Beschluss vom 19.01.2009 -
BVerwG 7 B 51.08ECLI:DE:BVerwG:2009:190109B7B51.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.01.2009 - 7 B 51.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:190109B7B51.08.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 51.08

  • OVG des Landes Sachsen-Anhalt - 21.08.2008 - AZ: OVG 2 L 76/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Januar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 21. August 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich gegen eine Anordnung des Beklagten zur Rückführung und ordnungsgemäßen Entsorgung von Abfällen (Brandrückständen), die auf einer Deponie in der Tschechischen Republik lagern. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung hat das Oberverwaltungsgericht die streitgegenständliche Rückführungsanordnung mit der Begründung aufgehoben, dass der Beklagte keine Ermessenserwägungen dazu angestellt habe, warum aus dem Kreis der potentiell Wiedereinfuhrpflichtigen die Klägerin ausgewählt worden sei. Die Revision gegen sein Urteil hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde des Beklagten.

II

2 Die Beschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es kann dahinstehen, ob das Beschwerdevorbringen, das sich in weiten Teilen nach Art einer Berufungsbegründung in Angriffen gegen die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts erschöpft, dem Begründungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gerecht wird. Der Sache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung jedenfalls schon deshalb nicht zu, weil die von der Beschwerde sinngemäß als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfenen Fragen,
anhand welcher Kriterien das Auswahlermessen nach § 6 AbfVerbrG i.V.m. der EG-Abfallverbringungsverordnung Nr. 259/93 bei der Abfallrückführung auszuüben ist,
und von welchem Grundverständnis bei der Auslegung der Begriffe „Ersterzeuger/Neuerzeuger“ bei der Anwendung der EG-Abfallverbringungsverordnung Nr. 259/93 auszugehen ist, ausgelaufenes Recht betreffen und daher schon aus diesem Grund nicht die Zulassung der Grundsatzrevision rechtfertigen.

3 Gegenstand der Anfechtungsklage ist eine Anordnung zur Rückführung von Abfällen vom 4. August 2006, die auf § 6 AbfVerbrG vom 30. September 1994 (BGBl I S. 2271) i.V.m. der EG-Abfallverbringungsverordnung Nr. 259/93 vom 1. Februar 1993 (ABl EG Nr. L 30 S. 1) gestützt ist. Das Abfallverbringungsgesetz 1994 ist mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Ablösung des Abfallverbringungsgesetzes und zur Änderung weiterer Rechtsvorschriften vom 19. Juli 2007 (BGBl I S. 1462) am 28. Juli 2007 außer Kraft getreten. Die EG-Abfallverbringungsverordnung Nr. 259/93 ist durch Art. 61 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (ABl EG Nr. L 190 S. 1) mit Wirkung ab dem 12. Juli 2007 aufgehoben worden.

4 Infolge dieser Neuregelung des Abfallverbringungsrechts stellt sich die von der Beschwerde aufgeworfene Frage nach der Auslegung des § 6 AbfVerbrG und des Erzeugerbegriffs der EG-Abfallverbringungsverordnung Nr. 259/93 in Zukunft nicht mehr. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt aber Fragen zum ausgelaufenen Recht in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil von ihrer Beantwortung keine richtungweisende Wirkung auf die künftige Rechtsprechung mehr ausgehen kann (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 S. 11). Dass hier ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte (vgl. dazu z.B. Beschlüsse vom 21. Dezember 1977 - BVerwG 7 B 109.77 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 160 sowie vom 21. Juni 1993 und 13. August 1993 - BVerwG 11 B 65.93 - MDR 1994, 319, 320) hat die Beschwerde nicht dargelegt.

5 Abgesehen davon ist in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt, dass die Handlungsverantwortlichkeit im Sinne von Art. 26 Abs. 2 EG-AbfVerbrV, § 6 Abs. 1 Satz 1 AbfVerbrG in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des innerstaatlichen Polizei- und Ordnungsrechts nach den Maßstäben der Verhaltenshaftung zu bestimmen ist (Beschluss vom 12. April 2006 - BVerwG 7 B 30.06 - AbfallR 2006, 143).

6 Auch die sinngemäß weiter aufgeworfene Frage,
ob eine Rückführungspflicht für illegal verbrachte Abfälle auch dann besteht, wenn die Abfälle durch Brand verändert worden sind,
betrifft nicht nur ausgelaufenes Recht, sondern wäre in einem Revisionsverfahren schon deshalb nicht entscheidungserheblich und klärungsfähig, weil das Oberverwaltungsgericht diese Frage ausdrücklich offen gelassen und die Aufhebung der streitgegenständlichen Rückführungsanordnung entscheidungstragend allein mit einem Ermessensausfall bei der Auswahl des Wiedereinfuhrpflichtigen begründet hat. Hierfür wird aber kein Zulassungsgrund i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO dargelegt.

7 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.