Verfahrensinformation

Streitgegenstand ist ein Bebauungsplan der Stadt Hannover, der die Ansiedlung eines Forschungs- und Produktionszentrums der Beigeladenen für die Entwicklung von Tierimpfstoffen in unmittelbarer Nähe zur Tierärztlichen Hochschule ermöglicht. Die Antragsteller befürchten Gesundheitsgefahren und unzumutbare Belästigungen, insbesondere durch Geruch, Krankheitserreger und gentechnisch veränderte Organismen. Der Bebauungsplan verzichtet auf Konfliktlösung durch räumliche Trennung nach dem sog. Trennungsgebot des Bundesimmissionsschutzgesetzes (§ 50 Satz 1 Alt. 1 BImSchG). Er erlaubt nur gentechnische Anlagen die maximal Sicherheitsstufe 3 nach dem Gentechnikgesetz entsprechen und verweist die Konfliktlösung im Übrigen in nachfolgende Genehmigungsverfahren. Das Bundesverwaltungsgericht wird u.a. zu klären haben, ob das Gentechnikgesetz die vom Oberverwaltungsgericht als zulässig erachtete Konfliktverlagerung in das Genehmigungsverfahren zu bewältigen vermag.


Pressemitteilung Nr. 37/2012 vom 19.04.2012

Bebauungsplan für Tierimpfstoffzentrum in Hannover

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der Bebauungsplan der Stadt Hannover (Antragsgegnerin), der die Ansiedlung eines Forschungs- und Produktionszentrums der Beigeladenen für die Entwicklung von Tierimpfstoffen in unmittelbarer Nähe zur Tierärztlichen Hochschule vorsieht, nicht zu beanstanden ist, und hat damit das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigt.


Die Antragsteller, die den Bebauungsplan angreifen, wohnen ca. 500 Meter von der nächst­gelegenen Baugrenze des Plangebietes entfernt. Sie befürchten Gesundheitsgefahren, insbesondere durch luftgetragene Krankheitserreger (sog. Bioaerosole) und gentechnisch veränderte Organismen sowie unzumutbare Belästigungen u.a. durch den Geruch der dort gehaltenen Tiere. Der Bebauungsplan verzichtet auf eine räumliche Trennung des Vorhabens von der umliegenden Bebauung. Erlaubt sind nur gentechnische Anlagen, die maximal Sicherheitsstufe 3 nach dem Gentechnikgesetz entsprechen und bei denen Hoch­leistungsgewebefilter (sog. HEPA-Filter) eingesetzt werden. Im Übrigen verweist der Bebauungsplan die Konfliktlösung in das nachfolgende gentechnikrechtliche Genehmigungsverfahren.


Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Bebauungsplan nicht gegen den sog. Trennungsgrundsatz des Bundesimmissionsschutzgesetzes verstößt (§ 50 Satz 1 Alt. 1 BImSchG). Die Antragsgegnerin durfte auf eine Prüfung von Standort­alternativen verzichten und der Nähe zur Tierärztlichen Hochschule ein höheres Gewicht als dem Gesichtspunkt der räumlichen Trennung des Tierimpfstoffzentrums von der umliegenden Bebauung beimessen. Auch durfte sie die Bewältigung möglicher Konflikte durch Bioaerosole und gentechnisch veränderte Organismen in das nachfolgende Verfahren der gentechnikrechtlichen Genehmigung verlagern. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Auswirkungen auf die Nachbarschaft im Hinblick auf Bioaerosole sich bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben des Gentechnikrechts auf ein Restrisiko beschränken. Das Restrisiko, das nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts darin besteht, dass der Austritt von Bioaerosolen nicht zu 100%, sondern nur zu über 99,99% durch die für Arbeiten der Sicherheitsstufe 3 vorgeschriebene Filtertechnik verhindert werden kann, musste die Antragsgegnerin nicht zum Anlass nehmen, bereits im Bebauungsplan planerisch Vorsorge durch eine räumliche Trennung zu treffen.


BVerwG 4 CN 3.11 - Urteil vom 19. April 2012

Vorinstanz:

OVG Lüneburg, 1 KN 28/10 - Urteil vom 12. Januar 2011 -


Urteil vom 19.04.2012 -
BVerwG 4 CN 3.11ECLI:DE:BVerwG:2012:190412U4CN3.11.0

Leitsatz:

Vom Trennungsgrundsatz gemäß § 50 Satz 1 Alt. 1 BImSchG sind Ausnahmen zulässig, wenn sichergestellt werden kann, dass von der projektierten Nutzung im Plangebiet nur unerhebliche Immissionen ausgehen, und wenn im Einzelfall städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht hinzutreten, die es rechtfertigen, eine planerische Vorsorge durch räumliche Trennung zurücktreten zu lassen.

  • Rechtsquellen
    BauGB § 1 Abs. 7; § 3 Abs. 1; § 3 Abs. 2
    BImSchG § 50 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
    GenTG § 6 Abs. 1; § 7 Abs. 1; § 11
    GenTSV § 9; Anhang V

  • Niedersächsisches OVG - 12.01.2011 - AZ: OVG 1 KN 28/10

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 19.04.2012 - 4 CN 3.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:190412U4CN3.11.0]

Urteil

BVerwG 4 CN 3.11

  • Niedersächsisches OVG - 12.01.2011 - AZ: OVG 1 KN 28/10

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Jannasch,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Antragsteller gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Gegenstand der Normenkontrolle ist ein Bebauungsplan der Antragsgegnerin, der ein Sondergebiet „Wissenschaft und Forschung“ festsetzt, um die Ansiedlung eines Forschungs- und Produktionszentrums der Beigeladenen für die Entwicklung von Tierimpfstoffen in unmittelbarer Nähe zur Tierärztlichen Hochschule zu ermöglichen. § 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans bestimmt unter anderem die im Plangebiet allgemein und ausnahmsweise zulässigen baulichen Nutzungen, enthält Vorgaben zur Tierhaltung und Geruchsbelästigung und ordnet an, dass nur Arbeiten der Sicherheitsstufe 3 gemäß Gentechnikgesetz zulässig sind.

