Verfahrensinformation

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für die Unterbringung und Betreuung eines minderjährigen Hilfeempfängers in einem Heim.


Der klagende Landkreis gewährte dem Hilfeempfänger als Träger der Jugendhilfe von September 2006 bis Ende Januar 2014 Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung. Ab August 2006 bezog der Hilfeempfänger von dem beklagten Landeswohlfahrtsverband als Träger der Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz eine Beschädigtengrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Auf den Antrag des Klägers, ihm als nachrangig verpflichteter Leistungsträger die gewährten Jugendhilfeleistungen zu erstatten, zahlte der Beklagte dem Kläger für die Zeit von September 2006 bis Ende Juni 2011 rund 190 000 €. Für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 lehnte der Beklagte hingegen die Kostenerstattung mit der Begründung ab, dass er in diesem Zeitraum nicht verpflichtet gewesen sei, dem Hilfeempfänger eine Erziehungsbeihilfe nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (§ 27 BVG) zu gewähren. Denn der Hilfeempfänger hätte aufgrund einer zum 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Änderung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmung (§ 25 f Abs. 1 BVG) die von ihm angesparte Beschädigtengrundrente als Vermögen einsetzen müssen und aus seinen den Schonbetrag übersteigenden Ersparnissen die monatlichen Kosten der Heimunterbringung selbst aufbringen können. Dem trat der Kläger entgegen. Das aus der Beschädigtengrundrente angesparte Vermögen des Hilfeempfängers sei nicht - wie vom Beklagten geltend gemacht - jeweils monatlich der Leistungspflicht des Beklagten und damit den für die Heimerziehung angefallenen Kosten gegenüberzustellen. Vielmehr sei der geltend gemachte Gesamterstattungsbetrag mit dem im Leistungszeitraum wertbaren Vermögen zu saldieren. Demzufolge habe ihm der Beklagte für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 weitere rund 9 600 € zu erstatten.


Die entsprechende Entschädigungsklage des Klägers hatte in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich hinsichtlich der Frage, wie der Umfang des Erstattungsanspruchs zu bestimmen sei, der Rechtsauffassung des Beklagten angeschlossen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision.


Urteil vom 17.07.2019 -
BVerwG 5 C 5.18ECLI:DE:BVerwG:2019:170719U5C5.18.0

Berücksichtigung des Vermögens aus angesparter Grundrente bei der Ermittlung des Umfangs des Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs. 3 SGB X

Leitsatz:

Ist der Berechtigte gegenüber dem vorrangig verpflichteten Träger der Opferentschädigung zum Einsatz seines verwertbaren Vermögens verpflichtet, ist bei der gebotenen hypothetischen Betrachtung zur Ermittlung des Umfangs des Erstattungsanspruchs des nachrangig verpflichteten Jugendhilfeträgers nach § 104 Abs. 3 SGB X ein fiktiver Verbrauch des verwertbaren Vermögens anzusetzen.

  • Rechtsquellen
    SGB VIII § 10 Abs. 1 Satz 1, §§ 27, 34, 39 Abs. 1
    OEG § 1 Abs. 1 Satz 1
    BVG § 25a Abs. 1, § 25c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, § 25d Abs. 1 Satz 2, § 25e Abs. 1, § 25f Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2, § 27d Abs. 1 Nr. 3, § 31 Abs. 1, § 33 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a, § 66 Abs. 1 Satz 1
    SGB X § 104 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3

  • VG Kassel - 29.11.2016 - AZ: VG 5 K 2580/15.KS
    VGH Kassel - 13.02.2018 - AZ: VGH 10 A 312/17

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 17.07.2019 - 5 C 5.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:170719U5C5.18.0]

Urteil

BVerwG 5 C 5.18

  • VG Kassel - 29.11.2016 - AZ: VG 5 K 2580/15.KS
  • VGH Kassel - 13.02.2018 - AZ: VGH 10 A 312/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Februar 2018 aufgehoben.
  2. Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten über den Umfang des Erstattungsanspruchs des klagenden Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gegen den beklagten Träger der Opferentschädigung im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011.

