Beschluss vom 01.07.2009 -
BVerwG 3 B 26.09ECLI:DE:BVerwG:2009:010709B3B26.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.07.2009 - 3 B 26.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:010709B3B26.09.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 26.09

  • VG Chemnitz - 19.02.2009 - AZ: VG 4 K 245/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juli 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Prof. Dr. Dr. hc. Rennert
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 19. Februar 2009 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

1 Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Vermögenszuordnungsbescheides, mit dem die Restitutionsberechtigung der Beigeladenen hinsichtlich des zwischenzeitlich mehrfach geteilten und veräußerten Flurstücks 1131 der Gemarkung L. festgestellt, der Zuordnungsantrag der Klägerin abgelehnt und sie zugleich zur Auskehrung des Erlöses an die Beigeladene verpflichtet worden ist, und beansprucht die Feststellung, dass sie am 3. Oktober 1990 Eigentümerin des Flurstücks geworden sei. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil die maßgebliche Fläche an den zuordnungsrelevanten Stichtagen nicht für gemeindliche Verwaltungsaufgaben genutzt worden sei; darüber hinaus sei der Rückübertragungsanspruch der Beigeladenen zu Recht festgestellt worden, weil es sich um früheres Vermögen der Deutschen Reichsbahn gehandelt habe.

2 Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat Erfolg. Das angegriffene Urteil beruht auf der von der Klägerin nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verletzung ihres in Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO gewährleisteten Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

3 Die Klägerin beanstandet zu Recht, dass das Verwaltungsgericht ihren Vortrag zu dem mit der Beigeladenen vereinbarten Verzicht auf die Rückübertragung des Grundstücks nicht hinreichend zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen habe. Die Klägerin hatte vor dem Verwaltungsgericht unter Vorlage eines Schreibens der Reichsbahndirektion D. vom 5. Oktober 1992 geltend gemacht, dass die Beigeladene gegenüber dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen erklärt habe, aufgrund einer gütlichen Einigung mit ihr auf den Rückübertragungsanspruch zu ihren Gunsten verzichtet und den Restitutionsantrag zurückgezogen zu haben. Diese gütliche Einigung habe die Beklagte nicht nur unabhängig von der materiellen Rechtslage gemäß § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG umsetzen müssen, sie habe darüber hinaus berücksichtigen müssen, dass die Verzichtserklärung eine materielle Wirkung habe, die einen bestehenden Restitutionsanspruch der Beigeladenen zum Erlöschen gebracht habe.

4 Das Verwaltungsgericht hat sich mit diesem Vorbringen nur hinsichtlich der Frage auseinander gesetzt, ob der Verzicht - offenbar im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG - gegenüber der Vermögenszuordnungsbehörde hätte abgegeben werden müssen, auf den materiellen Aspekt des Vortrages der Klägerin, dass mit ihr vereinbarte Verzicht, unabhängig davon, welcher Behörde gegenüber oder in welchem Verfahren er mitgeteilt worden sei, als solcher anspruchsvernichtend wirke, ist es nicht eingegangen. Zwar ist ein Gericht nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 22, 267 <274>). Die wesentlichen der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen jedoch in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (BVerfGE 47, 182 <189>). Dazu gehörte hier der Vortrag, dass zwischen den Beteiligten ein Verzicht der Beigeladenen auf die Restitution zugunsten der Klägerin vereinbart worden sei und schon deshalb eine Rückübertragungsberechtigung der Beigeladenen, jedenfalls aber ein Anspruch auf Erlösauskehr, ausscheide.

5 Da nicht absehbar ist, ob sich die von der Klägerin neben ihrer Verfahrensrüge aufgeworfene Grundsatzfrage zu den Auswirkungen eines so erklärten Anspruchsverzichts auf die Zuordnungsentscheidung nach ihrer ordnungsgemäßen Anhörung noch oder jedenfalls noch in derselben Weise stellen wird, nimmt der Senat den geschehenen Verfahrensfehler zum Anlass, das angegriffene Urteil nach § 133 Abs. 6 VwGO aufzuheben und den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.