2 Den Normenkontrollantrag der Antragsteller, deren Grundstücke ca. 500 bis 600 Meter vom Plangebiet entfernt liegen, hat das Oberverwaltungsgericht als unbegründet abgelehnt. Es sei unschädlich, dass die Antragsgegnerin bei der frühzeitigen Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB ein Informationsschreiben der Beigeladenen mit ausgelegt habe, in welchem das geplante Vorhaben als emissionsfrei bezeichnet werde. Selbst wenn ein Verfahrensfehler anzunehmen wäre, hätte dieser auf die gemäß § 3 Abs. 2 BauGB durchgeführte Auslegung des Plans keinen Einfluss gehabt. Die fehlende öffentliche Auslegung des zwischen der Beigeladenen und der Antragsgegnerin geschlossenen städtebaulichen Vertrages begründe keinen Verfahrensfehler, weil der Vertrag für die rechtliche Beurteilung des Plans keine Rolle spiele. Der Bebauungsplan sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Von der nach § 1 Abs. 4 BauGB bindenden Zielfestlegung im Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP) 2005 der Region Hannover sei eine Zielabweichung zugelassen worden. Die landesplanerischen Grundsätze zur Trennung unverträglicher Nutzungen seien in der Abwägung berücksichtigt worden. Der Plan sei nicht an dem selbst gesteckten Ziel gescheitert, nur emissionsfreie Nutzungen zu ermöglichen. Ein solches Ziel sei von der Antragsgegnerin spätestens seit der Auslegungsphase eindeutig nicht mehr verfolgt worden. Die Planentwürfe enthielten Festsetzungen zur Begrenzung, nicht zum vollständigen Ausschluss von Emissionen.

3 Bei der Abwägung habe die Antragsgegnerin mit Blick auf die wissenschaftlichen und ökonomischen Synergien durch die Nähe zur Tierärztlichen Hochschule von der näheren Prüfung von Alternativen absehen dürfen. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass eine räumliche Trennung entbehrlich sei, wenn Vorsorge anderweitig gesichert sei. Die Vorkehrungen gegen die Entstehung erheblicher Geruchsimmissionen und anderer Luftverunreinigungen erreichten ihren Zweck. Die Festsetzung eines quellenbezogenen Geruchsimmissionszusatzpegels sei nicht zu beanstanden. Denkbare Konflikte durch luftgetragene Krankheitserreger und gentechnisch veränderte Organismen hätten in die nachfolgenden Genehmigungs- und Anlagenzulassungsverfahren verlagert werden dürfen. Die textliche Festsetzung zum Ausschluss von Arbeiten der gentechnischen Sicherheitsstufe 4 biete eine zusätzliche Sicherheit zur Konfliktbewältigung im Genehmigungsverfahren. Das Klassifizierungssystem des Gentechnikrechts stelle sicher, dass Erreger, die für Menschen gefährlich seien, in aller Regel in der Klasse S 4 eingestuft sein würden. Bei Arbeiten der Stufe 3 müssten Hochleistungsgewebefilter (sog. HEPA-Filter) verwendet werden. Zu Recht sei die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass diese Technik ausreiche, um unzumutbare Risiken auszuschließen, und dass verbleibende Risiken durch anlagenbezogene Maßnahmen im Genehmigungsverfahren ausgeräumt werden könnten. HEPA-Filter gewährleisteten nach Angaben des in der mündlichen Verhandlung gehörten Gutachters, dass die Zahl der Krankheitserreger extrem klein sein werde. Die Wahrscheinlichkeit, dass Erreger austräten, sei an die Schwelle der vernachlässigbaren Geringfügigkeit gerückt. Selbst der Entwurf zur VDI-Richtlinie 4250 würde allenfalls eine „allgemeine“, nicht jedoch eine wissenschaftlich untermauerte Sorge stützen können. Insgesamt zeige sich, dass Erreger zu deutlich über 99,99 % von den Filtern erfasst würden. Das Restrisiko sei praktisch nicht zu quantifizieren oder zu qualifizieren. Zwar könne auch gegenüber bloßen Besorgnispotentialen Vorsorge geboten sein. Das bedeute aber nicht, dass Vorsorge gerade durch räumliche Trennung verwirklicht werden müsse.

4 Zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision machen die Antragsteller eine Verletzung des in § 50 Satz 1 BImSchG verankerten Trennungsgrundsatzes geltend. Das gentechnische Genehmigungsverfahren biete keine hinreichende Möglichkeit zur Konfliktbewältigung. Es bestehe eine staatliche Schutzpflicht im Bereich nicht abschließend geklärter schädlicher Umwelteinwirkungen.

II

5 Die Revision der Antragsteller ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag ohne Verstoß gegen Bundesrecht abgelehnt. Der Bebauungsplan der Antragsgegnerin ist rechtmäßig.

6 1. In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht das Vorliegen beachtlicher Verfahrensfehler verneint.

7 1.1 Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Bekanntmachung zur frühzeitigen Bürgerbeteiligung nicht dadurch ihre Anstoßfunktion eingebüßt hat, dass dem Planentwurf ein Informationsschreiben der Beigeladenen mit möglicherweise irreführenden Ausführungen zu den zu erwartenden Emissionen beigefügt war.

