Beschluss vom 04.08.2021 -
BVerwG 8 B 6.21ECLI:DE:BVerwG:2021:040821B8B6.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.08.2021 - 8 B 6.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:040821B8B6.21.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 6.21

  • VG Gera - 05.03.2020 - AZ: VG 3 K 62/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. August 2021
durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2020 - BVerwG 8 B 38.20 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Der Beschluss des Senats vom 17. Dezember 2020 verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 Im gerichtlichen Verfahren gewährleisten Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO den Beteiligten das Recht, sich vor einer Entscheidung zu allen erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu äußern. Das Gericht muss nach seiner Rechtsauffassung rechtlich erhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Eine Verletzung dieser Pflicht ist allerdings nicht schon anzunehmen, wenn eine Entscheidung, namentlich eine letztinstanzliche, nicht auf jedes Element eines sehr umfangreichen Vortrags eingeht, sondern erst, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen wurde. Davon ist auszugehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Beteiligtenvorbringens zu einer Frage, die nach seiner eigenen Rechtsauffassung für den Prozessausgang von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216 f.>; BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2002 - 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35 S. 109 je m.w.N.). Solches ist der Begründung der Anhörungsrüge nicht zu entnehmen.

3 1. Der Senat hat den Vortrag der Klägerin, mit dem sie sich gegen die Annahme wendet, das Fürstenenteignungsgesetz sei der sowjetischen Besatzungshoheit zuzurechnen, zur Kenntnis genommen und erwogen, ob dieser die Zulassung der Revision rechtfertigt (vgl. Rn. 4 f. des Beschlusses vom 17. Dezember 2020). Das Beschwerdevorbringen zur Frage der Anwendbarkeit des Fürstenenteignungsgesetzes auf Abkömmlinge aus morganatischer Ehe, sowie die Fragen, ob das Land Thüringen sich einseitig aus seiner vertraglichen Pflicht zur Rentenzahlung lösen konnte und ob das heutige Land Thüringen Rechtsnachfolger des Landes Thüringen von 1928 ist, werden in dem Beschluss vom 17. Dezember 2020 ebenfalls behandelt (Rn. 6 und 7).

4 2. Der Senat musste sich im Rahmen der Prüfung der Divergenzrüge der Klägerin nicht mit den Rechtssätzen auseinandersetzen, die das Thüringer Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 4. April 2001 - 8 U 577/00 - aufgestellt hat, weil dessen Entscheidungen nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht divergenzfähig sind (vgl. Rn. 8 des angegriffenen Beschlusses). Auf die Frage, ob der genannten Entscheidung ein Rechtssatz zu entnehmen ist, der den vom Verwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätzen widerspricht, kam es danach nicht an.

5 3. Der Senat hat sich in seinem Beschluss vom 17. Dezember 2020 (Rn. 12) auch mit der Argumentation der Klägerin auseinandergesetzt, das Verwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es sich unzureichend mit dem Grundsatz "pacta sunt servanda" befasst habe. Dass der Senat nicht ausführlicher auf ihre Argumentation eingegangen und ihr nicht gefolgt ist, stellt keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar.

6 4. Soweit die Klägerin geltend macht, schon das Verwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, verhilft dies der Anhörungsrüge ebenfalls nicht zum Erfolg. Mit ihr können nur Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Spruchkörper, bei dem sie angebracht wird, nicht aber solche der Vorinstanz geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. November 2008 - 7 BN 5.08 - juris Rn. 2; Rudisile, in: Schoch/Schneider, VwGO § 152a Rn. 18b).

7 5. Der Senat hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs schließlich nicht dadurch verletzt, dass er sich auf die Prüfung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe beschränkt und nicht mit der Argumentation der Klägerin zur Zulassung der Berufung auseinandergesetzt hat. Der diesbezügliche Vortrag konnte aufgrund seiner eindeutigen Zuordnung zu dem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht in eine weitere Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren umgedeutet werden. Der Senat musste sich daher mit der Möglichkeit der isolierten Aufhebung der Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision nicht befassen. Dem von der Klägerin zitierten Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts - 3 B 19.02 - (Buchholz 301 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 65) lag - anders als hier - die unzutreffende Annahme eines Berufungsausschlusses durch die Vorinstanz zugrunde.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.