Beschluss vom 28.08.2024 -
BVerwG 2 AV 3.24ECLI:DE:BVerwG:2024:280824B2AV3.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.08.2024 - 2 AV 3.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:280824B2AV3.24.0]

Beschluss

BVerwG 2 AV 3.24

  • VG Berlin - 08.05.2024 - AZ: 5 K 59/24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. August 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Hissnauer
beschlossen:

Die Gesuche der Klägerin, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht ... sowie den Richter am Bundesverwaltungsgericht ... für befangen zu erklären, werden abgelehnt.

Gründe

1 Die Ablehnungsgesuche, über die gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 45 Abs. 1 ZPO der Senat ohne die Mitwirkung der abgelehnten Richter zu entscheiden hat, sind unbegründet.

2 Wegen Besorgnis der Befangenheit ist ein Richter an der Mitwirkung und Entscheidung eines Streitfalls gehindert, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich. Die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein, d. h. den möglichen Eindruck fehlender Unvoreingenommenheit und mangelnder Objektivität zu vermeiden. Maßgeblich ist, ob aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 2. Dezember 1992 - 2 BvF 2/90 u. a. - BVerfGE 88, 17 <22 f.> und vom 26. Februar 2014 - 1 BvR 471/10 u. a. - BVerfGE 135, 248 Rn. 24; BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 - 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <38 f.>; Beschlüsse vom 14. November 2012 - 2 KSt 1.11 - NVwZ 2013, 225 Rn. 4, vom 29. Januar 2014 - 7 C 13.13 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 16, vom 30. September 2015 - 2 AV 2.15 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 79 Rn. 7 und vom 29. Juni 2016 - 2 B 18.15 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 77 Rn. 37). Solche auf objektiven Gründen basierenden Zweifel können sich aus dem Verhalten des Richters innerhalb oder außerhalb des konkreten Rechtsstreits, aus einer besonderen Beziehung des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits oder den Prozessbeteiligten oder aus nahen persönlichen Beziehungen zwischen an derselben Sache beteiligten Richtern ergeben.

3 Aus dem Vorbringen der Klägerin im Verfahren ergibt sich aus Sicht eines verständigen Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände kein Anlass, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der von der Klägerin abgelehnten Richter zu zweifeln.

4 Insbesondere folgen solche Anhaltspunkte nicht aus dem Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht nur kurze Zeit nach dem Eingang des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin am 21. Mai 2024 in der Sache entschieden hat. Denn die Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Verwaltungsgericht Berlin und dem Verwaltungsgericht München nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO ist ein bloßes Zwischenverfahren, das möglichst rasch zu beenden ist. Zweck der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht ist es, im Interesse der Beteiligten und der Rechtssicherheit den Streit darüber, welches Gericht für die Sachentscheidung zuständig ist, möglichst schnell zu beenden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 1964 - Ib ARZ 44/64 - NJW 1964, 1416 f.).

5 Die Bezeichnung der Klägerin als "ehemalige Richterin" im Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 entspricht der Rechtslage im Anschluss an das Urteil des Dienstgerichts des Bundes vom 4. Mai 2023 (- RiSt 1/21 -) ungeachtet der gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobenen Verfassungsbeschwerde. Dementsprechend kann die Besorgnis der Befangenheit der von der Klägerin abgelehnten Richter aus Sicht eines verständigen Dritten nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht die Klägerin auf diese Weise bezeichnet hat.

6 Dass nicht sämtliche Details des Gegenstands der Dienstaufsichtsbeschwerde der Klägerin, deren Nichtbescheidung Gegenstand der vierten Untätigkeitsklage der Klägerin ist - hier das Ausbleiben von dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen durch das Bundesministerium der Justiz gegenüber Bediensteten des Bundesfinanzhofs in Bezug auf deren Verhalten gegenüber der Klägerin - in den Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 aufgeführt sind, begründet aus Sicht eines verständigen Beteiligten ebenfalls nicht die Besorgnis, die abgelehnten Richter seien gegenüber der Klägerin voreingenommen. Denn die Details der dem Verfahren zugrunde liegenden (Untätigkeits-)Klage sind für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO nicht von Bedeutung.

7 Das Entsprechende gilt für die Überlegungen der Klägerin zum zeitlichen Verhältnis der bereits beim Verwaltungsgericht München anhängigen drei Untätigkeitsklagen und den beim Richterdienstgericht des Bundes ursprünglich anhängigen Verfahren RiZ 2/16 und RiSt 1/21. Auch dieses Vorbringen der Klägerin ist für die dem Bundesverwaltungsgericht obliegende Entscheidung nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO nicht von Bedeutung, sodass das Fehlen eines entsprechenden Hinweises im Beschluss vom 11. Juni 2024 nicht die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter begründet.

8 Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte für Gespräche zwischen den von der Klägerin abgelehnten Richtern des Bundesverwaltungsgerichts und Richtern anderer Gerichte über die von der Klägerin anhängig gemachten Verfahren.