Urteil vom 11.10.2006 -
BVerwG 1 D 10.05ECLI:DE:BVerwG:2006:111006U1D10.05.0

Leitsatz:

Die medizinische Beurteilung eines Amtsarztes oder eines von ihm hinzugezogenen Facharztes genießt für die Entscheidung über die aktuelle Dienstfähigkeit (Arbeitsfähigkeit) eines Beamten Vorrang vor der medizinischen Beurteilung des Privatarztes, wenn beide hinsichtlich desselben Krankheitsbildes inhaltlich voneinander abweichen.

  • Rechtsquellen
    BBG § 55 Satz 2, § 73 Abs. 1 Satz 1
    BDG § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 16 Abs. 1 und 2, § 85 Abs. 1, 3, 7 und 10
    BDO § 5 Abs. 2, §§ 7, 9, 64 Abs. 1 Nr. 6, § 75 Abs. 2 Satz 2, § 76
    Abs. 3 Satz 1, § 86

  • VG Göttingen - 11.05.2005 - AZ: VG 9 A 1/04

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 11.10.2006 - 1 D 10.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:111006U1D10.05.0]

Urteil

BVerwG 1 D 10.05

  • VG Göttingen - 11.05.2005 - AZ: VG 9 A 1/04

In dem Disziplinarverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 11. Oktober 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
Polizeihauptmeister Honig und
Postbetriebsassistent Hwalisz
als ehrenamtliche Richter
sowie
Regierungsrat ...
als Vertreter der Einleitungsbehörde,
Rechtsanwältin ..., ...,
als Verteidigerin
und
...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung der Einleitungsbehörde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 11. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Auf die Berufung des Regierungsobersekretärs a.D. ... wird das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 11. Mai 2005 aufgehoben, soweit das Verwaltungsgericht die Dienstbezüge gekürzt hat. Insoweit wird das Verfahren eingestellt.
  3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Ruhestandsbeamten hierin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 1. Der ... Ruhestandsbeamte trat im Jahre 1980 in den damaligen Bundesgrenzschutz ein. Seit Juli 1993 konnte er nur noch im Innendienst eingesetzt werden, weil aufgrund eines Rückenleidens seine Polizeidienstunfähigkeit festgestellt worden war. Mit Wirkung vom 1. Juni 1998 wurde er in die Laufbahn des mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienstes überführt und ihm der Dienstposten des Bekleidungswartes bei der Behörde in D. übertragen. Am 24. März 1999 und am 20. November 2001 musste sich der Beamte Bandscheibenoperationen unterziehen, die jeweils dienstliche Fehlzeiten von mehreren Monaten nach sich zogen. Während des Berufungsverfahrens ist er mit Ablauf des 30. September 2005 wegen Dienstunfähigkeit zur Ruhe gesetzt worden.

2 Mit Anschuldigungsschrift vom 13. März 2001 hat der Bundesdisziplinaranwalt dem Ruhestandsbeamten vorgeworfen, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
in der Zeit vom September bis November 1999 in drei Fällen versäumt habe, seine Dienststelle über eine Fortdauer seiner Krankheit bzw. eine Neuerkrankung unverzüglich in Kenntnis zu setzen, sowie in zwei Fällen versäumt habe, Dienstunfähigkeitsbescheinigungen im vorgeschriebenen Zeitraum einzureichen, obwohl ihm aufgrund seiner langjährigen Berufstätigkeit die Regelungen der Geschäftsordnung der Einleitungsbehörde bekannt sein mussten.

3 Durch Bescheid der Einleitungsbehörde vom 22. Januar 2003 wurde der Ruhestandsbeamte vorläufig des Dienstes enthoben. Mit Nachtrag zur Anschuldigungsschrift vom 17. Juli 2003 hat ihm der Bundesdisziplinaranwalt vorgeworfen, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben,
dass er dem Dienst vom Dezember 1999 bis 30. Juli 2001 und ab dem 1. Juni 2002 schuldhaft ungenehmigt ferngeblieben sei.

4 2. Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 11. Mai 2005 gegen den Ruhestandsbeamten, der damals noch im aktiven Dienstverhältnis stand, eine Kürzung der Dienstbezüge in Höhe eines Fünftels für die Dauer eines Jahres verhängt. In den Urteilsgründen heißt es:

5 Der Ruhestandsbeamte habe in drei Fällen vorsätzlich die Meldepflichten bei krankheitsbedingter Abwesenheit vom Dienst verletzt. Obwohl die Dienststelle aufgrund einer ihm bekannten amtsärztlichen Stellungnahme von der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit am 1. September 1999 habe ausgehen können, sei er nach diesem Zeitpunkt ohne Angabe von Gründen nicht zum Dienst erschienen. Entgegen den ihm bekannten dienstlichen Vorgaben habe er seinem Vorgesetzten nicht unverzüglich mitgeteilt, dass ihm seine Hausärztin Dr. W. am 1. September 1999 eine Dienstunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt habe. Diese Bescheinigung habe er erst bei einem Personalgespräch am 20. September 1999 vorgelegt. Auch die weiteren Dienstunfähigkeitsbescheinigungen der Hausärztin vom 23. September und 12. November 1999 habe er nicht unverzüglich mitgeteilt. Vielmehr habe er sie lediglich zur Post gegeben, sodass sie erst am 27. September bzw. am 16. November 1999 bei der Dienststelle eingegangen seien. Hinsichtlich der Dienstunfähigkeitsbescheinigungen vom 1. September und 12. November 1999 falle dem Ruhestandsbeamten zudem ein vorsätzlicher Verstoß gegen die ihm bekannten Nachweispflichten bei krankheitsbedingten Ausfällen von mehr als drei Kalendertagen zur Last. Entgegen den Vorgaben habe er diese Bescheinigungen der Dienststelle nicht spätestens an dem auf den dritten Kalendertag folgenden Arbeitstag vorgelegt.

