Beschluss vom 16.02.2021 -
BVerwG 9 B 1.21ECLI:DE:BVerwG:2021:160221B9B1.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.02.2021 - 9 B 1.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:160221B9B1.21.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 1.21

  • VG Koblenz - 16.02.2018 - AZ: VG 5 K 865/17.KO
  • OVG Koblenz - 12.09.2019 - AZ: OVG 1 A 11179/18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Februar 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dieterich und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2020 (9 B 69.19 ) wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1 Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Das Rügevorbringen lässt nicht erkennen, dass das Bundesverwaltungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, aus seiner Sicht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch dazu, sich deren Rechtsauffassung anzuschließen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2017 - 10 B 4.17 - juris Rn. 10 m.w.N. <insoweit in Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 37 nicht abgedruckt>).

3 Dies zugrunde gelegt, liegt ein Gehörsverstoß nicht vor. Der Kläger rügt, das Bundesverwaltungsgericht habe tragende Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es gegnerischen Vortrag ungeprüft übernommen habe, nicht beanstandet. Die Auffassung der Vorinstanz, der streitgegenständliche Weg habe jedenfalls mit Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes vom 15. Februar 1963 zum 1. April 1963 seinen öffentlich-rechtlichen Charakter kraft Gesetzes verloren, sei krass falsch. Mit dieser erneuten Wiedergabe seiner Rechtsansicht kann jedoch weder ein Gehörsverstoß des Berufungsgerichts noch des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt werden.

4 Das Bundesverwaltungsgericht hat im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde eine gehörsverletzende Überraschungsentscheidung des Berufungsgerichts verneint, weil die Vorinstanz dem Vortrag des Beklagten in der Berufungserwiderung vom 20.  Dezember 2018 zum Verlust des öffentlich-rechtlichen Charakters des streitgegenständlichen Weges kraft Gesetzes zum 1. April 1963 exakt gefolgt ist. Dieser Vortrag war dem Kläger somit bekannt, seine Verwertung im Urteil konnte für ihn nicht überraschend sein. Er musste damit rechnen, dass das Berufungsgericht die in das Verfahren eingeführte Rechtsauffassung für richtig halten könnte. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs beinhaltet keinen Anspruch darauf, dass das Gericht einer von einem Beteiligten als falsch angesehenen Rechtsauffassung nicht folgt.

5 Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang eine vom Bundesverwaltungsgericht nicht beanstandete Überraschungsentscheidung der Vorinstanz nunmehr auch daraus herleiten will, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts nicht gemäß § 86 Abs. 3 VwGO hinreichend darauf hingewirkt habe, dass ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt und ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Angaben abgegeben werden, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Die vom Berufungsgericht übernommene Rechtsauffassung des Beklagten stützt sich in erster Linie auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 7. Juni 1979 (- 1 A 32/76 - AS RP-SL 15, 232) sowie ergänzend auf einen näher bezeichneten Runderlass; zu beidem hätte sich der Kläger schriftsätzlich oder in der mündlichen Verhandlung äußern können, da sowohl der wesentliche Inhalt als auch die Fundstellen in der Berufungserwiderung genannt worden sind, die dem Kläger "zur Erwiderung" übersandt worden ist.

6 Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Gericht auch nicht verpflichtet, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen und diese zur Erörterung zu stellen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 31. Juli 2007 - 5 C 3.07 - juris Rn. 3 und vom 29. November 2018 - 9 BN 8.18 - juris Rn. 4). Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die im Urteil tragend herangezogene Rechtsauffassung zum Verlust des öffentlich-rechtlichen Charakters des Weges in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist; entscheidend ist, dass der Kläger, der die Rechtsauffassung des Beklagten kannte, hierzu die Möglichkeit hatte. Hiervon abgesehen erstreckt sich die Beweiskraft des Protokolls (§ 173 VwGO i.V.m. § 165 ZPO) lediglich auf die für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten und nicht auf die Frage, welche Themen des Rechtsstreits in der mündlichen Verhandlung erörtert worden sind; dies ist auch nicht notwendiger Inhalt des Protokolls (§ 173 VwGO i.V.m. § 160 ZPO). Im Übrigen sind die Verfahrensakten und damit auch die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten im Berufungsverfahren ausdrücklich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

7 Ein eigenständiger Gehörsverstoß des Bundesverwaltungsgerichts liegt schließlich nicht darin, dass vom Beklagten unaufgefordert im Verfahren gegen die Nichtzulassung der Revision noch neu vorgelegte Anlagen mit persönlichen Daten Dritter zu Bauanträgen an den Kläger nur in anonymisierter ("geschwärzter") Form weitergeleitet worden sind. Dies ergibt sich - auch unter Berücksichtigung des erneuten Schriftsatzes vom 25. Januar 2021 - schon daraus, dass das Bundesverwaltungsgericht diese Anlagen in seiner Entscheidung über die Nichtzulassung der Beschwerde nicht verwertet hat, sie also nicht entscheidungserheblich geworden sind. Dies ist dem Kläger bereits bei Eingang der Anhörungsrüge unter Bezugnahme auf die dort enthaltene Bitte um Erläuterung des Vorgangs der Anonymisierung mitgeteilt worden.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtsgebühr nicht nach dem Streitwert bemisst, sondern unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG ergibt.