Beschluss vom 28.06.2007 -
BVerwG 10 B 36.07ECLI:DE:BVerwG:2007:280607B10B36.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.06.2007 - 10 B 36.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:280607B10B36.07.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 36.07

  • OVG Rheinland-Pfalz - 14.08.2006 - AZ: OVG 10 A 11045/05.OVG

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Juni 2007
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. August 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers ist unbegründet.

2 1. Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
„ob die durch das am 01.01.2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz erfolgte Änderung des § 73 AsylVfG, also die Einfügung des Absatzes 2a, dazu führt, dass auch im vorliegenden Falle, also bei Asylwiderrufen, die nach dem 01.01.2005 erfolgt sind, eine Ermessensentscheidung hätte getroffen werden müssen“,

3 ist inzwischen durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2007 - BVerwG 1 C 21.06 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen) geklärt. § 73 Abs. 2a AsylVfG findet danach zwar grundsätzlich auch für den nach dem 1. Januar 2005 ausgesprochenen Widerruf von Anerkennungen, die vor diesem Zeitpunkt unanfechtbar geworden sind, Anwendung, allerdings mit der Maßgabe, dass die darin vorgesehene neue Drei-Jahres-Frist, nach deren Ablauf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) spätestens erstmals die Widerrufsvoraussetzungen prüfen muss, erst vom 1. Januar 2005 an zu laufen beginnt. Auch bei derartigen Alt-Anerkennungen kommt eine Ermessensentscheidung über den Widerruf, wie sie die Beschwerde verlangt, nach § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG erst in Betracht, wenn das Bundesamt in einem vorangegangenen Verfahren die Widerrufsvoraussetzungen sachlich geprüft und verneint hat (Negativentscheidung). Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung eine Ermessensentscheidung des Bundesamts im Falle des Klägers nicht für erforderlich gehalten. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage rechtfertigt daher zum jetzigen, für die Beschwerdeentscheidung insoweit maßgeblichen Zeitpunkt weder die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung noch wegen einer nachträglichen Divergenz.

4 2. Auch die weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die Beschwerde hält die Fragen für klärungsbedürftig,
„ob eine erhebliche und nicht nur vorübergehende Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse bereits dann vorliegt, wenn zwar ein Regimewechsel im Herkunftsland stattgefunden hat, dieser jedoch nicht zu einer stabilen Lage in Richtung einer Demokratisierung, sondern zu bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen geführt hat, die noch nicht einmal in Richtung einer Stabilisierung, sondern umgekehrt einer Verschärfung der Situation gehen“ und
„ob nicht dann ‚aus anderen Gründen erneute Verfolgung’ droht, wenn zum einen von Teilen der neuen Regierung gleichsam in Fortsetzung früherer Methoden Verfolgungen stattfinden bzw. in der neuen politischen Situation erneute Verfolgungen zumindest durch nichtstaatliche Akteure, und zwar wechselseitig in Bezug auf jedwede Bevölkerungs- und Religionsgruppe stattfinden“.

5 Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, die sich auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für das Revisionsgericht bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts in einem Revisionsverfahren stellen würden. So setzt sich die Beschwerde nicht damit auseinander, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für den Kläger - einen kurdischen Volkszugehörigen sunnitischen Glaubens - eine Wiederholung der für seine Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen nach der vollständigen Beseitigung des Regimes Saddam Husseins auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und ihm bei einer Rückkehr in den Irak dort nunmehr auch nicht aus anderen Gründen politische Verfolgung durch staatliche oder nichtsstaatliche Akteure droht (UA S. 19 f., 21 ff.). Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen gehen von einer anderen Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse im Irak aus und würden sich schon deshalb in einem Revisionsverfahren so nicht stellen. Abgesehen davon setzt sich die Beschwerde auch nicht mit der im Berufungsurteil in Bezug genommenen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere im Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 (vgl. ferner Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243) auseinander und zeigt folglich auch nicht auf, inwiefern das angestrebte Revisionsverfahren zu einer erneuten oder weiterreichenden Klärung einer rechtsgrundsätzlichen Frage führen soll. Mit ihren Ausführungen wendet sich die Beschwerde in erster Linie gegen die dem Tatsachengericht vorbehaltene Feststellung und Würdigung des Sachverhalts und dessen Gefahrenprognose sowie gegen die Subsumtion im vorliegenden Einzelfall. Damit lässt sich die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht erreichen.

6 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.