8 Gemäß § 3 Abs. 1 BauGB ist die Öffentlichkeit möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung zu unterrichten. Die Angaben müssen in einem hinreichenden Umfang Aufschluss über das Planungsvorhaben geben und erkennen lassen, welches Planungsvorhaben die Gemeinde betreiben will (Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 22.80 - BVerwGE 69, 344 <345 f.>; Beschluss vom 17. September 2008 - BVerwG 4 BN 22.08 - ZfBR 2008, 806). Die bekannt gemachten Unterlagen müssen geeignet sein, das Informations- und Beteiligungsinteresse der Bürger zu wecken. Diesem Erfordernis ist genügt, wenn der an der beabsichtigten Bauleitplanung interessierte Bürger in die Lage versetzt wird, das Vorhaben einem bestimmten Raum zuzuordnen, und die allgemeine Zielrichtung der Planung deutlich wird. Diese Maßstäbe wurden beachtet. Aus den bekannt gemachten Unterlagen konnten interessierte Bürger hinreichend klar erkennen, dass mit dem Bebauungsplan die Ansiedlung eines Forschungs- und Produktionszentrums für die Entwicklung von Tierimpfstoffen ermöglicht werden sollte. Nach den für die revisionsgerichtliche Beurteilung gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts schloss der ausgelegte Planentwurf Emissionen durch das Vorhaben der Beigeladenen gerade nicht aus. Die interessierten Bürger konnten auch ohne Weiteres erkennen, dass es sich bei dem Informationsblatt nicht um eine Äußerung der Antragsgegnerin, sondern um ein Schreiben der Beigeladenen in eigener Sache handelte. Zu Recht weist das Oberverwaltungsgericht darauf hin, dass solche „Interessentenliteratur“ einem interessierten Bürger in erster Linie Anlass geben dürfte, Anregungen und Einwände zu erheben, um einen möglichen Widerspruch zum Konzept des Planentwurfs aufzuklären. Im Übrigen wäre ein entsprechender Fehler nach § 214 Abs. 1 BauGB, der § 3 Abs. 1 BauGB nicht nennt, unbeachtlich (Beschluss vom 23. Oktober 2002 - BVerwG 4 BN 53.02 - Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 8). Zu Recht weist das Oberverwaltungsgericht darauf hin, dass diese Regelung eindeutig ist und nicht dadurch umgangen werden kann, dass Verfahrensfragen zum Inhalt der Abwägung gerechnet würden. Darüber hinaus hat das Oberverwaltungsgericht den behaupteten Fehler unterstellt und dargelegt, selbst wenn das Vorgehen der Antragsgegnerin zu einer rechtswidrigen frühzeitigen Bürgerbeteiligung geführt haben sollte, wäre dies für die Wirksamkeit des Plans unerheblich, weil er auf die gemäß § 3 Abs. 2 BauGB durchgeführte Auslegung des Plans keinen Einfluss gehabt hätte. Auch das lässt einen Verstoß gegen Bundesrecht nicht erkennen. Zu Recht weist das Oberverwaltungsgericht auf § 3 Abs. 1 Satz 3 BauGB hin, wonach sich an die Unterrichtung und Erörterung das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB auch dann anschließt, wenn die Planung nach der frühzeitigen Bürgerbeteiligung verändert wurde. Entgegen der Auffassung der Antragsteller stellen Änderungen, die sich im Rahmen der nach § 3 Abs. 1 BauGB bekannt gemachten allgemeinen Zielsetzung der Planung bewegen, keinen „Kurswechsel“ dar, der einen Neubeginn des gesamten Verfahrens gebieten könnte. Mit der Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB wird die Öffentlichkeit nach Durchführung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 Abs. 1 BauGB nunmehr über das konkrete Planungskonzept informiert, das der Plangeber nach derzeitiger Erkenntnislage der abwägungsbeachtlichen Belange zu beschließen beabsichtigt. Bei dieser Öffentlichkeitsbeteiligung lagen nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts keine Unterlagen mit irreführenden Informationen aus. Überdies war - wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat - jedenfalls inzwischen in der öffentlichen Diskussion deutlich geworden, dass der Plan nicht nur „Null-Emissionsanlagen“ zulassen sollte.

9 1.2 Das Verfahren leidet auch nicht deswegen an einem gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtlichen Fehler, weil die Antragsgegnerin darauf verzichtet hat, den zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossenen städtebaulichen Vertrag im Rahmen der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB auszulegen.

10 Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung ist der „Entwurf“ des Bebauungsplans, zu dem nach § 2a Satz 1 und § 9 Abs. 8 BauGB der Entwurf der Begründung gehört (Beschluss vom 8. März 2010 - BVerwG 4 BN 42.09 - Buchholz 406.11 § 4a BauGB Nr. 1 Rn. 12). Der zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossene Vertrag ist weder Bestandteil des Bebauungsplanentwurfs noch seiner Begründung. Er wird auch nicht dadurch zum Bestandteil des Entwurfs, dass in der Planbegründung darauf hingewiesen wird, die Antragsgegnerin wolle unabhängig von den Festsetzungen des Bebauungsplans als ergänzende Absicherung die städtebauliche Verträglichkeit der geplanten Ansiedlung mit einem städtebaulichen Vertrag sicherstellen. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist der Plan nicht „unvollständig“. Bei dem angefochtenen Bebauungsplan handelt es sich nicht um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan i.S.d. § 12 BauGB, für den ein Durchführungsvertrag Voraussetzung ist. Anhaltspunkte dafür, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Qualifizierung des Plans als Angebotsbebauungsplan bundesrechtliche Maßstäbe verkannt haben könnte, sind nicht zu erkennen. Die von den Antragstellern in Bezug genommene Entscheidung (OVG Münster, Urteil vom 16. Oktober 1997 - 11 a D 116/96.NE - NVwZ-RR 1998, 632) betrifft nicht eine dem vorliegenden Fall vergleichbare Konstellation, sondern die Pflicht zur Auslegung eines Durchführungsvertrages im Rahmen eines Vorhaben- und Erschließungsplans. Wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, könnte ein städtebaulicher Vertrag daher einem fehlerhaften planungsrechtlichen Abwägungsvorgang oder seinem Ergebnis nicht zur Rechtmäßigkeit verhelfen. Vertragliche Beschränkungen, die über die Festsetzungen des Plans hinausgehen, haben bei der Abwägung außer Betracht zu bleiben. Die planbedingten Nutzungskonflikte musste die Antragsgegnerin entweder durch den Plan selbst oder im Rahmen eines zulässigen Konflikttransfers in nachfolgende Genehmigungsverfahren einer abwägungsfehlerfreien Lösung zuführen.