2 Der Berechtigte der Sozialleistung wurde 1996 geboren. Dessen Mutter wurde Anfang August 2006 von seinem leiblichen Vater getötet, der hierfür zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Seither lebte der Berechtigte bis zum Eintritt seiner Volljährigkeit im Heim. Hierfür leistete der Kläger fortlaufend Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung.

3 Das Versorgungsamt stellte bei dem Berechtigten als Folge der Gewalttat einen Schädigungsgrad von 30 fest und gewährte ihm mit Wirkung ab dem 1. August 2006 eine Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes. Diese Rente wurde vom Vormund des Berechtigten angespart und mündelsicher angelegt.

4 Anfang August 2011 erkannte der Beklagte gegenüber dem Kläger grundsätzlich seine Zuständigkeit zur Übernahme des geltend gemachten Bedarfs an und gab dem Erstattungsanspruch des Klägers für die Zeit ab der erstmaligen Gewährung von Jugendhilfeleistungen bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Berechtigten vorbehaltlich des Ergebnisses der noch nicht abgeschlossenen Einkommens- und Vermögensprüfung statt. Nach deren Abschluss erstattete er dem Kläger für die Zeit vom 25. August 2006 bis Ende Juni 2011 rund 190 000 €. Für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 lehnte er die Kostenerstattung unter Hinweis auf seine fehlende Leistungspflicht ab. Aufgrund der zum 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Änderung des § 25f Abs. 1 BVG sei der Berechtigte verpflichtet gewesen, sein aus der Grundrente angespartes verwertbares Vermögen zur Bedarfsdeckung einzusetzen.

5 Dem trat der Kläger entgegen. Die Eingliederungshilfe nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes stelle eine Dauerleistung dar. Dementsprechend sei der für den streitigen Erstattungszeitraum geltend gemachte Gesamtbetrag der von ihm erbrachten Aufwendungen von 20 713,28 € mit dem am 31. Dezember 2011 vorhandenen Sparguthaben des Berechtigten in Höhe von 16 470,04 € nach Abzug des gesetzlichen Schonbetrages zu saldieren. Danach habe ihm der Beklagte weitere 9 620,64 € zu zahlen. Die Auffassung des Beklagten, das Vermögen des Berechtigten stehe bis zu seinem tatsächlichen Verbrauch auf einen Betrag unterhalb der Vermögensschongrenze seiner Leistungspflicht dauerhaft entgegen, führe dazu, dass die Kosten der Heimunterbringung fortwährend aus Mitteln der steuerfinanzierten Jugendhilfe zu erbringen seien, ohne dass er, der Kläger, die Möglichkeit hätte, vom Leistungsberechtigten einen Vermögenseinsatz zu fordern. Dies widerspreche der gesetzgeberischen Intention, die der Neufassung des § 25f BVG zugrundeliege.

6 Die entsprechende Entschädigungsklage des Klägers hatte in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X seien dem Grunde nach erfüllt. Gleichwohl könne der Kläger keine Erstattung beanspruchen. Denn der Erstattungsanspruch sei nach § 104 Abs. 3 SGB X von dem Grundsatz geprägt, dass der erstattungspflichtige Leistungsträger nicht mehr zu erstatten habe, als er nach dem für ihn maßgebenden Recht gegenüber dem Berechtigten zu leisten gehabt hätte. Um dies zu gewährleisten sei - der Auffassung des Beklagten folgend - grundsätzlich eine monatliche Gegenüberstellung der angefallenen Heimkosten mit dem angesparten Vermögen aus der Grundrente vorzunehmen. Letzteres habe durchgängig die monatlichen Heimkosten deutlich überstiegen. Der hieraus resultierende Ausfall des Erstattungsanspruchs des Klägers als nachrangig verpflichtetem Leistungsträger finde seine Rechtfertigung in der grundsätzlichen Verschiedenheit der jeweiligen Leistungssysteme, die unterschiedliche Regelungen zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen enthielten.

