Verfahrensinformation



Gegenstand des Rechtsstreits ist der nördliche Abschnitt der Autobahn A 143, die westlich von Halle an der Saale eine Verbindung zwischen der A 38 und der A 14 herstellt.


Die Klägerin, ein Bergbauunternehmen, ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke, die für das Vorhaben benötigt werden. Bereits gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 hatte die Klägerin, ebenso wie mehrere andere, Klage erhoben. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Planfeststellungsbeschluss auf die Klage eines Naturschutzverbandes durch Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Das Verfahren der Klägerin wurde damals auf Antrag der Beteiligten zum Ruhen gebracht.


Nach Ergehen eines Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses der Planfeststellungsbehörde (Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt) vom 20. März 2018 wurde der hier vorliegende Rechtsstreit - als nunmehr einziges übrig gebliebenes Klageverfahren gegen die Westumfahrung Halle - fortgesetzt. Die Klägerin erhebt zahlreiche Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Planung, insbesondere in naturschutzrechtlicher und wasserrechtlicher Hinsicht.


Pressemitteilung Nr. 46/2019 vom 12.06.2019

Westumfahrung Halle: Bundesverwaltungsgericht weist Klage ab

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die letzte verbliebene Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss für die Westumfahrung Halle (Saale) abgewiesen.


Der rund 13 km lange Streckenabschnitt der Autobahn A 143 ist Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 13 (Göttingen-Halle). Er beginnt an der vorhandenen Anschlussstelle Halle-Neustadt und erstreckt sich bis zum geplanten Autobahndreieck Halle-Nord. Zusammen mit dem bereits fertig gestellten südlichen Abschnitt der A 143 soll die neue Trasse die beiden Autobahnen A 38 und A 14 verbinden und damit den Doppelautobahnring um Halle und Leipzig vervollständigen.


Die Klägerin hatte als betroffene Grundstückseigentümerin den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten aus dem Jahr 2005 vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten. Auf die parallel erhobene Klage eines Naturschutzverbandes hatte der Senat mit Urteil vom 17. Januar 2007 die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festgestellt. Im Hinblick auf dieses Urteil war der Rechtsstreit der Klägerin seinerzeit zum Ruhen gebracht worden. Im März 2018 erließ das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt einen Änderungs- und Ergänzungsbeschluss zu seinem damaligen Planfeststellungsbeschluss. Die Klägerin setzte das ruhende Gerichtsverfahren daraufhin fort; der Naturschutzverband rief das Gericht dagegen nicht mehr an.


Der Planfeststellungsbeschluss hielt in seiner geänderten Fassung nunmehr der Überprüfung stand. Aus der Sicht des Naturschutzrechts, auf das sich die Einwände der Klägerin in erster Linie stützten, ist v.a. die Betroffenheit des FFH-Gebietes „Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle“ kritisch. Dabei geht es neben der Zerschneidungswirkung der Autobahn v.a. um die von dem Verkehr ausgehenden Stickstoffdepositionen auf den Flächen prioritärer, d.h. europaweit besonders bedrohter Lebensraumtypen. Die Planfeststellungsbehörde hat die daraus resultierenden Konflikte aber fehlerfrei bewältigt. Bei der Untersuchung und Bewertung der Nährstoffeinträge durfte sich die Behörde auf den von einem Gremium fachkundiger Wissenschaftler erstellten Stickstoffleitfaden Straße stützen. Das darin festgelegte und plausibel begründete Abschneidekriterium für die vorhabenbedingte Zusatzbelastung mit Stickstoff von 0,3 kg je Hektar und Jahr wird hier unter Berücksichtigung verschiedener im Planfeststellungsbeschluss festgelegter Schadensbegrenzungsmaßnahmen nicht überschritten. In diesem Zusammenhang durfte auch die auf bestimmten Flächen vorgesehene Umwandlung von Acker- in Grünland wegen des damit verbundenen Verzichts auf Stickstoffeinträge durch Dünger berücksichtigt werden. Dem Argument der Klägerin, der Düngeverzicht sei aus Gründen des Habitatschutzes ohnehin erforderlich und dürfe deshalb nicht angerechnet werden, schloss sich das Bundesverwaltungsgericht unter den hier vorliegenden Umständen nicht an.


Auch im Übrigen führten die Einwände der Klägerin - soweit für die Inanspruchnahme ihres Grundstücks erheblich - auf keinen durchgreifenden Planungsfehler.


BVerwG 9 A 2.18 - Urteil vom 12. Juni 2019


Beschluss vom 05.07.2018 -
BVerwG 9 VR 1.18ECLI:DE:BVerwG:2018:050718B9VR1.18.0

Eilrechtsschutz bei Vorhaben des vordringlichen Bedarfs

Leitsatz:

Bei der Änderung eines fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses handelt es sich für sich genommen um keine später eintretende Tatsache, die die gesetzliche Frist (§ 17e Abs. 4 FStrG bzw. § 5 Abs. 2 VerkPBG) für einen Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erneut in Gang setzt. Ein Aussetzungsantrag kann grundsätzlich nur auf solche Regelungen des Planänderungsbeschlusses gestützt werden, die Rechte des Betroffenen erstmals oder weitergehend als ursprünglich berühren.

  • Rechtsquellen
    VerkPBG § 5 Abs. 2, § 11 Abs. 2
    FStrG § 17e Abs. 2 Satz 2, Abs. 4
    VwGO § 80 Abs. 5

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.07.2018 - 9 VR 1.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:050718B9VR1.18.0]

Beschluss

BVerwG 9 VR 1.18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Juli 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dieterich
beschlossen:

  1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 18. Mai 2005 in der Fassung des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 20. März 2018 anzuordnen, wird mit folgender Maßgabe abgelehnt: Änderungen des Bauablaufplans bis Mai 2019, die den Planvollzug betreffen und Außenwirkung haben, sind dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragstellerin, ein Bergbauunternehmen, ist in den Gemarkungen S., B. und L. Eigentümerin mehrerer Grundstücke, die zur Durchführung des im Tenor genannten Planfeststellungsbeschlusses benötigt werden. Gegen den ihr am 1. Juni 2005 zugestellten Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 18. Mai 2005 für den Neubau der Bundesautobahn A 143 (Westumfahrung Halle) hat die Antragstellerin Klage erhoben. Einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hat sie nicht gestellt. Der Senat hat den Planfeststellungsbeschluss auf die Klage eines anderen Klägers durch Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - (BVerwGE 128, 1) für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Das Klageverfahren der Antragstellerin wurde daraufhin auf Antrag der Beteiligten zum Ruhen gebracht.