11 2. Der Bebauungsplan ist auch materiell rechtmäßig.

12 2.1 Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht eine Bindung der Antragsgegnerin gemäß § 1 Abs. 4 BauGB durch landes- bzw. regionalplanerische Festlegungen des LROP 2008 und des RROP 2005 der Region Hannover verneint. Nach den Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts kommt lediglich der Festlegung „Vorranggebiet für Freiraumfunktionen“ im RROP 2005 Zielcharakter zu, für die jedoch eine Abweichung erteilt worden ist. Im Übrigen enthalten die hier relevanten Festlegungen nach der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts keine Ziele i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG, sondern Grundsätze, die in der Abwägung berücksichtigt worden sind. Dass das Oberverwaltungsgericht bei der für die revisionsgerichtliche Beurteilung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindenden Auslegung des Landesrechts die bundesrechtlichen Maßstäbe für eine Zielfestlegung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG verkannt haben könnte, ist nicht zu erkennen.

13 2.2 Das städtebauliche Konzept der Antragsgegnerin zielt nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auf eine Ergänzung des Standortes der Tierärztlichen Hochschule mit Blick auf die wissenschaftlichen und ökonomischen Synergien durch weitere, auch private Forschungseinrichtungen. Das ist ein legitimes städtebauliches Ziel i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB. Der Einwand der Antragsteller, nach der Begründung des Bebauungsplans sei eine „Null-Emissions-Anlage“ geplant, deckt sich nicht mit der auf der Auslegung des Plans beruhenden und damit für die revisionsgerichtliche Prüfung bindenden Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dass ein solches Plankonzept von der Antragsgegnerin spätestens seit der Auslegungsphase eindeutig nicht verfolgt worden sei. Ebenfalls bindend hat das Oberverwaltungsgericht den Plan dahin gehend ausgelegt, dass er eine Ansiedlung von sogenannten Störfallbetrieben i.S.d. Richtlinie 96/82/EG (Seveso-II-Richtlinie) nicht erlaubt.

14 2.3 Die Planung erweist sich auch nicht als abwägungsfehlerhaft. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass es der Antragsgegnerin gelungen sei, die planbedingten Nutzungskonflikte durch Geruchs- und Lärmimmissionen über Planfestsetzungen zu lösen, und dass die Bewältigung möglicher Konflikte durch luftgetragene Krankheitserreger (sog. Bioaerosole) in nachfolgende Verfahren verlagert werden durfte, zumal sie vorsorglich eine konfliktmindernde Festsetzung in § 1 Abs. 4 der textlichen Festsetzungen aufgenommen habe, lässt einen Verstoß gegen Bundesrecht nicht erkennen. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, die Antragsgegnerin habe daher davon ausgehen dürfen, dass auf die Nachbarschaft des Plangebiets ohnehin nur irrelevante Immissionen einwirken werden.

15 2.3.1 Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans, die Vorkehrungen gegen die Entstehung erheblicher Geruchsimmissionen enthalten, rechtmäßig sind und ihren Zweck erreichen, so dass es zu keiner relevanten Geruchsbelästigung kommt, verstößt nicht gegen Bundesrecht.

16 Die Festsetzung eines quellenbezogenen Geruchsimmissionszusatzpegels ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich dabei nicht um einen unzulässigen Zaunwert (vgl. dazu Beschluss vom 18. Dezember 1990 - BVerwG 4 N 6.88 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 50 und Urteil vom 16. Dezember 1999 - BVerwG 4 CN 7.98 - BVerwGE 110, 193 <200>). Das Oberverwaltungsgericht hat im Einzelnen dargelegt, die Festsetzung bewirke, dass jede Anlage und jeder Betrieb für sich genommen nicht mehr als die Zusatzbelastung auslösen darf, die durch Bezugnahme auf das in der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) geregelte sog. Irrelevanzkriterium bestimmt wird, und dass eine Rückrechnung dadurch erfolgen kann, dass im Genehmigungsverfahren ausgehend von einem konkreten Projekt durch Ausbreitungsrechnung untersucht wird, welche Zusatzbelastung entstehen wird. Auf dieser Grundlage ist die Bestimmtheit, insbesondere die Berechenbarkeit des für jedes Vorhaben geltenden Zusatzpegels gegeben. Mit einer solchen Beschränkung des Emissionspotenzials einer Anlage durch Rückgriff auf einen Geruchsimmissionszusatzpegel wird in zulässiger Weise die Art der Nutzung festgelegt (Urteil vom 28. Februar 2002 - BVerwG 4 CN 5.01 - Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 25 zur VDI-Richtlinie 3471). Gegen die Verwendung des Irrelevanzkriteriums zur Bestimmung des Zusatzpegels bestehen keine Bedenken. Nach der Geruchsimmissionsrichtlinie ist zwar grundsätzlich auf die Vorbelastung und Zusatzbelastung durch die neu hinzutretende Anlage abzustellen, aus der sich die Gesamtbelastung ergibt (Nr. 4.6 GIRL). Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Erweist sich die prognostizierte Zusatzbelastung nach allgemeiner fachlicher Einschätzung als geringfügig und damit als irrelevant, darf von der Ermittlung der vorhandenen Vorbelastung abgesehen werden. Bei Einhaltung des als Irrelevanzschwelle verstandenen Wertes von 0,02 (= 2 % Jahresgeruchsstunden) wird davon ausgegangen, dass die hinzutretende Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht (Nr. 3.3 GIRL). Die Regelung markiert einen zulässigen Bagatellvorbehalt. Wann eine geruchliche Einwirkung Bagatellcharakter hat, ist eine außerrechtliche Fachfrage. Die Geruchsimmissionsrichtlinie beruht auf Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen, auf deren Grundlage einheitliche Maßstäbe und Beurteilungsverfahren für die immissionsschutzrechtliche Bewertung von Gerüchen sichergestellt werden sollen (Beschluss vom 14. November 2007 - BVerwG 7 B 45.07 - juris Rn. 2). Dass technische Regelwerke wie die Geruchsimmissionsrichtlinie Ausdruck einer sachverständig gegründeten fachlichen Einschätzung sind und als Orientierungshilfe bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe herangezogen werden dürfen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (Beschluss vom 28. Juli 2010 - BVerwG 4 B 29.10 - ZfBR 2010, 792 m.w.N.).