6 Dagegen könne dem Ruhestandsbeamten ein schuldhaftes ungenehmigtes Fernbleiben vom Dienst in den beiden Anschuldigungszeiträumen nicht zur Last gelegt werden:

7 Hinsichtlich des Zeitraums von Juni 2002 bis zur vorläufigen Dienstenthebung werde auf die tatsächliche und rechtliche Würdigung in dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2004 verwiesen, durch das es den Bescheid über die Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge für diesen Anschuldigungszeitraum aufgehoben habe. Danach sei die Dienstfähigkeit des Ruhestandsbeamten nicht erwiesen, weil der Amtsarzt in dem Gutachten vom 22. April 2002 die Dienstaufnahme wegen einer manifesten neurotischen Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit für nicht möglich gehalten und der Ruhestandsbeamte für die Zeit ab Juni 2002 lückenlos Dienstunfähigkeitsbescheinigungen behandelnder Fachärzte vorgelegt habe. Zu den darin enthaltenen medizinischen Befunden gebe es keine Stellungnahme eines Amtsarztes.

8 Während des überwiegenden Teils des Anschuldigungszeitraums von Dezember 1999 bis 30. Juli 2001 sei der Ruhestandsbeamte entweder zum Dienst erschienen oder habe Erholungsurlaub gehabt. Zudem könne ihm nicht nachgewiesen werden, dass er in den Zeiten, in denen er ungenehmigt keinen Dienst geleistet habe, dienstfähig gewesen sei. Der Ruhestandsbeamte habe für sämtliche Abwesenheitszeiten Dienstunfähigkeitsbescheinigungen verschiedener behandelnder Ärzte eingereicht. Daraus ergebe sich, dass er wegen wechselnder vorübergehender Erkrankungen keinen Dienst habe verrichten können. Die medizinischen Befunde der Privatärzte seien nicht durch amtsärztliche Befunde entkräftet worden. Hinsichtlich des Rückenleidens habe der Amtsarzt in den Gutachten vom 2. November 1999 und 8. Juni 2001 zwar die allgemeine Dienstfähigkeit bejaht, vorübergehende Ausfälle aber für möglich gehalten. Auch habe der Amtsarzt Fehlzeiten aufgrund psychosomatischer Beschwerden für wahrscheinlich gehalten, falls dem Ruhestandsbeamten kein anderer Dienstposten zugewiesen werde. In dem psychiatrisch-psychosomatischen Universitätsgutachten vom 28. Mai 2001 sei dem Ruhestandsbeamten eine Neurose mit psychosomatischer Reaktionsbereitschaft wie etwa Hautausschlägen attestiert worden.

9 Die vorsätzlichen Verstöße gegen die Melde- und Nachweispflichten im Krankheitsfall stellten schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen dar, die eine empfindliche Kürzung der Dienstbezüge erforderlich machten.

10 3. Mit ihrer Berufung beantragt die Einleitungsbehörde nunmehr, dem Ruhestandsbeamten unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils das Ruhegehalt abzuerkennen. Sie hält daran fest, dass dem Ruhestandsbeamten hinsichtlich der angeschuldigten ungenehmigten Abwesenheitszeiten jeweils vorsätzliche Verletzungen der Dienstleistungspflicht zur Last fielen. Der Nachweis der Dienstfähigkeit sei für die Fehlzeiten während des ersten Anschuldigungszeitraums durch die amtsärztlichen Gutachten vom 2. November 1999 und 8. Juni 2001 sowie durch das Universitätsgutachten vom 28. Mai 2001 erbracht. Sowohl der Amtsarzt als auch der von ihm beauftragte Facharzt hätten festgestellt, dass die Leistungsfähigkeit des Ruhestandsbeamten für Tätigkeiten im Verwaltungsbereich weder durch sein Rückenleiden noch durch psychosomatische Beschwerden wesentlich beeinträchtigt werde. Diesen Befunden komme Vorrang gegenüber den privatärztlichen Befunden zu. Dies gelte umso mehr, als die Bescheinigungen der behandelnden Ärzte, insbesondere der Hausärztin Dr. W., zum Teil gar keine Befunde enthielten, zum Teil die Befunde nicht erläuterten. Die Dienstfähigkeit des Ruhestandsbeamten für die Zeit ab Juni 2002 werde durch das amtsärztliche Gutachten vom 22. April 2002 belegt.

11 Der Ruhestandsbeamte macht mit seiner Berufung geltend, das festgestellte Dienstvergehen rechtfertige allenfalls einen Verweis. Entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts sei die Dienstunfähigkeitsbescheinigung vom 12. November 1999 rechtzeitig bei der Dienststelle eingegangen.

II

12 Die Berufung der Einleitungsbehörde hat keinen Erfolg. Auf die Berufung des Ruhestandsbeamten ist das förmliche Disziplinarverfahren einzustellen, weil eine Kürzung des Ruhegehalts aufgrund des festgestellten Dienstvergehens nicht gerechtfertigt erscheint. Demnach ist das erstinstanzliche Urteil aufzuheben, soweit das Verwaltungsgericht die Dienstbezüge gekürzt hat (§§ 86, 76 Abs. 3 Satz 1, § 64 Abs. 1 Nr. 6 BDO).

13 Das gerichtliche Disziplinarverfahren ist auch nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen, weil das förmliche Disziplinarverfahren vor dem 1. Januar 2002 eingeleitet worden ist (§ 85 Abs. 1, 3 und 7 BDG; zum Übergangsrecht Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515). Regelungen des Bundesdisziplinargesetzes finden Anwendung, soweit sie den Beamten materiellrechtlich besser stellen (Urteile vom 17. März 2004 - BVerwG 1 D 23.03 - BVerwGE 120, 218 <222 ff.> und vom 23. Februar 2005 - BVerwG 1 D 13.04 - BVerwGE 123, 75 <79>).

14 1. Die Berufungen sind unbeschränkt eingelegt, sodass der Senat den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen hat.

15 Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismittel hält der Senat hinsichtlich der einzelnen Anschuldigungspunkte die nachfolgend dargestellten Sachverhalte für erwiesen und würdigt diese disziplinarrechtlich wie folgt:

16 - Zur Anschuldigungsschrift vom 13. März 2001:

17 Nach der ersten Bandscheibenoperation des Ruhestandsbeamten am 24. März 1999 erklärte die Amtsärztin Dr. X. (Gesundheitsamt G.) in ihrer Stellungnahme vom 12. August 1999, mit dem Wiedereintritt der Dienstfähigkeit des Ruhestandsbeamten sei nach Abschluss der ambulanten Rehabilitation am 1. September 1999 zu rechnen. Die Tätigkeit als Bekleidungswart werde seinem Gesundheitszustand gerecht.

18 Der Ruhestandsbeamte erschien nach dem 1. September 1999 nicht zum Dienst und ließ auch nichts von sich hören. Daher lud ihn der Abteilungsführer ... mit Schreiben vom 15. September 1999 zum Personalgespräch am 20. September 1999. Bei diesem Gespräch legte der Ruhestandsbeamte ein Attest seiner Hausärztin, der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. W., mit Datum vom 1. September 1999 vor, in dem ihm Dienstunfähigkeit „bis auf weiteres“ bescheinigt wurde.

19 Am 27. September 1999 ging bei der Dienststelle auf dem Postweg eine weitere Bescheinigung Dr. W. vom 23. September 1999 ein, in der dem Ruhestandsbeamten Dienstunfähigkeit „bis auf weiteres“ attestiert wurde. Schließlich ging am 16. November 1999 auf dem Postweg die Bescheinigung Dr. W. vom 12. November 1999 bei der Dienststelle ein. Darin wurde der Ruhestandsbeamte aufgrund einer Sehnenscheidenentzündung als Neuerkrankung krankgeschrieben. Der Ruhestandsbeamte hatte den Eingang der Dienstunfähigkeitsbescheinigungen nicht angekündigt.

20 Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Einlassungen des Ruhestandsbeamten, der einschlägigen ärztlichen Stellungnahmen und Bescheinigungen, der darauf bezogenen Eingangsvermerke, des in den Akten befindlichen Schreibens des Abteilungsführers vom 15. September 1999 und seines Vermerks über das Personalgespräch vom 20. September 1999.

21 Nach der seit 18. August 1997 geltenden Geschäftsordnung für die Einleitungsbehörde haben Mitarbeiter, die dem Dienst wegen Erkrankung fernbleiben, die Dienstunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer dem unmittelbaren Vorgesetzten unverzüglich anzuzeigen (Nr. 5.3.1 der Geschäftsordnung). Dauert eine krankheitsbedingte Abwesenheit vom Dienst länger als drei Kalendertage, so müssen sie spätestens am darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung über die Dienstunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer vorlegen (Nr. 5.3.2). Der Ruhestandsbeamte hat eingeräumt, dass ihm diese Regelungen im hier maßgeblichen Zeitraum bekannt waren.

22 Der Ruhestandsbeamte war als aktiver Beamter verpflichtet, die in der Geschäftsordnung festgelegten Melde- und Nachweispflichten für krankheitsbedingte Ausfälle zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Danach hat er in drei Fällen vorsätzlich gegen die in Nr. 5.3.1 der Geschäftsordnung festgelegte Pflicht verstoßen, solche Ausfälle unverzüglich dem Vorgesetzten anzuzeigen. Wie sich aus dem Begriff „unverzüglich“ ergibt, gebietet diese Meldepflicht, den Vorgesetzten so schnell wie möglich, ohne schuldhaftes Zögern über eine bevorstehende dienstliche Abwesenheit oder deren Fortdauer in Kenntnis zu setzen. Dies erfordert regelmäßig, dass ein Beamter die Krankschreibung seinem Vorgesetzten unmittelbar im Anschluss an die Ausstellung der Dienstunfähigkeitsbescheinigung mitteilt. Gleiches gilt für deren Verlängerung (vgl. auch Urteil vom 13. Juli 1999 - BVerwG 1 D 81.97 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 13).

23 Danach hat es dem Ruhestandsbeamten, wie er gewusst hat, oblegen, seinen Vorgesetzten über die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen Dr. W. vom 1. September, 23. September und 12. November 1999 jedenfalls noch am Tag der Ausstellung zu informieren. Weder durfte er die Bescheinigung vom 1. September 1999 fast drei Wochen lang zurückhalten noch durfte er sich darauf beschränken, die Bescheinigungen vom 23. September und 12. November 1999 auf den Postweg zu geben.

24 Hinsichtlich der Dienstunfähigkeitsbescheinigung vom 1. September 1999 hat der Ruhestandsbeamte zudem vorsätzlich gegen die Nachweispflicht gemäß Nr. 5.3.2 der Geschäftsordnung verstoßen. Er hat die Dienststelle längere Zeit über seine Krankschreibung im Unklaren gelassen, obwohl diese aufgrund der amtsärztlichen Stellungnahme mit der Dienstaufnahme am 1. September 1999 rechnen konnte.

25 Auch die Dienstunfähigkeitsbescheinigung vom 12. November 1999 ging erst einen Tag nach Ablauf der Vorlagefrist gemäß Nr. 5.3.2 der Geschäftsordnung ein. Die Bescheinigung hätte der Dienststelle nicht erst am 16. November (Dienstag), sondern bereits am 15. November 1999 (Montag) vorliegen müssen. Da die Dienstvorschrift eine Vorlage am ersten Arbeitstag nach drei Kalendertagen verlangt, kann bei der Fristberechnung nicht berücksichtigt werden, dass dem Tag der Ausstellung am 12. November 1999 (Freitag) ein Wochenende gefolgt ist.

26 Demgegenüber liegt hinsichtlich der Vorlage der Dienstunfähigkeitsbescheinigung vom 23. September 1999 kein Verstoß gegen die Nachweispflicht vor. Ihr Eingang am 27. September 1999 (Montag) war nicht verspätet, weil es sich bei diesem Tag um den ersten Arbeitstag nach den ersten drei Kalendertagen der Krankschreibung gehandelt hat.

27 - Zur Anschuldigungsschrift vom 17. Juli 2003 (Vorwurf des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst von Dezember 1999 bis Juli 2001):

28 Während des Anschuldigungszeitraums von Dezember 1999 bis 30. Juli 2001 erschien der Ruhestandsbeamte an folgenden Tagen nicht zum Dienst, ohne Erholungsurlaub zu haben: Vom 1. bis 15. Dezember 1999, vom 17. bis 19. Januar 2000, vom 2. bis 4. Februar 2000, vom 14. bis 23. Februar 2000, vom 20. März bis 10. Mai 2000, vom 19. bis 28. Juni 2000, vom 3. bis 7. Juli 2000, vom 12. bis 21. Juli 2000, vom 3. bis 4. August 2000 und vom 14. August 2000 bis 30. Juli 2001. An den übrigen Arbeitstagen dieses Zeitraums leistete er Dienst oder hatte Erholungsurlaub.

29 Für die Fehlzeiten hat der Ruhestandsbeamte durchgehend befristete Dienstunfähigkeitsbescheinigungen seiner Hausärztin Dr. W. sowie der Orthopäden Dr. M. und Dr. R., der Dermatologin C. und der Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. und Kollegen vorgelegt. Diese Ärzte bescheinigten ihm für die Abwesenheitszeiten wechselnde Erkrankungen, nämlich Lendenkreuzschmerzen, Sehnenscheidenentzündung, Bronchitis, Magenschleimhautentzündung, Stirnhöhlenvereiterung und Stirnhöhlenentzündung, Krätze/Milbenhauterkrankung, Hautekzeme, Virusinfektion, Infekt der oberen Luftwege, Kniescheibenverrenkung sowie psychosomatische Störungen und Erschöpfungszustände. Die Ärzte beschränkten sich darauf, den medizinischen Befund und die voraussichtliche Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeit anzugeben. Verlängerungen von Krankschreibungen enthalten in der Regel keinen Befund. Hinsichtlich des Inhalts der einzelnen Dienstunfähigkeitsbescheinigungen nimmt der Senat Bezug auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils von Seite 19 oben ab „Zu den vorliegenden ärztlichen Attesten ist im Einzelnen Folgendes auszuführen“ bis Seite 23 oben bis „... bescheinigte der Orthopäde Dr. M. dem Beamten eine krankheitsbedingte Arbeits- bzw. Dienstunfähigkeit“ (vgl. zur Zulässigkeit von Bezugnahmen im Berufungsurteil Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl. 2003, § 267 Rn. 5; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 267 Rn. 2a m.w.N.).

30 Nach der Untersuchung des Ruhestandsbeamten führte der Amtsarzt Dr. K. (Gesundheitsamt G.) in dem Gutachten vom 2. November 1999 aus, die nach der Bandscheibenoperation fortbestehenden Lendenwirbelsäulenbeschwerden schränkten die Dienstfähigkeit des Ruhestandsbeamten nicht wesentlich ein. Leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mit Wechselmöglichkeit zwischen Sitzen, Stehen und Gehen seien vollständig möglich. Jedoch solle geprüft werden, ob dem Ruhestandsbeamten ein anderer Arbeitsplatz mit entsprechendem Anforderungsprofil zugewiesen werden könne. Bei Wiederaufnahme der Tätigkeit in der bisherigen Dienststelle sei mit dem Auftreten psychosomatischer Beschwerden und erneuten Fehlzeiten zu rechnen.

31 In dem psychiatrisch-psychosomatischen Gutachten vom 28. Mai 2001, das der Amtsarzt in Auftrag gegeben hatte, bescheinigte Prof. Dr. Z., Oberarzt der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie G., dem Ruhestandsbeamten eine Neurose mit psychosomatischer Reaktionsbereitschaft wie etwa Hautausschlägen. Weiterhin bestehe eine Alkoholabhängigkeit. Das Ausmaß der Gesundheitsstörung behindere die Arbeitsaufnahme nach jahrelangen Krankschreibungen. Es liege aber keine Dienstunfähigkeit vor. Der Ruhestandsbeamte könne die geforderten Tätigkeiten im Verwaltungsbereich ausüben, wobei wechselnde Körperhaltungen hilfreich seien. Er solle sich einer ambulanten Psychotherapie, womöglich im Anschluss an eine mehrwöchige stationäre Psychotherapie in einer Fachklinik, unterziehen, um seine Dienstfähigkeit zu verbessern und zu erhalten.

32 In dem Gutachten vom 8. Juni 2001 übernahm der Amtsarzt die Beurteilung Prof. Dr. Z. Das Rückenleiden des Ruhestandsbeamten schränke dessen Einsetzbarkeit für Verwaltungstätigkeiten nicht wesentlich ein. Die wiederholt auftretenden Rückenbeschwerden könnten weiterhin zu kurzfristigen gerechtfertigten Krankschreibungen führen. Grundsätzlich sei jedoch von ihrer ausreichenden Behandelbarkeit auszugehen.