2 Nach Ergehen des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 20. März 2018, der Antragstellerin zugestellt am 20. April 2018, hat der Antragsgegner das ruhende Klageverfahren wieder aufgerufen. Die Antragstellerin hat am 22. Mai 2018, dem Dienstag nach Pfingsten, beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 in der Fassung des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 20. März 2018 anzuordnen.

II

3 Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

4 1. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin vom 16. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2174, zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. August 2015, BGBl. I S. 1474 - Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz - VerkPBG -) kann ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss für ein Vorhaben im Anwendungsbereich des Gesetzes nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses gestellt werden. Diese Vorschrift findet hier über § 11 Abs. 2 Satz 2 VerkPBG noch Anwendung, weil für die Planung bereits vor dem Ablauf der Geltungsdauer des Gesetzes, dem 16. Dezember 2006, ein Linienbestimmungsverfahren stattgefunden hat, sodass die Planung als vor diesem Zeitpunkt begonnen gilt und nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen ist (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2016 - 9 A 1.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 239 Rn. 8). Eine mit § 5 Abs. 2 Satz 2 VerkPBG übereinstimmende Normierung für Vorhaben des vordringlichen Bedarfs enthält auch § 17e Abs. 2 Satz 2 FStrG.

5 Treten später Tatsachen ein, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen, so kann der durch den Planfeststellungsbeschluss Beschwerte einen hierauf gestützten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Frist von einem Monat stellen, wobei die Frist in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Beschwerte von den Tatsachen Kenntnis erlangt (§ 5 Abs. 2 Satz 3 und 4 VerkPBG, § 17e Abs. 4 FStrG).

6 Mit solchen später eintretenden Tatsachen sind indes nicht Umstände gemeint, die sich lediglich aus der nunmehr drohenden Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses ergeben. Denn der Gesetzgeber wollte zu einem frühen Zeitpunkt Rechtssicherheit darüber schaffen, ob mit der Realisierung des Bauwerks begonnen werden kann (BVerwG, Beschluss vom 20. April 2004 - 9 VR 7.04 - juris Rn. 4 unter Hinweis auf die Regierungsbegründung zu § 5 VerkPBG, BT-Drs. 12/1092 S. 10 f.). Der Betroffene muss sich mithin innerhalb der gesetzlichen Frist entscheiden, ob er vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Es steht ihm gerade nicht frei, mit dem Antrag zuzuwarten, bis das Vorhaben tatsächlich realisiert wird. Hiernach kann auch der Umstand als solcher, dass nachträglich ein Planänderungsbeschluss ergeht, keine später eintretende Tatsache im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 3 und 4 VerkPBG bzw. § 17e Abs. 4 FStrG darstellen (OVG Münster, Beschluss vom 16. August 2010 - 11 B 638/10.AK - NVwZ-RR 2010, 953 <954> zur wortgleichen Norm des § 43e Abs. 2 Satz 1 EnWG). Ein Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann dagegen auf solche Regelungen in einem Planänderungsbeschluss gestützt werden, die Rechte des Betroffenen erstmals oder weitergehend als ursprünglich berühren. Zwar verschmelzen im Falle einer nachträglichen Planänderung der ursprüngliche Beschluss und seine Modifikationen zu einer einheitlichen Planungsentscheidung (BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 - 9 A 31.07 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 15 Rn. 23). Davon unberührt bleibt jedoch die nach Fristablauf für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO eingetretene Rechtssicherheit. Die vom Gesetzgeber bezweckte Beschleunigung würde ins Leere laufen, wenn anlässlich des Ergehens eines Planänderungsbeschlusses der bereits zuvor vorhandene Regelungsbestand wieder zur Disposition im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gestellt werden könnte.

7 Auch das nach Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses vom 18. Mai 2005 in Kraft getretene Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz stellt vorliegend keine neue Tatsache dar, die die Möglichkeit zum uneingeschränkten Vortrag im Anordnungsverfahren wieder eröffnet. Abgesehen von der Prüfung der Kausalität eines Verfahrensfehlers hat das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz die prozessuale Position eines Enteignungsbetroffenen - wie hier der Antragstellerin - nicht verändert. Bereits zuvor konnte sich ein durch die enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses Betroffener grundsätzlich auch auf die fehlerhafte Anwendung objektiven Rechts - etwa des Umweltrechts - oder die fehlerhafte Abwägung öffentlicher Belange stützen, außer wenn auch die fehlerfreie Beachtung dieser Belange nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich seines Grundstücks führen würde (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2016 - 9 A 4.15 - Buchholz 407.4 § 17a FStrG Nr. 12 Rn. 50). Daran hat sich nichts geändert.

8 Gemäß § 4 Abs. 1a UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG ist ein Verfahrensfehler seit Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​712]) allerdings nur noch dann unbeachtlich, wenn das Gericht anhand der Akten und Planunterlagen sowie der sonst erkennbaren oder nahe liegenden Umstände zu der Feststellung in der Lage ist, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 43 und vom 15. Februar 2018 - 9 C 1.17 - juris Rn. 36 <zur Veröffentlichung vorgesehen>). Der von der Antragstellerin vorliegend gerügte Verfahrensfehler einer unterbliebenen Erörterung betrifft jedoch den nach Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ergangenen Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 20. März 2018 und nicht den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss, so dass es auf das Vorliegen später eintretender Tatsachen nicht ankommt. Im Übrigen liegt der Verfahrensfehler, wie unten auszuführen ist, nicht vor.

9 Dahinstehen kann, ob die Beschränkung späteren vorläufigen Rechtsschutzes auch dann greifen würde, wenn ein Kläger im Hauptsacheverfahren für sich die Feststellung der Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses erreicht hätte. Denn der im Urteil des Senats vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - (BVerwGE 128, 1) durch einen anderen Kläger erstrittene Ausspruch wirkt jedenfalls nur zwischen den Beteiligten jenes Rechtsstreits; im Verhältnis zur Antragstellerin erweist er sich demgegenüber als bloßer Rechtsreflex (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 9 VR 6.12 - Buchholz 407.4 § 17e FStrG Nr. 14 Rn. 10).

10 2. Ausgehend von diesen Grundsätzen überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Vollzugsinteresse, dem bereits durch den gesetzlich angeordneten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ein erhebliches Gewicht zukommt (BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2005 - 4 VR 1005.04 - BVerwGE 123, 241 <244 f.> und vom 6. März 2014 - 9 VR 1.14 - juris Rn. 7), das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Soweit die Antragstellerin einen Verfahrensfehler im Planergänzungsverfahren geltend macht, beruht die Interessenabwägung darauf, dass dieser Fehler schon bei summarischer Prüfung erkennbar nicht vorliegt (a); in materieller Hinsicht stützt sich die Bewertung der gegenläufigen Interessen auf eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der oben genannten Fristbestimmung (b).