7 Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Erstattungsbegehren weiter. Er rügt eine Verletzung des § 25f und des § 25c Abs. 1 BVG.

8 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II

9 Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht nicht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es verletzt § 104 Abs. 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130). Entgegen der entscheidungstragenden Annahme des Verwaltungsgerichtshofs ist bei der zur Ermittlung des Umfangs des Erstattungsanspruchs erforderlichen Prüfung, wie sich die Leistungsverpflichtung des beklagten Trägers der Opferentschädigung gegenüber dem Berechtigten entwickelt hätte, ein hypothetischer (fiktiver) Verbrauch von dessen verwertbarem Vermögen anzusetzen. Da der Senat über den Umfang des Erstattungsanspruchs ohne weitere Feststellungen zum Sachverhalt nicht entscheiden kann, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

10 1. Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch allein § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht kommt. Danach ist für den Fall, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, grundsätzlich der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte. Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt mithin voraus, dass Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger nebeneinander bestehen und miteinander konkurrieren, wobei die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen nachgehen muss (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2012 - 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 Rn. 26 und vom 23. Januar 2014 - 5 C 8.13 - Buchholz 435.12 § 104 SGB X Nr. 4 Rn. 7; s.a. BSG, Urteil vom 25. Januar 1994 - 7 RAr 42/93 - BSGE 74, 36 <38> m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind - wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend festgestellt hat - hier erfüllt.

11 a) Der Berechtigte hatte in dem streitigen Zeitraum gegen beide Beteiligte dem Grunde nach einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Heimerziehung.

12 aa) Die entsprechende Leistungspflicht des Klägers ergibt sich aus §§ 27, 34 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Kinder und Jugendhilfe - SGB VIII) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 3a des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453). Von den Beteiligten wird zu Recht nicht in Abrede gestellt, dass der Status des Berechtigten als Halbwaise, dessen anderer Elternteil zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, im streitgegenständlichen Zeitraum eine umfassende erzieherische Hilfeleistung notwendig machte und die Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls einzig in Betracht kommende geeignete Alternative war.

13 Der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII ist unter diesen Umständen auf die Vermittlung eines geeigneten Heimplatzes gerichtet (vgl. Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Aufl. 2017, § 34 Rn. 4) und verpflichtet den Träger der Jugendhilfe gemäß § 39 Abs. 1 SGB VIII, auch den notwendigen Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen, welcher die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen umfasst.

14 bb) Gegen den Beklagten stand dem Berechtigten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) in der Fassung vom 7. Januar 1985 (BGBl. I S. 1) in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG) vom 22. Januar 1982 (BGBl. I S. 21), beide Gesetze vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 1 bzw. 3 des Gesetzes vom 20. Juni 2011 (BGBl. I S. 1114), ein Anspruch auf Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen zu. Letztere ist in § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG ausdrücklich genannt.

