Beschluss vom 23.08.2021 -
BVerwG 4 C 2.21ECLI:DE:BVerwG:2021:230821B4C2.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.08.2021 - 4 C 2.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:230821B4C2.21.0]

Beschluss

BVerwG 4 C 2.21

  • VGH Kassel - 23.01.2018 - AZ: VGH 9 C 1852/14.T

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. August 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Külpmann und Dr. Hammer
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das Urteil des Senats vom 3. Dezember 2020 - 4 C 7.18 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO hat keinen Erfolg. Der Senat hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Sie hat keinen Anspruch auf Fortführung des Verfahrens nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO.

2 Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Gericht ist allerdings nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Art. 103 Abs. 1 GG ist erst verletzt, wenn die Umstände des Falles den eindeutigen Schluss zulassen, dass die Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen wurden (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Urteil vom 20. November 1995 - 4 C 10.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22 f.). Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2020 - 4 A 6.19 - juris Rn. 4).

3 1. Die Klägerin meint, das Urteil setzte sich nicht mit ihrer Rechtsauffassung auseinander, wonach das Klagebegehren auch auf die Bescheide des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April 2001 und vom 25. November 2002 gestützt werden könne, weil deren materiell weitergehende Schallschutzregelungen nach § 13 Abs. 1 Satz 2 FluglärmG als Kriterien für die Bescheidung ihres Antrags hätten zugrunde gelegt werden müssen. Das verkenne das Urteil, wenn es ihr den fehlenden Antrag und die Versäumung der Antragsfrist entgegenhalte. Diese Rüge geht an der Entscheidung des Senats vorbei. Für den allein gestellten Antrag auf Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen vom 1. März 2012 hätte die Klägerin sich nur dann nach Art einer Anspruchsnormenkonkurrenz neben dem Fluglärmschutzgesetz auch auf die genannten Bescheide berufen können, wenn ein einheitlicher Streitgegenstand vorgelegen hätte. Dies hat der Senat geprüft und verneint (UA Rn. 8 ff.). Die Ausführungen zum fehlenden Vorverfahren sind dem Vorbringen der Klägerin geschuldet, ihr Antrag vom 1. März 2012 beziehe sich bei zutreffender Auslegung auf alle maßgeblichen Rechtsgrundlagen (Schriftsatz vom 13. August 2018 S. 17 f.) und wahre die Antragsfrist, weil diese erst mit der Neufestsetzung der Schutzgebiete zu laufen begonnen habe (Schriftsatz vom 29. November 2020 S. 6).

4 2. Den Vortrag der Klägerin zu § 7 FluglärmG hat der Senat zur Kenntnis genommen und erwogen. Das Urteil setzt sich mit der Frage auseinander, ob die Norm dem Parlamentsvorbehalt genügt (UA Rn. 18), ob sie den Verordnungsgeber dazu ermächtigt, zwischen Bestands- und Neubauten zu unterscheiden (UA Rn. 18) und ob dem Verordnungsgeber durch das Gebot, den Stand der Schallschutztechnik zu beachten, insofern eine strikte Bindung auferlegt ist (UA Rn. 27 ff.). Dass die Klägerin die Auffassung des Gerichts für unzutreffend hält, vermag eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht darzutun.

5 3. In Bezug auf die inhaltlichen Anforderungen an den Schallschutz bei Bestandsgebäuden wiederholt die Gehörsrüge den Vortrag dazu, welche Folgerungen aus der VDI-Richtlinie 2719 zu ziehen seien, dass die Frequenz des Lärms zu berücksichtigen sei und dass allein dies dem Stand der Schallschutztechnik im Hochbau entspreche. Das Urteil hat sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt, ist der Auffassung der Klägerin aber nicht gefolgt (UA Rn. 27 ff., 40 f. und 58 f.). Gleiches gilt für die Anforderungen an die Publizität der Rechtsverordnung (UA Rn. 34 ff.) und die von der Klägerin gerügte Bestimmtheit einzelner Vorschriften (UA Rn. 37 ff.).

6 4. Der Senat hat den Vortrag zur Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zur Kenntnis genommen. Soweit die Klägerin die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts in Frage stellt und abweichende Schlüsse zieht, kommt es hierauf in der Revisionsinstanz nicht an, § 137 Abs. 2 VwGO. Die diesbezüglichen Verfahrensrügen hat der Senat abschlägig beschieden (UA Rn. 42 ff.). Mit der Frage der Notwendigkeit einer Maximalpegelbetrachtung befasst sich das Urteil ebenso (UA Rn. 57) wie mit dem Vortrag zu einer Verletzung von Art. 14 GG (UA Rn. 47) und Art. 8 EMRK (UA Rn. 50). Dass entscheidungserhebliches Vorbringen nicht gehört oder erwogen worden ist, legt die Anhörungsrüge nicht dar.

7 5. Auch den Vortrag, wonach dem Schutz gegen Fluglärm bei Neubauten nicht einfacher Rechnung getragen werden könne als bei Bestandsbauten und deshalb ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vorliege, hat der Senat zur Kenntnis genommen und erwogen (UA Rn. 48). Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe die Erwägungen des Verordnungsgebers widerlegt, wonach bei Neubauten bereits in der Planungsphase insbesondere durch Anordnung der Räume, die Größe der Fenster und die Dämmwirkung der sonstigen Bauteile auf Lärmschutzbelange eingegangen werden könne, während die Möglichkeiten einer Nachrüstung eingeschränkt seien. Fluglärm wirke oberirdisch von allen Seiten und mittels Übertragung über das Erdreich auch über die Außenwände des Souterrains auf ein Wohngebäude ein, so dass ihm durch die Anordnung der Räume nicht entgegengewirkt werden könne. Die Mindestmaße der Fenster stünden nach den Landesbauordnungen auch bei Neubauten nicht zur Disposition des Bauherrn, bezüglich der sonstigen Bauteile könnten insbesondere Rollladenkästen leicht nachgerüstet werden (Schriftsatz vom 13. August 2018 S. 72). Der Senat hat diesen Vortrag nicht übersehen, sondern unerwähnt gelassen, weil er nicht geeignet ist, die Erwägungen des Verordnungsgebers in Frage zu stellen. Weder sind die bei den zum Teil mehrere Jahrzehnte alten Bestandsbauten vorgefundenen Fenstergrößen auf die Mindestmaße der Landesbauordnung begrenzt, noch die für die Dämmwirkung maßgeblichen Bauteile auf Rollladenkästen beschränkt. Auch die Raumanordnung ist ungeachtet der von der Klägerin dargestellten Schallübertragung schon deshalb nicht ohne Belang, weil sie darüber entscheidet, welche Umfassungsbauteile den Raum nach außen hin abschließen. Ausführungen waren daher nicht veranlasst.

8 6. Die Klägerin wiederholt ihren bereits im Revisionsverfahren erhobenen Vorwurf, der Verwaltungsgerichtshof habe durch seine Verhandlungsführung ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der Senat hat dargelegt, warum dies nicht der Fall ist (UA Rn. 61). Die Angriffe der Anhörungsrüge erschöpfen sich darin, dieser Auffassung zu widersprechen. Auch insofern ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dargelegt.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.