Beschluss vom 04.04.2022 -
BVerwG 6 B 23.21ECLI:DE:BVerwG:2022:040422B6B23.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.04.2022 - 6 B 23.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:040422B6B23.21.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 23.21

  • VG Darmstadt - 26.10.2016 - AZ: 3 K 2079/15.DA
  • VGH Kassel - 17.09.2021 - AZ: 8 A 736/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. April 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp und Hellmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. September 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger züchtet Hunde der Rasse Staffordshire-Bullterrier und verkauft die von ihm gezüchteten Welpen. Er geht davon aus, dass er für die Welpen zumindest bis zu einem Alter von acht Wochen keine vorläufige Erlaubnis als Halter gefährlicher (Listen-)Hunde nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 der hessischen Hundeverordnung benötigt. Demgemäß beantragte er für fünf Welpen aus Würfen vom Mai 2014, die er innerhalb der ersten acht Lebenswochen an neue Eigentümer abgegeben hatte, keine Erlaubnisse. Die Beklagte erließ deswegen am 4. Mai 2015 fünf Bußgeldbescheide gegen den Kläger. Sein dagegen gerichteter Einspruch hatte keinen Erfolg.

2 Mit seiner am 16. Dezember 2015 erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass er für die Haltung von Hundewelpen im Alter von bis zu acht Wochen keine vorläufige Erlaubnis benötige. Von ihnen gingen noch keine konkreten Gefahren aus, es handele sich daher ungeachtet der Zugehörigkeit zu einer als gefährlich geltenden Rasse nicht um gefährliche Hunde im Sinne der hessischen Hundeverordnung. Hilfsweise sei die Beklagte verpflichtet, einen Wurf in einem Bescheid zusammenzufassen, um mehrere Gebührenbescheide für jeden einzelnen Welpen zu verhindern. Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos.

3 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er ausschließlich den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend macht.

II

4 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit ihr aufgeworfenen und vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam erachteten Rechtsfragen, auf deren Prüfung der Senat aufgrund des Darlegungserfordernisses gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

5 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2016 - 6 B 35.16 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 425 Rn. 3 und vom 21. Dezember 2017 - 6 B 43.17 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 6 m.w.N.). Die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bzw. Bundesverfassungsrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht vermag die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur dann zu rechtfertigen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8 und vom 15. März 2021 - 6 BN 2.20 - juris Rn. 6).

6 Ausgehend hiervon führen die vom Kläger aufgeworfenen Fragen,
"ob Welpen einer Hunderasse, die in der Hundeverordnung gelistet ist, bis zu einem Lebensalter von 8 Wochen als gefährliche Hunde angesehen werden können",
"ob eine Behörde, hier die Beklagte, berechtigt ist, für jeden einzelnen Welpen der Rasse Staffordshire-Bullterrier bis zu einem Alter von 8 Wochen eine vorläufige Haltererlaubnis vom Kläger zu verlangen und für den Fall, dass die Frage bejaht wird, die erforderlichen Nachweise durch Gebührenbescheide für jeden einzelnen Welpen verlangt werden können mit entsprechender Kostenanforderung oder ob hierfür ein einzelner Bescheid mit einer entsprechend geringeren Kostenanforderung genügt",
"ob die Hundeverordnung einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und in Art. 12 Grundgesetz rechtfertigen kann, wenn er (gemeint wohl: der) Hundehalter einen nachweislich nicht gefährlichen Welpen in einem Alter von 8 Wochen hält und die Tiere anschließend abgibt",
"ob durch einen nachweislich nicht gefährlichen Hund bis zu einem Alter von 8 Wochen der Halter durch die Pflicht zur Beantragung einer vorläufigen Haltererlaubnis mit einem entsprechenden Gebührenbescheid für jeden einzelnen Welpen belastet werden kann",
"wie weit bei nachgewiesener Ungefährlichkeit ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und die Berufsausübungsfreiheit zulässig ist" bzw.
"inwieweit der Kläger bei der zuständigen Behörde eine Erlaubnis für das Halten von gefährlichen Hunden bis zu einem Alter von 8 Wochen gemäß § 1 der Hundeverordnung beantragen muss und inwieweit er die Voraussetzungen gemäß § 3 der Hundeverordnung erfüllen muss, um eine solche vorläufige Haltererlaubnis zu erhalten",
nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Diese Fragen betreffen irrevisibles Landesrecht und nicht Bundesrecht. Sie beziehen sich nicht auf das Verständnis der von der Beschwerde angeführten allgemeinen Handlungsfreiheit oder auf das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, sondern auf die Auslegung und Anwendung der landesrechtlichen Vorschriften durch das Berufungsgericht. Der Kläger erachtet eine im Lichte der genannten Grundrechte vorgenommene und vom Berufungsgericht abweichende Auslegung und Anwendung der § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden vom 22. Januar 2003 (GVBl. I S. 54), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 9. November 2021 (GVBl. I S. 737) für geboten, nach der Welpen bis zum Alter von acht Wochen von der gesetzlichen Vermutungsregel auszunehmen seien. In der Folge entfalle die Pflicht zur Beantragung einer vorläufigen Erlaubnis zum Halten dieser Welpen. Für eine solche Auslegung irrevisiblen Landesrechts ist das Bundesverwaltungsgericht nicht zuständig. Dass Inhalt und Reichweite der vom Kläger benannten Grundrechte klärungsbedürftig sind, macht die Beschwerde nicht geltend.

7 Eine grundsätzliche Bedeutung lässt sich entgegen der Ansicht der Beschwerde auch nicht damit begründen, dass die hunderechtlichen Regelungen in anderen Bundesländern - wie etwa der vom Kläger beispielhaft herangezogene § 3 Abs. 1 der baden-württembergischen Polizeiverordnung über das Halten gefährlicher Hunde - teilweise Vorschriften enthalten, die für die Erlaubnispflicht des Haltens gefährlicher Hunde an deren Alter anknüpfen. Auf die Rechtslage in anderen Bundesländern käme es im Revisionsverfahren nicht an. Im Übrigen sind unterschiedliche landesrechtliche Regelungen im Hunderecht Ausdruck des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland, in der den Bundesländern die Gesetzgebungskompetenz für das Polizei- und Ordnungsrecht zugewiesen ist. Dem Bundesverwaltungsgericht kommt nicht die Aufgabe zu, die verschiedenen landesrechtlichen Vorschriften im Sinne der Beschwerde rechtsgrundsätzlich zu vereinheitlichen.

8 Auch die weitere von der Beschwerde formulierte Frage,
"ob der Halter eines Welpen eines Listenhundes bei einem Alter von bis zu 8 Wochen mit einer Geldbuße belastet werden kann mit der Begründung, dass der 8 Wochen alte Welpe trotz nachgewiesener Ungefährlichkeit aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer gelisteten Rasse als gefährlich anzusehen sei und dass ein Verstoß gegen die Hundeverordnung ein entsprechendes Bußgeld begründen kann",
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil die gegenüber dem Kläger ergangenen Bußgeldbescheide nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind.

9 Soweit die Beschwerde darüber hinaus als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage bezeichnet,
"ob durch eine Verordnung in die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz und in die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Grundgesetz eingegriffen werden kann",
betrifft diese zwar die Auslegung von Bundesrecht, ist aber nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Bereits aus der Formulierung in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach die Berufsausübung "durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes" geregelt werden kann, ergibt sich, dass Beschränkungen der Berufsfreiheit grundsätzlich nicht nur durch formelle Gesetze, sondern auch durch Gesetze im materiellen Sinne - etwa Verordnungen - erfolgen können (vgl. hierzu bereits BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125 <156> m.w.N.). Für Art. 2 Abs. 1 GG folgt das Gleiche daraus, dass zur verfassungsmäßigen Ordnung, innerhalb derer die allgemeine Handlungsfreiheit gewährleistet ist, alle Rechtsnormen gehören, die formell und materiell im Einklang mit der verfassungsmäßigen Ordnung stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193 <206>). Ebenso ist durch das Bundesverfassungsgericht geklärt, dass der parlamentarische Gesetzgeber für die Grundrechtsverwirklichung wesentliche Fragen selbst regeln muss (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <311>). Wann eine solche Situation vorliegt, betrifft den jeweiligen Einzelfall und ist einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.