11 a) Die Antragstellerin macht geltend, der Antragsgegner habe zu Unrecht im Rahmen der "Planänderung zur 4. Änderung" auf einen Erörterungstermin verzichtet. In dieser Verfahrensweise liegt offensichtlich kein Rechtsfehler. Nach § 17d FStrG gilt für die Planänderung und das ergänzende Verfahren § 76 VwVfG mit der Maßgabe, dass auch im Falle einer Planänderung mit Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 76 Abs. 1 VwVfG) von einer Erörterung abgesehen werden kann. Soll ein bereits einmal ausgelegter Plan geändert werden, kann gemäß § 17a Nr. 2 FStrG in Verbindung mit § 73 Abs. 8 VwVfG im Regelfall von der Erörterung abgesehen werden.

12 Vorliegend hatte die Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Planergänzungsverfahrens aufgrund des Senatsurteils vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - die neu vorgelegten und anschließend noch geänderten Planunterlagen in vier Etappen ausgelegt und die ausgelegten Planunterlagen jeweils erörtert (siehe Darstellung im Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 20. März 2018, S. 86 ff.). Lediglich bei den dann noch im Januar 2017 vorgelegten Planunterlagen hat die Planfeststellungsbehörde entschieden, auf eine Erörterung dieser in der Zeit vom 20. März 2017 bis zum 19. April 2017 ausgelegten Unterlagen zu verzichten, weil eine weitergehende Aufklärung oder Befriedung nicht zu erwarten sei (a.a.O., S. 90).

13 Diese Ermessensausübung erscheint ohne weiteres beanstandungsfrei. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war die Durchführung einer weiteren Erörterung nicht deshalb geboten, weil die Planfeststellungsbehörde ihr Ermessen durch die Durchführung des Erörterungstermins vom 27. bis 29. September 2016 gebunden habe, obwohl zum damaligen Zeitpunkt der wasserrechtliche Fachbeitrag mangels Vorliegens noch nicht habe erörtert werden können. In diesem Erörterungstermin (s. dazu Änderungs- und Ergänzungsbeschluss, S. 90) sollten die im März 2016 vorgelegten Planunterlagen erörtert werden; der Zweck dieser Erörterung bestand also nicht darin, den noch ausstehenden wasserrechtlichen Fachbeitrag zu behandeln. Der wasserrechtliche Fachbeitrag wurde nach seiner Fertigstellung ausgelegt (Änderungs- und Ergänzungsbeschluss, S. 89), und die Öffentlichkeit - auch die Antragstellerin - hatte Gelegenheit, Einwendungen zu erheben.

14 b) In materieller Hinsicht beschränkt sich der Senat auf eine Abwägung der Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin angeordnet wird, diese dann aber keinen Erfolg hat, mit den Folgen einer Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes, falls die Klage später erfolgreich ist. Dabei kann sich die Abwägung auf diejenigen Maßnahmen konzentrieren, die nach dem Bauablaufplan des Antragsgegners schon vor dem vom Senat für das Klageverfahren in Aussicht gestellten Verhandlungstermin (Mai 2019) durchgeführt werden sollen. Falls sich die Hauptsacheentscheidung des Senats über das erste Halbjahr 2019 hinaus verzögern sollte, läge darin eine Änderung der für die Interessenabwägung maßgeblichen Umstände. Das gleiche würde gelten, falls der Antragsgegner weitere oder andere als die dem Senat nach Maßgabe des Bauablaufplans mitgeteilten Maßnahmen vor dem beabsichtigten Verhandlungstermin durchführen wollte. Im letztgenannten Fall ist der Antragsgegner verpflichtet, dem Gericht die beabsichtigte Änderung unverzüglich mitzuteilen. Diese Verpflichtung bezieht sich auf Maßnahmen, die den Planvollzug betreffen und Außenwirkung haben. Darunter fallen insbesondere nicht die Erstellung und Bearbeitung von Entwürfen, die Ausführungsplanung sowie die Vorbereitung von Verträgen. Die so eingegrenzte Verpflichtung berücksichtigt die Befugnis des Gerichts, den vorliegenden Beschluss gegebenenfalls von Amts wegen oder auf Antrag zu ändern (§ 80 Abs. 7 VwGO).

15 Im Ergebnis fällt die Abwägung zu Gunsten des Antragsgegners aus:

16 aa) Soweit die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Flurstücks ... für dessen Inanspruchnahme als späterer Standort eines Brückenpfeilers und zeitlich vorlaufend für Erkundungsbohrungen und Pfahlprobebelastungen in der Lage des späteren Brückenwiderlagers sowie ggf. für archäologische Untersuchungen und eine Kampfmittelsondierung begehrt wird, ist das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin dadurch gemindert, dass sie gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss nicht innerhalb der Frist des § 5 Abs. 2 Satz 2 VerkPBG um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht hat. Die damit einhergehende Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes im Planänderungsverfahren umfasst auch die von der Antragstellerin erneut geltend gemachten Auswirkungen der Trassenführung auf die Entwicklungsmöglichkeiten und Existenzgefährdung ihres Unternehmens, auf ihr Freilager im Betriebsgelände sowie auf die Verbindung zum Werk M. über eine Suspensionsleitung. Hiervon abgesehen wurden die Auswirkungen schon im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 (dort S. 118) und erneut im Planänderungsbeschluss vom 20. März 2018 (dort S. 746 f.) abgewogen.

17 Die Monatsfrist für den Aussetzungsantrag, über die auch in der Rechtsbehelfsbelehrung des Planfeststellungsbeschlusses vom 18. Mai 2005 belehrt worden war, ist seit langem abgelaufen. Durch die Planänderung vom 20. März 2018 werden Rechte der Antragstellerin im soeben dargestellten Umfang nicht erstmals oder weitergehend berührt. Die Trassenführung im Bereich des Flurstücks ... ist durch den Planänderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 20. März 2018 nicht verändert worden. Die marginalen Veränderungen in der Grundstücksinanspruchnahme (dauerhafter Erwerb von 4 307 m² statt vorher 4 154 m², entsprechend verringerte vorübergehende Inanspruchnahme), die dadurch zustande kommen, dass nunmehr westlich des Lärmschutztunnels eine dauerhafte Böschung zwischen der Oberkante des Tunnels und dem anstehenden Gelände vorgesehen ist, sind derart unwesentlich, dass sie zu keiner anderen Bewertung führen. Im Übrigen enthielt auch bereits der Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 als Nebenbestimmung (Teil A, Kapitel VI.7, PFB S. 21, 37) die Ermächtigung und Verpflichtung zu archäologischen Untersuchungen.

