Beschluss vom 17.03.2009 -
BVerwG 1 WB 77.08ECLI:DE:BVerwG:2009:170309B1WB77.08.0

Leitsatz:

Begehrt ein Soldat gerichtlichen Rechtsschutz gegen eine dienstliche Beurteilung oder eine hierzu abgegebene Stellungnahme eines höheren Vorgesetzten, ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet, wenn die Beurteilung oder Stellungnahme nicht von einem militärischen, sondern von einem zivilen Vorgesetzten erstellt bzw. abgegeben worden ist.

  • Rechtsquellen
    SG § 82 Abs. 1
    WBO § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 3
    VwGO § 40 Abs. 1
    GVG § 17a Abs. 2 Satz 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.03.2009 - 1 WB 77.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:170309B1WB77.08.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 77.08

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 17. März 2009 beschlossen:

  1. Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzulässig.
  2. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten zu einer planmäßigen Beurteilung.

2 Der 1955 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. Oktober 2014. Zum Oberstleutnant wurde er am 6. Oktober 2000 ernannt und mit Wirkung vom 1. August 2006 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Seit dem 1. April 2005 wird der Antragsteller als Referent im Bundesministerium der Verteidigung - Referat ... - in B. verwendet.

3 Unter dem 7. September 2007 erstellte die Leiterin des Referats Innerer Dienst, Ministerialrätin K., die planmäßige Beurteilung für den Antragsteller zum 30. September 2007. In der Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten ergab sich dabei als Durchschnittswert für die zehn Einzelmerkmale ein Wert von 5,50.

4 Unter dem 8. November 2007 nahm der nächsthöhere Vorgesetzte, der Leiter des Organisationsstabs Ministerialdirigent Sch., zu der Beurteilung Stellung. Dabei setzte er bei der Bewertung der Aufgabenerfüllung bei zwei Einzelmerkmalen die Wertungsstufe von „7“ auf „5“, bei zwei weiteren Einzelmerkmalen die Wertungsstufe von „6“ auf „4“ und bei fünf Einzelmerkmalen die Wertungsstufe von „5“ auf „4“ herab. Dadurch änderte sich der Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 5,50 in 4,20. Die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten wurde dem Antragsteller am 12. November 2007 eröffnet.

5 Mit Schreiben vom 26. November 2007, adressiert an PSZ I, legte der Antragsteller Beschwerde gegen die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten ein. Das Schreiben trägt einen Eingangsstempel des Referats ... sowie das Handzeichen der Referatsleiterin, jeweils vom 26. November 2007, zwei weitere Handzeichen vom 29. November und 30. November 2007 sowie einen Eingangsstempel mit Handzeichen des Referats PSZ I 7 vom 3. Dezember 2007.

6 Mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 begründete der Antragsteller seine Beschwerde damit, dass durch die massive Herabstufung der Bewertung der Einzelmerkmale mehrere der in Kapitel 4 der ZDv 20/6 genannten Beurteilungsgrundsätze verletzt würden. Es könne und dürfe nicht sein, dass das Bemühen, um jeden Preis Richtwertkorridore zu beachten, auf Kosten eines Verstoßes gegen die Beurteilungsgrundsätze gehe. Hierzu legte der Antragsteller im Einzelnen dar, welche Beurteilungsgrundsätze er durch die Stellungnahme des Leiters des ...stabes verletzt sehe.

7 Mit Bescheid vom 15. Juli 2008, dem Antragsteller ausgehändigt am 18. Juli 2008, wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerde zurück. Die Beschwerde sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist eingelegt worden sei. Sie sei zwar vor Ablauf der Frist am 26. November 2007 bei der Dezernatsleiterin eingegangen, die jedoch nicht die Dienststellung einer Disziplinarvorgesetzten innehabe. Soldaten, die im Bundesministerium der Verteidigung verwendet würden, seien unmittelbar dem Bundesminister der Verteidigung als nächstem Disziplinarvorgesetzten unterstellt; bei diesem sei die Beschwerde nicht eingegangen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 WBO bestehe ferner die Möglichkeit, die Beschwerde bei der Stelle einzulegen, die für die Entscheidung über den Rechtsbehelf zuständig ist. Das sei das Referat PSZ I 7, wo die Beschwerde jedoch erst am 3. Dezember 2007 und damit verspätet eingegangen sei. Eine Verlängerung der Beschwerdefrist nach § 7 Abs. 2 WBO komme nicht in Betracht, weil die angefochtene Stellungnahme keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedurft habe. Im dienstaufsichtlichen Teil des Beschwerdebescheids führte der Bundesminister aus, dass ein Verstoß gegen die Beurteilungsgrundsätze der ZDv 20/6 nicht festzustellen sei.

