicht als verpflichtet angesehen hat, einen differenzierteren als den reinen Flächenmaßstab vorzusehen, so ist das bundesrechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 2, §§ 14, 73 Abs. 1 Satz 2 GKG.