Beschluss vom 15.06.2022 -
BVerwG 8 B 9.22ECLI:DE:BVerwG:2022:150622B8B9.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.06.2022 - 8 B 9.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:150622B8B9.22.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 9.22

  • VG Berlin - 23.09.2021 - AZ: 29 K 243.18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Juni 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. September 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger begehrt, auf der Grundlage von § 1 Abs. 6 VermG wegen eines verfolgungsbedingten Vermögensverlustes als Berechtigter anerkannt zu werden. Seinen hierauf gerichteten Antrag lehnte die Beklagte ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2 Die hiergegen gerichtete, allein auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 1. Das Verwaltungsgericht hat zur Sache verhandelt und entschieden, obwohl in dem Termin zur mündlichen Verhandlung auf Seiten des Klägers nur dieser selbst in Begleitung seiner Ehefrau, nicht aber sein Prozessbevollmächtigter anwesend war. Hieraus folgt weder eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) noch sonst ein Verfahrensfehler.

4 Entgegen der Auffassung des Klägers hatte das Gericht nach Maßgabe des § 86 Abs. 3 VwGO nicht die Pflicht, den Kläger zur Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich in der mündlichen Verhandlung durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Dabei kann dahinstehen, ob ein solcher Hinweis bereits wegen der rechtskundigen Prozessvertretung des Klägers im vorbereitenden Verfahren entbehrlich war. Eine derartige Hinweispflicht bestand jedenfalls nicht, weil für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht kein gesetzlicher Vertretungszwang besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2007 - 3 B 130.06 - juris Rn. 7). Im Hinblick auf das in der Verwaltungsgerichtsordnung ausdrücklich geregelte Recht der Beteiligten, vor dem Verwaltungsgericht das Verfahren selbst zu führen (§ 67 Abs. 1 VwGO), stellt das Unterbleiben eines Hinweises auf die Möglichkeit anwaltlicher Vertretung auch keinen Verstoß gegen die vom Kläger in Bezug genommenen rechtsstaatlichen und konventionsrechtlichen (Art. 6 EMRK) Grundsätze der Verfahrensgestaltung dar, die auf ein faires Verfahren und die prozessuale Waffengleichheit zielen.

5 Das Verwaltungsgericht hat ferner nicht das Recht des Klägers verletzt, sich in jeder Lage des Verfahrens durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen (vgl. § 67 Abs. 2 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn ein Beteiligter durch das Gericht gehindert wird, sich vor einer gerichtlichen Entscheidung anwaltlicher Beratung zu bedienen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass ein Beteiligter, der sein Recht auf anwaltliche Vertretung aus § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO wahrnehmen will, dies gegenüber dem zur Entscheidung berufenen Gericht eindeutig äußert und zum Ausdruck bringt, dass ihm eine sachgerechte Prozessführung ohne Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nicht möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2007 - 3 B 130.06 - juris Rn. 8 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Der Kläger hat trotz der in der Woche vor der Sitzung mitgeteilten Verhinderung seines Bevollmächtigten nicht um Terminsverlegung gebeten und auch nicht geltend gemacht, er habe während der mündlichen Verhandlung vorgetragen, anwaltlicher Hilfe zu bedürfen.

6 2. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe dem Kläger unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG während der mündlichen Verhandlung nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Äußerung gegeben, ist nicht hinreichend begründet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Im Hinblick darauf müsste die Beschwerde darlegen, was der Kläger bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwieweit der weitere Vortrag zu einer ihm günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 31. Juli 1985 - 9 B 71.85 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 S. 9 f. und vom 16.  Februar 1998 - 4 B 2.98 - NVwZ 1998, 1066). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.

7 Soweit der Kläger eine hinreichende Berücksichtigung des von ihm vorbereiteten "Plädoyers" sowie verschiedener Zeitungsartikel vermisst, legt er nicht dar, weshalb daraus eine ihm günstigere Entscheidung folgen könnte. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die von ihm zunächst beabsichtigte geänderte Antragstellung. Soweit er das Unterbleiben einer hinreichenden Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung beanstandet, ist nicht dargetan, was er hierbei noch vorgetragen hätte.

8 3. Der Kläger macht ferner geltend, das Verwaltungsgericht habe ihn unter Verstoß gegen § 86 Abs. 3 VwGO nicht auf die Möglichkeit der Stellung von Beweisanträgen hingewiesen und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Im Hinblick darauf fehlt es ebenfalls an substantiierten Darlegungen dazu, auf welche tatsächlichen Feststellungen etwaige Beweisanträge gerichtet gewesen wären und inwieweit die Beweiserhebung zu einem dem Kläger günstigeren Ergebnis des Verfahrens hätte führen können.

9 4. Mit dem Hinweis des Klägers, die in dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts in Bezug genommenen Gerichts- und Verwaltungsakten seien nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden, wird kein Verfahrensfehler in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.