Verfahrensinformation

In dem Revisionsverfahren ist der Bedeutungsgehalt des gesetzlichen Begriffes der zwingenden dienstlichen Gründe gemäß § 6c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LRiG NW (§ 76a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DRiG) zu klären, bei deren Vorliegen der Antrag eines Richters auf sog. voraussetzungslose Teilzeitbeschäftigung abgelehnt werden muss. Der Kläger ist Richter an einem Amtsgericht mit 45 Richterstellen. Er hat Teilzeitbeschäftigung in Form des sog. Sabbatjahrmodells beantragt, bei dem einer drei- bis siebenjährigen Phase der Vollzeitbeschäftigung ein Freistellungsjahr folgt. Der Präsident des Oberlandesgerichts hat den Antrag im Hinblick auf die sehr angespannte Personallage bei dem Amtsgericht und im OLG-Bezirk abgelehnt. Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sehen zwingende dienstliche Gründe regelmäßig voraus, dass im Falle der Teilzeitbeschäftigung gravierende Beeinträchtigungen der Rechtssprechungstätigkeit an dem betroffenen Gericht drohen.


Urteil vom 30.03.2006 -
BVerwG 2 C 23.05ECLI:DE:BVerwG:2006:300306U2C23.05.0

Leitsatz:

Der Teilzeitbeschäftigung von Richtern stehen zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 6c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LRiG NRW (§ 76c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DRiG) nur entgegen, wenn die Teilzeitbeschäftigung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsprechungstätigkeit an demjenigen Gericht führen würde, an dem der Richter tätig ist.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 97
    DRiG § 76c Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2
    LRiG NRW § 6c Abs. 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2

  • OVG Münster - 17.02.2005 - AZ: OVG 1 A 3893/03 -
    OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 17.02.2005 - AZ: OVG 1 A 3893/03

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 30.03.2006 - 2 C 23.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:300306U2C23.05.0]

Urteil

BVerwG 2 C 23.05

  • OVG Münster - 17.02.2005 - AZ: OVG 1 A 3893/03 -
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 17.02.2005 - AZ: OVG 1 A 3893/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dawin, Groepper,
Dr. Bayer und Dr. Heitz
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger ist Richter am Amtsgericht. Er ist als Vormundschaftsrichter am Amtsgericht ... tätig, das zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung mit 45,2 aktiven Richterkräften besetzt war.

2 Den Antrag des Klägers, ihm Teilzeitbeschäftigung in Form des Sabbatjahrmodells mit abschließendem Freistellungsjahr in der Zeit vom 1. August 2008 bis 31. Juli 2009 zu bewilligen, lehnte der Präsident des Oberlandesgerichts ... ab, weil die durchschnittliche Belastung der Richter im Bezirk des Oberlandesgerichts und am Amtsgericht ... deutlich über der errechneten Sollbelastung liege. Der Kläger könne während der Freistellung aus haushaltsrechtlichen Gründen allenfalls in Höhe des Freistellungsanteils ersetzt werden.

3 Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, dem Kläger antragsgemäß Teilzeitbeschäftigung zu bewilligen. Die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

4 Der Kläger habe gemäß § 6c Abs. 1 und 3 des Richtergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - LRiG NRW - einen Bewilligungsanspruch, weil kein gesetzlicher Versagungsgrund gemäß § 6c Abs. 2 LRiG NRW vorliege. Der beantragten Teilzeitbeschäftigung stünden keine zwingenden dienstlichen Gründe im Sinne von § 6c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LRiG NRW entgegen. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte dieser Regelung sowie nach ihrem systematischen Zusammenhang setzten zwingende dienstliche Gründe voraus, dass aufgrund der beantragten Teilzeitbeschäftigung eine gravierende Beeinträchtigung der Rechtsprechungstätigkeit an demjenigen Gericht zu erwarten sei, an dem der Richter tätig sei. Dies könne im vorliegenden Fall nicht angenommen werden. Werde der Ausfall des Klägers für die Dauer der einjährigen Freistellung nicht durch eine Ersatzkraft ausgeglichen, so sei es in Anbetracht der Größe des Amtsgerichts ... zumutbar, die richterlichen Aufgaben des Klägers auf die dort tätigen Richter zu verteilen.

5 Mit der Revision rügt das beklagte Land die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2005 und des Verwaltungsgerichts Aachen vom 3. Juli 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7 Die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren.