8 Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 31. Juli 2008, eingegangen am selben Tage, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 27. Oktober 2008 dem Senat vor.

9 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Das Referat ... im Bundesministerium der Verteidigung sei eine durchweg zivil geprägte Dienststelle; von den ca. 500 Mitarbeitern seien nur fünf Soldaten. Das Referat werde daher auch von einer zivilen Mitarbeiterin geleitet. Die Referatsleiterin sei zwar nicht militärische Dienstvorgesetzte der Soldaten, fungiere aber als solche, indem sie zum Beispiel Personalentscheidungen eröffne, die Soldaten beurteile, mit ihnen den Entwurf der Beurteilung erörtere und ihnen die Beurteilungen aushändige. Er, der Antragsteller, sei deshalb davon ausgegangen, die Beschwerde fristwahrend bei der Referatsleiterin einlegen zu können. Dieser Meinung sei auch die Referatsleiterin selbst gewesen, weil sie sonst die Beschwerde nicht am Tage des Fristablaufs entgegengenommen hätte, ohne auf ihre Unzuständigkeit hinzuweisen; außerdem hätte sie dafür gesorgt, dass die Beschwerde noch am selben Tag an PSZ I weitergeleitet worden wäre. Die Besonderheiten der Dienststelle, die Unkenntnis der Vorgesetzten von ihrer Unzuständigkeit sowie die Tatsache, dass sie die Beschwerde noch fristgerecht an die zuständige Stelle hätte abgeben können, stellten sich für ihn, den Antragsteller, als unabwendbarer Zufall im Sinne von § 7 WBO dar.

10 In der Sache verstoße die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten gegen Beurteilungsgrundsätze, weil sie Wertungen enthalte, die in einem nicht auflösbaren Widerspruch zu den sonstigen Aussagen in der Stellungnahme stünden. Dieser Widerspruch lasse sich auch nicht mit dem Hinweis darauf beheben, dass sich die Aussagen und Bewertungen des nächsthöheren Vorgesetzten an der jeweiligen Vergleichsgruppe zu orientieren hätten und die vor diesem Hintergrund geführten Abstimmungsgespräche die Herabsetzung zur Gewährleistung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabes notwendig gemacht hätten.

11 Der Antragsteller beantragt,
die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten vom 8. November 2007 zu der Beurteilung vom 7. September 2007 sowie den Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 15. Juli 2008 aufzuheben.

12 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

13 Die Beschwerde sei aus den im Beschwerdebescheid dargelegten Gründen zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden. Der Antragsteller sei auch nicht gemäß § 7 WBO an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert gewesen. Es könne nicht angenommen werden und sei auch vom Antragsteller nicht vorgetragen, dass er nach einer mehr als zweijährigen Verwendungszeit im Bundesministerium nicht gewusst habe, dass der Bundesminister der Verteidigung sein Disziplinarvorgesetzter sei bzw. welche Stelle im Bundesministerium zur Entgegennahme der Beschwerde in seiner Beurteilungsangelegenheit zuständig sein könnte.

14 Das Gericht hat die Beteiligten im Hinblick auf eine mögliche Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige (allgemeine) Verwaltungsgericht insbesondere zu der Frage angehört, ob gegen eine Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten zu der dienstlichen Beurteilung eines Soldaten der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet ist, wenn der nächsthöhere Vorgesetzte - wie hier - selbst nicht Soldat bzw. militärischer Vorgesetzter, sondern Beamter ist. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 5. März 2009 erklärt, dass keine Bedenken gegen eine Verweisung an das Verwaltungsgericht bestünden. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - (Schreiben vom 6. März 2009) hält hingegen den Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten für gegeben; die dienstliche Beurteilung der Referatsleiterin ... und die Stellungnahme des Leiters des ...stabs seien dem Bundesminister der Verteidigung als nächstem Disziplinarvorgesetzten und truppendienstlichen Vorgesetzten des Antragstellers zuzurechnen.

15 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 770/08 - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

16 Für das Rechtschutzbegehren des Antragstellers, mit dem er sich gegen die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten zu seiner planmäßigen Beurteilung wendet, ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet.

17 Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 82 Abs. 1 SG auch für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis eröffnet, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Die Wehrdienstgerichte haben hiernach über die Verletzung solcher Rechte und Pflichten zu entscheiden, die auf dem Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung beruhen, also in truppendienstlichen Angelegenheiten (stRspr, vgl. Beschluss vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB 61.04 - insoweit nicht veröffentlicht in NZWehrr 2005, 212, m.w.N.). Für die Bestimmung, ob es sich um eine truppendienstliche Angelegenheit oder um eine Verwaltungsangelegenheit handelt, für die der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist, muss auf die wahre Natur des geltend gemachten Anspruchs und auf die daraus abzuleitende Rechtsfolge abgestellt werden (Beschlüsse vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 - m.w.N. und vom 6. April 2005 a.a.O.).

18 Danach liegt hier keine den Wehrdienstgerichten zugewiesene truppendienstliche Angelegenheit vor, so dass es bei dem allgemein in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art eröffneten Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten verbleibt.

19 Zwar kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats als (jeweils selbständig anfechtbare) Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO und damit als Gegenstand eines Antrags auf Entscheidung durch das Wehrdienstgericht nicht nur die dienstliche Beurteilung eines Soldaten, sondern auch die hierzu abgegebene Stellungnahme eines höheren Vorgesetzten in Betracht (vgl. Beschluss vom 18. August 2004 -BVerwG 1 WB 15.04 - Buchholz 236.110 § 2 SLV 2002 Nr. 4 = NZWehrr 2005, 117 m.w.N.). Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist jedoch dann nicht eröffnet, wenn im konkreten Fall die dienstliche Beurteilung oder die Stellungnahme hierzu nicht von einem militärischen, sondern von einem zivilen Vorgesetzten des Soldaten erstellt bzw. abgegeben worden ist. In diesem Fall fehlt es an dem Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung bzw. der truppendienstlichen Unterstellung, das Grundlage der von den Wehrdienstgerichten zu überprüfenden Rechte und Pflichten ist (vgl. für ähnlich gelagerte Konstellationen bei im Bereich des Bundesnachrichtendienstes tätigen Soldaten Urteile vom 17. Oktober 1986 - BVerwG 6 A 1.85 - und vom 15. Februar 1989 - BVerwG 6 A 2.87 - BVerwGE 81, 258 <259> = Buchholz 236.1 § 59 SG Nr. 2; spätere Entscheidungen, insbesondere auch zu dienstlichen Beurteilungen, stützen die Rechtswegabgrenzung nur noch auf die Spezialvorschrift des § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO, vgl. Urteil vom 31. August 1990 - BVerwG 6 A 2.88 - Buchholz 236.1 § 29 SG Nr. 1 und dazu Beschluss vom 18. November 1997 - BVerwG 1 WB 49.97 , 50.97 - Buchholz 311 § 18 WBO Nr. 1 = NZWehrr 1998, 29).

20 Die von dem Antragsteller angefochtene Maßnahme ist nicht in einem Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung bzw. der truppendienstlichen Unterstellung (in dem dargestellten Sinne) ergangen. Der Antragsteller wird im Bundesministerium der Verteidigung im Referat ... des der Leitung des Ministeriums unterstellten ...stabs verwendet. Die hier strittige Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten vom 8. November 2007 wurde von dem Leiter des ...stabs, einem Beamten im Amt eines Ministerialdirigenten, und damit nicht von einem militärischen bzw. truppendienstlichen Vorgesetzten abgegeben. Ebenfalls von einem zivilen und nicht militärischen bzw. truppendienstlichen Vorgesetzten stammt im Übrigen auch die zugrundeliegende - von dem Leiter des ...stabs geänderte - planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 7. September 2007, die von der Referatsleiterin, einer Beamtin im Amt einer Ministerialrätin, erstellt worden ist.

21 Die strittige Stellungnahme ist, auch wenn sie in Ausübung einer von dem Bundesminister der Verteidigung delegierten Zuständigkeit erfolgte, nicht dem Bundesminister der Verteidigung zuzurechnen.

22 Beurteilungen bzw. Stellungnahmen zu Beurteilungen werden grundsätzlich von dem zum jeweiligen Vorlagetermin zuständigen Vorgesetzten bzw. nächsthöheren Vorgesetzten erstellt (Nr. 301 Buchst. a Abs. 1 Satz 1, Buchst. b Abs. 1 Satz 1 der „Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“ vom 17. Januar 2007 - ZDv 20/6 -). Vorgesetzter bzw. nächsthöherer Vorgesetzter ist dabei im Regelfall der nächste bzw. nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte (Nr. 301 Buchst. a Abs. 1 Satz 2, Buchst. b Abs. 1 Satz 2 ZDv 20/6). Wie sich aus der „Weisung zur Inkraftsetzung der Grundsätze für Aufgabenzuordnung, Organisation und Verfahren im Bereich der militärischen Spitzengliederung“ vom 21. Januar 2005 (sog. Berliner Erlass) mittelbar ergibt, ist einziger Vorgesetzter mit Disziplinargewalt im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung der Bundesminister der Verteidigung selbst. Insofern wäre nach der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung der ZDv 20/6 alleine der Bundesminister der Verteidigung berufen, sämtliche Beurteilungen (Stellungnahmen hierzu dürften in diesem Falle als funktionslos entfallen) für alle im Ministerium tätigen - über tausend - Soldaten zu erstellen. Aus evidenten praktischen Gründen hat der Bundesminister der Verteidigung von der in Nr. 303 Buchst. a und d (mit Fußn. 1) ZDv 20/6 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Zuständigkeiten für das Erstellen von Beurteilungen und Stellungnahmen höherer Vorgesetzter auf Vorgesetzte innerhalb der Hierarchien der (militärischen und zivilen) Abteilungen und Stäbe zu delegieren. Auf diesen delegierten Zuständigkeiten, die in dem Erlass über „Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten im Bundesministerium der Verteidigung, hier: Zuständigkeiten“ vom 1. Februar 2007 im Einzelnen festgelegt sind, beruhen auch die hier strittige Stellungnahme des Leiters des ...stabs und die ihr zugrundeliegende Beurteilung des Antragstellers durch die Referatsleiterin.

