Beschluss vom 24.04.2019 -
BVerwG 5 B 10.19ECLI:DE:BVerwG:2019:240419B5B10.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.04.2019 - 5 B 10.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:240419B5B10.19.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 10.19

  • VG Köln - 17.03.2017 - AZ: VG 19 K 7100/15
  • OVG Münster - 23.11.2018 - AZ: OVG 1 A 1044/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. April 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 23. November 2018 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Die Beschwerde des Beklagten ist zulässig und begründet. Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

2 Die Revision kann dem Senat Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers neben Leistungen nach den Gebührennummern 6030 bis 6080 GOZ nach oder analog den Gebührennummern 6100 und 6140 GOZ selbstständig abrechenbar ist und deshalb eine beihilferechtlich angemessene Aufwendung für eine zahnärztliche Leistung sein kann.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 5 C 8.19 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (§ 55a Abs. 1 bis 6 VwGO sowie Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017, BGBl. I S. 3803) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Urteil vom 05.03.2021 -
BVerwG 5 C 8.19ECLI:DE:BVerwG:2021:050321U5C8.19.0

Angemessenheit einer zahnärztlichen Gebührenforderung

Leitsatz:

Für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers können neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ nicht zusätzlich auch die Nummern 6100 und 6140 Anlage 1 GOZ abgerechnet werden. Dies gilt ebenfalls für die Nummer 2197 Anlage 1 GOZ.

  • Rechtsquellen
    GOZ § 4 Abs. 2 Satz 2 bis 4, § 6 Abs. 1 Satz 1, Nummern 2197, 6030 bis 6080, 6100, 6140 Anlage 1
    GVG § 17 Abs. 2 Satz 1

  • VG Köln - 17.03.2017 - AZ: VG 19 K 7100/15
    OVG Münster - 23.11.2018 - AZ: OVG 1 A 1044/17

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 05.03.2021 - 5 C 8.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:050321U5C8.19.0]

Urteil

BVerwG 5 C 8.19

  • VG Köln - 17.03.2017 - AZ: VG 19 K 7100/15
  • OVG Münster - 23.11.2018 - AZ: OVG 1 A 1044/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. März 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2018 geändert, soweit es nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. März 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten über den Umfang von Beihilfeleistungen für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers (Kleberetainers), der nach Abschluss der aktiven Phase einer kieferorthopädischen Behandlung verhindern soll, dass sich die Zähne in ihre ursprüngliche Stellung zurückbewegen.

2 Die Klägerin ist Richterin im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen und für ihren Sohn mit einem Bemessungssatz von 80 v. H. beihilfeberechtigt. Dieser befand sich seit dem Jahr 2011 in kieferorthopädischer Behandlung. Bei der Abrechnung von im April 2015 durchgeführten Behandlungsmaßnahmen setzte die behandelnde Kieferorthopädin u.a. für die Eingliederung eines Lingualretainers die Nummern 6100 (Eingliederung eines Klebebrackets), 6140 (Eingliederung eines Teilbogens) und 2197 (adhäsive Befestigung) des Gebührenverzeichnisses zusätzlich zu den dortigen Nummern 6030 (Maßnahmen zur Umformung eines Kiefers einschließlich Retention, geringer Umfang) und 6070 (Maßnahmen zur Einstellung der Kiefer in den Regelbiss während der Wachstumsphase einschließlich Retention, mittlerer Umfang) an. Die hierfür beantragte Beihilfe lehnte die Beihilfestelle bezogen auf die erstgenannten Gebührennummern ab, da die Gebührenordnung eine Gebühr für die Eingliederung bzw. Entfernung von Retainern nicht vorsehe, und kürzte im Rahmen der Erstattung auch den für den Abrechnungszeitraum angesetzten Abschlag der Nummern 6030 und 6070 des Gebührenverzeichnisses. Der dagegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen, da die gesonderte Abrechnung eines Lingualretainers durch die Abrechnungsvorschrift zur Nummer 6080 des Gebührenverzeichnisses ausgeschlossen sei. Die Kürzung des Abschlags der Nummern 6030 und 6070 des Gebührenverzeichnisses sei ebenfalls korrekt. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides verpflichtet, der Klägerin zu den Aufwendungen aus der Rechnung der Kieferorthopädin eine weitere Beihilfe in Höhe von 260,35 Euro für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers zu gewähren; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Eine Auslegungsfrage des zahnärztlichen Gebührenrechts sei in einer beihilferechtlichen Streitigkeit von den Verwaltungsgerichten im Rahmen der Angemessenheit selbstständig und voll zu prüfen, wenn es - wie hier - an einer höchstrichterlichen oder einheitlichen Rechtsprechung der Zivilgerichte fehle und der Dienstherr - im Einzelfall oder in allgemeiner Form - rechtzeitig für Klarheit über die von ihm für richtig befundene Auslegung der streitigen Gebührennummer gesorgt habe. Nach dieser Prüfung seien für die Eingliederung eines Lingualretainers neben den Nummern 6030 bis 6080 des Gebührenverzeichnisses Gebühren entsprechend den Nummern 6100 und 6140 des Gebührenverzeichnisses anzusetzen, ohne dass es sich dabei um ausgeschlossene Doppelleistungen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ handele. Die Gebührentatbestände der Nummern 6030 bis 6080 des Gebührenverzeichnisses regelten keine Gebühr für eine Komplex- oder Zielleistung, sondern eine pauschale Grundgebühr, welche die (auch intellektuelle) Gesamtleistung des Kieferorthopäden als solche honoriere, aber nicht die kieferorthopädischen Einzelleistungen umfasse. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Analogbewertung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ seien erfüllt. Neben den Gebühren entsprechend den Nummern 6100 und 6140 könne auch die Nummer 2197 des Gebührenverzeichnisses angesetzt werden. Insoweit sei der hierzu vertretenen überwiegenden Auffassung der Zivilgerichte zu folgen. Der sich hieraus ergebende zusätzliche Erstattungsbetrag sei aber mit Blick auf den Ansatz für die Materialkosten des Lingualretainers zu kürzen, da diese in den Nummern 6100 und 6140 des Gebührenverzeichnisses enthalten seien. Unbegründet sei die Berufung allerdings hinsichtlich des für den Abrechnungszeitraum angesetzten Abschlags der Nummern 6030 und 6070 des Gebührenverzeichnisses.

4 Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Er rügt eine Verletzung von Bundesrecht, weil schon die analoge Anwendung der Nummern 6100 und 6140 des Gebührenverzeichnisses auf die Eingliederung eines Kleberetainers unzulässig sei.

5 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

II

6 Die Revision des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 141, 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es verletzt § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 2 Satz 2 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I S. 2316), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 5. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2661). Dies führt nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO zur Änderung des Berufungsurteils, soweit es nicht in Rechtskraft erwachsen ist, und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

7 Grundlage für den geltend gemachten Beihilfeanspruch sind § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 2 der Verordnung über Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege und Todesfällen (Beihilfenverordnung NRW - BVO NRW) vom 5. November 2009 (GV. NRW. S. 602), die für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt durch die Verordnung vom 10. Dezember 2014 (GV. NRW. S. 890) geändert worden ist. Danach sind beihilfefähig die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfange (u. a.) in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit, zur Besserung und Linderung von Leiden und zur Beseitigung oder zum Ausgleich angeborener oder erworbener Körperschäden. Für kieferorthopädische Leistungen gilt dies grundsätzlich nur, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Zwischen den Beteiligten steht die grundsätzliche Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die bei dem Sohn der Klägerin erfolgte Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers zu Recht nicht im Streit. Ihr Streit konzentriert sich ausschließlich darauf, ob es sich bei den hierfür angerechneten Gebühren um angemessene Aufwendungen gehandelt hat. Dies ist nicht der Fall.

8 Die Angemessenheit von Aufwendungen im Anwendungsbereich beihilferechtlicher Vorschriften richtet sich auch dann nach dem Gebührenrecht für Ärzte und Zahnärzte, wenn die Beihilfevorschriften - wie hier jedenfalls im maßgeblichen Zeitraum - nicht ausdrücklich auf die Gebührenordnungen verweisen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 30. Mai 1996 - 2 C 10.95 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 12 S. 18 und vom 22. Januar 2009 - 2 C 129.07 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 33 Rn. 11). Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für ärztliche Leistungen knüpft grundsätzlich an den Leistungsanspruch des Arztes an und setzt voraus, dass dieser seine Leistungen unter zutreffender Auslegung der Gebührenordnung in Rechnung gestellt hat.

9 Die Auslegung der Gebührenordnung und damit die Frage der materiell-rechtlichen Berechtigung einer ärztlichen Gebührenforderung unterliegt - wovon das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist - der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, wenn die Berechtigung weder im Einzelfall im Verhältnis von Beihilfeberechtigtem und behandelndem Arzt zivilgerichtlich festgestellt worden noch zudem die Auslegung der ihr zugrundeliegenden Gebührenregelung allgemein höchstrichterlich geklärt ist und der Dienstherr rechtzeitig für Klarheit über die von ihm favorisierte Bedeutung der objektiv zweifelhaften Gebührenvorschrift gesorgt hat (1.). Die vom Oberverwaltungsgericht befürwortete analoge Anwendung der Nummern 6100 und 6140 Anlage 1 GOZ auf die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers steht jedoch nicht in Einklang mit § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ (2.). Kommt ein Ansatz von Gebühren für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers entsprechend den Nummern 6100 und 6140 Anlage 1 GOZ nicht Betracht, verstößt der weitere Ansatz der Nummer 2197 Anlage 1 GOZ in direkter Anwendung neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ gegen § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ (3.).

10 1. Ob der Arzt seine Forderung zu Recht geltend gemacht hat, ist eine der Beihilfegewährung vorgreifliche Rechtsfrage, die nach der Natur des Rechtsverhältnisses zwischen Arzt und Patienten dem Zivilrecht zuzuordnen ist. Den Streit über die Berechtigung einer ärztlichen Liquidation entscheiden letztverbindlich die Zivilgerichte. Damit ist für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend. Deren Beurteilung im konkreten Fall präjudiziert die Angemessenheit der Aufwendungen für ärztliche Leistungen im beihilferechtlichen Sinne. Hat das Zivilgericht - in welcher Instanz auch immer - den Beamten rechtskräftig zur Begleichung der Honorarforderung eines Arztes verurteilt, ist die Vergütung regelmäßig angemessen im Sinne des Beihilferechts. Gleiches gilt, wenn es eine einschlägige und eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den sich im konkreten Fall stellenden gebührenrechtlichen Fragen gibt. Ist dies nicht der Fall, hat der Dienstherr zu prüfen, ob die vom Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem Recht begründet sind. Dabei sind Aufwendungen für ärztliche oder zahnärztliche Leistungen, deren Berechnung auf einer zweifelhaften Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung beruht, unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht zugunsten des Beihilfeberechtigten schon dann als angemessen anzusehen, wenn der vom Arzt in Rechnung gestellte Betrag bei objektiver Betrachtung einer zumindest vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entspricht und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht rechtzeitig für Klarheit über seine Auslegung gesorgt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 2 C 19.16 - BVerwGE 160, 114 Rn. 17 f., 22 m.w.N.).