17 Entgegen der Auffassung der Antragsteller führt der Umstand, dass die nach der Geruchsimmissionsrichtlinie für Wohngebiete geltende Schwelle von 10 % Jahresgeruchsstunden nicht überschritten werden darf, nicht zu einem unzulässigen „Windhundrennen“. Das Oberverwaltungsgericht hat das Problem der mehrfachen Anwendung des Irrelevanzkriteriums gesehen und hierzu in tatsächlicher Hinsicht bindend festgestellt, dass alle Vorhaben (Betriebe und Anlagen) zusammen die nach der Geruchsimmissionsrichtlinie für Wohngebiete geltende Schwelle von 10 % auch bei Berücksichtigung der von der vorhandenen Tierärztlichen Hochschule ausgehenden Immissionen nicht überschreiten, weil das Plangebiet nicht Raum für viele Vorhaben biete. Selbst wenn - bei unterstellter Unbestimmtheit des Zusatzpegels - ein einzelnes Vorhaben über 2 % Geruchsstunden Zusatzbelastung emittieren dürfe, könne die Grenze von maximal 10 % im Planvollzug eingehalten werden. Wenn aber offensichtlich ist, dass das Plangebiet aus tatsächlichen Gründen nur eine beschränkte Nutzung ermöglicht, so dass sich die Frage einer möglichen Summation von vornherein nicht stellt, durfte der Plangeber auch darauf verzichten, über die Regelung des Zusatzpegels hinaus vorhabenbezogene Vorkehrungen gegen eine Überschreitung des (zusätzlichen) Schutzstandards von 10 % Jahresgeruchsstunden zu treffen.

18 2.3.2 Die Auffassung des Oberverwaltungsgericht, die Konfliktbewältigung in Bezug auf Risiken durch Bioaerosole sei rechtsfehlerfrei gelungen, weil die Antragsgegnerin die Konfliktlösung in das Genehmigungsverfahren habe verlagern dürfen und die textliche Festsetzung in § 1 Abs. 4 mit dem Ausschluss von Arbeiten der gentechnischen Sicherheitsstufe 4 eine zusätzliche Sicherheit biete, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

19 Grundsätzlich hat jeder Bebauungsplan die von ihm geschaffenen oder ihm zurechenbaren Konflikte zu lösen. Das schließt eine Verlagerung von Problemen in ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren nicht zwingend aus. Das Gebot der Konfliktbewältigung hat seine rechtliche Wurzel im Abwägungsgebot und besagt, dass die von der Planung berührten Belange zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden müssen. Von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan darf die Gemeinde Abstand nehmen, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist (Beschlüsse vom 14. Juli 1994 - BVerwG 4 NB 25.94 - NVwZ-RR 1995, 130 <131>, vom 8. November 2006 - BVerwG 4 BN 32.06 - juris Rn. 10, vom 15. Oktober 2009 - BVerwG 4 BN 53.09 - juris Rn. 5 und vom 16. März 2010 - BVerwG 4 BN 66.09 - Buchholz 406.25 § 50 BImSchG Nr. 7 Rn. 27). Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung sind indes überschritten, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der Interessenkonflikt auch in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lassen wird (Urteil vom 11. März 1988 - BVerwG 4 C 56.84 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30; Beschluss vom 26. März 2007 - BVerwG 4 BN 10.07 - juris Rn. 9). Eine Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zu Lasten Betroffener auf der Ebene der Vorhabenzulassung letztlich ungelöst bleiben.

20 Dem Oberverwaltungsgericht ist zuzustimmen, dass das Gentechnikrecht geeignet ist, hinreichend Vorsorge gegen das von Bioaerosolen ausgehende Risiko zu leisten. Eine genaue Beurteilung des Umfangs einer Freisetzung von Krankheitserregern und des damit verbundenen Risikos für Anwohner durfte im Planaufstellungsverfahren unterbleiben, weil das bei der Anlagenzulassung und Genehmigung der Arbeiten zur Anwendung kommende Gentechnikrecht geeignet ist, die mit der Ausnutzung der Planfestsetzung verbundenen Risiken auf ein rechtlich irrelevantes Minimum zu reduzieren.

