Beschluss vom 25.08.2022 -
BVerwG 1 W-VR 19.22ECLI:DE:BVerwG:2022:250822B1WVR19.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.08.2022 - 1 W-VR 19.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:250822B1WVR19.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 W-VR 19.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung
am 25. August 2022 beschlossen:

  1. Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzulässig.
  2. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen.

Gründe

I

1 Die ... geborene Antragstellerin ist Berufssoldatin; ihre Dienstzeit endet regulär zum ... Sie ist Fachärztin ... und wurde zuletzt im März 2015 zum Oberfeldarzt befördert. Ihre Dienststelle ist das ..., ... Für die Zeit vom ... 2020 bis ... 2021 war ihr Elternzeit unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge gewährt worden. Seit 7. Oktober 2021 befindet sie sich im Betreuungsurlaub. Gegen die Antragstellerin wird seit Anfang 2021 ein Verfahren zur Feststellung der Dienstunfähigkeit geführt.

2 Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 3. August 2022 hat die Antragstellerin beim Senat einen "Antrag auf einstweilige Anordnung gegen unzulässige dienstliche Entlassungs-Maßnahmen" gestellt, mit dem sie in der Sache begehrt, das (von ihr als "Dienstfähigkeitsverfahren" bezeichnete) Dienstunfähigkeitsverfahren auszusetzen.

3 Das Gericht hat mit der Erstzustellung darauf hingewiesen, dass für den Rechtsstreit möglicherweise nicht der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten, sondern der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Verwaltungsgericht gegeben. Das Bundesministerium der Verteidigung hat mit Schreiben vom 17. August 2022 die Verweisung an das Verwaltungsgericht Köln beantragt. Die Antragstellerin hat mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 22. August 2022 erklärt, dass sie den Senat für zuständig halte, und sich im Übrigen zur Sache geäußert.

II

4 Für das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet. Die Sache ist deshalb an das zuständige Verwaltungsgericht Köln zu verweisen. Über die Verweisung entscheidet der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2009 - 1 WB 77.08 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 4 Rn. 26 m. w. N.).

5 1. Gemäß § 82 Abs. 1 SG ist für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis der Verwaltungsrechtsweg gegeben, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind.

6 Streitigkeiten darüber, ob ein Berufssoldat wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist, betreffen eine Materie, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses eines Berufssoldaten und dessen Versetzung in den Ruhestand (§ 44 Abs. 3 und 4 SG) und damit nicht im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes (§§ 6 bis 36 SG) geregelt ist. Für (statusrechtliche) Streitigkeiten um die Beendigung des Dienstverhältnisses, die im Dritten Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts des Soldatengesetzes geregelt ist (§ 43 bis 57 SG), verbleibt es daher bei der Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte gemäß § 82 Abs. 1 SG. Das gilt nicht nur für Streitigkeiten in der Hauptsache, sondern auch für diesbezügliche Anträge in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wie die hier begehrte Aussetzung des Dienstunfähigkeitsverfahrens.

7 2. Ist für die beantragte einstweilige Anordnung der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten nicht eröffnet, so war das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten (§ 23a Abs. 2 WBO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG) gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 18 Abs. 3 Satz 1 WBO an das zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen.

8 Nach § 45 und § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO ist für alle Klagen aus einem gegenwärtigen Wehrdienstverhältnis das Verwaltungsgericht sachlich und örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Dienstlicher Wohnsitz eines Soldaten ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BBesG sein Standort; die Legaldefinition des dienstlichen Wohnsitzes in § 15 BBesG ist auch im Rahmen des § 52 Nr. 4 VwGO maßgeblich (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2020 - 1 WB 64.19 - juris Rn. 6 m. w. N.).

9 Die von den Instanzgerichten unterschiedlich beurteilte Frage, ob ein - wie die Antragstellerin - beurlaubter Beamter oder Soldat noch einen dienstlichen Wohnsitz im Sinne des § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO hat (vgl. bejahend VG Bayreuth, Beschluss vom 19. Januar 2016 - B 5 K 15.887 - juris Rn. 7; verneinend VG Düsseldorf, Beschluss vom 28. September 2017 - 26 K 13961/17 - juris Rn. 5 ff. und VG Bremen, Beschluss vom 7. Mai 2018 - 6 K 146/16 - juris Rn. 3 ff.), bedarf vorliegend keiner Klärung, weil sich sowohl der mögliche Standort der Antragstellerin, die während ihres Betreuungsurlaubs weiterhin beim ..., ..., geführt wird, als auch deren privater Wohnsitz in ... befindet. Örtlich zuständig ist damit gemäß § 17 Nr. 5 des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2010 (GV. NRW S. 30) in jedem Falle das Verwaltungsgericht Köln.