Beschluss vom 23.09.2019 -
BVerwG 1 B 54.19ECLI:DE:BVerwG:2019:230919B1B54.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.09.2019 - 1 B 54.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:230919B1B54.19.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 54.19

  • VG Ansbach - 31.08.2017 - AZ: VG AN 3 K 16.30240
  • VGH München - 29.03.2019 - AZ: VGH 8 B 18.30276

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. September 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. März 2019 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (I.) und eines Verfahrensmangels (II.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 I. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird mit der Beschwerde schon nicht hinreichend dargelegt.

3 1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 B 22.06 - NVwZ 2006, 1073 Rn. 4 f. und vom 10. August 2015 - 5 B 48.15 - juris Rn. 3 m.w.N.). Die Darlegung muss sich auch auf die Entscheidungserheblichkeit des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes erstrecken.

4 Soll die grundsätzliche Bedeutung aus der Klärungsbedürftigkeit von Unionsrecht und der Notwendigkeit, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen, hergeleitet werden, ist darzulegen, dass in dem erstrebten Revisionsverfahren zur Auslegung einer entscheidungsrelevanten unionsrechtlichen Regelung voraussichtlich eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen sein wird und keine hinreichenden Gründe vorliegen, die die Einholung einer Vorabentscheidung entbehrlich erscheinen lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 3 B 43.86 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 243 und vom 10. Oktober 1997 - 6 B 32.97 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 29 S. 17). Die bloße Behauptung unionsrechtlicher Zweifelsfragen ohne Auseinandersetzung mit der themenrelevanten Rechtsprechung reicht hierfür nicht aus.

5 Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.

6 2. Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlicher Klärung bedürftig erachtete Frage,
"ob die Ahndung innerfamiliärer sexueller Beziehungen, die nicht inzestuös i.S. des § 173 Abs. 1 und 2 StGB sind, ein Verfolgungsgrund i.S. des § 3b Abs. 1 Ziff. 4 2. HS AsylG darstellt",
legt einen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO schon nicht dar; jedenfalls bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um diese Frage im Sinne des Berufungsgerichts zu verneinen.

7 2.1 § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 AsylG, nach dem als eine bestimmte soziale Gruppe auch eine Gruppe gelten kann, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet, bildet einen Unterfall der Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG). Als eine solche Gruppe gilt nach der Legaldefinition, die § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG insoweit aus Art. 10 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes übernimmt, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird; als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter.

8 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei im Einklang mit Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 7. November 2013 - C-199/12, C-200/12, C-201/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​720], Minister voor Immigratie en Asiel/X und Y sowie Z/Minister voor Immigratie en Asiel - NVwZ 2014, 132 Rn. 45 und vom 25. Januar 2018 - C-473/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​36], F/Bevándorlási és Állampolgársági Hivatal - Rn. 30) geklärt, dass die mit den Buchstaben a und b gekennzeichneten Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 AsylG kumulativ erfüllt sein müssen (BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 Rn. 29 und 31; Beschluss vom 17. September 2018 - 1 B 45.18 - juris Rn. 9). Das selbständige Erfordernis der "deutlich abgegrenzten Identität" schließt jedenfalls ohne weitergehenden Klärungsbedarf eine Auslegung aus, nach der eine "soziale Gruppe" im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG/Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU allein dadurch begründet wird, dass eine Mehr- oder Vielzahl von Personen in vergleichbarer Weise von etwa als Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 oder 2 AsylG/Art. 9 Abs. 1 oder 2 RL 2011/95/EU zu qualifizierenden Maßnahmen betroffen wird; nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut greift auch § 3b Abs. 2 AsylG/Art. 10 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst bei der tatsächlichen oder zugeschriebenen Zugehörigkeit zu einem der im jeweiligen Absatz 1 genannten Verfolgungsgründe, nicht für die Konstitution der "sozialen Gruppe" selbst (BVerwG, Beschluss vom 17. September 2018 - 1 B 45.18 - juris Rn. 10).

9 2.2 Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Revisionszulassung wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rückausnahme des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 AsylG bereits deswegen aus, weil nicht vorgetragen oder durch das Berufungsgericht festgestellt ist, dass Personen, die in Äthiopien in einer nach dortigem Strafrecht strafwürdigen, nach bundesrepublikanischem Strafrecht straffreien inzestuösen Beziehung zu einem nahen Verwandten leben, eine Gruppe bilden, die in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat beziehungsweise von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 Rn. 29 und 31).

10 Bei der persönlichen Hinwendung zu einer Anverwandten handelt es sich um ein persönlichkeitsnahes Merkmal, das im Einzelfall für den Einzelnen so bedeutsam sein mag, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Es ist aber schon kein Merkmal, das eine von der Wahl des konkreten Partners unabhängige "sexuelle Orientierung" kennzeichnet und als überindividuell identitätsprägendes Merkmal eine gemeinsame soziale Gruppe zu konstituieren vermag. Der von der Klägerseite gezogene Vergleich u.a. mit der sog. "Rassenschande" im Nationalsozialismus geht schon deswegen fehl, weil die damit umschriebenen Beschränkungen der Wahl des Lebenspartners an dem Merkmal der Rasse bzw. Religion anknüpfen. Für eine vergleichbare Anknüpfung der Strafbarkeit sexueller Beziehungen zwischen Onkel und Nichte fehlt jeder Anhaltspunkt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat den Staaten des Europarats vielmehr einen weiten Beurteilungsspielraum eingeräumt, weil kein Konsens hinsichtlich der Strafbarkeit einvernehmlicher inzestuöser Beziehungen zwischen Erwachsenen bestehe (EGMR, Urteil vom 12. April 2012 - Nr. 43547/08, Stübing/Deutschland - <zur Strafbarkeit des Geschwisterinzests nach § 173 Abs. 2 Satz 2 StGB>). Dies schließt eine Vermutung aus, dass eine Strafbarkeit, welche über die Bestrafung inzestuöser Beziehungen in auf- oder absteigender Linie oder im Geschwisterverhältnis hinausgeht, der Verfolgung aus religiösen, rassischen oder politischen Gründen diente.

11 II. Die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.

12 1. Das Berufungsgericht hat dadurch, dass es dem Antrag auf Ladung und Befragung der Gutachterinnen/Gutachter, welche die in dem Verfahren eingeholten Gutachten von amnesty international, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) sowie des GIGA-Instituts erstellt haben, nicht nachgegangen ist, weder den Anspruch der Klägerseite auf rechtliches Gehör noch einfach-rechtliche Verfahrensvorschriften verletzt.

