Beschluss vom 04.12.2017 -
BVerwG 20 F 10.17ECLI:DE:BVerwG:2017:041217B20F10.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.12.2017 - 20 F 10.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:041217B20F10.17.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 10.17

  • VG Göttingen - 18.05.2017 - AZ: VG 1 A 55/17
  • OVG Lüneburg - 02.08.2017 - AZ: OVG 14 PS 5/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 4. Dezember 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. August 2017 geändert. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 24. April 2017 ist auch rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt 37 der Verwaltungsakte bezieht. Hinsichtlich Blatt 21 und 25 der Verwaltungsakte ist die Schwärzung in weiterem Umfang rechtswidrig als vom Oberverwaltungsgericht festgestellt. Entsprechendes gilt für die der Verweigerung der Vorlage von Blatt 7 der Verwaltungsakte der Sache nach zugrunde liegende Totalschwärzung.
  2. Die weitergehende Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen.
  3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger vier Fünftel und der Beklagte ein Fünftel.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren Auskunft über die bei der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten.

2 Nach Aufforderung durch das Verwaltungsgericht legte der Beklagte lediglich einen Teil der bei ihm zur Person des Klägers geführten Unterlagen, und diese wiederum teils mit Schwärzungen, vor. Die Vorlage der vollständigen und ungeschwärzten Unterlagen lehnte der Beklagte mit Sperrerklärung vom 24. April 2017 ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass durch die Bekanntgabe des Inhalts der nicht vorgelegten Aktenbestandteile die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde einschließlich der Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschwert würde. Der Schutz verfassungsschutzdienstlicher Informationen und Informationsquellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung gebiete es, die fraglichen Dokumente geheim zu halten. Des Weiteren berief sich der Beklagte auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte und sonstiger Belange Dritter.

3 Auf Antrag des Klägers legte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Mai 2017 das Verfahren dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung vor. Es führte aus, der Beklagte habe dem Begehren des Klägers auf vollständige Auskunft materiell-rechtliche Weigerungsgründe im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 NVerfSchG entgegengehalten, deren Berechtigung für das erkennende Gericht nur in Kenntnis des Akteninhalts feststellbar sei.

4 Mit Beschluss vom 2. August 2017 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage im Einzelnen bezeichneter Unterlagen rechtswidrig sei. Im Übrigen sei die Weigerung des Beklagten rechtmäßig, weil insoweit die mit der Sperrerklärung geltend gemachten Geheimhaltungsgründe vorlägen und die darauf bezogene Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

5 Die Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet. Über die Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts hinaus ist die Sperrerklärung auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf Blatt 37 der Verwaltungsakte bezieht und hinsichtlich Blatt 7, 21 und 25 der Verwaltungsakte weitere - jedenfalls der Sache nach vorgenommene - Schwärzungen zu beanstanden sind. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet. Insoweit hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zutreffend entschieden, dass die Weigerung des Beklagten, die angefochtenen Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtmäßig und der Antrag demnach abzulehnen ist.

6 1. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat das Vorliegen der mit der Sperrerklärung vom 24. April 2017 differenzierend für die einzelnen Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und Alt. 3 VwGO unter Anlegung der zutreffenden rechtlichen Maßstäbe geprüft. Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen gefährden würde (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 18 f. und vom 21. August 2012 - 20 F 5.12 - juris Rn. 4 m.w.N.). Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Im Falle des Informantenschutzes tritt neben das grundrechtlich abgesicherte Interesse des Betroffenen, seine persönlichen Daten geheim zu halten, das öffentliche Interesse, die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben sicherzustellen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 10 f. m.w.N.). Sind Behörden - wie dies namentlich auf die Verfassungsschutzämter zutrifft - bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen, dürfen sie zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <14>).

7 2. Hiernach ist die Weigerung des Beklagten, die im Entscheidungsausspruch aufgeführten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtswidrig. Für diese Aktenteile ist nicht ersichtlich, dass die in der Sperrerklärung insoweit in Anspruch genommenen Weigerungsgründe die Vorlage vollständig ausschließen bzw. die - jedenfalls der Sache nach - vorgenommenen Schwärzungen rechtfertigen (a). Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, rechtlich nicht zu beanstanden (b).

8 a) Der auf Blatt 37 der Verwaltungsakte wiedergegebene E-Mail-Verkehr bezieht sich auf die Frage, ob der Umstand, dass bestimmte Informationen an andere Behörden weitergegeben worden sind, offengelegt werden kann, oder ob damit in unzulässiger Weise die Ausforschung der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde ermöglicht werde. Es ist indessen in keiner Weise dargetan, dass diese innerbehördliche Meinungsbildung noch schutzwürdig sein könnte, nachdem dem Kläger im Bescheid vom 10. März 2017 die Übermittlung der Erkenntnisse an das Bundesamt für Verfassungsschutz bzw. an das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen mitgeteilt worden ist.

9 Hinsichtlich Blatt 7 der Verwaltungsakte ist die Angabe, es gebe ein früheres Auskunftsersuchen des Klägers, ebenfalls nicht geheimhaltungsbedürftig. Des Weiteren wird der Beklagte bei der Prüfung einer Teilschwärzung dieser Unterlage auch zu berücksichtigen haben, dass er in der Sperrerklärung (S. 12) offengelegt hat, welche Informationssysteme überprüft worden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 20 F 8.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​120917B20F8.16.0] - Rn. 9).

10 Auf Blatt 21 der Verwaltungsakte erschließt sich die Schwärzung (mit Ausnahme des Aktenzeichens) unter "Hinweis" nicht. Denn der Inhalt, der gegebenenfalls mit der Schwärzung geheim gehalten werden soll, wird bereits im vorstehenden Satz offenbart. Soweit auf Blatt 25 der Verwaltungsakte an zwei Stellen Aussagen zum Ausgang des Verfahrens geschwärzt werden, ist nicht ersichtlich, warum diese Information - anders als der offengelegte entsprechende Hinweis auf Blatt 24 der Verwaltungsakte - zum Schutz der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde der Geheimhaltung bedürfte.

11 b) Im Übrigen bestätigt die Durchsicht der dem beschließenden Fachsenat im Original vorliegenden Unterlagen, dass der Beklagte das Vorliegen von Weigerungsgründen jeweils zu Recht angenommen hat.

12 Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten im Prozess beruhende Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen genügt.

13 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.