15 Die Leistungspflicht des Beklagten dem Grunde nach scheitert - entgegen der von ihm vertretenen Auffassung - insbesondere nicht daran, dass der Berechtigte der Opferentschädigungsleistung im streitgegenständlichen Zeitraum möglicherweise über ein Vermögen aus angesparter Grundrente verfügte, das abzüglich des ihm zustehenden Schonbetrags die entstehenden Aufwendungen für seine Heimerziehung überstieg. Der Anspruch auf Eingliederungshilfe entsprechend § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG geht nicht auf Zahlung einer laufenden monatlichen Geldleistung an den Geschädigten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG. Er vermittelt dem Geschädigten gegenüber dem Träger der Opferentschädigung vielmehr einen Anspruch auf Verschaffung der Sach- und Dienstleistungen, die zur Deckung des im Rahmen der Eingliederungshilfe anzuerkennenden Bedarfs erforderlich sind. Zu diesen Leistungen gehören bei Kindern und Jugendlichen, die - wie der Berechtigte - Geschädigte nach dem Opferentschädigungsgesetz sind, auch die Unterbringung und Betreuung in einer Einrichtung über Tag und Nacht, soweit dafür - wie es hier zwischen den Beteiligten unstreitig ist - ein entsprechender Bedarf besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 5 C 7.09 - BVerwGE 137, 85 Rn. 11). Die Leistungspflicht des Trägers der Opferentschädigung im Rahmen der Eingliederungshilfe ist dann - und so auch hier - in erster Linie auf die Verschaffung eines Platzes in einer entsprechenden Einrichtung ausgerichtet (vgl. allgemein zur Erbringung der Eingliederungshilfe als Sachleistung in Form der Sachleistungsverschaffung/Gewährleistungsverantwortung etwa BSG, Urteile vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 R - BSGE 102, 1 Rn. 15 ff.; vom 2. Februar 2010 - B 8 SO 20/08 R - juris Rn. 12 und vom 18. November 2014 - B 8 SO 23/13 R - SozR 4-3500 § 75 SGB XII Nr. 6 Rn. 14). Untrennbarer Bestandteil dieser Verschaffungspflicht ist regelmäßig der Schuldbeitritt zur Zahlungsverpflichtung des Geschädigten bzw. von dessen gesetzlichem Vertreter gegenüber dem Träger der Einrichtung. Er erfolgt mittels der Erklärung des Trägers im Bewilligungsbescheid, die dem Einrichtungsträger zustehende Vergütung zu übernehmen (vgl. BSG, Urteile vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 R - BSGE 102, 1 Rn. 25 und vom 2. Februar 2012 - B 8 SO 5/10 R - SozR 4-3500 § 62 SGB XII Nr. 1 Rn. 10). Für den Fortbestand des Anspruchs des Geschädigten auf Eingliederungshilfe und der damit korrespondierenden Verschaffungs- und Kostenübernahmepflicht des Trägers der Opferentschädigung dem Grunde nach ist entscheidend, dass der Geschädigte einen andauernden Bedarf an einer Unterbringung und Betreuung in einer Einrichtung über Tag und Nacht aufweist und dieser Bedarf auf die erlittene gesundheitliche Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG (mit-)ursächlich zurückzuführen ist. Eine etwaige finanzielle Leistungsfähigkeit des Geschädigten kann allenfalls Einfluss auf die Erfüllung des erklärten Schuldbeitritts und damit den Umfang der Kostenübernahmepflicht des Trägers der Opferentschädigung haben (vgl. § 25a Abs. 1 BVG). Gemessen daran war der Beklagte dem Berechtigten gegenüber während des gesamten streitgegenständlichen Erstattungszeitraums dem Grunde nach zur Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in entsprechender Anwendung von § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG verpflichtet.

16 b) Die Leistungsverpflichtung des Beklagten geht wegen des in § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII angeordneten Nachrangs der Jugendhilfe auch jener der Klägerin vor.

17 Die allgemeine Subsidiarität jugendhilferechtlicher Leistungen gegenüber denen anderer Sozialleistungsträger gilt auch gegenüber den Leistungen nach dem Opferentschädigungsrecht (Urteil vom 27. Mai 2010 - 5 C 7.09 - BVerwGE 137, 85 Rn. 12; s.a. etwa H. Schellhorn, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Aufl. 2017, § 10 Rn. 17; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 10 Rn. 21d; Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 10 Rn. 22; Schönecker/Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 10 Rn. 18, jeweils m.w.N.). Zudem besteht die für das Rangverhältnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII vorausgesetzte Kongruenz zwischen den Leistungen der Jugendhilfe und den Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Sie setzt neben dem Bestehen eines Anspruchs des Berechtigten auf beide Leistungen voraus, dass sich diese ganz oder teilweise decken oder überschneiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2009 - 5 C 19.08 - BVerwGE 135, 159 Rn. 33). Das ist hier - wie oben dargelegt - der Fall.