13 1.1 Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass sowohl die gesetzliche Ausgestaltung des Verfahrensrechts als auch das gerichtliche Verfahren im Einzelfall ein Ausmaß an rechtlichem Gehör eröffnet, das dem Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes gerecht wird und den Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich im gerichtlichen Verfahren mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 1980 - 2 BvR 701/80 - BVerfGE 55, 1 <6>). Die Schwelle einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG wird überschritten, wenn die Gerichte bei der Auslegung oder Anwendung des Verfahrensrechts die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf rechtliches Gehör verkannt haben. Dies ist im Falle der Verletzung einfach-rechtlichen Verfahrensrechts der Fall, wenn unter Berücksichtigung des Wirkungszusammenhangs aller einschlägigen Normen der betroffenen Verfahrensordnung durch sie das unabdingbare Mindestmaß des verfassungsrechtlich gewährleisteten rechtlichen Gehörs verletzt worden ist (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <311>).

14 1.1.1 Aus der entsprechenden Anwendung (u.a.) der §§ 397 ff. ZPO, die § 98 VwGO für die Beweisaufnahme im Verwaltungsprozess anordnet, ist in gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgeleitet worden, dass aus dem in den §§ 397 ff. ZPO ausgeformten Anspruch auf rechtliches Gehör durch Einwirkung auf die Beweiserhebung in aller Regel auch eine Verpflichtung des Gerichts zur Anhörung jener gerichtlicher Sachverständiger folgt, die in dem jeweiligen Verfahren ein Gutachten erstellt haben (BVerwG, Urteile vom 9. März 1984 - 8 C 97.83 - BVerwGE 69, 70 <77 f.> und vom 1. Dezember 1989 - 8 C 44.89 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 34 S. 7 ff.; Beschlüsse vom 10. Dezember 1984 - 7 B 93.84 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 25 S. 5 f., vom 21. September 1994 - 1 B 131.93 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 46 S. 2 ff., vom 13. September 1999 - 6 B 61.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 57 S. 1 f., vom 8. März 2001 - 6 B 15.01 - Buchholz 448.0 § 20b WPflG Nr. 1 S. 1 f., vom 26. Juni 2009 - 8 B 56.09 - juris Rn. 5, vom 19. August 2010 - 10 B 22.10 - juris Rn. 14 und vom 22. März 2011 - 4 B 34.10 - juris Rn. 38 f.). Dies entspricht auch der ständigen Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts (s. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. August 1995 - 2 BvR 175/95 - NJW-RR 1996, 183, vom 3. Februar 1998 - 1 BvR 909/94 - ZIP 1998, 1047 <1048>, vom 17. Januar 2012 - 1 BvR 2728/10 - NJW 2012, 1346 Rn. 11 ff., vom 6. März 2013 - 2 BvR 2918/12 - NJW-RR 2013, 626 <627> und vom 24. August 2015 - 2 BvR 2915/14 - FamRZ 2015, 2042 Rn. 15 ff.), die überwiegend zu einer im Detail andere Akzente setzenden Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte ergangen ist (aus jüngerer Zeit etwa BGH, Beschluss vom 30. Mai 2017 - VI ZR 439/16 - MDR 2017, 1320 Rn. 6, vom 14. November 2017 - VIII ZR 101/17 - MDR 2018, 358 Rn. 10, vom 10. Juli 2018 - VI ZR 580/15 - NJW 2018, 3097 Rn. 8 f. und vom 7. Mai 2019 - VI ZR 257/17 - juris Rn. 8).

15 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss ein Beteiligter hierfür beantragen, das Erscheinen des gerichtlich bestellten Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens anzuordnen, weil der Beteiligte dem Sachverständigen Fragen stellen will (BVerwG, Urteile vom 15. April 1964 - 5 C 45.63 - BVerwGE 18, 216, vom 25. Oktober 1972 - 6 C 40.70 - juris und vom 9. März 1984 - 8 C 97.83 - BVerwGE 69, 70; Beschluss vom 26. November 1980 - 6 B 16.80 - juris). Erforderlich, im Regelfall aber auch hinreichend hierfür ist, dass dem Antrag entnommen werden kann, in welcher allgemeinen Richtung eine weitere Aufklärung herbeigeführt werden soll (BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 1972 - 6 C 40.70 - juris und vom 9. März 1984 - 8 C 97.83 - BVerwGE 69, 70). Dies gilt namentlich auch für einen Antrag auf Erläuterung eines Gutachtens bzw. einer (nicht-amtlichen) Auskunft im Asylprozess, der sich eindeutig auf ein bereits vorliegendes Gutachten beziehen und erkennen lassen muss, in welcher allgemeinen Richtung eine weitere Aufklärung herbeigeführt werden soll (BVerwG, Beschluss vom 19. August 2010 - 10 B 22.10 - juris Rn. 14). Die Beteiligten sind nach § 98 VwGO i.V.m. § 402 i.V.m. § 397 ZPO dabei berechtigt, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für wesentlich erachten.

16 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings auch anerkannt, dass es der mündlichen Erläuterung des schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen dann nicht bedarf, wenn es nach Lage der Sache ausgeschlossen ist, dass eine Befragung des Sachverständigen zu weiteren Ermittlungen oder zu einer anderen Beurteilung führen kann, und wenn das Gericht in diesem Sinne zu dem Antrag Stellung genommen hat (s. etwa BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1959 - 6 C 278.57 - DÖV 1960, 506; Beschlüsse vom 10. Dezember 1984 - 7 B 93.84 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 25, vom 31. Juli 1985 - 9 B 71.85 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 und vom 21. September 1994 - 1 B 131.93 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 46). Dabei ist zu beachten, dass bei der Begründung, es sei nach Lage der Dinge auszuschließen, dass eine Befragung durch den Sachverständigen zu weiteren Ermittlungen oder zu einer anderen Beurteilung führen kann, keine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung vorgenommen werden darf. Einem Antrag auf mündliche Anhörung des Gutachters ist daher auch dann zu entsprechen, wenn das Gericht das schriftliche Gutachten zur Klärung der Beweisfrage für ausreichend und überzeugend hält und selbst keinen Bedarf für eine mündliche Erläuterung sieht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. Februar 1998 - 1 BvR 909/94 - NJW 1998, 2273). Die Nichtberücksichtigung eines Erläuterungsantrages erfordert grundsätzlich eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung, die nicht schon dann vorliegt, wenn das schriftliche Gutachten dem Gericht vollständig und überzeugungsfähig erscheint, sondern nur dann, wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird bzw. wenn die an den Sachverständigen zu richtenden Fragen nicht genau genannt oder nur beweisunerhebliche Fragen angekündigt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. August 1995 - 2 BvR 175/95 - NJW-RR 1996, 183 <184>). Beachtet ein Gericht diese verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht, so liegt darin jedenfalls dann ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es einen entsprechenden Antrag völlig übergeht oder ihm allein deshalb nicht nachkommt, weil das Gutachten ihm überzeugend und nicht weiter erörterungsbedürftig erscheint (BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. Februar 1998 - 1 BvR 909/94 - NJW 1998, 2273 <2274>).

17 1.1.2 Die entsprechende Anwendung dieser allgemeinen, von dem Verfahrensgegenstand unabhängigen Grundsätze im Verwaltungsprozess ist aufgrund der Besonderheiten der Einholung und Beiziehung von Gutachten, Auskünften und weiteren Erkenntnisquellen im gerichtlichen Asylverfahren klarstellend fortzuentwickeln, und zwar auch und gerade für die Anordnung des persönlichen Erscheinens von Sachverständigen, die in demselben Verfahren ein Gutachten erstattet haben.

18 a) Eine solche Anpassung wird nicht schon deswegen erforderlich, weil die Stellungnahmen von Organisationen, die - wie hier - gerichtlich mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden sind, schon nicht als "Sachverständigengutachten" im beweisrechtlichen Sinne zu werten wären, sondern - in Anlehnung etwa an die beweisrechtliche Einordnung der Auskünfte des Auswärtigen Amtes - als Auskünfte "sui generis" oder lediglich als im Wege des Urkundsbeweises zu verwertende Dokumente. Die Vorschriften zum gerichtlichen Sachverständigenbeweis sind zwar auf natürliche Personen als Sachverständige zugeschnitten. Bei der Beauftragung von juristischen Personen oder einer Personenvereinigung mit der Erstellung des Gutachtens wird indes "Sachverständiger" regelmäßig die natürliche Person, die das Gutachten für die Organisation erstellt bzw. nach außen verantwortlich zeichnet (s. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Aufl. 2007, Rn. 49, 110 f.); der Organisation wird dann regelmäßig die Bestimmung der für die Erstellung der gutachterlichen Äußerung verantwortlichen Person überlassen (s. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1968 - 5 B 52.68 - NJW 1969, 1591; zu den Grenzen s. Beschluss vom 9. März 1984 - 8 C 97.83 - BVerwGE 69, 70). Auch sonst hat das Bundesverwaltungsgericht Gutachten und Stellungnahmen von Nichtregierungsorganisationen im Asylverfahren zur Verfolgungslage als Gutachten bzw. (nicht amtliche) Auskünfte gewertet und § 97 Satz 2, § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO angewendet (BVerwG, Beschluss vom 19. August 2010 - 10 B 22.10 - juris Rn. 14; im Kontext des § 51 Abs. 1 VwVfG insoweit zweifelnd Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 71 Rn. 242).

19 b) Die Einholung und Verarbeitung von Sachverständigengutachten und die Verwertung sonstiger Erkenntnisquellen zur Verfolgungslage im Herkunftsstaat weisen indes Besonderheiten auf, aus denen sich erhöhte Anforderungen an ein Begehren auf Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung ergeben.

20 Die Gerichte sind aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) gehalten, sich ein möglichst zuverlässiges Bild von der Verfolgungslage im jeweiligen Herkunftsland zu verschaffen (Gebot der vollständigen und objektiven Sachaufklärung; s. nur BVerwG, Urteil vom 20. März 1990 - 9 C 91.89 - BVerwGE 85, 92); die erforderliche Gefahrenprognose verlangt für ihre Erstellung wegen der Vielzahl von Ungewissheiten über die asylrelevante Entwicklung in einem ausländischen Staat eine sachgerechte, der jeweiligen Materie angemessene und methodisch einwandfreie Erarbeitung ihrer tatsächlichen Grundlagen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - Buchholz 402.25 § 32 AsylVfG Nr. 4). Unionsrecht gebietet ebenfalls, dass bei der Entscheidung über einen Asylantrag genaue und aktuelle Informationen aus verschiedenen Quellen wie etwa EASO und UNHCR sowie von einschlägigen internationalen Menschenrechtsorganisationen eingeholt werden, die Aufschluss geben über die allgemeine Lage in den Herkunftsstaaten der Antragsteller (Art. 10 Abs. 3 Buchst. b RL 2013/32/EU). Diese Verpflichtung zur Heranziehung unterschiedlicher, pluraler Erkenntnismittel folgt nicht zuletzt daraus, dass es sich bei den Herkunftslandinformationen um heterogenes Wissen zu komplexen Lagebeurteilungen handelt, das weltweit verstreut ist (s. dazu Reiling/Mitsch, Wissen im Asylprozess, DVerw 50 <2017>, 537 <542>). Es sind Geschehnisse und Entwicklungen im Ausland zu beurteilen, für deren Aufklärung und Ermittlung eine Anfrage bei dem potentiellen Verfolgerstaat - jedenfalls weitestgehend - ausscheidet. Bei den Verfolgungsmaßnahmen handelt es sich oftmals um verdeckte Aktivitäten, deren Bekanntwerden und Verbreitung außerhalb des Verfolgerstaates durch dessen Maßnahmen (z.B. durch Zensur bzw. Informationskontrolle im Inland, Ausreisekontrollen, Bedrohung im Verfolgerstaat verbliebener Familienangehöriger von Informanten) beeinträchtigt oder verhindert werden können. In Zeiten weltweiter Vernetzung durch das Internet sind Art und Umfang potentiell verfügbarer Informationen zu einem Herkunftsland selbst dann strukturell unüberschaubar, wenn sprachliche Zugangsbarrieren berücksichtigt werden. Das Problem hat sich von dem Zugang zu Wissen und einem daraus abgeleiteten Verbot der Auswahl und Selektion von Beweismitteln (BVerwG, Urteil vom 20. März 1990 - 9 C 91.89 - BVerwGE 85, 92) hin zu dessen nicht verzerrender, pluraler Sammlung, Aufbereitung und Filterung, Strukturierung und Verifizierung verschoben (allgemein dazu Kossen, Die Tatsachenfeststellung im Asylverfahren. Das deutsche Asylverfahren in europäischer Perspektive, 1999, S. 145 ff., passim; Möller, Tatsachenfeststellung im Asylprozess, 2005, S. 65 ff., 93 ff., 158 ff., passim). Einzelne Gutachten haben damit in dem Gesamtprozess der gebotenen umfassenden, vollständigen und objektiven Sachverhaltserforschung einen deutlich geringeren, für das Verfahren qualitativ anderen Stellenwert. Die verschiedenen Erkenntnisquellen bilden stets nur einen Baustein im notwendigen Prozess der pluralen Wissensgenerierung aus einer Vielzahl von Erkenntnismitteln grundsätzlich gleichen Ranges, aus dessen Gesamtschau sich das Gericht die notwendige Überzeugung davon bilden muss, ob die auf dieser Grundlage festgestellten Tatsachen ergeben, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrechtlich relevante Gefahren drohen (zu Anforderungen an die gerichtliche Überzeugungsbildung s. jüngst auch BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 37.18 - juris).

21 c) Aus diesen Besonderheiten ergibt sich bei der nach § 98 VwGO lediglich entsprechenden Anwendung der §§ 397 ff. ZPO für den Antrag, das Erscheinen des Gutachters zur Erläuterung von Gerichts wegen anzuordnen (§ 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO), jedenfalls eine gesteigerte Darlegungslast.

22 Über die Darlegung, in welche allgemeine Richtung eine mündliche Erläuterung des schriftlichen Gutachtens erstrebt wird, hinaus sind auch unabhängig von § 411 Abs. 4 ZPO hinreichend spezifiziert die Fragen(komplexe) zu bezeichnen, in Bezug auf die eine über das schriftliche Gutachten hinausgehende Aufklärung der von dem Gutachten erfassten Sachverhalte für erforderlich gehalten wird. Der durch die beabsichtigten Nachfragen erstrebte Erkenntnisgewinn ist zu umreißen. Dabei ist in hinreichender Auseinandersetzung mit den weiteren in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln die Möglichkeit aufzuzeigen, dass durch diese weiteren Erkenntnismittel die durch eine mündliche Anhörung der Sachverständigen ergänzend aufzuklärenden Fragen nicht schon hinreichend geklärt, also weiterhin möglicherweise für die Entscheidung erheblicher Erkenntnisgewinn erreicht werden kann. Die Anforderungen orientieren sich nicht zuletzt (auch) an der Dichte, Qualität, Aktualität und Stabilität des Erkenntnisstandes zur allgemeinen Verfolgungslage in dem Herkunftsstaat, der Volatilität der Verfolgungslage im Herkunftsstaat und daran, ob bzw. in welchem Maße sich das Gutachten und die an den Sachverständigen zu stellenden Nachfragen auf die allgemeine Verfolgungslage in dem Herkunftsstaat beziehen oder ob hierbei Tatsachenfragen im Vordergrund stehen, die - bei allen Schwierigkeiten einer abstrakten Abgrenzung - ausschließlich oder vorrangig für das individuelle Verfolgungsgeschehen erheblich sind.

23 Der Antrag muss weiterhin eine klare Beurteilung zulassen, ob die Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung eines bereits schriftlich abgegebenen Gutachtens erstrebt wird oder ob der Sachverständige das Gutachten - in Bezug auf Ereignisse, Entwicklungen und Bewertungen, die nach dem Zeitpunkt der Erstellung des schriftlichen Gutachtens liegen - fortschreiben bzw. aktualisieren oder zu weiteren Fragen ergänzen soll. Diese Angaben sind erforderlich, um beurteilen zu können, ob sich die Entscheidung, einen Sachverständigen zu laden, nach § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO richtet oder es der Sache nach um die Erstellung eines neuen, weil auch auf neuere, nach der Gutachtenserstellung eingetretene Ereignisse und Entwicklungen bezogenen Gutachtens geht, dessen Anordnung sich nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO beurteilt.

24 1.2 Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die verfahrensrechtlichen Anforderungen oder gar das rechtliche Gehör nicht dadurch verletzt, dass es nicht das persönliche Erscheinen der Sachverständigen, welche die in dem Berufungsverfahren erstellten Gutachten zu verantworten haben, angeordnet und der Klägerseite nicht Gelegenheit gegeben hat, die Sachverständigen zu dem Gutachten zu befragen.

25 1.2.1 Die prozessrechtliche Notwendigkeit, das Erscheinen der Sachverständigen nicht nur anzuordnen, sondern auch durchzusetzen, folgt nicht schon aus den - vergeblichen - Bemühungen des Berufungsgerichts, die Sachverständigen formlos zu einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu bewegen, um für Fragen zur Verfügung zu stehen. Hieraus ergibt sich allenfalls das Bemühen des Gerichts, dem (auch) in einem Parallelverfahren bekundeten Begehren der Klägerseite durch eine weitergehende Sachaufklärung im Rahmen seines Ermessens entgegenzukommen, aber keine Selbstbindung des Berufungsgerichts in Bezug auf die prozessrechtliche Notwendigkeit, das Erscheinen der Sachverständigen anzuordnen. Unerheblich ist dabei, ob die von den Sachverständigen bzw. den mit der Erstellung der Gutachten betrauten Organisationen angegebenen Gründe geeignet sind, das Fernbleiben der Sachverständigen oder den Verzicht auf eine Anordnung des Erscheinens zu rechtfertigen.

26 1.2.2 Die Klägerseite hat in der mündlichen Verhandlung schon keinen hinreichend eindeutig auf Erläuterung der im Verfahren erstellten Gutachten zielenden Antrag gestellt.