18 Die im Klageverfahren geltend gemachte Befürchtung der Antragstellerin, die Böschung ihres Betriebsgeländes nebst der aufstehenden Brückenpfeiler würde bei Eingriffen in die Kaolinablagerungen instabil und diese Problematik verschärfe sich bei Hochwasser, betrifft erst die Errichtung des Brückenbauwerks selbst und nicht die im Zeitraum bis zum voraussichtlichen Verhandlungstermin der Hauptsache beabsichtigten Maßnahmen. Soweit die Antragstellerin ihre Befürchtung im Schriftsatz vom 4. Juli 2018 auch auf die Pfahlprobebelastung bezieht, bleibt dies spekulativ. Es ist nicht nachvollziehbar, dass derartige nach der Darstellung der Antragstellerin erst langfristig wirkenden Gefahren sich bereits im Rahmen jener Vorbereitungsarbeiten realisieren könnten.

19 Soweit die Antragstellerin behauptet, auf ihrem Betriebsgrundstück seien seit dem Jahr 2012 Weißstörche vorhanden, ist ihr einzuräumen, dass sie mit diesem Einwand die Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses vom 18. Mai 2005 nicht angreifen konnte. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses ist der Zeitpunkt seines Ergehens. Später eintretende Umstände können seine Rechtmäßigkeit grundsätzlich nicht berühren. Die enteignungsbetroffene Antragstellerin kann daher Verstöße gegen artenschutzrechtliche Vorschriften (hier: Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG hinsichtlich der gemäß Anlage 1 zu § 1 Satz 2 BArtSchV streng geschützten Art Weißstorch), die kausal für die Inanspruchnahme ihres Grundstücks sind, grundsätzlich dem Planänderungsbeschluss vom 20. März 2018 entgegenhalten.

20 Ihre Behauptung, im Jahre 2013 habe ein Weißstorch auf dem Schornstein ihres Stammsitzes gebrütet, bleibt jedoch unsubstantiiert und gibt bereits keinen Anlass, die Richtigkeit der sachverständig gestützten und nachvollziehbar begründeten Annahme im Planänderungsbeschluss (S. 571), es habe sich hierbei lediglich um Rastvögel gehandelt, in Zweifel zu ziehen. Überdies sind für die Jahre 2014 bis 2017 keine Belege auch nur für das Auftreten eines Weißstorchs auf dem Betriebsgelände der Antragstellerin, geschweige denn für einen Brutplatz, vorhanden. Zuletzt im November 2016 hat eine erfolglose Suche nach verbliebenem Nestmaterial auf dem Schornstein stattgefunden. Da der Weißstorch nesttreu ist (s. Wikipedia-Eintrag "Weißstorch"), kann eine "Rückkehr" auf den Schornstein daher nicht in Betracht gezogen werden. Ein Verstoß des Planfeststellungsbeschlusses gegen das Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG erscheint so bereits fernliegend. Es kommt noch hinzu, dass etwa brütende Weißstörche durch den für September 2018 vorgesehenen Beginn der Bohrarbeiten nicht gestört werden könnten; denn die Brutzeit des Weißstorchs endet bereits Anfang August (s. Wikipedia-Eintrag "Weißstorch"). Danach sind der Antragstellerin die Folgen der genannten Vollzugsmaßnahme eher zuzumuten als umgekehrt dem Antragsgegner deren Aussetzung.

21 Mit der Annahme, dass die Antragstellerin die Erkundungsbohrungen und Pfahlprobebelastungen auf ihrem Betriebsgrundstück Flurstück ... nicht mehr im Wege des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung angreifen kann, setzt sich der Senat auch nicht in Widerspruch zu seiner Bewertung in dem Verfahren betreffend Vorarbeiten im Sinne des § 16a FStrG auf diesem Grundstück (BVerwG, Beschluss vom 17. August 2017 - 9 VR 2.17 - UPR 2017, 525). Dort ist ausgeführt (Rn. 15), Überwiegendes spreche dafür, dass diese Eingriffe das Maß dessen überschritten, was einem Grundstückseigentümer auf der Grundlage des § 16a FStrG zuzumuten sei und deshalb wohl erst ein zu Lasten der Antragstellerin vollziehbarer Planfeststellungsbeschluss eine tragfähige Grundlage für die Pflicht zur Duldung dieser Bauarbeiten bilden könne. Dies betraf die Rechtsgrundlage für einen Eingriff in Rechtspositionen des Grundeigentümers; davon zu trennen ist die Frage nach der zeitlichen Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes.

22 bb) Hinsichtlich der Heranziehung von in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken für CEF-Maßnahmen zum Schutz der Zauneidechse (Flurstück ...) hat der Antragsgegner vorgetragen, dass die Herrichtung der Maßnahmeflächen im Wesentlichen aus einer "Entbuschung" bestehe, also keine besondere Belastung darstelle. Des Weiteren hat er dargelegt, dass ein Zeitverlust von einem ganzen Jahr eintritt und dass ferner mit Baukostensteigerungen zu rechnen ist, wenn mit jenen Maßnahmen nicht bereits vor der Entscheidung des Senats in der Hauptsache begonnen werden kann. Würde insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, hätte diese später aber keinen Erfolg, würden der gewichtige Zeitverlust und die vom Antragsgegner geltend gemachte erhebliche Steigerung der Baukosten schwerwiegende Nachteile darstellen. Demgegenüber hat die Antragstellerin keine bei der Folgenabwägung erheblich ins Gewicht fallenden Umstände vorgetragen; die für sie eintretenden Nachteile im Falle der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes sind somit von geringerem Gewicht.