18 2. Die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs tragen nicht die Feststellung, dass der Erstattungsanspruch des Klägers in den streitgegenständlichen sechs Monaten auf null Euro festzusetzen ist.

19 Der Umfang des Erstattungsanspruchs ist in § 104 Abs. 3 SGB X geregelt. Er richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger - hier also für den Beklagten - geltenden Vorschriften. Das dient der Sicherstellung, dass dieser im Erstattungsverhältnis zum nachrangig verpflichteten Leistungsträger nicht weitergehend belastet wird, als seine Verpflichtung unmittelbar dem Berechtigten gegenüber bestand (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 25). Für den so begrenzten Umfang des Erstattungsanspruchs ist im Sinne einer hypothetischen Betrachtung zu fragen, wie sich der Anspruch des Berechtigten gegen den Beklagten in entsprechender Anwendung von § 25c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BVG entwickelt haben würde, wenn der Beklagte als vorrangig zur Leistung verpflichteter Träger in Anspruch genommen worden wäre. Danach bemisst sich die Höhe der aufgrund eines Eingliederungshilfeanspruchs geschuldeten Geldleistungen nach dem Unterschied zwischen dem anzuerkennenden Bedarf und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen.

20 Die Vorschrift bietet ihrem klaren Wortlaut nach für die vom Kläger befürwortete vergleichende Gegenüberstellung der Summe der von ihm im Erstattungszeitraum tatsächlich aufgewendeten Jugendhilfekosten und des vom Berechtigten einzusetzenden Vermögens keine Handhabe. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass die dem Berechtigten nach § 31 Abs. 1 BVG gewährte monatliche Grundrente in entsprechender Anwendung von § 25d Abs. 1 Satz 2 BVG zwar nicht als Einkommen gilt, aber Ansparungen aus ihr seit dem 1. Juli 2011 in entsprechender Anwendung von § 25f Abs. 1 Satz 1 und 2 BVG als Vermögen einzusetzen sind, wenn und soweit sie die im jeweiligen Leistungszeitraum geltende Vermögensgrenze - im hier streitigen Erstattungszeitraum von 5 544,20 € (entsprechend § 25f Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a BVG) - überschreiten. Er hat des Weiteren zutreffend entschieden, dass nach Maßgabe des § 25c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BVG eine monatsweise Gegenüberstellung von Bedarf und Bedarfsdeckungsmöglichkeit aus Vermögen vorzunehmen ist (a). Jedoch hat er zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass im Rahmen des Erstattungsverhältnisses mit Blick auf die in § 25f Abs. 1 Satz 1 und 2 BVG angeordnete Verpflichtung des Berechtigten ein hypothetischer (fiktiver) Verbrauch des verwertbaren Vermögens anzusetzen ist (b). In welchem Umfang der Beklagte bei Annahme eines solchen Verbrauchs dem Kläger gegenüber erstattungspflichtig ist, vermag der Senat mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend zu beurteilen (c).

21 a) Der nach § 25c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BVG für die Bestimmung des Erstattungsumfangs gemäß § 104 Abs. 3 SGB X vorzunehmende Vergleich von anzuerkennendem Bedarf und einzusetzendem Vermögen hat jeweils nach Monaten getrennt zu erfolgen.