33 Nach dieser Sachlage steht nicht fest, dass der Ruhestandsbeamte während der nicht urlaubsbedingten Abwesenheitszeiten von Dezember 1999 bis 30. Juli 2001 dienstfähig war und demnach dem Dienst unerlaubt ferngeblieben ist:

34 Unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG setzt voraus, dass der Beamte aktuell dienstfähig ist. Das Erfordernis der Dienstfähigkeit stellt ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG dar (Beschluss vom 26. Februar 2003 - BVerwG 1 DB 1.03 - Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 25). Dies folgt aus dem Normzweck: Regelungsgegenstand des § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG ist die formale Dienstleistungspflicht. Diese beamtenrechtliche Grundpflicht fordert von dem Beamten vor allem, sich während der vorgeschriebenen Zeit an dem vorgeschriebenen Ort aufzuhalten, um die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen (Urteil vom 25. September 2003 - BVerwG 2 C 49.02 - Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 26; Beschluss vom 26. August 1993 - BVerwG 1 DB 15.93 - BVerwGE 93, 393 <396>). Solange ein Beamter dienstunfähig ist, ist er von der Dienstleistungspflicht befreit, weil er sie nicht erfüllen kann. Dies gilt auch dann, wenn er seine Dienstunfähigkeit schuldhaft herbeigeführt oder es schuldhaft versäumt hat, die Dienstfähigkeit wieder herzustellen. Ein derartiges Fehlverhalten verstößt gegen die Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf gemäß § 54 Satz 1 BBG, lässt jedoch die Berechtigung, dem Dienst fernzubleiben, unberührt (Beschlüsse vom 20. Juni 2000 - BVerwG 1 DB 5.00 - Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 17 und vom 31. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 33.01 - ZBR 2003, 101 = DÖD 2002, 118).

35 Dienstunfähigkeit im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG liegt vor, wenn der Beamte aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustandes außer Stande ist, den ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben nachzukommen. Der Nachweis der Dienstfähigkeit des abwesenden Beamten und damit der Nachweis eines Verstoßes gegen § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG obliegt dem Dienstherrn. Legt der Beamte zum Beleg seines Unvermögens, Dienst zu tun, Dienstunfähigkeitsbescheinigungen behandelnder Privatärzte vor, so kann der Nachweis seiner Dienstfähigkeit regelmäßig nur durch die Einschaltung des Amtsarztes geführt werden. Denn es bedarf medizinischer Sachkunde, um ärztliche Befunde zu überprüfen. Bestehen ungeachtet der Vorlage von Dienstunfähigkeitsbescheinigungen Anhaltspunkte für die Dienstfähigkeit des Beamten, so kann ihm der Dienstherr gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 BBG aufgeben, die Dienstunfähigkeit durch die Stellungnahme eines Amtsarztes nachzuweisen.

36 Weicht die medizinische Beurteilung des Amtsarztes hinsichtlich desselben Krankheitsbildes von der Beurteilung des behandelnden Privatarztes ab, so kommt der Beurteilung des Amtsarztes unter folgenden Voraussetzungen Vorrang zu: Es dürfen keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bzw. eines von ihm hinzugezogenen Facharztes bestehen. Die medizinische Beurteilung muss auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruhen sowie in sich stimmig und nachvollziehbar sein. Hat der Privatarzt seinen medizinischen Befund näher erläutert, so muss der Amtsarzt auf diese Erwägungen eingehen und nachvollziehbar darlegen, warum er ihnen nicht folgt. Diese Grundsätze beanspruchen in gleicher Weise Geltung, wenn sich der Amtsarzt der medizinischen Beurteilung eines von ihm eingeschalteten Facharztes anschließt. Die Stellungnahme des Facharztes wird dann dem Amtsarzt zugerechnet (Beschluss vom 8. März 2001 - BVerwG 1 DB 8.01 - ZBR 2001, 297).

37 Dieser Vorrang im Konfliktfall hat seinen Grund in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor. Er steht Beamten und Dienststelle gleichermaßen fern (Urteil vom 9. Oktober 2002 - BVerwG 1 D 3.02 - juris Rn. 22).

38 Die Frage des Vorrangs amtsärztlicher Beurteilungen gegenüber privatärztlichen Beurteilungen stellt sich nur, wenn beide in medizinischen Fragen inhaltlich voneinander abweichen. Eine solche Abweichung setzt voraus, dass das privatärztliche Attest die Mindestvoraussetzungen einer Nachvollziehbarkeit enthält; nämlich die Behandlungsdauer, die Diagnose und die Therapie. Davon ausgehend kann sie nur vorliegen, wenn sich die Beurteilungen auf dasselbe Krankheitsbild zu einem bestimmten Zeitpunkt oder während eines bestimmten Zeitraums beziehen. Der Grundsatz des Vorrangs amtsärztlicher Beurteilungen kann naturgemäß nicht zur Entscheidung über die Dienstfähigkeit herangezogen werden, wenn keine Aussage eines Amtsarztes zu einer vom Privatarzt bescheinigten Erkrankung vorliegt. Daran fehlt es, wenn sich die Dienstunfähigkeitsbescheinigung des Privatarztes entweder auf eine Erkrankung, die nicht Gegenstand einer amtsärztlichen Untersuchung gewesen ist, oder auf eine Neuerkrankung bezieht, die in der Zeit nach dieser Untersuchung aufgetreten ist. In diesen Fällen liegt keine amtsärztliche Beurteilung vor, die der Beurteilung des Privatarztes widerspricht und daher geeignet ist, diese zu entkräften. Dementsprechend kann auch die Feststellung des Amtsarztes, eine auf Dauer angelegte, die vorzeitige Pensionierung rechtfertigende Dienstunfähigkeit des Beamten liege nicht vor, nicht ohne Weiteres die Feststellungen eines Privatarztes in Frage stellen, der Beamte sei wegen einer vorübergehenden Krankheit aktuell nicht dienstfähig, d.h. arbeitsunfähig (Beschlüsse vom 8. März 2001 a.a.O.; vom 17. September 2001 - BVerwG 1 DB 22.01 -; vom 31. Januar 2002 a.a.O. und vom 26. Februar 2003 a.a.O.).