21 Unter Bioaerosolen ist nach der Definition in dem Entwurf der VDI-Richtlinie 4250 „Bioaerosole und biologische Agenzien, Umweltmedizinische Bewertung von Bioaerosol-Immissionen“ die Summe aller im Luftraum befindlichen Ansammlungen von Partikeln zu verstehen, denen Pilze (Sporen, Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakterien, Viren und/oder Pollen sowie deren Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte (z.B. Endotoxine, Mykotoxine) anhaften bzw. die diese beinhalten oder bilden. Den bisherigen Untersuchungen lassen sich - wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat - zuverlässige Erkenntnisse darüber, bei welchen Entfernungen Schadstoffe aus Tierhaltungsbetrieben größtenteils beeinträchtigend wirken könnten, nicht entnehmen. Medizinisch begründete Immissionsgrenzwerte für Bioaerosole existieren nicht. Auch in dem Entwurf der VDI-Richtlinie 4250 wird darauf hingewiesen, dass es bis heute weder international noch auf nationaler Ebene gelungen sei, Dosis-Wirkungs-Beziehungen für gesundheitsrelevante Bioaerosole zu erstellen oder allgemeingültige auf die Wirkung am Menschen bezogene Schwellenwerte bzw. Grenzwerte abzuleiten (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 9. August 2011 - 12 LA 55/10 - RdL 2011, 262 - juris Rn. 10 und vom 14. Februar 2011 - 12 LA 8/09 - NVwZ-RR 2011, 397 - juris Rn. 11; OVG Münster, Beschlüsse vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 - juris Rn. 53 ff., vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 - UPR 2011, 33 und vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 - juris Rn. 26; VGH München, Urteil vom 24. März 2011 - 22 B 10.23 16 - NVwZ-RR 2011, 595 - juris Rn. 24).

22 Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 GenTG setzt die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gentechnischen Anlage voraus, dass gewährleistet ist, dass für die erforderliche Sicherheitsstufe die nach dem Stand der Wissenschaft und Technik notwendigen Einrichtungen vorhanden und Vorkehrungen getroffen sind und deshalb schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter nicht zu erwarten sind. Vor der Entscheidung über eine Genehmigung hat die zuständige Behörde über die zuständige Bundesoberbehörde gemäß § 10 Abs. 7 GenTG eine Stellungnahme der nach § 4 GenTG eingerichteten Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) zur sicherheitstechnischen Einstufung der vorgesehenen gentechnischen Arbeiten und zu den erforderlichen sicherheitstechnischen Maßnahmen einzuholen. Das gilt jedenfalls für Arbeiten der hier zulässigen Sicherheitsstufe 3. Die Tätigkeit der Kommission stattet die Genehmigungsbehörde mit dem wissenschaftlichen und technischen Sachverstand aus, den sie benötigt, um (letzt-)verantwortlich über die mit dem Genehmigungsantrag verbundenen Risiken zu entscheiden. Die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gentechnischen Anlage umfasst nur die in diesem Verfahren beantragten „erstmaligen“ Arbeiten (§ 8 Abs. 1 Satz 3 GenTG). Jede „weitere“ Arbeit bedarf der erneuten Zulassung (Anmeldung oder Genehmigung) durch die zuständige Behörde (§ 9 GenTG). Während eine erteilte Genehmigung punktuell und statisch den Rahmen beschreibt, innerhalb dessen die Errichtung und der Betrieb einer Anlage oder die Durchführung einer Arbeit zulässig ist, sind die Grundpflichten nach § 6 GenTG dynamisch ausgestaltet und bewirken, dass ein Betreiber sich an den aktuellen wissenschaftlichen und technischen Standards auszurichten hat. So sind gemäß § 6 Abs. 1 GenTG die Risikobewertung und die Sicherheitsmaßnahmen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und wenn erforderlich zu überarbeiten, unter den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Voraussetzungen auch „unverzüglich“. Damit ist - wie auch das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat - der Anschluss an neue sicherheitsrelevante Entwicklungen nach dem Stand der Wissenschaft gewährleistet.

23 Welche Maßnahmen bei der Anlagenzulassung und Genehmigung der Arbeiten mit Tierimpfstoffen, für die - wie das Oberverwaltungsgericht im Einzelnen dargelegt hat - das Gentechnikrecht ohne Schutzlücke gilt, getroffen werden müssen, bestimmt sich nach der wertenden Zuordnung zu den Sicherheitsstufen i.S.d. § 7 Abs. 1 GenTG. Danach werden gentechnische Arbeiten entsprechend ihrem Gefährdungspotential in vier Sicherheitsstufen eingeordnet. Die im Genehmigungsverfahren bedeutsamen Sicherheitsstufen 2 bis 4 sind je nach dem Grad des sie kennzeichnenden Risikos („gering“ - „mäßig“ - „hoch“) mit unterschiedlich strengen Anforderungen an das „geschlossene System“, d.h. an den Abschluss der Anlage gegenüber ihrer Umgebung, verbunden (Beschluss vom 15. April 1999 - BVerwG 7 B 278.98 - Buchholz 419.01 § 8 GenTG Nr. 1 - juris Rn. 4). Ziel der hieran anknüpfenden Sicherheitsmaßnahmen ist es, dass das Risiko der Arbeiten „gleichsam neutralisiert“ wird, so dass eine ins Gewicht fallende Gefährdung der Umwelt auszuschließen ist (Amtl. Begründung zu § 7 GenTSV, zitiert nach: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, GenTR/BioMedR, Bd. II, Stand März 2012, GenTSV § 7 Rn. 3). § 11 Abs. 1 Nr. 3 GenTG bestimmt unter anderem, dass die sich aus der Gentechnik-Sicherheitsverordnung - GenTSV - ergebenden Pflichten für die Durchführung der vorgesehenen gentechnischen Arbeiten erfüllt werden. Die Gentechnik-Sicherheitsverordnung enthält in Anhang V spezielle Sicherheitsmaßnahmen für Tierhaltungsräume, für die gemäß § 11 Abs. 2 i.V.m. § 9 GenTSV ergänzend die allgemein für Laborarbeiten geltenden Vorgaben in Anhang III gelten. Sofern mit pathogenen Organismen gearbeitet wird, für die eine Übertragung durch die Luft nicht ausgeschlossen werden kann, müssen bei Arbeiten in Tierhaltungsräumen nach Sicherheitsstufe 3 gemäß Anhang V Ziffer III Nr. 1 Buchst. f) ständiger, durch Alarmgeber kontrollierbarer Unterdruck und Hochleistungsschwebstofffilter (HEPA-Filter = High Efficiency Particulate Airfilter) zur Filtration der Abluft vorhanden sein. Diese Vorgabe findet sich auch in Anhang III Teil A. unter Ziffer III Nr. 11.

