Beschluss vom 15.04.2025 -
BVerwG 8 B 14.24ECLI:DE:BVerwG:2025:150425B8B14.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.04.2025 - 8 B 14.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:150425B8B14.24.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 14.24

  • VG Berlin - 07.02.2024 - AZ: 29 K 139/22


In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts


am 15. April 2025


durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und


den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Naumann


beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Februar 2024 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe

1 Die Beteiligten streiten um die Zuordnung eines in M. belegenen Grundstücks, als dessen Eigentümer im Jahr 1990 der VEB A im Grundbuch eingetragen war. Im November 1990 beantragte die K. GmbH i. A. die Grundbuchumschreibung für das verfahrensgegenständliche Grundstück, die im Mai 1991 unter Bezugnahme auf das Treuhandgesetz erfolgte. Im Juni 2001 veräußerte sie das Grundstück an die beigeladene Stadt, auf die das Grundstück im Oktober 2003 umgeschrieben wurde. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die G. GmbH (G.), ist eines von mehreren Nachfolgeunternehmen des VEB B. Nachdem sich die G. 2019 erfolglos bemüht hatte, beim Grundbuchamt eine Berichtigung der Eigentumseintragung zu ihren Gunsten zu erwirken, beantragte sie im März 2020 beim Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) die Zuordnung des Grundstücks mit der Behauptung, sie sei Rechtsnachfolgerin des VEB B geworden. Das BADV lehnte den Antrag ab. Es sei weder Rechtsträger- noch Fondsinhaberschaft des VEB B nachgewiesen, darüber hinaus nicht, dass gerade die Klägerin hinsichtlich des Grundstücks dessen Rechtsnachfolge angetreten habe. Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Für die Zuordnung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks an die Klägerin fehle es an hinreichenden Belegen, dass das Eigentum an diesem Vermögenswert gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2, § 23 Treuhandgesetz, ggf. in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Fünften Durchführungsverordnung zum Treuhandgesetz, gerade auf die insoweit beweisbelastete Klägerin übergegangen sei. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensmangels, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), zuzulassen.

3 1. Die von der Klägerin erhobenen Aufklärungsrügen (§ 86 Abs. 1 VwGO) greifen nicht durch. Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher konkreter Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Antragsteller günstigeren Entscheidung hätte führen können. Zudem muss bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr beanstandet wird, hingewirkt oder dargelegt werden, dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Januar 2024 - 10 BN 4.23 - UWP 2024, 158 Rn. 24 und vom 28. August 2024 - 8 B 9.24 - juris Rn. 2). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

4 a) Die Klägerin macht geltend, das Verwaltungsgericht habe aufklären müssen, ob zwischen dem VEB A und dem VEB B Parteiidentität bestehe oder Vereinbarungen getroffen worden seien, die dem VEB B eine Rechtsmacht eingeräumt hätten, wie sie dem VEB A als im Grundbuch eingetragenen Eigentümer im Hinblick auf das streitgegenständliche Grundstück zugekommen wären. Aufklärungsbedürftig sei auch der Inhalt der von der Klägerin behaupteten Vereinbarung von 1988 gewesen. Diese Rüge greift nicht durch. Einer möglichen Identität des im Grundbuch eingetragenen VEB A mit dem VEB B und einer möglichen rechtsgeschäftlichen Übertragung von Eigentümerbefugnissen von Ersterem auf Letzteren musste das Verwaltungsgericht nicht nachgehen, weil schlüssige Anhaltspunkte dafür weder den Akten zu entnehmen noch in der Vorinstanz substantiiert vorgetragen worden waren. Dort wurde vielmehr geltend gemacht, ein Rechtsträgerwechsel sei vorgesehen gewesen. Dies hat das Verwaltungsgericht unterstellt. Weitere Aufklärung dazu erübrigte sich nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung, weil es angenommen hat, der Rechtsträgerwechsel sei jedenfalls nicht vollzogen worden. Ergänzend und unabhängig davon hat es ausgeführt, es sei nicht erkennbar, welchem Nachfolgebetrieb des VEB B das verfahrensgegenständliche Grundstück habe zugeordnet werden sollen.

5 Weitere Aufklärung zur von der Klägerin behaupteten Vereinbarung von 1988 musste sich dem Verwaltungsgericht nach seiner Rechtsauffassung ebenfalls nicht aufdrängen. Danach scheiterte der Zuordnungsanspruch nicht schon daran, dass kein Nutzungsrecht des VEB B im Sinne von § 2 Abs. 1 der 5. DVO-TreuhG feststellbar war, sondern - unabhängig davon - am fehlenden Nachweis der Zugehörigkeit des verfahrensgegenständlichen Grundstücks zum Restvermögen dieses volkseigenen Betriebs.

6 b) Die weitere Rüge, das Verwaltungsgericht habe aufklären müssen, ob der VEB B das Grundstück gerade der Klägerin - und nicht einer seiner anderen acht Nachfolgegesellschaften - zugeordnet habe, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Dem Verwaltungsgericht musste sich aus seiner maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht auch insoweit die von der Klägerin vermisste Aufklärung nicht aufdrängen. Es ist davon ausgegangen, hinsichtlich des Grundstücks gebe es keinen Anhaltspunkt oder Beleg dafür, dass der von der Klägerin behauptete Rechtsträgerwechsel auf den VEB B stattgefunden hätte. Soweit der Gesamtvollstreckungsverwalter der K. GmbH einen Rechtsträgerwechsel vom 26. September 1990 angeführt habe, sei wegen der Entstehung von Eigentum gleich welcher Kapitalgesellschaft auf Grund der Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 TreuhG ein Rechtsträgerwechsel nicht mehr möglich gewesen. Im Gegensatz dazu setzt die von der Klägerin erhobene Aufklärungsrüge voraus, dass ein solcher Rechtsträgerwechsel bis zum 30. Juni 1990 stattgefunden hat. Sie knüpft damit an einen Sachverhalt an, den das Verwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Vielmehr hat es seinem Urteil die gegenteilige Annahme zugrunde gelegt. Die begehrte Aufklärung war auch nicht etwa geboten, weil das Verwaltungsgericht es für nachvollziehbar gehalten hat, dass eventuelles Restvermögen des VEB B der G. habe zugeordnet werden sollen. Zum einen kam es darauf wegen seines Verneinens einer Rechtsträgerschaft oder eines Nutzungsrechts des VEB B nach § 2 Abs. 1 der 5. DVO-TreuhG nicht an. Zum anderen konnte nach seiner Rechtsauffassung mangels nachvollziehbaren Vortrags zum Stilllegungszeitpunkt und nach dem Inhalt des Privatisierungsvertrags und der ausgewerteten Bilanzen gerade nicht von einer Zugehörigkeit des verfahrensgegenständlichen Grundstücks zum der G. zu übertragenden Restvermögen ausgegangen werden (vgl. dazu unter 2.). Zusätzlich hat es darauf abgestellt, dass das Verhalten der Treuhandanstalt gegen eine Absicht sprach, das Grundstück der G. zuzuordnen, und dass das Grundstück nicht in die nach dem Vertrag abschließende Grundstücksliste des Privatisierungsvertrags aufgenommen wurde. Aus seiner Sicht genügte das Fehlen einer ausdrücklichen Zuweisung des Grundstücks an eine andere Nachfolgegesellschaft daher nicht, um eine Zuordnung zur G. zu begründen. Damit erübrigte sich die von der Klägerin angemahnte Ermittlung zur Ausstattung der übrigen Nachfolgegesellschaften.

7 2. Die Revision ist nicht wegen eines Verstoßes des Verwaltungsgerichts gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen. Danach entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Vermeintliche Fehler in der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen. Die Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung ist erst dann überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 - 8 B 12.18 - juris Rn. 23, vom 30. Januar 2020 - 8 B 35.19 - ‌ZOV 2020, 70 Rn. 8 und vom 24. September 2024 - 8 B 12.24 - juris Rn. 8).

8 Nach diesem Maßstab hat die Klägerin eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes nicht dargetan. Sie macht geltend, das Verwaltungsgericht sei von einem unrichtigen bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen, weil es die Urkunde des Notars Dr. R. vom 29. Juni 1990 sowie die testierte DM-Eröffnungsbilanz der G. zum 1. Juli 1990 vom 28. Februar 1991 und die berichtigte testierte DM-Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 vom 11. Oktober 1991 übersehen habe. Diese Rüge trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat die notarielle Urkunde vom 29. Juni 1990 und ihren wesentlichen Inhalt zusammengefasst im Tatbestand seines Urteils ausdrücklich aufgeführt (UA S. 2). Auch die von der Klägerin in der Beschwerdebegründung angeführte Passage aus der berichtigten DM-Eröffnungsbilanz der G. hat es im Tatbestand seines Urteils wörtlich wiedergegeben (vgl. UA S. 4) und daraus den Schluss gezogen, dass alle nicht den anderen Nachfolgegesellschaften zugeordneten Vermögenswerte bei der G. verbleiben sollten. Es hat jedoch keinen hinreichenden Beleg dafür gesehen, dass dazu auch das streitige Grundstück gehörte und seine Auffassung unter anderem damit begründet, dass das Grundstück im Gründungsbericht der K. GmbH i. A. vom 29. Oktober 1990 aufgeführt sei (UA S. 8). Diese Ausführungen verstoßen weder gegen die Denkgesetze noch erweisen sie sich als objektiv willkürlich. Dass die Klägerin aus den Angaben in der berichtigten DM-Eröffnungsbilanz der G. andere Schlussfolgerungen zieht als das angegriffene Urteil, begründet keinen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.