Beschluss vom 24.10.2022 -
BVerwG 1 W-VR 8.21ECLI:DE:BVerwG:2022:241022B1WVR8.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.10.2022 - 1 W-VR 8.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:241022B1WVR8.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 W-VR 8.21

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 24. Oktober 2022 beschlossen:

Der Antrag, das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einer Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 31. März 2022 (BVerwG 1 WB 25.22) die Versetzung der Beigeladenen auf den Dienstposten ..., ... (DP-ID ...), vorläufig rückgängig zu machen, wird abgelehnt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz in einem Konkurrentenstreit um die Besetzung eines nach Besoldungsgruppe A 9 MZ bewerteten Dienstpostens.

2 Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich zum 30. September ... Er war mit Wirkung vom 1. Januar 2013 zum Stabsfeldwebel befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 M eingewiesen worden. Während seiner Dienstzeit wurde er überwiegend als ...feldwebel eingesetzt, zuletzt beim ...zentrum ..., Teileinheit Wehrsold und Verpflegung, in ...

3 Die ... geborene Beigeladene ist ebenfalls Berufssoldatin mit voraussichtlichem Dienstzeitende am 30. September ... Sie war mit Wirkung vom 5. November ... zum Stabsbootsmann befördert und mit Wirkung vom 1. November ... in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 M eingewiesen worden. Zuletzt war sie als ...feldwebel beim ... in ... eingesetzt.

4 Am 15. Oktober 2020 entschied der Unterabteilungsleiter IV 3 beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, den nach Besoldungsgruppe A 9 MZ (Oberstabsfeldwebel/-bootsmann) bewerteten Dienstposten ... beim ... in ... mit der Beigeladenen zu besetzen. Der Auswahlentscheidung liegt eine Dokumentation vom 18. September 2020 zugrunde, die eine Organisationsgrundentscheidung "Aufsteiger- oder Förderungsbewerber" ausweist und ein Anforderungsprofil des Dienstpostens, einen Leistungsvergleich unter zunächst sieben Bewerbern und einen engeren Vergleich unter vier Bewerbern, darunter dem Antragsteller und der Beigeladenen, enthält. Dabei wurden zunächst alle vier in die engere Wahl gezogenen Kandidatinnen und Kandidaten für die Besetzung des Dienstpostens nominiert. Nach Abstimmung mit dem ... wurde die Beigeladene für die Besetzung des Dienstpostens ausgewählt.

5 Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Bundesamts für das Personalmanagement vom 16. Oktober 2020 darüber informiert, dass er für den Dienstposten nicht ausgewählt worden sei. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 3. Dezember 2020 Beschwerde.

6 Die Beigeladene wurde zum 1. Januar 2021 auf den Dienstposten versetzt und trat ihren Dienst dort am 11. Januar 2021 an. Am 22. Februar 2021 wurde sie zum Oberstabsbootsmann befördert und mit Wirkung vom 1. Januar 2021 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 MZ eingewiesen.

7 Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 9. Juli 2021 hat der Antragsteller den hier gegenständlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO gestellt, mit dem er in der Sache beantragt,
das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einer Entscheidung über seine Beschwerde vom 3. Dezember 2020 gegen die Auswahl- und Versetzungsentscheidung betreffend den Dienstposten ..., ..., die Versetzung der Beigeladenen auf diesen Dienstposten vorläufig rückgängig zu machen.

8 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

9 Der Antragsteller wurde zum 1. Januar 2022 mit Dienstantritt am 3. Januar 2022 auf einen nach Besoldungsgruppe A 9 MZ dotierten Dienstposten als ...feldwebel beim ...zentrum ... versetzt. Am 3. Januar 2022 wurde er zum Oberstabsfeldwebel befördert und mit Wirkung vom 1. Januar 2022 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 MZ eingewiesen.

10 Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 31. März 2022 mahnte der Antragsteller die Vorlage der Hauptsache an. Er habe seine Beschwerde unter dem 26. April 2021 begründet; seither sei in der Sache nichts geschehen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat dies als (Untätigkeits-)Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und diesen dem Senat mit seiner Stellungnahme vom 11. April 2022 vorgelegt. In diesem Hauptsacheverfahren (BVerwG 1 WB 25.22 ) ist bisher noch keine Entscheidung ergangen.

