Beschluss vom 21.01.2021 -
BVerwG 1 B 47.20ECLI:DE:BVerwG:2021:210121B1B47.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.01.2021 - 1 B 47.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:210121B1B47.20.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 47.20

  • VG Köln - 15.05.2013 - AZ: VG 10 K 889/11
  • OVG Münster - 24.09.2020 - AZ: OVG 11 A 1464/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Januar 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann
beschlossen:

  1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. September 2020 wird verworfen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Der Klägerin kann die beantragte Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

2 2. Die Beschwerde hat mit der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) keinen Erfolg.

3 a. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - juris Rn. 2 und vom 25. Juli 2017 - 1 B 117.17 - juris Rn. 3).

4 Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 B 22.06 - NVwZ 2006, 1073 Rn. 5 und vom 11. November 2011 - 5 B 45.11 - juris Rn. 3).

5 b. Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt.

6 Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig,
"ob in den Fällen, in denen der deutsche Volkszugehörige, dem ein Aufnahmebescheid erteilt wurde, ohne dass der Ehegatte oder die Abkömmlinge in den Aufnahmebescheid einbezogen wurden, das[s] Aussiedlungsgebiet im Wege des Aufnahmeverfahrens verlässt und den Wohnsitz im Bundesgebiet nimmt und anschließend als Spätaussiedler anerkannt wird [,] eine Einbeziehung des im Ausland verbliebenen Abkömmlings und Ehegatten nur dann erfolgen kann, wenn dieser die Einbeziehungsentscheidung im Aussiedlungsgebiet abwartet oder die Einbeziehung des verbliebenen Ehegatten dann, wenn dieser die sonstigen Voraussetzungen [...] erfüllt, unabhängig davon, wo dieser seinen Wohnsitz hat, erfolgen muss."

7 Diese Fragestellung spiegelt die Rechtsauffassung der Klägerin, ohne den auch vom Berufungsgericht herangezogenen Stand der Rechtsprechung zu berücksichtigen. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang der Auffassung ist, dass es für ein "Verbleiben" des Ehegatten im Aussiedlungsgebiet im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG genüge, dass der Spätaussiedler ohne seinen Ehegatten ausgereist sei, und nachträgliche Umstände irrelevant seien, setzt sie sich nicht mit der Rechtsprechung des Senats auseinander. Danach ist für ein "Verbleiben" nicht punktuell auf den Zeitpunkt der Aussiedlung der Bezugsperson abzustellen, sondern muss der Familienangehörige seinen Wohnsitz seit der Aussiedlung des Spätaussiedlers bis zur Entscheidung über die nachträgliche Einbeziehung ununterbrochen in den Aussiedlungsgebieten gehabt haben (BVerwG, Urteil vom 27. September 2016 - 1 C 19.15 - BVerwGE 156, 171 Rn. 11 ff.). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kommt eine Einbeziehung nur nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG bei Vorliegen einer besonderen - hier vom Berufungsgericht verneinten - Härte in Betracht. Dabei ist für das Vorliegen einer besonderen Härte aus Gründen des materiellen Rechts in aller Regel auf den Zeitpunkt der Einreise des Familienangehörigen in die Bundesrepublik Deutschland abzustellen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2019 - 1 C 14.18 - Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 28 Rn. 17). Die Rechtsstellung eines Familienangehörigen, der sich mit dem Spätaussiedler bereits in Deutschland niedergelassen hat, kann selbst durch dessen Rückkehr nicht mehr verbessert werden, weil eine "gemeinsame" Ausreise nicht mehr möglich ist, wenn die Aussiedlung der volksdeutschen Bezugsperson bereits abgeschlossen ist (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2018 - 1 C 36.16 - Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 24 Rn. 25). Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern das vorliegende Verfahren einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf aufwirft.

8 3. Sollte mit der Beschwerde, soweit mit ihr eine Abweichung von "den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts" geltend gemacht wird, möglicherweise auch eine Divergenzrüge im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erhoben werden, ist eine solche schon deshalb nicht hinreichend im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, weil sie keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bezeichneten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Ohne dass dies aufgezeigt wäre, würde auch die fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen, die das betreffende Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, nicht den Zulässigkeitsanforderungen genügen (vgl. zur stRspr: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

9 4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

10 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.