Beschluss vom 03.06.2022 -
BVerwG 8 PKH 3.22ECLI:DE:BVerwG:2022:030622B8PKH3.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.06.2022 - 8 PKH 3.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:030622B8PKH3.22.0]

Beschluss

BVerwG 8 PKH 3.22

  • VG Berlin - 22.12.2021 - AZ: 9 K 401/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Juni 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack
beschlossen:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt J., ..., ..., für das beabsichtigte Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. Dezember 2021 wird abgelehnt.

Gründe

1 Der Kläger begehrt seine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung. Sein hierauf gerichteter Antrag blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Für die von ihm beabsichtigte Beschwerde hiergegen beantragt der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts.

2 Der Antrag ist abzulehnen, weil die Beschwerde nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 und § 121 Abs. 1 ZPO). Dafür müsste ein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO gegeben sein. Dass diese Voraussetzung erfüllt ist, muss so weit dargelegt werden, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist. Zwar kann von dem nicht anwaltlich Vertretenen, der einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt, nicht verlangt werden, dass er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darlegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder den Verfahrensmangel in der Weise bezeichnet, wie dies für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde selbst nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich wäre. Erforderlich ist aber, dass sich aus der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags das Vorliegen eines Zulassungsgrundes in groben Zügen erkennen lässt (BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 2020 - 8 PKH 8.19 - juris). Daran fehlt es hier. Dem Vorbringen des Klägers lassen sich keine in diesem Sinne zureichenden Anhaltspunkte für die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO entnehmen.

3 1. Die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26). Anhaltspunkte dafür sind hier nicht vorgetragen; der Prozesskostenhilfeantrag führt nicht auf eine Grundsatzfrage. Der Kläger kritisiert vielmehr lediglich die rechtliche und tatsächliche Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels.

4 2. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind ebenfalls nicht erkennbar. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz vorliegt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Eine derartige Abweichung abstrakter Rechtssätze ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nicht erkennbar. Soweit er geltend macht, das Urteil des Verwaltungsgerichts stehe nicht mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2019 - 8 C 1.19 - (BVerwGE 166, 200) im Einklang, rügt er lediglich eine - vermeintlich - fehlerhafte Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht aufgestellt hat. Dies begründet keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht seine Begründungserwägungen ausdrücklich auf das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gestützt und in Anwendung der dort entwickelten Grundsätze das Vorliegen einer hoheitlichen Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 5 Satz 1 VwRehaG zu Lasten des Klägers verneint.

5 3. Schließlich lassen sich dem Vorbringen des Klägers auch keine Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) entnehmen.

6 Insbesondere hat das Verwaltungsgericht nicht gegen das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verstoßen. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, dass das Gericht ihr Vorbringen vollständig in seine Entscheidungsfindung einbezieht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen abhandeln muss. Vielmehr muss es auch in einem Urteil nur diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Gründe angeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Gründen nicht erwähnt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet zudem nur, dass das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird, nicht aber, dass das Gericht den Vorstellungen eines Beteiligten folgt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2018 - 10 C 8.17 - BVerwGE 162, 244 Rn. 26 m. w. N.).

7 Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Es hat namentlich entgegen der Ansicht des Klägers die von seinem früheren Prozessbevollmächtigten gefertigte Klagebegründung berücksichtigt, wie sich aus deren zusammengefasster Wiedergabe im Tatbestand des Urteils und aus der Erörterung der darin genannten Vorgänge in den Entscheidungsgründen ergibt. Dass es auf den Vortrag zur geltend gemachten Bespitzelung und zu sogenannten "Zersetzungsmaßnahmen" seit 1959/61 nicht eingegangen ist, erklärt sich aus der verwaltungsgerichtlichen Annahme, insoweit sei die Klage unzulässig, weil dieses Begehren nicht Gegenstand des vorangegangenen Antrags und Verwaltungsverfahrens gewesen sei. Dagegen hat der Kläger keine einschlägigen Einwände erhoben.

8 Anhaltspunkte für eine verfahrensfehlerhafte selektive Verwertung des Prozessstoffs liegen danach ebenfalls nicht vor.