24 Nach den für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass bei Einsatz des nach Anhang V und III für Arbeiten der Sicherheitsstufe 3 vorgeschriebenen Unterdrucks und der Filtertechnik der Anteil der Krankheitserreger, die luftgetragen austreten können, extrem niedrig ist und zu deutlich über 99,99 % von den Filtern erfasst wird. HEPA-Filter seien gerade in dem
(Nano-)Bereich, in dem die Krankheitserreger auch nach den Darlegungen des von den Antragstellern aufgebotenen Gutachters größentechnisch angesiedelt seien, in extrem hohem Maße effizient. Sie seien nach den Darlegungen des in der mündlichen Verhandlung angehörten Sachverständigen mittlerweile jahrzehntelang erprobt; es sei sogar gelungen, gerade im Hinblick auf Partikel im Nanobereich ihre Effizienz nicht nur, wie bis dahin, durch Modellberechnungen, sondern durch Empirie nachzuweisen.

25 Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge der Antragsteller ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht durfte den hilfsweise gestellten Beweisantrag Nr. 4 mit der Begründung ablehnen, er ziele nicht auf eine Tatsachenfrage, sondern auf die Rechtslage. Die Formulierung des Antrags lässt mit Blick auf die Hilfsbeweisanträge Nr. 1 bis 3 nicht erkennen, dass er auf Klärung einer der Sachverhaltsaufklärung zugänglichen Frage der Technik gerichtet war. Selbst wenn unterstellt würde, der Antrag habe - wie die Antragsteller mit der Revision geltend machen - der Klärung einer entscheidungserheblichen Tatsache gedient, zeigen die Antragsteller nicht auf, dass das Oberverwaltungsgericht Anlass gehabt hätte, weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Einwände gegen die fachliche Qualifikation bzw. das methodische Vorgehen des in der mündlichen Verhandlung gehörten Gutachters, auf den sich das Oberverwaltungsgericht - unter Auseinandersetzung mit den Darlegungen des von den Antragstellern aufgebotenen Gutachters - stützt und dessen Ausführung das Gericht als „überzeugend“ gewertet hat, haben die Antragsteller nicht vorgetragen. Reicht ein bereits eingeholtes Gutachten aus, um das Gericht in die Lage zu versetzen, die entscheidungserheblichen Fragen sachkundig zu beurteilen, ist die Einholung eines weiteren Gutachtens oder Obergutachtens weder notwendig noch veranlasst.

26 Mit dem dargelegten Regelungssystem des Gentechnikrechts wird der Gesetzgeber den Anforderungen an die staatlichen Schutzpflichten gerecht. Zwar erfasst Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen auch mögliche Schäden, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, weshalb noch keine Gefahr, sondern nur ein Gefahrenverdacht oder ein Besorgnispotential besteht (Urteil vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329). Bei der Erfüllung staatlicher Schutzpflichten kommt dem Gesetzgeber wie der vollziehenden Gewalt jedoch ein weiterer Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitenden Schutzpflichten des Gesetzgebers stehen solchen Vorschriften grundsätzlich nicht entgegen, die insoweit ein Restrisiko in Kauf nehmen, als sie Genehmigungen auch dann zulassen, wenn sich nicht völlig ausschließen lässt, dass künftig durch das Gebrauchmachen von der Genehmigung ein Schaden auftreten wird. Vom Gesetzgeber im Hinblick auf seine Schutzpflicht eine Regelung zu fordern, die mit absoluter Sicherheit Gefährdungen ausschließt, die aus der Zulassung technischer Anlagen und ihrem Betrieb möglicherweise entstehen können, hieße die Grenzen menschlichen Erkenntnisvermögens verkennen und würde weithin jede staatliche Zulassung der Nutzung von Technik verbannen. Maßstab ist insoweit die Abschätzung des Risikos anhand praktischer Vernunft (BVerfG, Beschluss vom 12. November 2008 - 1 BvR 2456/06 - BVerfGK 14, 402 <407 f.>). Ungewissheiten jenseits dieser Schwelle praktischer Vernunft haben ihre Ursache in den Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens und sind als unentrinnbare und insofern sozialadäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen (BVerfG, Urteil vom 12. November 2008 a.a.O.). Die Schutzpflicht des Gesetzgebers endet regelmäßig dort, wo ein nach Beachtung der einschlägigen gesetzlichen Vorgaben verbleibendes Restrisiko praktisch nicht mehr quantifizierbar ist.

27 2.3.3 Die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, die Antragsgegnerin habe der Nähe zur Tierärztlichen Hochschule ein höheres Gewicht als dem Gebot der räumlichen Trennung gemäß § 50 Satz 1 Alt. 1 BImSchG beigemessen und auf eine vertiefte Prüfung von Standortalternativen verzichten dürfen, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

28 Dass die Antragsgegnerin zur Konfliktbewältigung auf das Gentechnikrecht verweisen durfte, entbindet nicht von einer Beachtung des Trennungsgrundsatzes gemäß § 50 Satz 1 Alt. 1 BImSchG im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung. Nach § 50 Satz 1 Alt. 1 BImSchG sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen, zu denen auch die Aufstellung von Bebauungsplänen gehört, die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete so weit wie möglich vermieden werden. Dabei umfasst der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen nicht nur Gefahren im sicherheitsrechtlichen Sinne, sondern auch erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft. Eine Bauleitplanung ist regelmäßig verfehlt, wenn sie unter Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz dem Wohnen dienende Gebiete anderen Gebieten so zuordnet, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die Wohngebiete nicht soweit wie möglich vermieden werden (Beschluss vom 22. Juni 2006 - BVerwG 4 BN 17.06 - BImSchG-Rspr § 50 Nr. 40). Der Tatbestand des § 50 BImSchG ist deshalb auch dann eröffnet, wenn schädliche Umwelteinwirkungen in Rede stehen, die durch Instrumente der Konfliktbewältigung in einem der Planung nachfolgenden Verfahren beherrschbar sind.

29 Der Trennungsgrundsatz gemäß § 50 Satz 1 Alt. 1 BImSchG stellt jedoch kein zwingendes Gebot dar, sondern eine Abwägungsdirektive. Er kann im Rahmen der planerischen Abwägung durch andere Belange von hohem Gewicht überwunden werden (Urteile vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 71.07 - juris Rn. 44, vom 25. Mai 2011 - BVerwG 9 A 15.10 - juris Rn. 21 und vom 28. Januar 1999 - BVerwG 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248 <253>). Der Rechtsprechung zu § 50 BImSchG ist nicht zu entnehmen, dass eine Zurückstellung immissionsschutzrechtlicher Belange nur dann abwägungsfehlerfrei ist, wenn die Planung durch entgegenstehende Belange mit hohem Gewicht „zwingend“ geboten ist. Ob sich eine Abwägungsdirektive wie der Grundsatz der Trennung unverträglicher Raumnutzungen in der Abwägung durchsetzt, entscheidet sich erst in einer Bewertung der konkreten Einzelfallumstände (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 164). Vom Trennungsgrundsatz gemäß § 50 Satz 1 Alt. 1 BImSchG sind Ausnahmen zulässig, wenn sichergestellt werden kann, dass von der projektierten Nutzung im Plangebiet nur unerhebliche Immissionen ausgehen, und wenn im Einzelfall städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht hinzutreten, die es rechtfertigen, eine planerische Vorsorge durch räumliche Trennung zurücktreten zu lassen.

30 Gemessen hieran durfte die Antragsgegnerin der Nähe zur Tierärztlichen Hochschule und den damit verbundenen wissenschaftlichen und ökonomischen Synergieeffekten bei ihrer Abwägung ein hohes Gewicht und der Alternativenfrage ein vergleichsweise geringeres Gewicht beimessen. Entgegen der Auffassung der Antragsteller beruht die Gewichtung nicht lediglich auf vorgeschobenen Nützlichkeitserwägungen. Wissenschaftlicher Austausch beschränkt sich nicht auf Kommunikation mit modernen technischen Mitteln, sondern setzt insbesondere dann, wenn Laborarbeiten Gegenstand der Forschung sind, auch einen persönlichen Austausch voraus. Dass die Nähe zur Tierärztlichen Hochschule den wissenschaftlichen Austausch fördert, belegt auch der - im Zusammenhang mit der Gefahrenprognose angeführte - Hinweis des Gutachters, dass Forschungsinstitute dieser Art anderenorts verbreitet auf den Universitätsgeländen (Campus) angesiedelt würden. Der besondere Vorteil des vorhandenen Standorts gewinnt auch deswegen an Gewicht, weil sich das Restrisiko der geplanten Anlage - wie dargelegt - auf ein allgemeines Besorgnispotential reduziert. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Plangeber durch textliche Festsetzungen ausgeschlossen hat, dass im Plangebiet mit den für Menschen gefährlichen Erregern der gentechnischen Sicherheitsstufe 4 gearbeitet wird. Vor diesem Hintergrund durfte die Antragsgegnerin die Nähe zur Tierärztlichen Hochschule für so hochwertig halten, dass dieser Belang für sie gewichtiger war als denkbare Unterschiede im Maß der Beeinträchtigungen Dritter unterhalb der Gefahrenschwelle an den unterschiedlichen Standorten. Es besteht auch keine Schutzlücke. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die auf die jeweilige Sicherheitsstufe bezogenen Sicherheitsmaßnahmen nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GenTSV Anforderungen für den Regelfall darstellen und nach Satz 3 im Hinblick auf etwaige sicherheitsrelevante Besonderheiten der vorgesehenen Arbeiten sowohl nach unten als auch nach oben veränderbar sind. Sicherheitsrelevant ist gerade auch die räumliche Lage einer Anlage, in der Arbeiten i.S.d. § 2 Abs. 1 GenTG vorgenommen werden. Durfte der Plangeber unter Verweis auf die Leistungsfähigkeit des Gentechnikrechts in zulässiger Weise den Standort einer solchen Anlage in räumlicher Nähe zu geschützter Wohnnutzung planen, dann hat die zuständige Behörde diesen Umstand gerade auch bei Entscheidungen über Abweichungen vom Regelfall zu berücksichtigen.

31 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO.