Beschluss vom 09.11.2021 -
BVerwG 1 W-VR 17.21ECLI:DE:BVerwG:2021:091121B1WVR17.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.11.2021 - 1 W-VR 17.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:091121B1WVR17.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 W-VR 17.21

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 9. November 2021 beschlossen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt die vorläufige Zulassung zu einem Lehrgang im Rahmen der Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes.

2 Der 19... geborene Antragsteller stand von November 1999 bis Oktober 2011 als Soldat auf Zeit im Dienst der Bundeswehr. Mit Wirkung vom 4. November 2016 trat er erneut mit dem zuletzt erworbenen Dienstgrad eines Oberfeldwebels als Soldat auf Zeit in die Bundeswehr ein. Unter Berücksichtigung seiner früheren Wehrdienstzeit endet seine festgesetzte Dienstzeit von insgesamt 25 Jahren am 5. Juni 2029. Der Antragsteller wurde mit Wirkung vom 1. Februar 2019 zum Hauptfeldwebel befördert. Er wird seit seiner Wiedereinstellung - auch schon parallel zu der Mitte Dezember 2017 mit dem Erwerb der entsprechenden ATN abgeschlossenen Ausbildung - bei der ... als Materialbewirtschaftungsfeldwebel verwendet.

3 Unter dem 31. August 2020 schlug sein Disziplinarvorgesetzter ihn für das Auswahljahr 2021 für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes vor.

4 Mit Bescheid vom 19. Mai 2021 lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antrag des Antragstellers auf Laufbahnzulassung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach Auswertung aller maßgeblichen Unterlagen nur Kandidaten für eine Zulassung vorgesehen worden seien, deren Eignungs- und Leistungsbild besser als das des Antragstellers gewesen sei. Außerdem sei das Dienstverhältnis des Antragstellers als Soldat auf Zeit nach Vollendung seines 40. Lebensjahres begründet worden, so dass ergänzend die damit verbundenen Besonderheiten des § 48 BHO zu prüfen gewesen wären.

5 Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 10. Juni 2021 Beschwerde.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 4. Oktober 2021 hat der Antragsteller außerdem den hier gegenständlichen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel gestellt, ihn im Rahmen der Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes ab dem 20. Oktober 2021 vorläufig zum Laufbahnlehrgang zuzulassen. Für die einstweilige Anordnung bestehe ein Anordnungsgrund, weil die Teilnahme an diesem Lehrgang zur Vermeidung von Laufbahnnachteilen durch zeitliche Verzögerungen unverzichtbar sei. Andernfalls drohe, dass sein Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG für das Auswahljahr 2021 vereitelt werde. Ihm stehe aufgrund dieser Vorschrift auch ein Anordnungsanspruch zur Seite. Er sei von seinem Disziplinarvorgesetzten für das Auswahljahr 2021 zum Berufssoldaten vorgeschlagen worden; angesichts seiner aktuellen Beurteilungen, der Beurteilungen für zwei Auslandseinsätze und der zwei förmlichen Anerkennungen sei sicher davon auszugehen, dass er sich unter Leistungsgesichtspunkten für die Übernahme zum Berufssoldaten qualifizieren werde. § 48 BHO stehe dem Laufbahnwechsel nicht entgegen. Zudem müsse er wegen einer Fürsorgepflichtverletzung so gestellt werden, als hätte er das 40. Lebensjahr noch nicht überschritten. Das Kriterium einer eindeutigen Empfehlung für den Laufbahnwechsel in der aktuellen planmäßigen Beurteilung sei mit Art. 33 Abs. 2 GG nicht vereinbar. Im Übrigen habe er eine solche Empfehlung in der planmäßigen Beurteilung vom 29. Juni 2020 erhalten.

6 Der Antragsteller beantragt,
die Bundesministerin der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über seine Beschwerde vom 10. Juni 2021 hinsichtlich der Ablehnung seiner Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zu dem am 20. Oktober 2021 beginnenden und bis 3. Februar 2022 andauernden Lehrgang ObjID Training, lfd. Nr. ..., Veranstalter: ... zuzulassen.

7 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

8 Es liege bereits kein Anordnungsgrund vor, weil dem Antragsteller keine schweren und unzumutbaren Nachteile drohten, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Eine rückwirkende Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes sei rechtlich zulässig und entspreche der Praxis des Bundesministeriums der Verteidigung. Der Antragsteller müsse nicht zwingend in den am 20. Oktober 2021 beginnenden Laufbahnlehrgang eingesteuert werden. Für die Laufbahnausbildung sei keine zwingende Reihenfolge vorgeschrieben. Die Regelausbildung habe bereits am 10. August 2021 begonnen. Der Ausbildungsgang für den Antragsteller könne ohne laufbahnrechtliche Nachteile mit Einsteuerung in den am 28. April 2022 beginnenden Laufbahnlehrgang durchgeführt werden. Die Ausbildungsabschnitte Fremdsprachenausbildung Englisch, Übungsleiter Bundeswehr und NschOffzMilFD/TrVersOffz SK seien nicht beförderungsrelevant. Der Antragsteller habe darüber hinaus keinen Anordnungsanspruch, weil er keinen Anspruch auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes habe. Er habe sich im Eignungs- und Leistungsvergleich der Mitbewerber nicht durchsetzen können. Denn seine letzte planmäßige Beurteilung enthalte keine eindeutige Empfehlung für den Laufbahnwechsel.

9 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II

10 Der Antrag hat keinen Erfolg.

11 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im Wehrbeschwerdeverfahren gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 123 VwGO grundsätzlich statthaft. Er kann - wie hier - auch schon vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache gestellt werden (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sachlich zuständig ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO).

12 Für die begehrte einstweilige Anordnung fehlt es jedoch an einem Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Dem Antragsteller entstehen ohne die vorläufige Zulassung zu dem Lehrgang keine schweren und unzumutbaren Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. August 2006 - 1 WDS-VR 3.06 - Rn. 21).

13 Der Antragsteller kann den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG im Hauptsacheverfahren durchsetzen. Eine Gefahr, dass die Verwirklichung dieses Rechts durch die Schaffung vollendeter Tatsachen vereitelt werden könnte, besteht grundsätzlich nicht. Denn eine rückwirkende Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes ist rechtlich zulässig und erfolgt nach der Praxis des Bundesministeriums der Verteidigung aufgrund einer Ausnahmegenehmigung auch regelmäßig, wenn der Zulassungsantrag in der Sache Erfolg hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2018 - 1 WB 8.17 - Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002 Nr. 6 Rn. 14 m.w.N.). Umgekehrt trägt die begehrte vorläufige Lehrgangsteilnahme zum Laufbahnaufstieg (als solchem) nichts bei; auch ein erfolgreicher Lehrgangsabschluss würde kein "Recht aus abgelegter Prüfung" im Sinne eines Anspruchs auf Laufbahnzulassung begründen und könnte ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht ersetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2018 - 1 WDS-VR 11.17 - juris Rn. 13 zum Offizierlehrgang im Rahmen der Ausbildung für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes).

14 Dem Antragsteller drohen aber auch unter dem Gesichtspunkt der zeitlichen Verzögerung keine schweren und unzumutbaren Nachteile, die die begehrte einstweilige Anordnung erfordern würden. Nach der Erklärung des Bundesministeriums der Verteidigung besteht für die einzelnen Module im Rahmen der Anwärterausbildung für den militärfachlichen Dienst zwar eine Regelabfolge, die aber hinreichende Spiel- und Freiräume für eine flexible Handhabung und für Varianten in der zeitlichen Ausgestaltung belässt. Die Ausbildungsabschnitte Fremdsprachenausbildung Englisch, Übungsleiter Bundeswehr und NschOffzMilFD/TrVersOffz SK gehören - anders als der erfolgreiche Besuch der zivilberuflichen Fortbildung und das Bestehen der Offizierprüfung (§ 27 Abs. 5 Satz 2 SG, § 24 Abs. 2 SLV, Nr. 917 ZDv A-1340/49) - auch nicht zu den Voraussetzungen für eine Beförderung zum Leutnant und können damit sogar nach Abschluss der Anwärterausbildung nachgeholt werden. Hiernach ist neben dem am 10. August 2021 mit der Ausbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt beginnenden Regelausbildungsgang auch eine Ausbildungsvariante möglich, nach der die Ausbildung im Januar 2022 mit der - nicht beförderungsrelevanten - Sprachausbildung Englisch und im April 2022 mit dem beförderungsrelevanten Offizierlehrgang beginnt.

15 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Wehrbeschwerdeordnung - im Gegensatz zu anderen Prozessordnungen - dem Beschwerdeführer in Form von Untätigkeitsrechtsbehelfen (§ 1 Abs. 2, § 16 Abs. 2 und § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO) stringente Mittel des effektiven Rechtsschutzes an die Hand gibt, um das vorgerichtliche Verfahren zu beschleunigen und eine rechtzeitige gerichtliche Hauptsacheentscheidung zu ermöglichen. Dies kann mittelbar dafür sorgen, dass sich Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes erübrigen oder zumindest seltener oder in geringerem Umfang erforderlich werden.