II

8 Der Senat hat über die Revision zu entscheiden, auch wenn gemäß § 37 Nr. 4f des Richtergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - LRiG NRW - (§ 78 Nr. 4f DRiG) für die Anfechtung einer Verfügung über die Ermäßigung des Dienstes nach den §§ 6a bis 6c dieses Gesetzes der Rechtsweg zu den Richterdienstgerichten gegeben ist. Eine Verweisung des Rechtsstreits ist gemäß § 17a Abs. 5 GVG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Danach kommt bei einer Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts in der Hauptsache eine Rechtswegverweisung in der Rechtsmittelinstanz auch dann nicht mehr in Betracht, wenn sich dieses Gericht mit der Frage des zulässigen Rechtswegs nicht befasst hat.

9 Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung im Umfang von zwei Dritteln des regelmäßigen Dienstes in der Form des Sabbatjahrmodells ab dem 1. August 2006 mit abschließender Freistellung vom 1. August 2008 bis 31. Juli 2009.

10 Richtern im Dienst des Beklagten wird durch § 6c LRiG NRW die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung auch dann eröffnet, wenn keine familiären Gründe oder Arbeitsmarktgründe vorliegen (sog. voraussetzungslose Teilzeitbeschäftigung). Gemäß § 6c Abs. 1 LRiG NRW i.d.F. vom 10. Februar 1998 (GV.NRW S. 134) ist einem Richter auf Antrag Teilzeitbeschäftigung bis zur Hälfte des regelmäßigen Dienstes und bis zur jeweils beantragten Dauer zu bewilligen. Gemäß § 6c Abs. 3 Satz 1 LRiG NRW i.d.F. vom 20. April 1999 (GV.NRW S. 148) gilt dies auch für die Ermäßigung des regelmäßigen Dienstes auf zwei Drittel bis sechs Siebtel in der Form des Sabbatjahrmodells. Danach schließt sich einer Phase der vollen Beschäftigung von zwei bis sechs Jahren eine Freistellungsphase von einem Jahr an. Gemäß § 6c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 LRiG NRW darf einem Antrag nur entsprochen werden, wenn keiner der aufgeführten Versagungsgründe vorliegt. Insbesondere dürfen der Teilzeitbeschäftigung zwingende dienstliche Gründe nicht entgegenstehen (Nr. 2).

11 Diese Regelungen füllen den von § 76c Abs. 1 und 2 DRiG bundesgesetzlich vorgegebenen Rahmen für die voraussetzungslose Teilzeitbeschäftigung der Richter im Landesdienst aus. Die Vorschrift über die Versagungsgründe gemäß § 6c Abs. 2 LRiG NRW stimmt wörtlich mit der Rahmenvorschrift gemäß § 76c Abs. 2 DRiG überein.

12 Die Bewilligung voraussetzungsloser Teilzeitbeschäftigung gemäß § 6c Abs. 1 bis 3 LRiG NRW steht nicht im Ermessen der Justizverwaltung, sondern ist als gebundene Erlaubnis ausgestaltet. Dem Richter steht ein Bewilligungsanspruch zu, wenn sich die beantragte Teilzeitbeschäftigung nach Art, Umfang und Dauer innerhalb der gesetzlichen Schranken hält und kein gesetzlicher Versagungsgrund eingreift.

13 Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelungen. Ebenso wie die Rahmenvorschrift des § 76c Abs. 1 Satz 1 DRiG bestimmt § 6c Abs. 1 LRiG NRW, dass Teilzeitbeschäftigung „zu bewilligen ist“. Diese Wortwahl findet sich auch in § 6c Abs. 3 Satz 1 LRiG NRW in Bezug auf das Sabbatjahrmodell. Dementsprechend heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Einführung von § 6c Abs. 1 und 2 LRiG NRW, mit der Neuregelung werde Richtern ein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung ohne weitere Voraussetzungen gegeben, wenn das Aufgabengebiet Teilzeitbeschäftigung zulasse und zwingende dienstliche Gründe nicht entgegenstünden (LTDrucks 12/2124 S. 51).