11 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II

12 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

13 1. Der gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 123 VwGO statthafte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Die begehrte vorläufige Rückgängigmachung der Versetzung der Beigeladenen auf den strittigen Dienstposten ist nach Vorlage der Hauptsache (BVerwG 1 WB 25.22 ) sinngemäß auf den Zeitraum bis zur Entscheidung in diesem Hauptsacheverfahren zu beziehen.

14 Der Rechtsstreit hat sich nicht dadurch erledigt, dass der Dienstposten mit der Beigeladenen besetzt und diese zum Oberstabsbootsmann befördert wurde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 2018 - 1 WB 44.17 - juris Rn. 16). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung - auch nach einer der Bewertung des Dienstpostens entsprechenden Beförderung oder Planstelleneinweisung - nicht dahin, dass die durch sie begünstigte Soldatin eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihr zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; sie müsste es vielmehr hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihr gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2007 - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 39 m. w. N.).

15 2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Für die begehrte einstweilige Anordnung fehlt ein Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) (vgl. zum Folgenden BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2022 - 1 W-VR 16.22 - Rn. 19 ff.).

16 Nach der Rechtsprechung des Senats kann sich in Konkurrentenstreitigkeiten um die Besetzung eines Dienstpostens ein Anordnungsgrund daraus ergeben, dass ein rechtswidrig ausgewählter Bewerber auf dem Dienstposten einen Erfahrungsvorsprung erlangt, der im Fall des Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache bei einer erneuten Auswahlentscheidung zu berücksichtigen wäre. Ein insoweit beurteilungsrelevanter Erfahrungsvorsprung und damit ein Anordnungsgrund ist erst anzunehmen, wenn zwischen dem Dienstantritt des ausgewählten Bewerbers auf dem strittigen Dienstposten und der (noch zu treffenden) gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache ein Zeitraum von deutlich mehr als sechs Monaten liegt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. April 2010 - 1 WDS-VR 2.10 - Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 28 Rn. 20 f. und vom 19. Dezember 2011 - 1 WDS-VR 5.11 - BVerwGE 141, 271 Rn. 29 f.).

17 Da die Beigeladene am 11. Januar 2021 den Dienst auf dem streitgegenständlichen Dienstposten angetreten hat, ist die Spanne von sechs Monaten hier zwar überschritten. Vorliegend ist jedoch inzwischen auch der Antragsteller zum 1. Januar 2022 - paritätisch - auf einen nach Besoldungsgruppe A 9 MZ dotierten Dienstposten versetzt und am 3. Januar 2022 zum Oberstabsfeldwebel befördert worden. Damit ist auch ihm die Möglichkeit eröffnet, Erfahrungen bei der Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben zu sammeln und auf der A 9 MZ-Ebene beurteilt zu werden. Die weitere Verwendung der Beigeladenen auf dem streitgegenständlichen Dienstposten begründet ihm gegenüber keinen hinreichend gewichtigen Vorsprung mehr, der geeignet wäre, einen Erfolg des Antragstellers im anhängigen Hauptsacheverfahren zu entwerten. Soweit es in einem neuen Auswahlverfahren nach Ausschöpfung aller vorrangigen Leistungs- und Eignungskriterien auf bereits in Vorverwendungen gesammelte Erfahrungen auf der A 9 MZ-Ebene ankommt, können sowohl die Beigeladene als auch der Antragsteller auf entsprechende Erfahrungen verweisen. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG) jedenfalls insoweit erschöpft ist, als es um das Erreichen der höherwertigen A 9 MZ-Ebene sowohl hinsichtlich der Verwendung als auch hinsichtlich des Statusamts geht. Sein Interesse, gerade auf den von ihm priorisierten und hier gegenständlichen Dienstposten versetzt zu werden, ist durch das Hauptsacheverfahren, auf das der Antragsteller zumutbar verwiesen werden kann, und den Umstand, dass die Beigeladene keine rechtlich gesicherte Position an dem Dienstposten erwerben kann (siehe oben 1.), hinreichend gewahrt.

18 3. Die Beigeladene, die keinen eigenen Sachantrag gestellt hat, trägt die ihr entstandenen Aufwendungen selbst.