39 Danach ist für die Frage der Dienstfähigkeit des Ruhestandsbeamten während der ungenehmigten Abwesenheitszeiten von Dezember 1999 bis 30. Juli 2001 unerheblich, dass er sich geweigert hat, sich der empfohlenen Verhaltenstherapie zu unterziehen. Dieses Verhalten kann einen - nicht angeschuldigten - Verstoß gegen die in § 54 Satz 1 BBG verankerte Gesunderhaltungspflicht, nicht aber ein ungenehmigtes Fernbleiben vom Dienst gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG begründen.

40 Der erforderliche Nachweis der Dienstfähigkeit des Ruhestandsbeamten während der ungenehmigten Abwesenheitszeiten von Dezember 1999 bis 30. Juli 2001 ist nicht erbracht. Es bestehen zumindest gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Ruhestandsbeamte jeweils krankheitsbedingt außerstande war, Dienst zu leisten.

41 Die begründeten Zweifel an der Dienstfähigkeit des Ruhestandsbeamten ergeben sich aus den Dienstunfähigkeitsbescheinigungen der behandelnden Privatärzte, die die Zeiten der ungenehmigten Abwesenheit lückenlos abdecken. Sie belegen zum einen für ihre jeweilige Geltungsdauer, dass der Ruhestandsbeamte an den im Einzelfall bescheinigten vorübergehenden Erkrankungen litt. Zum anderen bringen die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen zum Ausdruck, dass die Erkrankungen nach der Beurteilung der ausstellenden Ärzte die zeitweilige Dienstunfähigkeit des Ruhestandsbeamten nach sich zogen.

42 Hinsichtlich dieser privatärztlichen Krankschreibungen kann der Grundsatz des Vorrangs amtsärztlicher Beurteilungen schon deshalb nicht eingreifen, weil die Gutachten des Amtsarztes vom 2. November 1999 und 8. Juni 2001 sowie das im Auftrag des Amtsarztes erstellte fachärztliche Gutachten vom 28. Mai 2001 entweder mit den privatärztlichen Beurteilungen im Grundsatz übereinstimmen oder sich darauf inhaltlich nicht beziehen. Es fehlt durchgehend an der Voraussetzung inhaltlich abweichender Befunde von Amtsarzt und Privatarzt hinsichtlich desselben Krankheitsbildes. Den privatärztlichen Befunden steht in keinem Fall eine inhaltlich widersprechende Aussage des Amtsarztes gegenüber.

43 Das kurz vor Beginn des Anschuldigungszeitraums erstellte amtsärztliche Gutachten vom 2. November 1999 befasst sich vor allem mit der Frage der dauernden Dienstunfähigkeit des Ruhestandsbeamten aufgrund seines Rückenleidens. Im Hinblick darauf hat der Amtsarzt keine wesentlichen Einschränkungen der Dienstfähigkeit für den Verwaltungsdienst erkannt. Diese Einschätzung hat er gegen Ende des Anschuldigungszeitraums in dem Gutachten vom 8. Juni 2001 wiederholt. Allerdings hat er nunmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Rückenbeschwerden des Ruhestandsbeamten weiterhin zu kurzfristigen gerechtfertigten Krankschreibungen führen können. Mithin hat auch der Amtsarzt vorübergehende krankheitsbedingte Ausfälle aufgrund des Rückenleidens zumindest ernsthaft für möglich gehalten. Dieser Befund muss für den gesamten Anschuldigungszeitraum gelten, weil sich der Zustand des Ruhestandsbeamten insoweit seit November 1999 nicht verändert hat. Zudem hat der Amtsarzt Fehlzeiten aufgrund psychosomatischer Beschwerden ohne Wechsel des Dienstpostens als wahrscheinlich angesehen.

44 Das im amtsärztlichen Auftrag eingeholte fachärztliche Gutachten vom 28. Mai 2001 befasst sich mit der Frage der dauernden Dienstunfähigkeit des Ruhestandsbeamten wegen psychosomatischer Beschwerden und Alkoholabhängigkeit. Der Gutachter ist zu dem Ergebnis gekommen, der Ruhestandsbeamte sei aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht nicht dauernd dienstunfähig. Er hat aber weiter festgestellt, dass die psychosomatische Reaktionsbereitschaft des Ruhestandsbeamten zu körperlichen Beschwerden wie Hautausschlägen führen könne.

45 Danach weichen die privatärztlichen Krankschreibungen wegen Rückenbeschwerden („Lumbago/Lendenkreuzschmerzen“) sowie wegen Hauterkrankungen („allergisches Ekzem“, „Krätze/Milbenhautkrankheit“) von den amtsärztlichen Stellungnahmen nicht etwa ab, sondern stimmen mit diesen im Grundsatz überein. Dies betrifft die Abwesenheitszeiten vom 1. bis 15. Dezember 1999 (Krankschreibung wegen akuter Lumbago), vom 27. März bis 2. Mai 2000, vom 3. bis 4. August 2000 und vom 11. bis 27. September 2000 (Krankschreibung jeweils wegen eines juckenden Ekzems sowie wegen Krätze/Milbenhauterkrankung).

46 Gleiches gilt für die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen wegen psychosomatischer Beschwerden, teilweise in Verbindung mit Rückenbeschwerden, die der Ruhestandsbeamte für die Abwesenheitszeiten vom 17. bis 19. Januar 2000, vom 3. bis 8. Mai 2000, vom 16. Oktober bis 15. Dezember 2000, vom 4. Januar bis 20. Mai 2001 und vom 23. Mai bis 24. Juni 2001 vorgelegt hat.

47 Die übrigen Dienstunfähigkeitsbescheinigungen enthalten medizinische Befunde, auf die sich die amtsärztlichen Gutachten schon wegen der zeitlichen Abfolge nicht beziehen können. Denn dem Ruhestandsbeamten werden ausnahmslos Erkrankungen von begrenzter Dauer bescheinigt, die in der Zeit zwischen den amtsärztlichen Untersuchungen aufgetreten sind: Sehnenscheidenentzündung, Bronchitis, Magenschleimhautentzündung, Stirnhöhlenvereiterung und -entzündung, Virusinfektion, Infekt der oberen Luftwege sowie Kniescheibenverrenkung. Soweit die Bescheinigungen keinen Befund enthalten, handelt es sich ersichtlich um Folgebescheinigungen. Durch die darauf bezogenen Krankschreibungen werden die Fehlzeiten des Ruhestandsbeamten vom 2. bis 4. Februar 2000 (Virusinfekt mit beginnender Bronchitis), vom 14. bis 24. Februar 2000 (Bronchitis; Magenschleimhautentzündung), vom 19. bis 28. Juni 2000 (Stirnhöhlenentzündung), vom 3. bis 21. Juli 2000 (Kniescheibenverrenkung), vom 14. bis 25. August 2000 (Virusinfekt der oberen Luftwege; Stirnhöhlenentzündung) und vom 18. Dezember 2000 bis 5. Januar 2001 (Infekt der oberen Luftwege; Magenschleimhautentzündung) abgedeckt.

48 Die Häufigkeit der privatärztlichen Dienstunfähigkeitsbescheinigungen über einen langen Zeitraum, die Ausstellung durch wechselnde Ärzte und die Erklärungen des Ruhestandsbeamten, er strebe die Pensionierung an, reichen auch in der Gesamtschau nicht aus, um die vorgelegten Bescheinigungen als unbeachtliche Gefälligkeitsatteste behandeln zu können.

49 Wenn sich die Einleitungsbehörde trotz dieser Sachlage auf den Grundsatz des Vorrangs amtsärztlicher Beurteilungen beruft, so verkennt sie dessen Inhalt und Reichweite. Sie nimmt irrtümlich an, dass eine amtsärztliche Stellungnahme, die die dauernde Dienstfähigkeit bejaht, privatärztliche Befunde entkräften kann, ohne dass es auf den Inhalt ankommt. Der Dienstherr hätte den Ruhestandsbeamten gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 BBG rechtzeitig verpflichten müssen, auch vorübergehende Erkrankungen am ersten Tag der Dienstunfähigkeit durch Bescheinigungen des Amtsarztes nachzuweisen. Dieses Versäumnis kann nicht mehr ausgeglichen werden. Eine Aufforderung, künftig nur noch amtsärztliche Atteste vorzulegen, enthält erst das Schreiben der Einleitungsbehörde vom 18. Juli 2001, das dem Ruhestandsbeamten kurz vor Ende des Anschuldigungszeitraums zuging. In der Folge hat die Einleitungsbehörde für die verbleibenden Arbeitstage bis 30. Juli 2001 weiterhin privatärztliche Dienstunfähigkeitsbescheinigungen akzeptiert, nachdem ihr mitgeteilt worden war, der Ruhestandsbeamte beginne an diesem Tag eine stationäre Alkoholentgiftungstherapie.

50 Nach alledem greift zu Gunsten des Ruhestandsbeamten der - im Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 und 3 GG und im Gebot freier richterlicher Überzeugungsbildung gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 BDO verankerte - Grundsatz „in dubio pro reo“ ein, nach dem im Zweifel zu Gunsten des angeschuldigten Beamten zu entscheiden ist (Urteile vom 30. September 1992 - BVerwG 1 D 32.01 - BVerwGE 93, 294 <297>; vom 21. Juni 2000 - BVerwG 1 D 49.99 - juris Rn. 17 und vom 4. Mai 2006 - BVerwG 1 D 13.05 - juris Rn. 19).

51 - Zur Anschuldigungsschrift vom 17. Juli 2003 (Vorwurf des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst ab 1. Juni 2002):

52 Aufgrund einer erneuten Bandscheibenoperation am 20. November 2001 wurde der Ruhestandsbeamte bis 24. April 2002 krankgeschrieben. Für die ununterbrochenen Abwesenheitszeiten vom 3. Juni 2002 (Montag) bis zur vorläufigen Dienstenthebung durch Bescheid vom 22. Januar 2003 hat er durchgehend Krankschreibungen der Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. und Kollegen, des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Y. und des Arztes für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. Wi. vorgelegt. Dr. Wi. hat dem Ruhestandsbeamten für die Zeit vom 19. August 2002 bis 2. Dezember 2002 bescheinigt, er leide an einer Reizung und Beschädigung der aus dem Spinalkanal austretenden Nerven (Radikulopathie).

53 Nach einer weiteren Untersuchung des Ruhestandsbeamten führte der Amtsarzt Dr. K. in dem Gutachten vom 22. April 2002 aus, das Rückenleiden stehe einer Wiederaufnahme des Dienstes im Bereich der Verwaltung zum 1. Juni 2002 nicht entgegen. Auch die Alkoholerkrankung schränke gegenwärtig die Dienstfähigkeit für Verwaltungstätigkeiten nicht grundsätzlich ein. Jedoch bestehe bei dem Ruhestandsbeamten eine neurotische Fehlentwicklung im Sinne einer Angststörung, der Krankheitswert zukomme. Die Verpflichtung zur Wiederaufnahme des Dienstes und die Unsicherheit des Zurruhesetzungsverfahrens hätten zu einer akuten Angstproblematik mit körperlichen Symptomen geführt, die den Ruhestandsbeamten an der Arbeitsaufnahme hindere. Die bestehende Angststörung schließe die Aufnahme einer Verwaltungstätigkeit im Bereich der Behörde D. mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Zu der notwendigen Behandlung sei der Ruhestandsbeamte nicht bereit, weil er in den Ruhestand versetzt werden wolle.