11 Nach diesen Grundsätzen lässt sich hier die Angemessenheit der Aufwendungen nicht bejahen. Eine Entscheidung über die Berechtigung der Gebührenforderung ist im ordentlichen Rechtsweg nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht ergangen. Zudem ist nicht in Frage gestellt, dass die hier in Rede stehende Auslegung des Gebührenrechts zweifelhaft und nicht im ordentlichen Rechtsweg höchstrichterlich geklärt ist, der Beklagte aber auf seine Rechtsauffassung hierzu rechtzeitig hingewiesen hat. Dies hat zur Folge, dass die Anwendung des Gebührenrechts durch den Dienstherrn vollumfänglich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu klären ist (so schon BVerwG, Urteil vom 21. September 1995 - 2 C 33.94 - NWVBl 1996, 100 = juris Rn. 12).

12 Anders als der Beklagte in Anlehnung an obergerichtliche Rechtsprechung (OVG Bautzen, Urteil vom 24. August 2018 - 2 A 887/16 - juris Rn. 21) meint, kommt eine Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte zugunsten des Dienstherrn auf die bloße Vertretbarkeit seiner Auffassung nicht in Betracht. Ein Abweichen von der umfassenden verwaltungsgerichtlichen Prüfung der sich hier stellenden zivilrechtlichen Vorfrage (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG) berührt grundsätzlich zugleich den grundrechtlichen Anspruch des Beihilfeberechtigten auf eine vollständige rechtliche Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen nach Art. 19 Abs. 4 GG und bedarf einer hinreichend tragfähigen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Juli 2010 - 1 BvR 1634/04 - NVwZ 2010, 1482 Rn. 51 ff.). Hierfür fehlt es bereits an einer ausreichenden normativen Grundlage. Der Vertretbarkeitsmaßstab wird aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 45 BeamtStG) hergeleitet. Eine ihr vergleichbare Pflichtenstellung des Beamten, objektive Unklarheiten der Gebührenordnung im Beihilfeverfahren in bestimmten Fällen zu seinen Lasten hinzunehmen, existiert nicht. Sie liefe letztlich auf ein faktisches Hindernis in Bezug auf die Wahrnehmung von Beihilfeansprüchen hinaus, das seinem Gewicht nach eine unzumutbare Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den Dienstherrn bewirkte (vgl. auch OVG Koblenz, Urteil vom 29. Juni 2016 - 2 A 10634/15 - juris Rn. 34).

13 Ebenso wenig ist Raum für den von dem Beklagten postulierten Vorrang einer zivilgerichtlichen Vorabklärung der Berechtigung des ärztlichen Honoraranspruchs durch den Beamten. Dieser ist nicht gehalten, sich einem zivilgerichtlichen Verfahren über die Berechtigung der Gebührenforderung auszusetzen und dieser unter Hinweis auf die von ihm für unzutreffend gehalten Auslegung des Gebührenrechts durch die Beihilfestelle entgegenzutreten, um letztlich seinen Beihilfeanspruch nur um den Preis einer Niederlage im zivilgerichtlichen Verfahren durchsetzen zu können.

14 2. Als rechtliche Grundlage für die hier ärztlicherseits geltend gemachte Gebührenforderung kommt zunächst § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. den Nummern 6100 und 6140 der Anlage 1 GOZ in Betracht. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ können selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis (Anlage 1 der Verordnung) nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass die insoweit in Rede stehende Abrechnung der Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers nur nach Maßgabe dieser sog. Analogbewertung erfolgen kann, weil diese Behandlung nicht ausdrücklich als eigenständig berechnungsfähige Leistung in einer Ziffer des Gebührenverzeichnisses aufgeführt ist. Eine Analogbewertung scheitert jedoch bereits daran, dass die Eingliederung des hier in Rede stehenden Retainers nicht - was erforderlich wäre - selbstständig berechnungsfähig ist. Auf die weitere Frage, ob sie mit den Leistungen nach den Nummern 6100 und 6140 der Anlage 1 GOZ nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertig ist, kommt es nicht mehr an.

15 Grundvoraussetzung einer Analogbewertung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ ist, dass die abzurechnende Leistung eine selbstständige zahnärztliche Leistung darstellt. Dabei kommt diesem tatbestandlichen Merkmal in § 6 Abs. 1 GOZ keine andere Bedeutung zu als dem gleichlautenden Begriff in § 4 Abs. 2 GOZ (vgl. für das Verhältnis der Parallelbestimmungen in § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 2 der Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ -: BGH, Urteile vom 13. Mai 2004 - III ZR 344/03 - BGHZ 159, 142 <143> und vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09 - NJW-RR 2010, 1355 Rn. 7).