22 Hierfür spricht mit erheblichem Gewicht bereits der systematische Zusammenhang des § 25c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BVG zu § 25e Abs. 1 BVG und § 25a Abs. 1 BVG. § 25e Abs. 1 BVG bestimmt die Geltung des Monatsprinzips in Bezug auf das Einkommen. Denn nach dieser Vorschrift ist das Einkommen des Leistungsberechtigten zur Bedarfsdeckung nur einzusetzen, soweit es im Monat die gesetzlich festgelegte Einkommensgrenze übersteigt. Angesichts der kumulativen und gleichberechtigten Erwähnung des Vermögens in § 25c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BVG kann für das Vermögen nichts anderes gelten. § 25a Abs. 1 BVG ordnet darüber hinaus an, dass Leistungen der Kriegsopferfürsorge und damit auch der Eingliederungshilfe unter anderem nur soweit erbracht werden, als der Beschädigte infolge der Schädigung nicht in der Lage ist, den anzuerkennenden Bedarf - abgesehen von seinem sonstigen Einkommen und Vermögen - aus den übrigen Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz zu decken. Zu diesen Leistungen zählt die zu den Versorgungsbezügen gehörende Grundrente nach § 31 BVG, die ihrerseits wiederum in Monatsbeträgen zuerkannt wird (vgl. § 33 Abs. 1 und § 66 Abs. 1 Satz 1 BVG).

23 Sowohl die allgemeine Zielsetzung des Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X als auch der spezielle Zweck des § 104 Abs. 3 SGB X bekräftigen den durch die systematische Auslegung nahegelegten Befund. Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X soll die vom Gesetzgeber gewollte Rangordnung, d.h. den Rechtszustand wiederherstellen, der bestanden hätte, wenn der vorrangig zur Leistung verpflichtete Träger von Anfang an dem Berechtigten gegenüber geleistet hätte (BSG, Urteil vom 30. Januar 1985 - 1/4 RJ 107/83 - SozR 2-1300 § 104 SGB X Nr. 4 S. 9). § 104 Abs. 3 SGB X dient - wie bereits erwähnt - dazu, sicherzustellen, dass der vorrangig verpflichtete Leistungsträger dem nachrangig zur Leistung verpflichteten Träger nicht mehr erstatten muss, als er selbst nach dem für ihn maßgebenden Recht zu leisten gehabt hätte (vgl. BSG, Urteile vom 22. Mai 1985 - 1 RA 45/84 - BSGE 58, 128 <133>; vom 28. November 1985 - 4a RJ 84/84 - SozR 2-1300 § 103 SGB X Nr. 5 S. 25 und vom 30. Mai 2006 - B 1 KR 17/05 R - SozR 4-3100 § 18c BVG Nr. 2 Rn. 45). Das wäre bei der wirtschaftlichen Saldierung des Gesamtbetrages der im gesamten Erstattungszeitraum gewährten Jugendhilfeleistungen mit dem Gesamtbetrag der in diesem Zeitraum geschuldeten Eingliederungsleistungen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes nicht gewährleistet. Der vorrangig verpflichtete Träger der Opferentschädigung würde nach dieser Berechnungsmethode für Monate, in denen der Berechtigte den monatlichen Bedarf ganz oder zum Teil aus den übrigen Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und dem sonstigen Einkommen und Vermögen selbst decken kann, den gleichen Erstattungsbetrag zahlen müssen wie für Monate, in denen der Berechtigte im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes finanziell bedürftig ist. Damit hätte er für einzelne Monate mehr zu erstatten, als er bei rechtzeitiger Bewilligung nach dem für ihn maßgebenden Recht unmittelbar an den Berechtigten zu leisten verpflichtet gewesen wäre, was im Ergebnis zu einer finanziellen Mehrbelastung des Trägers der Opferentschädigung führen würde (vgl. insoweit zu einer vergleichbaren Fallkonstellation: BSG, Urteile vom 22. Mai 1985 - 1 RA 45/84 - BSGE 58, 128 <133 f.> und vom 28. November 1985 - 4a RJ 84/84 - SozR 2-1300 § 103 SGB X Nr. 5 S. 25 ff.; s.a. Kater, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand Juni 2019, § 104 SGB X Rn. 39).

24 Das im Wege der systematischen und teleologischen Auslegung gewonnene Ergebnis entspricht auch der üblichen Abrechnungspraxis bei einer vollstationären Heimunterbringung, die - wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert und von ihnen nicht in Abrede gestellt - auch zwischen dem Kläger als dem leistungsgewährenden Träger und dem Träger des Heims im konkreten Fall vereinbart worden ist.