54 Aufgrund dieser Sachlage kann der für einen Verstoß gegen § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG erforderliche Nachweis, dass der Ruhestandsbeamte während des Anschuldigungszeitraums von Juni 2002 bis Ende Januar 2003 ganz oder zeitweilig dienstfähig war und demnach dem Dienst ungenehmigt ferngeblieben ist, nicht geführt werden. Auch hinsichtlich dieses Zeitraums kommt dem Ruhestandsbeamten der Grundsatz „in dubio pro reo“ zugute. Mögliche Verstöße gegen die in § 54 Satz 1 BBG verankerte Pflicht zur Gesunderhaltung sind nicht angeschuldigt.

55 Die Annahme, der Ruhestandsbeamte sei während des Anschuldigungszeitraums dienstfähig gewesen, kann nicht auf das amtsärztliche Gutachten vom 22. April 2002 gestützt werden. Denn der Amtsarzt hat die Wiederaufnahme des Dienstes aufgrund einer psychischen Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Darüber hinaus hat der Ruhestandsbeamte für die Zeit ab Juni 2002 durchgehend Dienstunfähigkeitsbescheinigungen dreier Fachärzte vorgelegt. Dabei hat Dr. Wi. eine Neuerkrankung (Radikulopathie) diagnostiziert. Diesen privatärztlichen Befunden stehen keine abweichenden amtsärztlichen Aussagen gegenüber. In Anbetracht dieser tatsächlichen Umstände ist nicht nachvollziehbar, dass der Vorwurf des ungenehmigten Fernbleibens vom Dienst ohne Einholung einer weiteren amts- bzw. fachärztlichen Stellungnahme auf den Zeitraum ab Juni 2002 erstreckt wurde.

56 2. Das nachgewiesene vorsätzliche Dienstvergehen während des aktiven Dienstes rechtfertigt eine Kürzung der Dienstbezüge (§ 9 Abs. 1 BDO, § 8 BDG) dem Grunde nach nicht. Im Übrigen ist die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Kürzung um ein Fünftel schon deshalb überzogen, weil der Kürzungsbruchteil bei Beamten des mittleren Dienstes regelmäßig auf ein Zwanzigstel festzusetzen ist (Urteil vom 21. März 2001 - BVerwG 1 D 29.00 - BVerwGE 114, 88 <89 ff.>).

57 Welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten (vgl. nunmehr § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 BDG). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach den objektiven und subjektiven Handlungsmerkmalen der Verfehlung, den besonderen Umständen der Tatbegehung und den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.>).

58 Danach wäre gegen den Ruhestandsbeamten im Falle seines Verbleibs im aktiven Dienst aus folgenden Gründen eine Geldbuße (§ 7 BDO, § 7 BDG) zu verhängen gewesen:

59 Die vorsätzlichen Verstöße des Ruhestandsbeamten gegen die Melde- und Nachweispflichten sind von einigem Gewicht. Er hat die Pflicht, Krankschreibungen so schnell wie möglich dem Vorgesetzten mitzuteilen, innerhalb kurzer Zeit mehrfach missachtet. Der Ruhestandsbeamte hat die ihm offenbar lästige Dienstpflicht ohne Rücksicht auf die Belange der Dienststelle beharrlich nicht erfüllt. Als grobe Nachlässigkeit ist sein Versäumnis zu werten, die Dienstunfähigkeitsbescheinigung seiner Hausärztin vom 1. September 1999 erst nach fast drei Wochen vorzulegen, obwohl ihm klar war, dass die Dienststelle mit dem Dienstantritt am 1. September 1999 rechnete.

60 Allerdings wird das Gewicht der Verfehlungen dadurch gemindert, dass der raschen Kenntnis der Dienststelle über bevorstehende Fehlzeiten und deren voraussichtliche Dauer wegen der Tätigkeit des Ruhestandsbeamten in der Kleiderkammer erheblich geringere Bedeutung für den Dienstbetrieb zukam als gleichartigen Verfehlungen eines Polizeivollzugsbeamten. Die Einleitungsbehörde hat nicht geltend gemacht, das Fehlverhalten des Ruhestandsbeamten habe den Dienstbetrieb beeinträchtigt.

61 In Anbetracht dessen erscheint die Kürzung der Dienstbezüge nicht mehr angemessen, weil der Ruhestandsbeamte als disziplinarisch nicht vorbelastet gilt. Die Geldbußen, mit denen Dienstvergehen in den Jahren 1996 und 1997 geahndet wurden, dürfen nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie gemäß § 85 Abs. 10 Satz 1, § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BDG einem Verwertungsverbot unterliegen.

62 Die verwirkte Geldbuße kann nach dem Eintritt in den Ruhestand nicht mehr verhängt werden. Gegen Ruhestandsbeamte kann abgesehen von der Aberkennung des Ruhegehalts nur die - der Kürzung der Dienstbezüge entsprechende - Kürzung des Ruhegehalts ausgesprochen werden (vgl. § 5 Abs. 2 BDO, § 5 Abs. 2 Nr. 1 BDG). Dem liegt die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, dass durch den Eintritt in den Ruhestand das Bedürfnis für eine Pflichtenmahnung entfällt, wenn das im aktiven Dienst begangene Dienstvergehen nicht mindestens eine Kürzung der Bezüge erfordert. Demnach muss das Disziplinarverfahren im vorliegenden Fall aufgrund des Eintritts in den Ruhestand eingestellt werden (§§ 86, 76 Abs. 3 Satz 1, § 64 Abs. 1 Nr. 6 BDO).

63 Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 3 und 4 BDO.