27 Soweit ein solcher Antrag in einem der vorbereitenden Schriftsätze enthalten gewesen sein mag (hier: Schriftsätze vom 25. Februar 2019 und 27. März 2019), fehlt es jedenfalls an einem nach den Umständen des Falles gebotenen, hinreichend klaren Antrag in der mündlichen Verhandlung, dass an einem Antrag zur mündlichen Erläuterung der eingeholten Gutachten festgehalten werde. Die Klägerseite hat allerdings zum Beweis ihrer Behauptung, "Personen, die in Deutschland für die EPPF-guard politisch aktiv sind oder dies waren, wurden und werden weiterhin im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien dort aus diesem Grunde festgenommen, für unbestimmte Zeit in Haft gehalten und misshandelt", neben der Einholung von Stellungnahmen verschiedener Organisationen und Einzelpersonen u.a. auch jeweils abstrakt die "Anhörung der Gutachterin" beantragt. Dieser Antrag zielte indes, wie sich aus dem nachfolgenden Vorbringen ergibt, auf den Nachweis, Angehörige der Opposition seien aufgrund ihrer vom Staat unterstellten Haltung "weiterhin" verfolgt, zumal die "auf absehbare Zeit angespannte und volatile Situation in Äthiopien (...) allgemein festgestellt werde", und damit nicht direkt auf eine Erläuterung der unter dem 19. Mai 2018, 11. Juli 2018 und 26. September 2018 erstellten gutachterlichen Stellungnahmen. Der Sache nach betrifft der Antrag deren Fortschreibung und Aktualisierung auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung; ein sich aus den oder zu dem Gutachten selbst ergebender Erläuterungsbedarf wird jedenfalls nicht benannt. Die in der Beschwerdebegründung enthaltene Zielrichtung, die Gutachterinnen hätten bei ihrer Anhörung erläutert, "welche tatsächlichen innenpolitischen Faktoren sie bei ihrer jeweiligen Risikofeststellung in Erwägung gezogen haben [...] und wie diese für diese Risikofeststellung und der gegebenen Prognose gewichtet worden sind", was "ein erheblich genaueres Bild für die Lageeinschätzung und [...] deren zeitliche Gültigkeit ergeben" hätte, findet weder in dem Beweisantrag noch - ausweislich der Sitzungsniederschrift - sonst einen Niederschlag und rechtfertigt nicht den Schluss, es sei - ausschließlich oder vorrangig - um die Erläuterung der jeweiligen Stellungnahme gegangen.

28 Auch das Berufungsgericht hat die in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge, die u.a. auf eine mündliche Anhörung der Sachverständigen zielten, die für die im Verfahren bereits eingeholten Stellungnahmen verantwortlich zeichnen, u.a. abgelehnt, weil es aufgrund der in das Verfahren eingeführten und aufgrund des Beweisbeschlusses vom 26. März 2018 eingeholten Erkenntnisquellen über genügend eigene Sachkunde zur Beurteilung der unter Beweis gestellten Tatsachen verfüge, und diese Anträge mithin insgesamt nicht als Anträge zur Erläuterung bereits eingeholter Gutachten, sondern als Anträge auf Einholung weiterer Gutachten zur aktuellen Verfolgungslage gewertet. Das Berufungsgericht hat sich dabei nachvollziehbar auch mit dem Vorbringen auseinandergesetzt, der als Sachverständige benannte G. S. verfüge über umfassendere und bessere Zugangsquellen in Äthiopien als die deutsche Auslandsvertretung in Äthiopien.

29 1.2.3 Wird entgegen Vorstehendem unterstellt, es sei in der mündlichen Verhandlung (auch) ein Antrag auf Anhörung der Sachverständigen zur Erläuterung der bereits abgegebenen Gutachten gestellt worden, war dem schon nach den zu 1.1.1 dargelegten Grundsätzen nicht nachzugehen. Als Ziel dieses Antrages ergäbe sich aus dem vorbereitenden Schriftsatz vom 25. Februar 2019 allein die allgemeine Erläuterung der Gutachten. Die an die Sachverständigen zu dem jeweiligen Gutachten (nicht: zu dessen Aktualisierung) zu stellenden Fragen wurden weder hinreichend genau bezeichnet oder doch umrissen, noch wurde - soweit erkennbar - die Beweiserheblichkeit der angekündigten Fragen dargelegt. In dem vorbereitenden Schriftsatz wird schon kein möglicher Erläuterungsbedarf in Bezug auf den unbestimmten Vorbehalt auf eine mögliche Änderung der Lage aufgrund des Eintritts von Abiy Ahmed in das Amt des Premierministers erkennbar. Dass dieser "jeweils allgemein gehaltene Hinweis (...) erläutert und konkretisiert werden" müsse, "um zu klären, wie sich nun die Lage sowohl bezogen auf bestimmte Gruppen als auch im Hinblick auf die jüngeren Ereignisse darstellt", bezieht den Erläuterungsbedarf nicht auf die abgegebenen Gutachten, sondern deren aktualisierende Fortschreibung und damit auf eine zwar (möglicherweise) entscheidungserhebliche Frage, die aber der Sache nach auf ein neues Gutachten im Sinne des § 412 ZPO hinausläuft, nicht aber auf die mündliche Erläuterung der bereits erstellten Gutachten im Sinne des § 411 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Konkrete Einwendungen gegen die jeweiligen Gutachten, die zugrundeliegende Methodik oder einzelne Aussagen, denen das Berufungsgericht nachzugehen Anlass gehabt hätte (s. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. April 1992 - 1 BvR 1721/91 - juris Rn. 14), sind nicht erkennbar vorgetragen.

30 1.2.4 Einem Antrag auf Anhörung der Sachverständigen zur Erläuterung der bereits abgegebenen Gutachten brauchte hier jedenfalls nach den zu 1.1.2 b) und c) dargelegten Grundsätzen nicht nachgegangen zu werden, denen das Vorbringen zur Stützung des Anhörungsantrages nicht entspricht. Es fehlt schon an einer hinreichend klaren Bezeichnung des (zusätzlichen) Erkenntnisgewinns, der mit der mündlichen Erläuterung der Gutachten erstrebt wurde, unter Auseinandersetzung mit den weiteren in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln. Das Vorbringen lässt schließlich auch keine klare Beurteilung zu, ob die Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung eines bereits schriftlich abgegebenen Gutachtens erstrebt wird oder ob der Sachverständige das Gutachten - in Bezug auf Ereignisse, Entwicklungen und Bewertungen, die nach dem Zeitpunkt der Erstellung des schriftlichen Gutachtens liegen - fortschreiben bzw. aktualisieren oder zu weiteren Fragen ergänzen soll. Jeder dieser Gründe schließt bereits einen prozessrechtlich beachtlichen, hinreichenden Antrag auf mündliche Anhörung aus; jedenfalls in ihrer Gesamtschau folgt hieraus, dass das Berufungsgericht nicht ohne prozessrechtlich tragenden Grund dem Antrag auf mündliche Anhörung nicht (weiter) nachgegangen ist.

31 1.3 Die Rüge, durch die - nach Vorstehendem nicht gegebene - Verletzung eines Anspruchs auf mündliche Erläuterung der abgegebenen Stellungnahmen durch die Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung (§ 411 Abs. 3 ZPO) habe das Berufungsgericht zugleich gegen die gerichtliche Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, ist schon nicht hinreichend dargelegt. Mit der Begründung, es habe sich angesichts der "neueren Ereignisse" sowie der "sich im Wandel befindlichen Lage und der sich daraus ergebenden Unsicherheit der Feststellungen" eine Ladung der Gutachterinnen aufgedrängt, wird der Sache nach eine aktualisierende Fortschreibung der bereits erstellten Gutachten umschrieben, die indes von dem Erläuterungsanspruch des § 411 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht umfasst ist. Dass das Berufungsgericht seiner Pflicht, namentlich bei volatilen Sicherheits- bzw. Verfolgungslagen nur auf der Grundlage solcher Erkenntnismittel zu entscheiden, die Aufschluss über die jeweils aktuelle Verfolgungslage geben (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. April 2016 - 2 BvR 273/16 - NVwZ 2016, 1242 Rn. 11, vom 27. März 2017 - 2 BvR 681/17 - NVwZ 2017, 1702 Rn. 11 f. und vom 25. April 2018 - 2 BvR 2435/17 - NVwZ 2018, 1563 Rn. 34), nur durch die Einholung eines aktualisierenden (mündlichen) Ergänzungsgutachtens hätte nachkommen können, ist nicht ansatzweise dargelegt.

32 2. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerseite auf Gewährung rechtlichen Gehörs auch nicht dadurch verletzt, dass es den Anträgen der Klägerseite nicht nachgegangen ist, durch Einholung von Stellungnahmen verschiedener Organisationen und einer Einzelperson sowie Anhörung der Gutachterinnen und der benannten Einzelperson Beweis zu den in der mündlichen Verhandlung benannten und in der Beschwerdeschrift wiedergegebenen Themen rund um die Gefahren, die Personen, welche in Deutschland in bestimmten oppositionellen Gruppen tätig sind oder waren, bei Rückkehr drohen, zu erheben.

33 2.1 Das Tatsachengericht entscheidet über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme insgesamt - und damit auch über die Anordnung der mündlichen Erläuterung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens - im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen (BVerwG, Beschluss vom 4. November 2008 - 2 B 19.08 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 370 Rn. 11 m.w.N.). Die Beteiligten haben das Recht, auf Tatsache und Reichweite der gerichtlichen Sachverhaltsermittlung durch Beweisanträge einzuwirken; die Ablehnung von Beweisanträgen verletzt grundsätzlich das rechtliche Gehör, wenn und soweit sie im Prozessrecht keine Stütze findet.

34 Das Tatsachengericht darf einen auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer amtlichen Auskunft gerichteten Beweisantrag insbesondere in asylgerichtlichen Verfahren, in denen regelmäßig eine Vielzahl amtlicher Auskünfte und sachverständiger Stellungnahmen über die politischen Verhältnisse im Heimatstaat zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden, im Allgemeinen nach tatrichterlichem Ermessen mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen und die Gefährdungsprognose im Einzelfall auf der Grundlage einer tatrichterlichen Beweiswürdigung eigenständig vornehmen (BVerwG, Beschluss vom 8. März 2006 - 1 B 84.05 - Buchholz 402.242 § 6o Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 11 Rn. 7 m.w.N.). Eine solche Würdigung findet ihre Grundlage im Prozessrecht und verletzt weder das rechtliche Gehör noch die richterliche Aufklärungspflicht, wenn die in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse zur Beurteilung der geltend gemachten Verfolgungsgefahren ausreichen und dies spätestens im Rahmen der in der Berufungsentscheidung vorzunehmenden Beweiswürdigung dargestellt und belegt wird; dann kann das Gericht einen Beweisantrag auf Einholung weiterer Auskünfte unter Berufung auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen (BVerwG, Beschlüsse vom 27. Januar 2000 - 9 B 613.99 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 228, vom 8. März 2006 - 1 B 84.05 - Buchholz 402.242 § 6o Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 11 Rn. 7 m.w.N., vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 109 Rn. 4 und vom 4. März 2015 - 1 B 9.15 - juris Rn. 4; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Juni 1993 - 2 BvR 22/93 - juris). Die Pflicht zur "tagesaktuellen" Erfassung der entscheidungsrelevanten Tatsachengrundlage ändert dabei nichts daran, dass die Frage, ob das Tatsachengericht die Einholung neuer Erkenntnisse für erforderlich erachtet, seiner auch revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren fachgerichtlichen Einschätzung unterliegt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. März 2017 - 2 BvR 681/17 - NVwZ 2017, 1702 Rn. 11 f.).

35 Es hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den jeweils in tatsächlicher Hinsicht in dem Verfahren in Streit stehenden Einzelfragen, ab, wie konkret das Gericht seine eigene Sachkunde nachweisen muss und inwieweit sich diese aus dem Gesamtinhalt der Entscheidungsgründe und der verarbeiteten Erkenntnisquellen ableiten lässt. Der Nachweis muss jedenfalls plausibel und nachvollziehbar sein (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2001 - 1 B 158.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 315 S. 21). Schöpft das Gericht seine besondere Sachkunde aus vorhandenen Gutachten und amtlichen Auskünften, so muss der Verweis hierauf dem Einwand der Beteiligten standhalten, dass in diesen Erkenntnisquellen keine, ungenügende oder widersprüchliche Aussagen zur Bewertung der aufgeworfenen Tatsachenfragen enthalten sind (BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 2001 - 1 B 206.00 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 46 S. 7). Ist dies der Fall, steht die Einholung eines (weiteren) Gutachtens bzw. einer (weiteren) Auskunft auch dann im Ermessen des Gerichts (s.a. § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO), wenn die Erkenntnisquellen, aus denen das Gericht seine eigene Sachkunde schöpft, nicht in dem jeweiligen Verfahren eingeholt oder gerade auch nach § 411a ZPO in das Verfahren eingeführt worden sind; die Ablehnung eines hierauf gerichteten Beweisantrages setzt dann auch nicht voraus, dass das im Antrag angebotene Beweismittel schlechterdings untauglich oder völlig ungeeignet sei.

36 2.2 Nach diesen Grundsätzen liegt die mit der Beschwerde geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerseite nicht vor, so dass offenbleiben kann, ob sie insgesamt hinreichend substantiiert (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) dargelegt ist. Das Berufungsgericht hat ohne Verfahrensverstoß die Beweisanträge unter Hinweis darauf abgelehnt, dass es mit Blick auf die im Einzelnen bezeichneten Erkenntnisquellen, die es in das Verfahren eingeführt bzw. aufgrund des Beweisbeschlusses vom 26. März 2018 eingeholt hat, über genügend eigene Sachkunde zur Beurteilung der unter Beweis gestellten Tatsachen verfüge, und hieran mit dem Hinweis darauf, dass die eingeführten Erkenntnismittel sehr wohl die aktuellen Entwicklungen in Äthiopien wiedergäben, bei der Zurückweisung der hiergegen gerichteten Gegenfeststellung festgehalten.

37 2.2.1 Diese Begründung ist im rechtlichen Ansatz ebenso verfahrensfehlerfrei wie der § 412 ZPO entlehnte Maßstab für die Einholung weiterer bzw. ergänzender Gutachten, es sei nicht substantiiert dargetan, die beantragte Beweiserhebung werde bessere oder andere Erkenntnisse bringen als die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Materialien.

38 2.2.2 Das Berufungsgericht hat seine eigene Sachkunde jedenfalls plausibel und nachvollziehbar (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2001 - 1 B 158.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 315 S. 21) angenommen.

39 a) Der eigenen, aus den eingeführten Erkenntnismitteln abgeleiteten Sachkunde des Gerichts stand hier nicht schon entgegen, dass die Beweisanträge neue, von den Erkenntnisquellen nicht erfasste Umstände betrafen. Dies ist weder in Bezug auf die Beweisthemen selbst noch auf die Hintergründe der Fall. Der Einwand etwa, das Berufungsgericht übersehe, dass die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2019 sich zur drohenden Verfolgung von Angehörigen der OLF bzw. der UOSG verhalte, die weder politisch noch taktisch mit der EPPF-guard gleichzustellen sei, greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat seine Bewertung, der sich in jüngerer Zeit verschärfende Konflikt zwischen Regierung und OLF liege nicht in den separatistischen Bestrebungen der OLF begründet und bei den ergriffenen Maßnahmen handele es sich nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen oppositionelle Oromo, auch auf eine weitere Erkenntnisquelle gestützt. Die Beschwerde berücksichtigt zudem nicht hinreichend, dass das Auswärtige Amt in der betreffenden Auskunft ausführt, die Ginbot 7 (welcher nach den Erkenntnissen des Berufungsgerichts die EPPFG nahestehe), werde nicht mehr als Terrororganisation eingestuft, und annimmt, es sei nicht davon auszugehen, dass eine (einfache) Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist, bzw. in einer ihr nahestehenden Organisation bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich ziehe. Dass sich hieran durch die Auseinandersetzungen Ende Dezember 2018 oder die weitere Entwicklung etwas geändert habe, wird nicht in einer Weise dargetan, welche der entgegenstehenden Bewertung des Berufungsgerichts zur Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung die Grundlage entzöge. Dem genügen auch nicht die Einwendungen gegen die vom Berufungsgericht herangezogene Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2019 an das Verwaltungsgericht Dresden, auch diese vermöge wegen der volatilen Sicherheitslage nicht die Sachkunde für eine zuverlässige Gefahrenprognose zu begründen; sie wenden sich der Sache nach gegen deren tatrichterliche Bewertung.

40 b) Es ist auch nicht substantiiert dargelegt, dass die bereits vorliegenden Gutachten nicht ihren Zweck zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2013 - 4 B 15.12 - BauR 2013, 1248 Rn. 19 m.w.N.), weil sie in sich fehlerhaft, unstimmig oder unsachlich wären oder sonst nicht als Entscheidungsgrundlage taugten.

41 c) Das Vorbringen zur Sachkunde der Organisationen und Einzelpersonen, auf deren Stellungnahmen bzw. Einvernahmen die Beweisanträge gerichtet waren, zeigt nicht auf, dass diese im Vergleich zu den vom Berufungsgericht ausgewerteten Erkenntnisquellen über (qualitativ) bessere oder aktuellere Erkenntnisse verfügten; dies stellt deren Sachkunde und Qualifikation nicht in Abrede. Dass die beantragte Beweiserhebung ganz oder teilweise erforderlich gewesen wäre, um ein hinreichend breites Bild von der Verfolgungslage zu erlangen, ist ebenfalls nicht substantiiert dargelegt. Dies gilt sowohl in Bezug auf eine ergänzende Aktualisierung der im Verfahren eingeholten Stellungnahmen durch die mündliche Anhörung der Gutachterinnen als auch für die Einholung weiterer Stellungnahmen.

42 2.3 Aus den vorstehenden Erwägungen scheidet auch eine Verletzung der Pflicht des Berufungsgerichts aus, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 86 Abs. 1 VwGO). Dass sich dem Berufungsgericht hier die Einholung weiterer Auskünfte sachverständiger Stellen hätte aufdrängen müssen, folgt insbesondere nicht aus dem Vorbringen der Beschwerde, die Lage in Äthiopien sei volatil und habe sich seit September 2018 massiv verschlechtert, was die vom Gericht beigezogenen Quellen noch nicht berücksichtigten. Hieraus ergeben sich keine konkreten Anknüpfungstatsachen, aufgrund derer sich dem Berufungsgericht im maßgeblichen Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung eine weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen. Allein der Hinweis auf die profunden und aktuellen Kenntnisse des Sachverständigen S. und von UNHCR und den - im Übrigen erst nach der mündlichen Verhandlung ergangenen - Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8. April 2019 ersetzt nicht die Darlegung, aufgrund welcher konkreten Umstände sich dem Berufungsgericht im maßgeblichen Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung am 28. März 2019 eine weitere Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Die zwingende Heranziehung einer Stellungnahme von UNHCR ergibt sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60) - Asylverfahrensrichtlinie -. Denn danach ist lediglich sicherzustellen, dass genaue und aktuelle Informationen aus verschiedenen Quellen eingeholt werden. Dies ist hier geschehen.

43 3. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerseite auf Gewährung rechtlichen Gehörs auch nicht dadurch verletzt, dass es deren Anträgen nicht nachgegangen ist, durch Einholung von Stellungnahmen verschiedener Organisationen und einer Einzelperson Beweis zu erheben über die Behauptungen,
"eine sexuelle Beziehung zwischen dem leiblichen Onkel und seiner Nichte wie im Falle des Klägers und seiner Nichte Frau [...] ist in Äthiopien strafrechtlich verboten und führt zu Haft unter lebensbedrohlichen Bedingungen von mindestens einem Jahr und der Anwendung der Folter.
Darüber hinaus löst dies eine Verfolgung durch die Familie einschließlich lebensbedrohlicher körperlicher Übergriffe aus, vor der kein staatlicher Schutz gewährt wird.
Die Betroffenen werden von ihrer Familie ausgestoßen und unterliegen einer sozialen Ächtung und Diskriminierung, die u. a. die Versagung auch existenz- oder lebensnotwendiger Unterstützungshandlungen beinhaltet.
Kinder aus einer solchen Beziehung werden den Eltern von der Familie weggenommen und durch andere Familienangehörige großgezogen.
Die angeführten Sanktionen und Beeinträchtigungen werden allemal umgesetzt, wenn die Betroffenen die Ehe eingehen oder eine eheähnliche Beziehung führen."