23 Ungeachtet der Begründung der Befugnis im Wege der Delegation handelte der Leiter des ...stabs bei der Abgabe der Stellungnahme jedoch in eigener, ihm persönlich zugewiesener Zuständigkeit und Verantwortung (wie es im Übrigen der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Kategorie der Delegation entspricht, vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl. 1976, § 72 IV b 2). Dienstliche Beurteilungen und ebenso Stellungnahmen zu Beurteilungen stellen ein höchstpersönliches, nicht austauschbares Urteil des jeweils zuständigen Vorgesetzten dar; dies spiegelt sich darin wider, dass das eigentliche in der Beurteilung enthaltene Werturteil einer (insbesondere gerichtlichen) Rechtmäßigkeitskontrolle entzogen ist (stRspr, vgl. Beschluss vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 41.07 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 10). Demgemäß ist auch nach Nr. 304 Buchst. a ZDv 20/6 die Beurteilungsbefugnis grundsätzlich an die Person des zuständigen Vorgesetzten gebunden; Ausnahmen von der Bindung an die Person betreffen (nur) die Vertretung im Verhinderungsfall. Der zuständige Vorgesetzte - wie hier der Leiter des ...stabs bei seiner Stellungnahme ebenso wie die Referatsleiterin bei ihrer Beurteilung - unterzeichnet im eigenen Namen, nicht „im Auftrag“. Eine - den Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten begründende - Zurechnung an den Bundesminister der Verteidigung im Wege eines „Handelns im Auftrag“ kommt deshalb nicht in Betracht.

24 Auch der weitere Einwand des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 -, es wäre nicht sachgerecht, nur einen Teil der im Ministerium eingesetzten Soldaten mit der Eröffnung des Rechtswegs zum Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts zu „privilegieren“, weil diese ihre Beurteilung bzw. Stellungnahme zufällig von einem militärischen Vorgesetzten erhalten hätten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Gesetzgeber hat den gerichtlichen Rechtsschutz der Soldaten gemäß § 82 Abs. 1 SG, § 17 Abs. 1 WBO von vornherein „zweigleisig“ - geteilt zwischen allgemeinen Verwaltungs- und Wehrdienstgerichten - organisiert. Gegen diese „Zweigleisigkeit“ bestehen keine rechtlichen Bedenken; die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verlangt nur, dass der Zugang zu einem Gericht, nicht jedoch, dass ein bestimmter Rechtsweg eröffnet ist. Keine rechtlichen Bedenken bestehen deshalb auch dagegen, dass Beurteilungen von Soldaten durch militärische Vorgesetzte vor den Wehrdienstgerichten, Beurteilungen durch zivile Vorgesetzte dagegen vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten anzufechten sind und dass ein Wechsel der Beurteilungszuständigkeit zwischen militärischen und zivilen Vorgesetzten entsprechende Rückwirkungen auf den im Streitfall eröffneten Rechtsweg hat.

25 Nachdem der Antragsteller, der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - und der Bundeswehrdisziplinaranwalt gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG hierzu angehört worden sind, ist der Rechtsstreit gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 WBO an das nach § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO örtlich und sachlich zuständige Verwaltungsgericht Köln (§ 1 Abs. 2 Buchst. e des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung im Lande Nordrhein-Westfalen) zu verweisen. Dienstlicher Wohnsitz eines Soldaten ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BBesG sein Standort, hier die (kreisfreie) Stadt Bonn; die Legaldefinition des dienstlichen Wohnsitzes in § 15 BBesG ist auch im Rahmen des § 52 Nr. 4 VwGO maßgeblich (vgl. Beschlüsse vom 15. Mai 2003 a.a.O. und vom 6. April 2005 a.a.O.).

26 Über die Verweisung kann der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter entscheiden (Beschluss vom 17. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 3.05 - insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.1 § 21 WBO Nr. 3).