25 b) Der Verwaltungsgerichtshof nimmt im Ansatz zu Recht an, dass sich der Umfang des Erstattungsanspruchs gemäß § 104 Abs. 3 SGB X - wie oben dargelegt - danach bestimmt, was der vorrangig verpflichtete Leistungsträger nach dem für ihn maßgebenden Recht dem Berechtigten - hypothetisch - zu leisten gehabt hätte. Bei der Ermittlung des Erstattungsumfangs ist aber - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs - davon auszugehen, dass der Berechtigte seiner gesetzlichen Verpflichtung aus der entsprechenden Anwendung von § 25c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 und § 25f Abs. 1 und 2 BVG Folge geleistet und das aus der Grundrente angesparte verwertbare Vermögen sukzessive bis zur Vermögensgrenze zur Deckung der monatlichen Heimkosten aufgebraucht haben würde.

26 Die Annahme des fiktiven Vermögensverbrauchs ist der durch den Sicherstellungszweck des § 104 Abs. 3 SGB X vorgegebenen hypothetischen Betrachtung geschuldet. Die Begrenzung der Höhe des Erstattungsanspruchs auf das, was der vorrangig verpflichtete Leistungsträger selbst nach dem für ihn maßgebenden Recht zu leisten gehabt hätte, gebietet es, die Leistungsbeziehung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers zum Berechtigten isoliert zu betrachten. Nachzuzeichnen ist, wie sich diese Beziehung unter Ausblendung der Leistungen des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers gestaltet und entwickelt haben würde (vgl. a.A. VG Ansbach, Urteil vom 19. Februar 2019 - AN 2 K 17.01 840 - juris Rn. 42). Andernfalls würde nicht der hypothetische, sondern der tatsächliche Kausal- bzw. Anspruchsverlauf ermittelt. Das führt im konkreten Fall notwendig dazu, dass bei dem in entsprechender Anwendung von § 25c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BVG vorzunehmenden Vergleich auch der hypothetische (fiktive) Vermögensverbrauch des Berechtigten im jeweils vorangegangenen Monat einzubeziehen ist. Dadurch wird zugleich gewährleistet, dass das gesetzlich angeordnete Vorrang-Nachrang-Verhältnis zwischen dem Träger der Jugendhilfe und dem Träger der Opferentschädigung nicht (faktisch) in sein Gegenteil verkehrt wird, indem sich - wie hier geschehen - der Träger der Opferentschädigung auf den Wegfall seiner Leistungspflicht berufen kann, sobald und solange das Vermögen des Berechtigten die Vermögensgrenze überschreitet.

27 c) Der Senat kann in Ermangelung hinreichender Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz nicht abschließend über den Umfang des Erstattungsanspruchs entscheiden.

28 Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und insoweit bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (§ 137 Abs. 2 VwGO) verfügte der Berechtigte zum 9. Juni 2011 über ein Vermögen aus angesparter Grundrente in Höhe von 14 935,35 €, das am 15. Juli 2011 auf 15 059,85 € und am 30. Dezember 2011 auf 16 470,04 € angewachsen war. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, wie hoch das verwertbare Vermögen des Berechtigten in jedem einzelnen Monat des Erstattungszeitraums gewesen wäre, wenn dieser aus seinem verwertbaren Vermögen die Heimkosten gezahlt hätte, für die nicht ein durchschnittlicher Monatsbetrag angesetzt werden darf. Vielmehr hätte der Verwaltungsgerichtshof die im jeweiligen Monat konkret angefallenen Kosten für die Heimunterbringung ermitteln müssen, da die Höhe der Geldleistungen in entsprechender Anwendung von § 25c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BVG auf der Grundlage einer sogenannten spitzen Vergleichsrechnung zu ermitteln ist. Die Sache ist daher an den Verwaltungsgerichtshof zur anderweitigen Entscheidung zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, die betreffenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen.