Beschluss vom 04.03.2019 -
BVerwG 4 BN 15.19ECLI:DE:BVerwG:2019:040319B4BN15.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.03.2019 - 4 BN 15.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:040319B4BN15.19.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 15.19

  • OVG Lüneburg - 04.12.2018 - AZ: OVG 4 KN 406/17

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. März 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Antragstellerin möchte bei sachdienlicher Auslegung ihrer Beschwerde in einem Revisionsverfahren klären lassen,
ob die Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag gegen die Änderung einer Landschaftsschutzverordnung vorliegt, in der private und grundrechtlich insbesondere durch Art. 14 GG geschützte Interessen eines Grundeigentümers nicht berücksichtigt worden sind.

3 Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

4 Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann einen Normenkontrollantrag jede Person stellen, die geltend macht, durch die zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung keine anderen Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Deshalb reicht es aus, wenn der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die zu prüfende Norm in einem subjektiven Recht verletzt wird (BVerwG, Urteile vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <217> und vom 30. April 2004 - 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165 S. 137; Beschluss vom 12. Januar 2016 - 4 BN 11.15 - ZfBR 2016, 263). Die Antragsbefugnis ist dagegen nicht gegeben, wenn eine Verletzung des subjektiven Rechts durch die Norm offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 - 9 CN 1.02 - BVerwGE 117, 209 <211>; Beschluss vom 10. Februar 2016 - 4 BN 37.15 - ZfBR 2016, 376 <377>).

5 a) Wenn eine Änderungsverordnung Eigentumsrechte des Antragstellers berührt, ist die Antragsbefugnis regelmäßig zu bejahen. Davon ist der Senat in seinem Urteil vom 11. Dezember 2003 - 4 CN 10.02 - (BVerwGE 119, 312 <314>) ausgegangen; das wird auch vom Oberverwaltungsgericht nicht in Abrede gestellt. Die Vorinstanz hat der Antragstellerin die Antragsbefugnis aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht aus grundsätzlichen Erwägungen, sondern deshalb abgesprochen, weil § 1 der II. Änderungsverordnung zur Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Calenberger Leinetal" in Eigentumsrechte der Antragstellerin offensichtlich und eindeutig nicht eingreife (UA S. 8). Die Antragstellerin hält diesen Befund zwar für unzutreffend. Mit einer Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aber nicht begründet werden.

6 b) Ist privates Eigentum nicht betroffen, rückt die Frage in den Blick, ob aus § 2 Abs. 3 BNatSchG ein subjektives Recht auf gerechte Abwägung betroffener privater Belange und aus dessen möglicher Verletzung die Antragsbefugnis folgt. Nach § 2 Abs. 3 BNatSchG sind die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu verwirklichen, soweit es im Einzelfall möglich, erforderlich und unter Abwägung aller sich aus § 1 Abs. 1 BNatSchG ergebenden Anforderung untereinander und gegen die sonstigen Anforderungen der Allgemeinheit an Natur und Landschaft angemessen ist. Die Antragstellerin hält die Frage des drittschützenden Charakters des § 2 Abs. 3 BNatSchG für grundsätzlich klärungsbedürftig, weil der Senat sie im Urteil vom 11. Dezember 2003 - 4 CN 10.02 - (BVerwGE 119, 312 <315>) als nicht abschließend geklärt bezeichnet hat.

7 Die Frage löst die Zulassung der Grundsatzrevision nicht aus, weil sie in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar die Auffassung vertreten, dass sich aus dem naturschutzrechtlichen Abwägungsgebot kein subjektives Recht auf gerechte Abwägung unter Berücksichtigung privater Belange ergebe (UA S. 10), seine Entscheidung aber zusätzlich und selbständig tragend ("Selbst wenn...") damit begründet, dass der Antragstellerin kein Anspruch auf gerechte Abwägung der von ihr geltend gemachten privaten Belange zustehe, weil ihre Befürchtungen schon objektivrechtlich nicht zum notwendigen Abwägungsmaterial gehört hätten (UA S. 11). Der kumulativen Begründung liegt ein rechtlicher Ansatz zugrunde, der vom Senat bereits gebilligt worden ist (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 4 CN 10.02 - BVerwGE 119, 312 <316>). Die Antragstellerin legt nicht dar, dass der Ansatz einer erneuten Prüfung und ggf. Korrektur bedürfte. Ihre These, Grundrechtspositionen, insbesondere privates Eigentum, müssten in der Abwägung berücksichtigt werden (so auch Meßerschmidt, Bundesnaturschutzrecht, Stand April 2010, § 2 BNatSchG Rn. 39), ist nicht geeignet, die Rechtsprechung des Senats zur Antragsbefugnis von Antragstellern zu erschüttern, deren Eigentum durch die angegriffene Norm nicht berührt wird. Gleiches gilt für den Rechtssatz, ein Grundstückseigentümer könne sich auf die Verletzung des Abwägungsgebots auch mit der Begründung berufen, öffentliche Belange seien nicht hinreichend beachtet worden (Meßerschmidt a.a.O. Rn. 40). Er ist, wie die in der Kommentierung in Bezug genommenen Senatsurteile vom 18. März 1983 - 4 C 80.79 - (BVerwGE 67, 74) und 21. März 1986 - 4 C 48.82 - (BVerwGE 74, 109) belegen, auf Grundstückseigentümer zugeschnitten, die von einer behördliche Maßnahme enteignend betroffen sind.

8 Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn - wie hier nicht - hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.

9 2. Die Revision ist auch nicht zuzulassen, wenn zu Gunsten der Antragstellerin davon ausgegangen wird, dass sie auch den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend machen will. Die Verwerfung des Normenkontrollantrags ist nicht verfahrensfehlerhaft.

10 Das Oberverwaltungsgericht hat die Antragsbefugnis verneint, weil die Antragstellerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in ihren Rechten verletzt sein könne (UA S. 8). Dabei hat es die Möglichkeit einer Rechtsverletzung der Klägerin aus materiellrechtlichen Gründen abgelehnt, indem es die Antragsbefugnis mit der in der Beschwerde kritisierten Begründung verneint hat, die behaupteten Gefahren für die kulturhistorische Bedeutung der Landschaft und den Hochwasserschutz beträfen ausschließlich öffentliche Belange und keine Belange der Antragstellerin (UA S. 10). Wird die Möglichkeit einer Rechtsverletzung aufgrund einer - unterstellt - fehlerhaften Beurteilung der materiellen Rechtslage ausgeschlossen, führt das nicht deshalb zu einem Verfahrensfehler, weil anstelle eines Sachurteils ein Prozessurteil ergangen ist (BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2006 - 7 B 56.06 - juris Rn. 3). Ein Verfahrensfehler liegt in Fällen dieser Art nur dann vor, wenn die prozessualen Anforderungen an die Möglichkeit einer Rechtsverletzung überspannt worden sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 1993 - 4 B 206.92 - Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 188 S. 40 und vom 23. Januar 1996 - 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1 S. 1). Dass das Oberverwaltungsgericht an die Geltendmachung der Verletzung in eigenen Rechten zu hohe Anforderungen gestellt hätte, behauptet die Antragstellerin nicht und ist auch nicht ersichtlich.

11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.