16 Prinzipiell kommen alle im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistungen als selbstständige zahnärztliche Leistungen in Betracht. Für die Frage, welche von mehreren gleichzeitig oder im Zusammenhang erbrachten Leistungen selbstständig berechnungsfähig sind, ist - neben Berechnungsbestimmungen im Gebührenverzeichnis selbst - vor allem § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ in den Blick zu nehmen. Nach dieser Bestimmung kann der Zahnarzt für eine Leistung, die Bestandteil (Alt. 1) oder eine besondere Ausführung (Alt. 2) einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Der Bestimmung in § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ kommt eine klare abrechnungstechnische Bedeutung zu, die unmittelbar einleuchtet: Der Zahnarzt darf eine Leistung, die sich mit dem Inhalt einer von ihm gleichfalls vorgenommenen anderen Leistung überschneidet, nicht zweimal abrechnen (vgl. auch für die Parallelbestimmungen in der GOÄ: BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 2 C 19.16 - Buchholz 239.1 § 33 BeamtVG Nr. 2 Rn. 26 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - III ZR 239/07 - BGHZ 177, 43 Rn. 6 ff. m.w.N.).

17 Dies zugrunde gelegt können die Nummern 6100 und 6140 Anlage 1 GOZ für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers nicht mehr in Ansatz gebracht werden, weil sich die Eingliederung eines solchen Retainers als Maßnahme der Retention mit dem Inhalt der von der behandelnden Kieferorthopädin hier berechneten Nummern 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ überschneidet und daher dem sog. Doppelberechnungsverbot unterliegt. Eine solche Überschneidung ergibt sich zwar nicht bereits daraus, dass die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GOZ Bestandteil der mit den Nummern 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ abgerechneten Leistung ist (a). Sie folgt aber jedenfalls daraus, dass es sich bei ihr um eine besondere Ausführung dieser anderen Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ handelt (b). Unterliegt die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers damit dem Doppelberechnungsverbot, kann sie auch nicht ausnahmsweise entsprechend der Nummern 6100 und 6140 Anlage 1 GOZ neben den Nummern 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ berechnet werden (c).

18 a) Die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers ist nicht im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GOZ Bestandteil einer mit der Nummer 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ abgerechneten Leistung. Nach § 4 Abs. 2 Satz 4 GOZ ist eine Leistung methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist. Diese Vorschrift knüpft nach ihrem Wortlaut zum einen an die ausdrückliche Erstreckung des Doppelberechnungsverbots auf operative Leistungen durch § 4 Abs. 2 Satz 3 GOZ und die dort erwähnten "methodisch notwendigen operativen Einzelschritte" an. Zum anderen verweist sie mit dem Begriff "Bestandteil" aber auch auf die Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GOZ (vgl. dazu auch BR-Drs. 566/11 S. 43). Daraus ist zu schließen, dass mit ihr zugleich definiert wird, wann eine zahnärztliche Leistung im Sinne dieser Bestimmung als Bestandteil einer anderen Leistung anzusehen ist. Hierfür muss sie einerseits inhaltlich auf der Grundlage der Kenntnisse medizinischer Wissenschaft und Praxis ("methodisch") als Teil eines bestimmten Umfangs von Einzelverrichtungen wie auch andererseits der Bewertung nach von der anderen Gebührenposition erfasst sein. Dies ist in inhaltlicher Hinsicht nicht schon dann anzunehmen, wenn eine Leistung im Einzelfall nach den Regeln der ärztlichen Kunst im Zusammenhang mit der Erbringung der Zielleistung durchzuführen ist. Vielmehr kommt es hierfür darauf an, ob sie nach ihrem technischen Ablauf oder anderen für die Leistungserbringung bestimmenden (methodischen) Faktoren notwendiger- oder typischerweise anfällt, um diese Zielleistung erbringen zu können und damit für diese eine unerlässliche Voraussetzung ("Conditio sine qua non") ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - III ZR 239/07 - BGHZ 177, 43 Rn. 9; Clausen, in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 1. Aufl. 2019 § 4 GOZ Rn. 36; Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar BEMA/GOZ, 2020, § 4 GOZ Rn. 4 und 7; Sandvoß, ArztR 2005, 228).

19 Vor diesem Hintergrund ist die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers nicht als Bestandteil der in den Nummern 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ beschriebenen Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GOZ anzusehen. Die dort erwähnte Retention der Zahnstellung im Anschluss an Maßnahmen zur Umformung des Kiefers muss jedenfalls nicht regelhaft und typisch mit einem fest eingesetzten Retentionsgerät durchgeführt werden, da hierfür auch herausnehmbare Apparaturen in Betracht kommen (vgl. dazu auch Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar BEMA/GOZ, 2020, GOZ-Nr. 6030 bis 6050 Nr. 1).

20 b) Die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers erweist sich aber jedenfalls als eine besondere Ausführung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ der in den Nummern 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ beschriebenen Leistung.

