Beschluss vom 26.09.2024 -
BVerwG 1 WB 41.24ECLI:DE:BVerwG:2024:260924B1WB41.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.09.2024 - 1 WB 41.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:260924B1WB41.24.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 41.24

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch, den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Dr. Weber und den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Prell am 26. September 2024 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft die Verpflichtung zur Duldung einer COVID-19-Impfung.

2 Der ... geborene Antragsteller trat ... in die Bundeswehr ein und ist seit 2005 Berufssoldat. Er wurde zuletzt im Jahre 2013 zum Hauptmann befördert und wird derzeit auf einen Dienstposten bei der ...staffel des ...geschwaders ... in ... verwendet. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich am 31. März ... enden.

3 Mit Wirkung vom 24. November 2021 trat im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung nach Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses, des Hauptpersonalrates und der Hauptschwerbehindertenvertretung eine Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil -" in Kraft. Dadurch wurde die Impfung gegen den COVID-19-Erreger in die Liste der Basisimpfungen in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 aufgenommen. Nach Nr. 1080 AR A1-840/8-4000 erfordern die COVID-19-Impfstoffe eine oder zwei Teilimpfungen sowie Auffrischimpfungen gemäß den aktuellen nationalen Empfehlungen. Nach Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000 ist für alle Kräfte (Einheiten und Einzelpersonen), die für Hilfs- und Unterstützungsleistungen im Inland eingesetzt werden - die sogenannten "Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland" – die Basisimmunisierung erforderlich. Nr. 210 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-840/8 "Impf- und weitere ausgewählte Prophylaxemaßnahmen" sieht vor, dass alle Soldaten die angewiesenen Impf- und Prophylaxemaßnahmen und Impfungen der "Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland" zu dulden haben. Nach Nr. 406 ZDv A-840/8 sind damit alle aktiven Soldaten duldungspflichtig zu impfen, sofern in der Person des Soldaten keine individuelle medizinische Kontraindikation vorliegt.

4 Gegen die Änderungen der AR A1-840/8-4000 hat der Antragsteller, der sich am 7. Januar 2022 einer COVID-19-Schutzimpfung unterzogen hatte, unter dem 20. Januar 2022 Beschwerde erhoben. Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und am 9. März 2022 mit einer Stellungnahme dem Senat vorgelegt.

5 Mit Schreiben vom 20. August 2024 teilte das Bundesministerium der Verteidigung mit, dass der Wehrmedizinische Beirat unter dem 22. Mai 2024 für eine Herabstufung der bisherigen Duldungspflicht für alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr hin zu einer bloßen Empfehlung einer Impfung gegen COVID-19 votiert habe. Daraufhin habe das Kommando des Sanitätsdienstes der Bundeswehr eine Neubewertung vorgenommen und im Anschluss an das Votum des Wehrmedizinischen Beirats vorgeschlagen, die AR A1-840/8-4000 entsprechend zu ändern. Diesem Vorschlag ist das Bundesministerium der Verteidigung am 28. Mai 2024 gefolgt und habe dessen Umsetzung eingeleitet. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium der Verteidigung dem Antragsteller zugesichert, ihm bis zu der beabsichtigten Änderung der AR A1-840/‌8-4000 nicht mehr durch Befehl einer Duldung der Impfung gegen COVID-19 auszusetzen, um eine Basisimmunisierung herzustellen. Zugleich hat es angeregt, das ruhende gerichtliche Verfahren wiederaufzunehmen.

6 Der Antragsteller trägt zur Begründung seines Antrages auf gerichtliche Entscheidung vor, die Pflicht zur Duldung der Impfung gegen COVID-19 sei unverhältnismäßig und verletze sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in rechtswidriger Weise.

7 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

8 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Das Verfahren war auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 14. Juni 2022 (1 WB 18.22 ) zum Ruhen gebracht und auf Antrag des Bundesministeriums der Verteidigung vom 20. August 2024 fortgeführt worden. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

9 Der Antrag hat keinen Erfolg; er ist bereits unzulässig.

10 1. Der Antragsteller hat sich auf einen prozessualen Antrag beschränkt und keinen konkreten Sachantrag gestellt. Mit seinem nach § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO in Verbindung mit § 86 Abs. 3 VwGO unter Berücksichtigung seines Sachvortrages auszulegenden Rechtsschutzbegehren wendet er sich nur gegen die mit der Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil -" verbundene Aufnahme der Impfung gegen den COVID-19-Erreger in die Liste der Basisimpfungen. Der ihm auf dieser Grundlage erteilte und von ihm ausgeführte Befehl, die COVID-19-Schutzimpfung zu dulden, ist hingegen nicht Gegenstand seines Antrags.

11 2. a) Der Antrag hat sich erledigt, nachdem der Antragsteller infolge der ihm durch das Bundesministerium der Verteidigung erteilten Zusicherung nicht mehr der Duldungspflicht unterliegt. Damit ist für ihn die mit dem Anfechtungsantrag bekämpfte beschwerende Regelung unabhängig davon weggefallen, dass die angefochtene Änderung der AR A1-840/8-4000 noch besteht. Denn der Antragsteller hat im vollen Umfang erreicht, was er mit seinem Antragsbegehren erstrebt hat (vgl. zum Erledigungseintritt im Zusammenhang mit einer Zusicherung BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2007 - 1 C 1.06 - juris Rn. 12), weil er eine COVID-Schutzimpfung nicht mehr dulden muss. Dass eine Duldungspflicht hypothetisch wiedereingeführt werden könnte, ändert an diesem Befund nichts.

12 Die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist auch für die Vergangenheit eingetreten. Die durch die Aufnahme der COVID-19-Impfung in die Liste der grundsätzlich verpflichtenden Basisimpfungen bewirkte Duldungspflicht gleicht als Daueranordnung einem Dauerverwaltungsakt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 2.22 - BVerwGE 176, 138 Rn. 29, 77), der sich fortlaufend für den jeweils abgelaufenen Zeitraum erledigt; das ist auch hier anzunehmen, weil die Duldungspflicht nicht mehr rückwirkend befolgt oder durchgesetzt werden kann und damit durch Zeitablauf gegenstandslos wird (vgl. zu einer als Dauerverwaltungsakt beurteilten glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 18).

13 b) Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die - wie hier - keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO, ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese Bestimmung verlangt zwar von dem jeweiligen Antragsteller nicht mehr die förmliche Stellung eines Feststellungsantrages. Dieser muss aber das Feststellungsinteresse substantiiert geltend machen (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 WB 42.09 -‌ NZWehrr 2010, 161 <161 f.> m. w. N.). Daran fehlt es hier.

14 Der Senat hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 28. August 2024 Gelegenheit gegeben, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob er mit Blick auf die vom Bundesministerium der Verteidigung gegebene Zusicherung eine verfahrensbeendende Erklärung abgeben wolle. Hierauf hat er nicht reagiert und auch keine Umstände dargelegt, aus denen sich hier ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 19 Abs.  1 Satz 3 WBO ergeben könnte. Ein derartiges Interesse ist auch sonst nicht ersichtlich. Eine Aufklärungspflicht hinsichtlich eines möglichen Feststellungsinteresses obliegt dem Senat nicht (siehe dazu BVerwG, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 WB 42.09 - NZWehrr 2010, 161 <162> m. w. N.).