23 cc) Zu den Untersuchungen zum Altbergbau auf ihrem Flurstück ... macht die Antragstellerin geltend, sie sei insoweit bereits vor einer Hauptsacheentscheidung durch Bohrungen und auch Schachtverwahrungen nebst der Verfüllung von unterirdischen Strecken erheblich betroffen. Aus Nr. 63 des vom Antragsgegner vorgelegten Bauablaufplans ergibt sich indes, dass die Umsetzung der "Sanierung Altbergbau" erst ab September 2019 und damit nach der voraussichtlichen Hauptsacheentscheidung vorgesehen ist. Lediglich die "Erstellung Baugrundaufschlüsse und Gutachten im Bereich Altbergbaugebiet", die "Vorbereitung und Vergabe Ingenieurvertrag" und die "Erstellung Ausführungsplanung" zum Altbergbau sind ab Juli 2018 vorgesehen (Bauablaufplan Nr. 14, 33 f.). Dass sich hierdurch erhebliche Beeinträchtigungen für die Antragstellerin ergeben könnten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

24 dd) Die Antragstellerin macht schließlich Verstöße des Planänderungs- und Ergänzungsbeschlusses gegen wasserrechtliche Vorschriften geltend. Der Antragsgegner weist hierzu zutreffend darauf hin, dass die Frage, ob die Antragstellerin die geltend gemachten Verstöße gegen wasserrechtliche Vorschriften rügen kann, als derzeit offen anzusehen ist. Auch insoweit ergibt die Folgenabwägung nach den oben benannten Maßstäben, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin gegenüber dem Interesse am Beginn des Planvollzugs in diesem Zeitraum zurückstehen muss. Bei dieser Folgenabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Senat voraussichtlich noch im ersten Halbjahr 2019 eine Entscheidung im Verfahren der Hauptsache treffen kann, bis zu diesem Zeitpunkt nach dem vom Antragsgegner vorgelegten Bauablaufplan noch keine Straßenbaumaßnahmen vorgesehen sind und erst recht die von der Antragstellerin befürchtete betriebsbedingte Beeinträchtigung der Oberflächengewässer und der Grundwasserqualität durch Eintrag von Tausalz sowie von Tensiden und Frostschutzmittel aus Scheibenwaschanlagen noch nicht stattfinden wird.

25 ee) An der beabsichtigten Ausschreibung von Planungs- und Bauleistungen auf eigenes Risiko ist der Antragsgegner nicht gehindert, weil derartige verwaltungsinterne Vorbereitungsmaßnahmen mangels baulicher oder sonstiger faktischer Außenwirkung keine Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses darstellen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2017 - 9 VR 2.16 - juris Rn. 34).

26 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Dabei legt der Senat für das vorliegende Eilverfahren die Hälfte des im Hauptsacheverfahren festzusetzenden Streitwertes zugrunde (s. Streitwertkatalog Nr. 34.2.2).

Beschluss vom 11.09.2018 -
BVerwG 9 A 2.18ECLI:DE:BVerwG:2018:110918B9A2.18.0

Besorgnis der Befangenheit

Leitsatz:

Durch einen Vortrag und schriftliche Ausarbeitungen, die die Rechtslage und die dazu ergangene Rechtsprechung auf einem bestimmten Fachgebiet wiedergeben, setzt sich ein Richter grundsätzlich auch dann nicht der Besorgnis der Befangenheit aus, wenn die Tätigkeit im Rahmen einer internen behördlichen Fortbildungsveranstaltung erbracht wird.

  • Rechtsquellen
    ZPO § 42 Abs. 2
    VwGO § 54

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.09.2018 - 9 A 2.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:110918B9A2.18.0]

Beschluss

BVerwG 9 A 2.18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. September 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Martini
beschlossen:

Das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 23. Juli 2018 gegen die Richterin am Bundesverwaltungsgericht ... wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Die Klägerin hatte als Eigentümerin betroffener Grundstücke den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 18. Mai 2005 für den Neubau der Westumfahrung Halle vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten. In dem parallel geführten Klageverfahren eines Naturschutzverbandes hatte der Senat mit Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - (BVerwGE 128, 1) die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festgestellt. Im Hinblick auf dieses Urteil wurde der Rechtsstreit der Klägerin auf Antrag beider Beteiligter durch Beschluss vom 4. Juni 2007 zum Ruhen gebracht.

2 Richterin am Bundesverwaltungsgericht ... hielt neben zwei anderen Referenten am 27. Oktober 2016 anlässlich einer Fortbildungsveranstaltung des Beklagten in dessen Räumlichkeiten unentgeltlich einen Vortrag, den sie inhaltsgleich bereits zuvor im Rahmen eines Innovationsforums des Bundesverkehrsministeriums gehalten hatte. Gegenstand des Vortrages waren allgemeine Fragen des Planfeststellungsrechts. Zudem überreichte sie den Teilnehmern zwei vorhandene schriftliche Ausarbeitungen über "Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gebiets- und Vogelschutz sowie zum Artenschutz" und über "Stolperfallen in Planfeststellungsbeschlüssen".

3 Am 20. März 2018 erließ der Beklagte einen Änderungs- und Ergänzungsbeschluss zu seinem Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005. Die Klägerin bat daraufhin um Fortführung des gerichtlichen Verfahrens. Im Hinblick auf die geschilderte Vortragstätigkeit lehnte sie Richterin am Bundesverwaltungsgericht ... wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

II

4 Der Ablehnungsantrag hat keinen Erfolg.

5 Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Voraussetzung ist nicht, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt eines Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Kriterium für die Unparteilichkeit des Richters ist die Gleichbehandlung der Parteien. Der Ablehnung setzt er sich aus, wenn er, ohne Stütze im Verfahrensrecht, die Äquidistanz zu den Parteien aufgibt, insbesondere sich zum Berater einer Seite macht (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2003 - V ZB 22/03 - BGHZ 156, 269 <270>). Eine rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09 - BVerfGK 15, 111 <114>; BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 - 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <38 f.> und Beschluss vom 10. Oktober 2017 - 9 A 16.16 - NVwZ 2018, 181 Rn. 2, jeweils m.w.N.).

6 Bei Anwendung dieses Maßstabs ist die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterin nicht begründet. Die Klägerin stützt ihre Besorgnis namentlich auf den "bösen Schein" eines besonderen Näheverhältnisses der Richterin zum Beklagten. Obgleich die Tätigkeit einer Richterin als Referentin generell unbedenklich sei, entstünden solche Bedenken, wenn während eines anhängigen Klageverfahrens in den Räumlichkeiten der Gegenseite unter Ausschluss anderer Interessenten eine Vortragstätigkeit ohne Entgelt erbracht werde; dies führe unweigerlich zu dem Schluss, dass sie "dem Beklagten mehr als nur wohlgesonnen" sei. Bei objektiver Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles überzeugen diese Schlussfolgerungen nicht.

7 Soweit die Klägerin auf ein Verhalten der Richterin während des anhängigen Klageverfahrens abstellt, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass der Rechtsstreit auf Antrag beider Beteiligten zum Ruhen gebracht worden war. Die Ruhensanordnung hatte einen umfassenden Verfahrensstillstand bewirkt, der über neun Jahre vor der beanstandeten Vortragstätigkeit begonnen hatte und dessen Ende in dem fraglichen Zeitpunkt nicht absehbar war. Hinzu tritt die Besonderheit, dass die Ruhensanordnung seinerzeit im Hinblick auf das Urteil des Senats vom 17. Januar 2007 in dem Parallelverfahren des klagenden Naturschutzverbandes ergangen war, mit welchem der Senat wegen - heilbarer - Mängel die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des auch von der Klägerin angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses festgestellt hatte (vgl. jetzt § 75 Abs. 1a VwVfG). Dies gab der Planfeststellungsbehörde, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, die Gelegenheit, die vom Gericht identifizierten Fehler in einem auf deren Korrektur beschränkten ergänzenden Verfahren zu beheben (s. nur BVerwG, Beschluss vom 20. März 2018 - 9 B 43.16 - juris Rn. 65). Daraus folgt hier, dass der Beklagte aufgrund jenes Urteils konkret-verfahrensbezogen über eingehende Hinweise verfügte, falls er beabsichtigte, die ihm bei der ursprünglichen Planfeststellung unterlaufenen Fehler zu korrigieren. Im Hinblick darauf war auch von vornherein absehbar, dass dem ruhenden Klageverfahren erst nach Erlass des Planänderungsbeschlusses, in dessen Gestalt der Planfeststellungsbeschluss fortan den Gegenstand der Klage bilden würde, Fortgang gegeben werden sollte. Die Annahme, gerade die erwähnte Vortragstätigkeit der Richterin habe zielgerichtet eine Fehlerheilung durch den Beklagten initiiert und von daher die Besorgnis einer ungleichen Distanz zu den Beteiligten begründet (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 - 9 A 16.16 - NVwZ 2018, 181 Rn. 9), liegt schon wegen dieser Besonderheit des Verfahrensablaufs fern.

8 Unter den genannten Gesichtspunkten gleicht der vorliegende Fall eher der Konstellation, in der das beanstandete richterliche Verhalten noch vor Erlass des maßgeblichen Verwaltungsaktes stattfindet. Allgemein kann die Besorgnis einer Befangenheit begründet sein, wenn der Richter eine der Parteien außerhalb des Prozesses rechtlich beraten, etwa ein privates Gutachten für sie erstellt hat (Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 42 Rn. 6; Stackmann, in: Münchner Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 42 Rn. 19). Für den Verwaltungsprozess gilt die Sonderregelung des § 54 Abs. 2 VwGO; danach ist ein Richter ausgeschlossen, der bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. Im Interesse des Vertrauens in die Unparteilichkeit der Gerichte genügt jede Mitwirkung, auch beratender Art, an dem konkreten Verwaltungsverfahren, das zum Erlass der gerichtlich zu überprüfenden Entscheidung geführt hat, um den Ausschlusstatbestand zu erfüllen (BFH, Urteil vom 25. April 1978 - VII R 7/78 - BFHE 125, 33 = juris Rn. 8, Beschluss vom 12. Juni 2012 - I B 148/11 - juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2018 - 1 WB 13.17 - juris Rn. 7 f.).

9 Von einer derart einseitigen Interessenwahrnehmung zugunsten einer Partei sind aber Fachvorträge und schriftliche Ausarbeitungen zu unterscheiden, die die Rechtslage darstellen und einen Überblick über die einschlägige Rechtsprechung geben. Nimmt ein Richter als Referent zu allgemein bedeutsamen Rechtsfragen Stellung, und sei es vor einem beschränkten Zuhörerkreis, ist das allein kein Grund, seiner Unparteilichkeit zu misstrauen (BFH, Beschluss vom 22. Oktober 1997 - XI B 51/97 - juris Rn. 7; SG Cottbus, Beschluss vom 23. März 2016 - S 30 SF 380/16 AB - juris Rn. 10 ff.). So liegt es insbesondere dann, wenn ein Verwaltungsrichter vor Mitarbeitern einer Behörde in allgemeiner Form die zu einem bestimmten Sachgebiet ergangene Rechtsprechung zusammenfasst und erläutert. Da die Behörden an Gesetz und Recht gebunden sind (Art. 20 Abs. 3 GG), besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, dass deren Bedienstete nicht nur die Gesetze, sondern auch die dazu ergangene, insbesondere höchstrichterliche, Rechtsprechung kennen. Solche Kenntnisse zu vermitteln, sind Verwaltungsrichter besonders geeignet. Dass das Referat "einen Überblick über etwaige bis dato dem Seminarteilnehmer unbekannte höchstrichterliche Entscheidungen (gibt), welche sich sodann einprägen", ist daher entgegen der Ansicht der Klägerin nicht kritikwürdig, sondern liegt offensichtlich im wohlverstandenen Interesse aller, auch und gerade der mit dem künftigen Verwaltungshandeln konfrontierten Bürger.

10 Zusätzliche Umstände, die über die bloße Referententätigkeit der Richterin hinaus die Besorgnis ihrer Befangenheit rechtfertigen könnten, sind hier nicht vorhanden. Den Umstand, dass sie auf ein Vortragshonorar verzichtete, hat sie schlüssig mit ihrem eigenen wissenschaftlichen Interesse an den beiden anderen Vorträgen der Fortbildungsveranstaltung sowie damit erklärt, dass sie ihren eigenen Vortrag zuvor bereits bei anderer Gelegenheit inhaltsgleich gehalten hatte. Aus dem Honorarverzicht zu schließen, zwischen ihr und dem Beklagten bestehe ein besorgnisbegründendes Näheverhältnis, ist vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.

11 Zwar trifft es zu, dass Außenstehende bei einer Fortbildungsveranstaltung vor beschränktem Teilnehmerkreis niemals mit letzter Sicherheit ausschließen können, dass ein als Referent auftretender Richter die Grenze zu einer seine Unparteilichkeit beeinträchtigenden Beratungstätigkeit pflichtwidrig überschreiten könnte. Ein gesteigertes individuelles Misstrauen ohne greifbare Anhaltspunkte kann aber - hier wie auch sonst - die Besorgnis der Befangenheit nicht, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des "bösen Scheins", rechtfertigen. Nach der dienstlichen Äußerung der Richterin hat das Thema "Westumfahrung Halle" bei ihrem Vortrag keine Rolle gespielt; in Ermangelung jeglicher gegenteiliger Indizien muss es dabei sein Bewenden haben. Dass im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen "oftmals Fragen ohne konkreten Bezug formuliert", aber "seitens der Teilnehmer gestellt werden, um aktuell auftretende Probleme zu beheben", mag zwar zutreffen, ist aber wenig aussagekräftig. Denn auch bei einer öffentlichen Fortbildungsveranstaltung, wie sie die Klägerin ausdrücklich gutheißt, ist das von ihr beschriebene Verhalten möglich und sogar naheliegend. Der Umstand, dass einzelne Veranstaltungsteilnehmer aus den Antworten auf allgemein gehaltene Fragen einen Nutzen für die Bearbeitung konkreter Fälle ziehen wollen, macht aus einer Vortragsveranstaltung keine einseitige, zielgerichtete Beratungstätigkeit.