21 Mit § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ soll die gesonderte Berechnungsfähigkeit solcher Leistungen ausgeschlossen werden, die die Leistungsbeschreibung einer Gebührennummer des Gebührenverzeichnisses erfüllen und lediglich eine besondere Art und Weise ihrer Erbringung darstellen. Dabei geht es nicht um das Verhältnis zwischen einer Regelmethodik oder Standardleistung und der Abweichung hiervon durch eine "besondere" Leistung, also auch nicht um die Frage, was die typische und was die atypische Form der Leistungserbringung ist. Vielmehr ist eine Leistungsausführung dann als besonders anzusehen, wenn sie sich als bloße methodische bzw. technische Variation oder Modifikation der beschriebenen Zielleistung erweist (vgl. Clausen, in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 1. Aufl. 2019 § 4 GOZ Rn. 31; Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar BEMA/GOZ, 2020, § 4 GOZ Rn. 5 und 9). Dies ist dann zu bejahen, wenn die Beschreibung der Zielleistung im Gebührenverzeichnis ergibt, dass die in Rede stehende Leistungsausführung ihrer technischen oder methodischen Eigenart nach bereits davon mitumfasst ist, etwa weil die Leistungsbeschreibung offen lässt, mit welchen Techniken oder Methoden eine Leistung zu erbringen bzw. ein Behandlungsziel zu erreichen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09 - NJW-RR 2010, 1355 Rn. 11; Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar BEMA/GOZ, 2020, § 4 GOZ Rn. 10). Dies zugrunde gelegt ergibt die Auslegung der Nummern 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ einschließlich der in Nummer 6080 Anlage 1 GOZ enthaltenen übergreifenden Abrechnungsbestimmungen anhand der allgemeinen Auslegungsregeln, dass die Nummern 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ als Zielleistung im Sinne von § 4 Abs. 2 GOZ anzusehen (aa) und die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers auch kraft unmittelbarer und ausdrücklicher normativer Wertung in den Berechnungsbestimmungen im Sinne einer besonderen Ausführungsart in der Leistungsbeschreibung dieser Gebührennummer enthalten sind (bb).

22 aa) Schon dem klaren Normtext nach haben die Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ im gebührenrechtlichen Sinne handwerkliche oder behandlungstechnische zahnärztliche Leistungen zum Gegenstand und beinhalten nicht - wie das Oberverwaltungsgericht meint - lediglich eine pauschale Grundgebühr für die (auch intellektuelle) Gesamtleistung des Kieferorthopäden. Sie können deshalb auch Bezugspunkt des Doppelberechnungsverbots nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ sein. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung der Absätze 2 und 3 der Abrechnungsbestimmungen in der Nummer 6080 Anlage 1 GOZ. Absatz 2 - wie im Übrigen auch der Absatz 4 - beschreibt den Inhalt der Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ ausdrücklich im Plural mit dem Begriff "Leistungen". Absatz 3 präzisiert dies in der Sache dahingehend, dass die Maßnahmen im Sinne der Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ alle Leistungen der Kieferumformung bzw. -einstellung einschließlich der Retention umfassen. Damit können indes nur die handwerklichen bzw. behandlungstechnischen Einzelleistungen gemeint sein, die zur Erreichung dieser Behandlungsziele - also auch der Retention - eingesetzt werden. Auch mit Blick auf die Gesamtsystematik der Verordnung hält sich der Verordnungsgeber genau an den Sprachgebrauch ("umfassen"), den er durchgängig in Bezug auf die Beschreibung einer Leistung und ihres Inhalts verwendet (vgl. nur § 4 Abs. 2 Satz 4 GOZ). Davon, dass auch die Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ zahnärztliche Leistungen zum Inhalt und damit den Charakter einer Zielleistung haben können, geht zudem ersichtlich die Verordnungsbegründung aus, wenn es dort heißt, es werde "der Leistungsinhalt der Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 ... näher beschrieben" (BR-Drs. 566/11 S. 62). Es kommt hinzu, dass dort in Bezug auf den im Jahr 2011 eingefügten Absatz 3 der Abrechnungsbestimmungen zur Nummer 6080 Anlage 1 GOZ ausdrücklich von "Behandlungsmethoden" und "Therapiegeräten" die Rede ist und damit noch einmal der Bezug zu behandlungstechnischen Einzelleistungen hergestellt wird.

23 bb) Ist danach davon auszugehen, dass in den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ die Beschreibung einer Mehrzahl von behandlungstechnischen Einzelleistungen zu sehen ist, ergibt sich anhand der allgemeinen Auslegungsregeln ebenfalls, dass diese sich inhaltlich spezifizieren lassen. Erfasst sind gebührenrechtlich sämtliche Behandlungsleistungen, die im Zusammenhang mit dem jeweiligen Behandlungsziel - unter Einschluss der Retention - stehen, an das der im Leistungstext genannte Begriff der "Maßnahme" anknüpft und die diesem zugeordnet werden können. Dies beinhaltet alle hierauf bezogenen Einzelleistungen, ohne dass der behandelnde Zahnarzt insoweit auf eine bestimmte Methodik oder Ausführungsweise festgelegt wird. Eingeschlossen ist damit auch die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers.

24 Diese Auslegung folgt bereits aus dem Normtext der hier in Rede stehenden Reglungen des Gebührenverzeichnisses. Maßgeblich ist auch insoweit der Wortlaut der Absätze 2 und 3 der Abrechnungsbestimmungen in der Nummer 6080 Anlage 1 GOZ. Danach umfasst die Leistungsbeschreibung "alle Leistungen zur Kieferumformung und Retention bzw. zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren, unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden oder den verwendeten Therapiegeräten", soweit sie sich den im Behandlungsplan festgelegten Maßnahmen zuordnen lassen. Erfasst wird damit schon dem Wortsinn nach ("alle") ausnahmslos das vollständige Leistungsspektrum zur Erreichung der Kieferumformung bzw. -einstellung einschließlich der Retention in allen behandlungstechnischen Variationen innerhalb des Vierjahreszeitraums. Der Leistungsumfang ist ausdrücklich unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden und verwendeten Therapiegeräten und schließt daher Methoden und Geräte jedweder Art in der aktiven Behandlungsphase (Kieferumformung bzw. -einstellung) wie auch der passiven Behandlungsphase (Retention) ein. Das bedeutet abrechnungstechnisch zugleich, dass die Gebühren nach den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ die Anwendung sämtlicher dieser Techniken im maßgeblichen Zeitraum erfassen und sie deshalb unabhängig von der konkreten Behandlungsweise weder mehrfach in Ansatz gebracht werden noch hiervon erfasste Einzelleistungen gesondert abgerechnet werden dürfen. Dass dies auch für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers dem Willen des Verordnungsgebers entspricht, ergibt sich aus der Verordnungsbegründung, in der diese Behandlungsgeräte ausdrücklich erwähnt und in den Kreis der besonderen Behandlungsmethoden und Therapiegeräte einbezogen sind (BR-Drs. 566/11 S. 62).

25 Nicht zu folgen ist demgegenüber der Ansicht, mit Absatz 3 der Abrechnungsbestimmung zu Nummer 6080 Anlage 1 GOZ solle ausschließlich ein zeitraumbezogener Ausschluss einer Mehrfachleistung der Gebühren nach den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ für den Fall der Eingliederung eines Retentionsgerätes, also beim Übergang von der aktiven zur passiven Behandlungsphase bzw. eines Wechsels etwa von einem herausnehmbaren zu einem festsitzenden Retentionsgerät, normiert werden (vgl. Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar BEMA/GOZ, 2020, GOZ-Nr. 6030 bis 6050 Nr. 2.2; Bundeszahnärztekammer, Stellungnahme "Eingliederung eines festsitzenden Retainers", S. 2; a.A. Kommentierung der PKV zur GOZ (Gebührenteil), Stand 27. Januar 2021, S. 191). Einer derartigen Interpretation steht bereits der Wortlaut der Regelung entgegen, der - wie dargelegt - terminologisch ersichtlich eine umfassende Leistungsbeschreibung zum Ausdruck bringt. Bereits insoweit spricht nichts dafür, dass der Verordnungsgeber lediglich ein zeitraumbezogenes Mehrfachleistungsverbot hat zum Ausdruck bringen wollen.

26 Auch der mit Blick auf die Systematik des Gebührenverzeichnisses formulierte Einwand, dass die in den Nummern 6090 bis 6180 Anlage 1 GOZ aufgeführten Abrechnungspositionen praktisch bedeutungslos wären, wenn die Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ als Umschreibung des kompletten Leistungsspektrums einer Kieferumformung bzw. -einstellung einschließlich der Retention angesehen werden, greift nicht durch.

27 Zwar trifft es zu, dass nach Absatz 4 der Abrechnungsbestimmung zu Nummer 6080 Anlage 1 GOZ neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ nur die Nummern 6190 bis 6260 Anlage 1 GOZ nicht berechnungsfähig sind, woraus im Wege eines Umkehrschlusses notwendig die Abrechenbarkeit sämtlicher übriger Leistungen des Abschnitts G Anlage 1 GOZ neben den Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ folgt. Dass dies auch dem Willen des Verordnungsgebers entspricht, lässt sich der Verordnungsbegründung entnehmen (BR-Drs. 566/11 S. 62). Daraus folgt, dass die Leistungen nach den Nummern 6090 bis 6180 Anlage 1 GOZ im Rahmen der aktiven Behandlungsphase einer Kieferumformung bzw. -einstellung auch neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ ansatzfähig sind.

28 Diese abrechnungstechnische Verselbstständigung ist jedoch nicht systemwidrig und stellt auch die Auslegung des Inhalts der Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ, nach der alle Leistungen zur Erreichung der dort genannten Behandlungsziele erfasst werden, nicht in Frage. Denn der Verordnungsgeber hat es in der Hand, auch Leistungen gesondert zu beschreiben und damit auch ihre Abrechenbarkeit zu regeln, die in einem so engen Zusammenhang zu einer anderen gebührenrechtlich definierten Leistung stehen, dass man ihre Selbstständigkeit in Frage stellen könnte. Er kann desgleichen - wie im Fall der Nummern 6090 bis 6180 Anlage 1 GOZ - positiv bestimmen, dass Leistungen neben einer anderen Leistung abgerechnet werden können, obwohl sie "an sich" von dieser bereits erfasst werden. Der Verordnungsgeber ist damit auch im Fall kieferorthopädischer Leistungen frei darin, zusätzlich zu einer Gebühr, die eine Gesamtheit von behandlungstechnischen Leistungen abbildet, auch noch einzelne dieser Leistungen daneben zur Abrechnung zu stellen. Insoweit liegt dann ein Regelungszusammenhang vor, in dem sich weder Fragen der Selbstständigkeit der Leistung noch solche nach der Reichweite des Zielleistungsprinzips stellen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09 - NJW-RR 2010, 1355 Rn. 7).

29 c) Unterliegt demgemäß die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers als besondere Ausführung einer Leistung nach den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ dem Doppelberechnungsverbot nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ, ist sie keine nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ entsprechend berechenbare selbstständige zahnärztliche Leistung. Auf die im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 Satz 4 GOZ relevante Frage, inwieweit ein Leistungsteil tatsächlich in den Punktebewertungen der Zielleistung berücksichtigt worden ist, kommt es nicht mehr an, da hier ein solcher Fall gerade nicht gegeben ist. Von diesem Ergebnis ist nicht deshalb abzuweichen, weil die hier für eine analoge Anwendung herangezogenen Nummern 6100 und 6140 Anlage 1 GOZ mit ihrem spezifischen Leistungsinhalt ihrerseits dem Grunde nach dem Leistungsinhalt Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ angehören, aber gleichwohl durch den Verordnungsgeber verselbstständigt worden sind. Diese besondere und ersichtlich als Ausnahme normierte gebührenrechtliche Verselbstständigung kann nicht unbesehen auf andere Leistungen im Zusammenhang mit der Retention nach einer Kieferumformung bzw. -einstellung (hier der Eingliederung eines Kleberetainers) im Wege einer Analogberechnung übertragen werden, weil dies in ihren Auswirkungen zu einer nicht statthaften Aufgabe der Selbstständigkeit der ärztlichen Leistung als Voraussetzung für ihre Abrechenbarkeit und damit des Doppelberechnungsverbots führen würde (vgl. BGH, Urteile vom 13. Mai 2004 - III ZR 344/03 - BGHZ 159, 142 <150 f.> und vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09 - NJW-RR 2010, 1355 Rn. 8).

30 Dem lässt sich auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Gebührenordnung nach ihrer Novellierung im Jahr 2011 keinen Anspruch mehr auf Vollständigkeit erhebt, sondern Lücken in Kauf nimmt, die gerade durch eine Vereinfachung der Analogberechnung kompensiert werden sollten. Denn zum einen hat der Verordnungsgeber auch vor diesem Hintergrund das Erfordernis einer selbstständigen zahnärztlichen Leistung als Voraussetzung einer Analogberechnung ausdrücklich nicht aufgegeben (vgl. BR-Drs. 566/11 S. 45). Zum anderen hat er den Katalog der verselbstständigten Einzelleistungen gerade nicht erweitert, sondern mit dem neu eingefügten Absatz 3 der Abrechnungsbestimmungen zur Nummer 6080 Anlage 1 GOZ auch normativ nochmals verdeutlicht, dass die Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ (im Übrigen) alle Einzelleistungen zur Kieferumformung und -einstellung einschließlich der Retention umfassen. Dass er dabei auch die festsitzenden Lingualretainer im Blick hatte, ergibt sich - wie dargelegt - aus der Verordnungsbegründung.

31 3. Kommt ein Ansatz von Gebühren für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers entsprechend den Nummern 6100 und 6140 Anlage 1 GOZ nicht Betracht, verstößt auch ein - vom Oberverwaltungsgericht so nicht geprüfter - Ansatz der Nummer 2197 Anlage 1 GOZ neben den direkt angewendeten Nummern 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ für den Einsatz der Adhäsivtechnik bei der Eingliederung eines Lingualretainers gegen das Doppelberechnungsverbot des § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ. Die angefochtene Entscheidung erweist sich daher insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

32 Nummer 2197 Anlage 1 GOZ umfasst dem Leistungstext nach die adhäsive Befestigung eines Therapiegeräts bzw. Werkstücks, das seinerseits mit einem Klammerzusatz ("plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer etc.") umschrieben wird. Ihre selbstständige Berechnungsfähigkeit neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ ist nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ grundsätzlich ausgeschlossen, weil sie ebenfalls nicht Bestandteil, wohl aber eine besondere Ausführung der Leistung nach den letztgenannten Gebührenbestimmungen ist (a). Der Verordnungsgeber hat die adhäsive Befestigung im Verhältnis zur Leistung nach den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ auch nicht derart abrechnungstechnisch verselbstständigt, dass sich die Frage nach ihrem Verhältnis zueinander nicht mehr stellt (b).

33 a) Nach Maßgabe der bereits zuvor dargestellten Grundsätze (oben 2.) kann die Nummer 2197 Anlage 1 GOZ für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers nicht zusätzlich zu den hier berechneten Nummern 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ in Ansatz gebracht werden, weil sich die Befestigung eines solchen Retainers in Adhäsivtechnik als Maßnahme der Retention mit deren Inhalt überschneidet und daher dem Doppelberechnungsverbot des § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ unterliegt. Eine solche Überschneidung ergibt sich zwar nicht bereits daraus, dass die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GOZ Bestandteil der mit den Nummern 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ abgerechneten Leistung ist. Denn wenn schon die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers nicht als Bestandteil der in den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ beschriebenen Retention im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GOZ anzusehen ist (oben 2. a), gilt dies natürlich auch für seine adhäsive Befestigung. Sie folgt aber jedenfalls daraus, dass es sich bei ihr ebenfalls um eine besondere Ausführung dieser anderen Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ handelt. Denn die Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ erfassen gebührenrechtlich sämtliche Behandlungsleistungen, die im Zusammenhang mit dem jeweiligen Behandlungsziel - unter Einschluss der Retention - stehen, an das der im Leistungstext genannte Begriff der "Maßnahme" anknüpft und die diesem zugeordnet werden können. Dies beinhaltet alle hierauf bezogenen Einzelleistungen, ohne dass der behandelnde Zahnarzt insoweit auf eine bestimmte Methodik oder Ausführungsweise festgelegt wird (oben 2. b bb). Eingeschlossen ist damit die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers auch in Bezug auf die dabei zur Anwendung kommende Adhäsivtechnik.

34 b) Die Anwendung der Adhäsivtechnik nach der Nummer 2197 Anlage 1 GOZ kann auch nicht ausnahmsweise unabhängig von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ neben der Leistung nach den Nummern 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ berechnet werden. Zwar ist der Verordnungsgeber - wie oben (2. b bb) dargelegt - auch im Fall kieferorthopädischer Leistungen frei darin, zusätzlich zu einer Gebühr, die einen Oberbegriff von behandlungstechnischen Leistungen abbildet, auch noch einzelne dieser Leistungen daneben zur Abrechnung zu stellen.

35 Eine solche abrechnungstechnische Verselbstständigung ist für die Nummer 2197 Anlage 1 GOZ im Verhältnis zu den Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ indes nicht erkennbar. Sie würde eine Ausnahme von dem Doppelberechnungsverbot nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GOZ und damit dem Prinzip darstellen, dass Voraussetzung der Berechenbarkeit zahnärztlicher Leistungen ihre Selbstständigkeit ist. Eine Abweichung von diesem normativen Grundsatz setzt eine hinreichend deutlich erkennbare Regelungsabsicht des Verordnungsgebers voraus. Eine solche lässt sich im Wege der Auslegung der hier in Rede stehenden Normen nicht feststellen.

36 aa) Dem Wortlaut der Nummer 2197 Anlage 1 GOZ lässt sich eine derartige Absicht des Verordnungsgebers nicht in der erforderlichen eindeutigen Weise entnehmen. Insbesondere enthält die Aufzählung im Klammerzusatz des Leistungstextes, der zum Ausdruck bringen soll, für welche Werkstücke eine adhäsive Befestigung zur Anwendung kommen kann, keinen Hinweis auf den hier in Rede stehenden Retainer. Äußerstenfalls kann angenommen werden, dass eine Einbeziehung von Retainern nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden ist, weil der unspezifische Zusatz "etc." einerseits den bloß beispielhaften Charakter der Aufzählung verdeutlicht und andererseits weitere etwa einzubeziehende Werkstücke nicht im Sinne der Regelbeispieltechnik auf eine qualitative wertungsmäßige Vergleichbarkeit beschränkt.

37 bb) Auch systematische Argumente sprechen nicht dafür, eine Berechenbarkeit der Leistung nach der Nummer 2197 Anlage 1 GOZ neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ, deren Wortlaut keine Aussage über das Verhältnis zur Nummer 2197 Anlage 1 GOZ enthält, anzunehmen. Richtig ist zwar, dass allein die Stellung der Nummer 2197 Anlage 1 GOZ außerhalb des Abschnitts G (Kieferorthopädische Leistungen) des Gebührenverzeichnisses der Annahme einer abrechnungstechnischen Verselbstständigung im Verhältnis zu dort aufgeführten Leistungen nicht entgegensteht. Zugleich verdeutlicht aber die sich aus einem Umkehrschluss aus der Regelung in Absatz 4 der Abrechnungsbestimmungen in der Nummer 6080 Anlage 1 GOZ ergebende Berechenbarkeit der Nummern 6090 bis 6180 Anlage 1 GOZ neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 GOZ, obwohl sie inhaltlich von diesen umfasst sind, dass dem Verordnungsgeber die Notwendigkeit einer hinreichend eindeutigen normativen Klarstellung einer Ausnahme vom Doppelberechnungsverbot bewusst war.

38 cc) Schließlich entspricht es auch nicht dem Sinn und Zweck der im Jahr 2011 eingefügten Nummer 2197 Anlage 1 GOZ, sie neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 für berechnungsfähig zu halten, obwohl die Anwendung der Adhäsivtechnik bereits Leistungsinhalt dieser Gebührennummern ist.

39 Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Nummer 2197 nach dem Willen des Verordnungsgebers den Mehraufwand für eine adhäsive Befestigung abgelten soll (BR-Drs. 566/11, S. 54). Sie beinhaltet ihrer Struktur nach zunächst keine Vergütung für ein bestimmtes Behandlungsziel oder eine Behandlungsmethode, sondern allenfalls einen Teilaspekt davon, nämlich die Verwendung einer bestimmten Befestigungstechnik. Dem entspricht es von vornherein, dass sie nicht für sich genommen zur Abrechnung gelangt, sondern immer nur zusammen mit einer anderen Gebührennummer, die das zu befestigende Werkstück und seine Einbringung regelt (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 29. Juni 2016 - 2 A 10634/15 - juris Rn. 55). Insofern handelt es sich bei ihr um eine Art unselbstständiger Zusatzvergütung, die für ein bestimmtes zahnärztliches Vorgehen mit einem höheren Aufwand (allein) im Zusammenhang mit einer anderen Leistung als der nach Nummer 2197 Anlage 1 GOZ gewährt werden soll. Der Mehraufwand, der dem Verordnungsgeber erkennbar insoweit vor Augen stand, ist der Mehraufwand, der bei der Erbringung der (anderen) zahnärztlichen Leistung in Bezug auf die Befestigung mit Adhäsivtechnik im Vergleich zu einer alternativen Leistung, nämlich einer Erbringung ohne Befestigung in Adhäsivtechnik, entsteht. Er differenziert dabei auch nicht zwischen der Dentin-Adhäsivtechnik einerseits und der Schmelz-Adhäsivtechnik andererseits (vgl. BR-Drs. 566/11, S. 54).

40 Gleichwohl ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber einen solchen Mehraufwand für die Anwendung der Adhäsivtechnik auch in den Fällen über den Ansatz der Nummer 2197 Anlage 1 GOZ für berechnungsfähig gehalten hat, in denen die Adhäsivtechnik - wie hier im Fall der Nummern 6030 und 6070 Anlage 1 GOZ - als methodische Variation bereits in die Leistungsbeschreibung eines anderen Gebührentatbestandes aufgenommen worden ist. Hierfür gibt insbesondere die Verordnungsbegründung keinen Hinweis.

41 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.