44 3.1 Das Gericht ist diesem Beweisantrag deswegen nicht nachgegangen, weil die Tatsache der Strafbarkeit sexueller Beziehungen zwischen dem leiblichen Onkel und seiner Nichte nicht entscheidungserheblich sei und als wahr unterstellt werde und im Übrigen die unter Beweis gestellten Tatsachen ohne jede Benennung tatsächlicher Anhaltspunkte erfolgt sei, das Gericht zudem zu den Haftbedingungen in Äthiopien über hinreichende eigene Sachkunde verfüge und auch nicht substantiiert dargetan sei, dass die beantragte Beweiserhebung bessere oder andere Erkenntnisse bringen werde als die insoweit benannten Materialien, zumal der Kläger nach eigenen Angaben von seiner Frau und seinen Kindern getrennt lebe, so dass es auch nicht auf die Behauptung ankomme, Kinder aus einer solchen Beziehung würden den Eltern von der Familie weggenommen und durch andere Familienangehörige großgezogen. Diese Begründung, die sich nach der nicht mit einer durchgreifenden Revisionsrüge angegriffenen Bewertung des Berufungsgerichts (s.o. I.2.) mangels Vorliegens eines Verfolgungsgrundes allein für den subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG oder bei der Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG erheblich werden kann, steht im Ergebnis mit dem Prozessrecht im Einklang.

45 3.2 Das Berufungsgericht hat zwar Zweifel daran geäußert, dass der Kläger wegen der Beziehung zu seiner Nichte noch mit einer Vollstreckung einer Freiheitsstrafe in Äthiopien zu rechnen hätte (mit Blick auf die Legitimation der Beziehung durch kirchliche Heirat, der seit der Ausreise im Jahr 2006 vergangenen erheblichen Zeitspanne und der alleinigen Rückkehr infolge der Trennung von seiner Ehefrau), hat aber - entgegen dem Beschwerdevorbringen - die Möglichkeit einer Vollstreckung einer Freiheitsstrafe angenommen und lediglich dahin erkannt, dass er im Falle einer Verurteilung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine menschenrechtswidrige Behandlung zu erwarten habe (UA S. 18).

46 Das Berufungsgericht stützt diese Bewertung ersichtlich auf die eigene Sachkunde, die es aus den im einzelnen benannten Erkenntnisquellen bezieht, und berücksichtigt dabei die "zweifellos harten Haftbedingungen" sowie den Umstand, dass es Berichte von Folter und Misshandlungen gibt, insbesondere während der Untersuchungshaft und gegenüber Häftlingen, "die verdächtigt werden, mit Terrororganisationen in Verbindung zu stehen". Diese - selbständig tragende - Berufung auf die eigene Sachkunde ist dem Grund nach geeignet, die Nichtberücksichtigung eines Beweisantrages prozessual zu rechtfertigen (s.o. II. 2.1). Das Berufungsgericht benennt insoweit auch die Erkenntnismittel, auf die es seine Sachkunde gründet, und benennt mit der voraussichtlich nur kurzzeitigen Inhaftierung wegen eines nicht politischen Delikts Umstände, welche es nicht beachtlich wahrscheinlich erscheinen ließen, dass der Klägerseite eine menschenrechtswidrige Behandlung drohe. Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen wendet sich der Sache nach gegen die tatrichterliche Bewertung der herangezogenen Erkenntnisquellen, insbesondere die Annahme des Berufungsgerichts, die Wahrscheinlichkeit, von Folter oder Misshandlungen betroffen zu werden, hänge auch von der Art des Tatvorwurfes (oppositionelle Tätigkeit; Gefangenschaft aus politischen Gründen) ab, die bei der Klägerseite - in Bezug auf die drohende Bestrafung wegen Inzests - gerade nicht vorliegen, und weist nicht auf eine verfahrensfehlerhafte Überschätzung der eigenen Sachkunde durch das Berufungsgericht.

47 Dem Beschwerdevorbringen in Bezug auf die ebenfalls selbständig tragende Begründung, die Beweistatsache, die sexuelle Beziehung zwischen der Klägerseite und ihrer Nichte führe "zu Haft unter lebensbedrohlichen Bedingungen von mindestens einem Jahr und der Anwendung von Folter" sei auch "ohne jede Benennung tatsächlicher Anhaltspunkte erhoben" worden, braucht bei dieser Sachlage nicht weiter nachgegangen zu werden (zu den Anforderungen an die Nichtberücksichtigung eines Beweisantrages aus diesen Gründen s. etwa BVerwG, Beschluss vom 17. September 2019 - 1 B 43.19 -).

48 3.3 Zu den Gründen, aus denen das Berufungsgericht den Beweisantrag in Bezug auf eine Verfolgung durch die Familie, das Ausgestoßenwerden, der sozialen Ächtung und Diskriminierung und der Wegnahme von Kindern aus einer nach äthiopischem Strafrecht strafbaren inzestuösen Beziehung zurückgewiesen hat, verhält sich das Beschwerdevorbringen nicht ausdrücklich. Insbesondere werden insoweit keine Anknüpfungstatsachen für die bezeichneten Gefahren benannt, und wird auch nicht darauf eingegangen, dass der Kläger von seiner Frau und seinen Kindern getrennt lebe, und auch dann, wenn eine Rückkehr in die Heimatregion infolge fortbestehender innerfamiliärer Konflikte unzumutbar sein sollte, davon auszugehen sei, dass das Existenzminimum ohne familiäre Unterstützung an einem anderen Ort im ganzen Land bzw. am Zielort der Abschiebung in A. sichergestellt sei (UA S. 22). Sollte mit der Beschwerde auch insoweit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht werden, fehlte es jedenfalls an der erforderlichen Darlegung einer prozessrechtswidrigen Zurückweisung des Beweisantrages (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

49 III. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

50 IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.