14 Die Zuerkennung eines gesetzlichen Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung trägt auch der in Art. 97 GG verankerten richterlichen Unabhängigkeit Rechnung. Diese Verfassungsgarantie fordert, die Abhängigkeit der Richter von der Justizverwaltung so gering wie möglich zu halten. Es soll jede Einflussnahme auf die Rechtsstellung der Richter unterbleiben, die vermeidbar, weil nicht aus Gründen der Funktionsfähigkeit der Justiz erforderlich ist. Daher ist der Gesetzgeber im Regelfall gehalten, die Voraussetzungen abschließend zu normieren, unter denen er Richtern eine Rechtsposition einräumt. Deren Gewährung darf nicht in das Ermessen der Justizverwaltung gestellt werden (BVerfG, Beschlüsse vom 24. Januar 1961 - 2 BvR 74/60 - BVerfGE 12, 81 <88 ff.>, vom 4. Juni 1969 - 2 BvR 33/66, 2 BvR 387/66 - BVerfGE 26, 79 <93 f.> und vom 27. Juni 1974 - 2 BvR 429/72 u.a. - BVerfGE 38, 1 <21>).

15 Gemäß § 6c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LRiG NRW (§ 76c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DRiG) besteht ein Bewilligungsanspruch nicht, wenn der Teilzeitbeschäftigung zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. Nach dem Wortlaut der Regelung müssen sich diese Gründe gerade aus der konkret beantragten Teilzeitbeschäftigung ergeben.

16 Der Bedeutungsgehalt unbestimmter Rechtsbegriffe wie „dienstlicher Belang“, „öffentliches Interesse“ und „dienstlicher Grund“ ergibt sich aus der Zweckbestimmung und Zielsetzung der jeweiligen gesetzlichen Regelung sowie aus dem systematischen Zusammenhang, in den der Begriff hineingestellt ist (Urteile vom 9. Februar 1972 - BVerwG 6 C 20.69 - BVerwGE 39, 291 <296> und vom 29. April 2004 - BVerwG 2 C 21.03 - Buchholz 237.95 § 88a SHLBG Nr. 1). Beschreibt ein solcher Begriff einen Grund für die Versagung von Teilzeitbeschäftigung, so bringt er das Interesse an der sachgemäßen und möglichst reibungslosen Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zur Geltung. Er soll die Berücksichtigung der Nachteile ermöglichen, die die Teilzeitbeschäftigung voraussichtlich für den Dienstbetrieb mit sich bringt. Dabei sind regelmäßig die organisatorischen und personalwirtschaftlichen Entscheidungen zugrunde zu legen, die der Dienstherr in Ausübung des ihm zustehenden Organisationsrechts getroffen hat (Urteil vom 29. April 2004 a.a.O.).

17 Kann die Teilzeitbeschäftigung nur aus zwingenden dienstlichen Gründen abgelehnt werden, wie dies § 6c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LRiG NRW vorsieht, so sind besonders hohe Anforderungen an die zu erwartenden Nachteile für den Dienstbetrieb zu stellen. Dies betrifft sowohl die Schwere als auch den Grad der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts. Die gegen die Teilzeitbeschäftigung eines Richters sprechenden Gründe sind nur dann zwingend, wenn die Teilzeitbeschäftigung mit großer Wahrscheinlichkeit zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen für die Rechtsprechungstätigkeit führen würde. Aufgrund des (teilweisen) Ausfalls des Richters müssen Einbußen für den gerichtlichen Rechtsschutz zu erwarten sein, die bei vernünftiger Betrachtung nicht mehr hinnehmbar sind. Dieser Bedeutungsgehalt des gesetzlichen Begriffs „zwingende dienstliche Gründe“ im Sinne von § 6c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LRiG NRW (§ 76c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DRiG) folgt aus Wortsinn und systematischem Zusammenhang sowie aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift:

18 Wie der Senat in dem Urteil vom 29. April 2004 (a.a.O.) dargelegt hat, kommt durch die Beschreibung der gegen die Teilzeitbeschäftigung sprechenden dienstlichen Gründe als „dringend“ oder „zwingend“ zum Ausdruck, dass die Bedeutung der zu erwartenden Nachteile über das Normalmaß hinausgeht. Dabei liegen die Anforderungen bei der Verwendung des Begriffs „dringend“ niedriger als beim Begriff „zwingend“. Die regelmäßig und generell mit einer Teilzeitbeschäftigung verbundenen Erschwernisse wie etwa die Einstellung einer Ersatzkraft oder die Notwendigkeit einer gewissen Umorganisation stellen bereits keine dringenden dienstlichen Gründe dar. Davon ausgehend kennzeichnet der Begriff „zwingend“ die höchste Prioritätsstufe. Nach dem Wortsinn müssen die mit „zwingend“ bezeichneten dienstlichen Gründe von einem solchen Gewicht sein, dass eine weitere Vollzeitbeschäftigung unerlässlich ist, um die sachgerechte Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben sicherstellen zu können.

