Beschluss vom 25.06.2004 -
BVerwG 1 B 282.03ECLI:DE:BVerwG:2004:250604B1B282.03.0

Beschluss

BVerwG 1 B 282.03

  • Hamburgisches OVG - 29.08.2003 - AZ: OVG 1 Bf 11/98.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juni 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. August 2003 wird verworfen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Klägerin kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
1. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil die Beschwerdebegründungsfrist versäumt worden ist und ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Erfolg hat.
Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen (§ 133 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Da das Berufungsurteil dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit entsprechender Rechtsmittelbelehrung am 2. Oktober 2003 zugestellt wurde, lief die Frist zur Beschwerdebegründung am 2. Dezember 2003, einem Dienstag, ab. Die Beschwerdebegründungsschrift vom 2. Dezember 2003, die von der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am letzten Tag der Frist nach Dienstschluss per Telefax an das Verwaltungsgericht Hamburg übermittelt wurde, ist ausweislich der Gerichtsakten erst am 3. Dezember 2003 beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht eingegangen. Damit ist die Beschwerdebegründungsfrist versäumt.
Der Klägerin kann die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO nicht gewährt werden, da nicht - wie diese Vorschrift es voraussetzt - glaubhaft gemacht ist, dass ihr Prozessbevollmächtigter ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Dessen Verschulden muss sich die Klägerin zurechnen lassen (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Juni 2000 - 2 BvR 1989.97 - NVwZ 2000, 907 = DVBl 2000, 1279).
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgetragen, er habe die Begründungsschrift am letzten Tag der Frist diktiert und vor Verlassen der Kanzlei seine langjährige Anwaltsgehilfin angewiesen, den Schriftsatz vor Mitternacht per Telefax dem Oberverwaltungsgericht Hamburg zu übermitteln. Er habe sie ausdrücklich auf die Folgen einer nicht fristgerechten Übermittlung hingewiesen. Die Anwaltsgehilfin habe den Schriftsatz gegen 21.45 Uhr per Telefax abgesandt und, nachdem der Sendebericht die Übermittlung des Telefax als "erfolgreich" ausgewiesen habe, die Kanzlei verlassen. Sie habe jedoch offenbar versehentlich die Faxnummern des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Hamburg, die sich in einer Liste über dem Faxgerät befänden, verwechselt. Ein derartiges Versehen sei der sonst zuverlässigen Anwaltsgehilfin bisher noch nicht unterlaufen, obwohl sie ständig damit befasst sei, das Telefaxgerät zu bedienen und fristwahrende Schriftsätze zu übermitteln. Auch würden alle Mitarbeiter von ihm, dem Prozessbevollmächtigten, regelmäßig auf die Folgen eines Fristversäumnisses hingewiesen.
Mit diesem Vorbringen ist nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin alles seinerseits Erforderliche getan hat, um die Frist einzuhalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf der Rechtsanwalt zwar die Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes per Telefax einschließlich der Ermittlung der zutreffenden Faxnummer seinen Büroangestellten überlassen; er muss aber, um seiner Sorgfaltspflicht zu genügen, für eine Büroorganisation sorgen, die eine Überprüfung der per Telefax übermittelten Schriftsätze auch auf Verwendung einer zutreffenden Empfängernummer gewährleistet (vgl. Beschlüsse vom 18. März 2004 - BVerwG 6 PB 16.03 -, vom 26. April 2002 - BVerwG 3 B 31.02 und vom 13. Februar 1998 - BVerwG 7 B 439.97 - <juris>, jeweils m.w.N. auch zu entsprechender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesfinanzhofs). Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durch geeignete organisatorische Anweisungen - wie etwa die Anordnung einer Kontrolle anhand des Sendeberichts - sichergestellt hätte, dass Fehler bei der Verwendung von Faxnummern nach Möglichkeit vermieden werden, hat er weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. Hierzu hätte insbesondere auch deshalb Anlass bestanden, weil bereits früher in einem anderen Verfahren von seiner Kanzlei ein fristwahrender Schriftsatz ebenfalls fälschlicherweise per Telefax an das Verwaltungsgericht Hamburg anstatt an das Oberverwaltungsgericht Hamburg übermittelt worden ist (vgl. Beschluss vom 26. Februar 2003 - BVerwG 1 B 48.03 -).
2. Die Beschwerde ist ferner auch deshalb unzulässig, weil sie den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise darlegt. Sie hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob ein Urteil, welches von einem überzeugten und tief religiösen Christen erwartet, von einer Ausübung der christlichen Religion und der Befolgung des christlichen Missionsbefehls außerhalb des häuslich-privaten Bereichs abzusehen, nicht grundgesetzlich verbriefte Grundfreiheiten verletzt und damit gegen geltendes (Verfassungs-)Recht verstößt". Sie legt aber nicht dar, inwiefern diese Frage aus Anlass des Falles der Klägerin klärungsbedürftig sein soll. Es geht der Beschwerde nicht um die durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Freiheit der Religionsausübung im Geltungsbereich des Grundgesetzes, sondern um die Frage, ob Beschränkungen der Religionsausübung bei einer Rückkehr in den Iran, insbesondere das Verbot missionierender Betätigung für Christen, als politische Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG anzusehen sind. Diese Frage ist indes in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts bereits dahin gehend geklärt, dass staatliche Verbote, die die Ausübung der Religion beeinträchtigen, nur dann eine politische Verfolgung in diesem Sinne darstellen, wenn sie in das sog. religiöse Existenzminimum eingreifen, d.h. wenn sie die Religionsausübung abseits der Öffentlichkeit und in persönlicher Gemeinschaft mit anderen Gläubigen dort, wo man sich nach Treu und Glauben unter sich wissen darf, betreffen (BVerfGE 76, 143 ff. m.w.N.; BVerwG, zuletzt Urteil vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 C 9.03 - AuAS 2004, 125, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, m.w.N.). Glaubensbetätigungen in der Öffentlichkeit einschließlich der Missionierung gehören danach nicht zum asylrechtlich geschützten religiösen Existenzminimum (vgl. Urteil vom 20. Januar 2004 a.a.O.; Beschluss vom 28. November 2003 - BVerwG 1 B 65.03 -). Daraus folgt, dass auch die von der Beschwerde aufgeworfene weitere Frage, ob "das vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Kriterium des sog. religiösen Existenzminimums" nur die Religionsausübung im häuslich-privaten Bereich und nicht - jedenfalls bei missionarisch besonders aktiven Glaubensgemeinschaften - auch die missionarische Betätigung umfasst, höchstrichterlich bereits entschieden ist. Einen neuen oder weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde insoweit nicht auf. Soweit sie meint, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG wegen des in Deutschland vollzogenen Übertritts zum christlichen Glauben und der hier praktizierten Missionierungstätigkeit der Klägerin verneint, wendet sie sich gegen die dem Tatrichter vorbehaltene Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Hierauf kann eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht gestützt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.