19 Dieses Verständnis entspricht auch dem gesetzgeberischen Willen. Durch die Einführung der voraussetzungslosen Teilzeitbeschäftigung für Richter im Landesdienst wollte der Landesgesetzgeber die Vorgaben des Bundesrahmenrechts, insbesondere den Katalog der Versagungsgründe gemäß § 76c Abs. 2 DRiG, inhaltlich unverändert, d.h. mit dem ihnen vom Bundesgesetzgeber beigelegten Bedeutungsgehalt, in das Landesrecht übernehmen (vgl. LTDrucks 12/2124 S. 51). Die Entstehungsgeschichte des bundes- und landesgesetzlich identisch normierten Versagungsgrundes der entgegenstehenden zwingenden dienstlichen Gründe lässt erkennen, dass nur schwerwiegende Beeinträchtigungen der Rechtsprechungstätigkeit erfasst werden sollten. Die Rahmenvorschrift geht auf die Initiative des Bundesrats zurück. Die Bundesregierung ging zunächst davon aus, durch den Versagungsgrund gemäß § 76c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DRiG, wonach das Aufgabengebiet des richterlichen Amtes Teilzeitbeschäftigung zulassen müsse, würden entgegenstehende zwingende dienstliche Gründe vollständig erfasst (BTDrucks 13/3994 S. 47). Demgegenüber hielt der Bundesrat deren Aufnahme in den Katalog der Versagungsgründe für geboten, um die Teilzeitbeschäftigung von Richtern an kleinen Gerichten, denen kein Ersatz gestellt wird, verhindern zu können. Daraus kann geschlossen werden, dass der Versagungsgrund gemäß § 76c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DRiG Notlagen Rechnung tragen soll (BTDrucks 13/3994 S. 76, 77), die am jeweils betroffenen Gericht konkret zu besorgen und durch zumutbare Ausgleichsmaßnahmen nicht abzuwenden sind.

20 Es kann nicht generell bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen die nachteiligen Auswirkungen der Teilzeitbeschäftigung eines Richters auf die Rechtsprechungstätigkeit die Bedeutung zwingender dienstlicher Gründe erreichen. Solche Gründe können sich im Einzelfall etwa daraus ergeben, dass die zeitgerechte Bearbeitung eiliger Verfahren nicht mehr gewährleistet werden kann oder die Laufzeiten der Verfahren voraussichtlich über das noch hinnehmbare Maß hinaus ansteigen. Dabei kommt es neben den Verfahrensbeständen und dem zu erwartenden Geschäftsanfall vor allem auf die Größe des Gerichts an, an dem der Richter tätig ist. Ein Ausfall, der an einem kleinen Gericht mit wenigen Richterstellen ohne personellen Ausgleich zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsprechungstätigkeit führen kann, kann bei einem größeren Gericht ohne weiteres aufzufangen sein. Jedenfalls liegen zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 6c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LRiG NRW (§ 76c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DRiG) nicht schon dann vor, wenn die Arbeitsbelastung der an einem Gericht tätigen Richter die Sollbelastung übersteigt, die den Personalbedarfsberechnungen der Justizverwaltung zugrunde liegt.

21 Davon ausgehend ergeben sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, an die der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, keine Anhaltspunkte dafür, dass es aufgrund des Freistellungsjahres des Klägers ohne Einsatz einer Ersatzkraft zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsprechungstätigkeit an dem Amtsgericht ... kommen könnte. Dies folgt insbesondere aus der Feststellung, dass der Ausfall des Klägers zu einer durchschnittlichen Mehrbelastung von jeweils 2 % der anderen an diesem Gericht tätigen Richter führen würde. Mit dem Verweis auf deren über dem Soll liegende durchschnittliche Belastung hat der Beklagte keine dienstlichen Gründe dargelegt, die die Prioritätsstufe „zwingend“ erreichen. Dies gilt umso mehr für den Verweis auf die hohe durchschnittliche Belastung der im Bezirk des Oberlandesgerichts ... tätigen Richter. Die Verhältnisse im Bezirk können auch nur insoweit von Bedeutung sein, als es um die Frage geht, ob innerhalb dieses Bezirks eine am Amtsgericht ... zwingend notwendig werdende Ausgleichsmaßnahme unter zumutbaren Bedingungen zu bewerkstelligen ist. Diese Frage stellt sich nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts schon allein aufgrund der am Amtsgericht ... zu erwartenden Verhältnisse nicht.

22 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.