12 Schließlich kann auch der Umstand, dass die Richterin ihre beiden den Veranstaltungsteilnehmern überreichten schriftlichen Ausarbeitungen in ihrer dienstlichen Äußerung - nach Ansicht der Klägerin unzutreffend - als "leitsatzmäßige Zusammenstellung der Rechtsprechung" und ausdrücklich nicht als "Schulungs- oder Fortbildungsmaterial" bezeichnet hat, die Besorgnis der Befangenheit nicht stützen. Gemeint war ersichtlich nicht, dass sich die Papiere auf eine bloße Sammlung der amtlichen Leitsätze der referierten Urteile beschränkt hätten. Vielmehr sollte erkennbar ausgedrückt werden, dass die entscheidungstragenden Obersätze systematisch zusammengestellt waren, wobei weder vertieft auf fallspezifische Einzelprobleme eingegangen noch das Material unter didaktischen Gesichtspunkten besonders aufbereitet worden wäre.

13 Vermögen somit die einzelnen, von der Klägerin benannten Gesichtspunkte eine Besorgnis der Befangenheit offenkundig nicht zu begründen, so besteht nach der Überzeugung des Senats auch in der Gesamtschau aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln, dass die Richterin bei der Entscheidung des anhängigen Rechtsstreits allen Beteiligten gegenüber unbefangen sein wird.

Urteil vom 12.06.2019 -
BVerwG 9 A 2.18ECLI:DE:BVerwG:2019:120619U9A2.18.0

Planfeststellung Straßenrecht (Westumfahrung Halle)

Leitsätze:

1. Macht ein Betroffener im Planfeststellungsverfahren geltend, in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet zu sein, so muss er die maßgeblichen Umstände, soweit es ihm ohne Preisgabe schutzwürdiger Daten zumutbar ist, so umfassend darstellen, dass der Planfeststellungsbehörde eine Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens auf die betriebliche Existenz möglich ist.

2. Bei dem Stickstoffleitfaden Straße (Ausgabe 2019) handelt es sich um eine Fachkonvention, die den aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisstand widerspiegelt; dies umfasst das Konzept der Critical Loads, die Anwendung des Handbuchs für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA), das Konzept gradueller Funktionsbeeinträchtigung mit Umrechnung in Flächenanteile und die Anwendung eines vorhabenbedingten Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a.

3. Die Umwandlung von Ackerflächen in Grünland kann als Vermeidungsmaßnahme auf die Stickstoffbilanz angerechnet werden, wenn ihre Wirksamkeit hinsichtlich des Umfangs und des zeitlichen Eintritts sichergestellt ist.

4. Welche Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen unabhängig von einem Vorhaben durchzuführen und daher nicht als Schadensbegrenzungsmaßnahmen anzurechnen sind, ergibt sich grundsätzlich aus dem Bewirtschaftungsplan gemäß § 32 Abs. 5 BNatSchG. Lässt der Plan keine offenkundigen Fehleinschätzungen oder Versäumnisse erkennen, dürfen Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde darauf vertrauen, dass die zuständigen Behörden ihre Entscheidungsspielräume rechtmäßig ausgeübt haben und ihren habitatschutzrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen sind.

  • Rechtsquellen
    VerkPBG § 5 Abs. 1, § 11
    FStrG § 4, § 17d Abs. 1
    UmwRG § 5
    UVPG § 74 Abs. 2
    UVPG a.F. § 6, § 9 Abs. 1 Satz 4
    VwVfG § 73 Abs. 8
    VwGO § 98
    ZPO § 412 Abs. 1
    FFH-RL Art. 6 Abs. 3, Abs. 4
    BNatSchG § 34 Abs. 3

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 12.06.2019 - 9 A 2.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:120619U9A2.18.0]

Urteil

BVerwG 9 A 2.18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Dieterich
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
am 12. Juni 2019 für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Die Klage richtet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 18. Mai 2005 in der Fassung des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 20. März 2018 für das Vorhaben Neubau der BAB 143 - Westumfahrung Halle (Saale), Verkehrseinheit 4224, Anschlussstelle Halle-Neustadt (B 80) bis Autobahndreieck Halle Nord (A 14).

2 Der planfestgestellte Streckenabschnitt mit einer Länge von 12,72 km ist Teil des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 13 "A 38 Göttingen-Halle; A 143 Westumfahrung Halle" und im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vierstreifiger Neubau mit der Dringlichkeitsstufe "laufend und fest disponiert" aufgeführt. Er gehört zudem zum Gesamtnetz des transeuropäischen Verkehrsnetzes. Die geplante Trasse beginnt nördlich der Anschlussstelle Halle-Neustadt in Höhe Bennstedt, verläuft in nördlicher Richtung zwischen zwei Teilgebieten des FFH-Gebiets "Muschelkalkhänge westlich Halle", quert die L 159 bei Salzmünde, führt sodann über die Saale, verläuft durch das FFH-Gebiet "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" und endet am Autobahndreieck Halle-Nord. Zusammen mit dem südlichen Abschnitt der A 143 (Halle-Süd bis Halle-Neustadt), der bereits seit Oktober 2004 unter Verkehr ist, soll sie die beiden Bundesautobahnen A 38 und A 14 verbinden, den Autobahnring um Halle schließen und den Doppelautobahnring um Halle und Leipzig ("Mitteldeutsche Schleife") vervollständigen.

3 Die Planung hat das Ziel, das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit zur vollen Verkehrswirksamkeit zu führen und den großräumigen verkehrlichen Netzschluss in Richtung Magdeburg/Berlin herzustellen. Die überörtlichen Verkehrsströme im Raum Halle/Leipzig sollen möglichst gleichmäßig verteilt werden. Zudem soll die Stadt Halle von Verkehr entlastet und im Westen besser an das Fernstraßennetz angebunden werden. Darüber hinaus erwartet der Beklagte positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region und eine Reduzierung der Schadstoff- und Lärmbelastung in der Innenstadt von Halle.

4 Die Linienbestimmung erfolgte im Jahr 1999, das Planfeststellungsverfahren wurde im Frühjahr 2003 eingeleitet. Die Klägerin - ein Bergbauunternehmen, dessen als Außenlager vorgesehene Freifläche für die Trasse in Anspruch genommen werden soll - beteiligte sich am Verfahren, erhob "Widerspruch" und verwies auf ihr Grundstück sowie Verbundleitungen zwischen ihren Werken in M. und S.

5 Mit Beschluss des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 18. Mai 2005 (PFB 2005) wurde das Vorhaben planfestgestellt. Dagegen hat die Klägerin am 1. Juli 2005 Klage erhoben und insbesondere geltend gemacht, sie sei auf das Außenlager angewiesen. Der Senat hat den Planfeststellungsbeschluss auf die Klage des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) hin mit Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - (BVerwGE 128, 1) für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt; das Klageverfahren der Klägerin ist daraufhin auf Antrag der Beteiligten zum Ruhen gebracht worden.

6 Zur Behebung der vom Senat festgestellten Mängel führte der Beklagte ein ergänzendes Verfahren durch. Die zu vier Änderungs- und Ergänzungsverfahren eingereichten Unterlagen wurden jeweils ausgelegt und erörtert. Die nachfolgend zur Änderung der vierten Änderung und Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vorgelegten Unterlagen - darunter der erstmals erstellte wasserrechtliche Fachbeitrag - wurden ausgelegt, ein weiterer Erörterungstermin fand jedoch nicht statt.

7 Am 20. März 2018 erging der Änderungs- und Ergänzungsbeschluss zum Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 (PFB 2018), der der Klägerin am 20. April 2018 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2018 hat sie das ruhend gestellte Klageverfahren wieder aufgerufen. Sie rügt Verfahrensfehler und inhaltliche Mängel des Planfeststellungsbeschlusses: Das Verfahren sei fehlerhaft gewesen, weil die letzte Planänderung nicht mehr erörtert worden sei und sich der Planfeststellungsbeschluss auf eine Unterlage stütze, die nicht ausgelegt worden sei. Ihre individuellen Belange hinsichtlich der Inanspruchnahme der Außenlagerfläche und der Suspensionsleitung seien nicht hinreichend berücksichtigt worden; sie sei in ihrer betrieblichen Existenz gefährdet. Bei der Planung und Abwägung seien die Gefahr eines Abrutschens der Böschung nicht berücksichtigt und das erhöhte Erdbebenrisiko in der Region nicht erkannt und behandelt worden. Das Vorhaben verstoße zudem gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot sowie die Klimaschutzziele der Bundesregierung und der Europäischen Union. Auch den Vorgaben des Gebietsschutzes werde nicht entsprochen. Hinsichtlich des FFH-Gebiets "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" würden die Beeinträchtigung durch Stickstoffeinträge und die Barriere- und Zerschneidungswirkung der Autobahn verkannt, auch die Abweichungsentscheidung sei fehlerhaft. Die Verkehrsprognose des Vorhabenträgers sei nicht belastbar, die A 143 sei aus verkehrsplanerischer Sicht nicht notwendig. Hinsichtlich weiterer FFH-Gebiete werde die erhebliche vorhabenbedingte Gefährdung von zwei Fledermausarten verkannt. Zudem werde ein Vorkommen von Weißstörchen zu Unrecht verneint. Schließlich bestünden Abwägungsfehler.

8 Die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der Bundesautobahn A 143 Westumfahrung Halle (Saale) vom 18. Mai 2005 in der Fassung des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 20. März 2018 und der Protokollerklärungen in der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2019 aufzuheben,
hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf.

9 Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

10 Er verteidigt den Planfeststellungsbeschluss und tritt dem Vorbringen der Klägerin im Einzelnen entgegen.

II

11 Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 11 des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin (Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz) vom 16. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2174), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474), erstinstanzlich entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin kann die Aufhebung oder die hilfsweise beantragte Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses weder wegen formeller Fehler (A) noch aus materiellen Gründen (B) beanspruchen.

12 A. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an den von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehlern.

13 1. Der Beklagte war nicht gehalten, nach Durchführung von Erörterungsterminen zu den vier Änderungs- und Ergänzungsverfahren anschließend auch die ausgelegten Unterlagen zur Planänderung der vierten Änderung in einem weiteren Termin zu erörtern (so schon Beschluss des Senats vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - NVwZ 2018, 1653 Rn. 11 ff).

14 2. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte darüberhinaus nicht verpflichtet, das "Abwägungspapier zu Auswirkungen des HBEFA 3.3 auf die Konsistenz der Planänderungs- und Ergänzungsunterlagen BAB 143" vom 9. Februar 2018 auszulegen. Denn die darin festgehaltenen Überlegungen und Berechnungen ergänzen lediglich die zum Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung gemachten Untersuchungen, beschränken sich auf die grundsätzlich bereits bekannten Betroffenheiten und lassen das Gesamtkonzept der Planung unberührt.

15 Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss stützt sich im Grundsatz auf das Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfungen mit Stand März 2016 und Januar 2017, die ihrerseits unter anderem das Handbuch Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) in der damals aktuellen Fassung 3.2 zugrunde legen. Nachdem im April 2017 eine aktualisierte Version des Handbuchs als Quick-Update 3.3 erschienen war, nahm der Vorhabenträger auf deren Grundlage eine Neuberechnung der betriebsbedingten Verbrauchs- und Emissionswerte der A 143 vor, die er in dem genannten "Abwägungspapier" festhielt und erläuterte (s. dazu PFB 2018 S. 340 ff.). Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass die projektbedingten Zusatzeinträge für alle betroffenen Lebensraumtypen des FFH-Gebiets "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" deutlich höher lägen als bei der Berechnung mit HBEFA 3.2 und zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines prioritären Lebensraumtyps (LRT) führten, diese Beeinträchtigungen jedoch durch eine zusätzliche befristete Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 bzw. 80 km/h so weit gemindert werden könnten, dass Umfang und Intensität der Auswirkungen der bisherigen FFH-Verträglichkeitsprognose im Wesentlichen erreicht würden. Diese Überlegungen hat sich die Planfeststellungsbehörde zu eigen gemacht und die zusätzliche befristete Geschwindigkeitsbegrenzung verfügt. Auf eine Anhörung etwaiger Betroffener wurde verzichtet, weil lediglich eine vom NABU bereits geäußerte Kritik aufgegriffen werde und sich für Betroffene aus der Anordnung lediglich Vorteile ergeben könnten (PFB 2018 S. 360). Dieses Vorgehen ist nicht verfahrensfehlerhaft.

16 Eine Verpflichtung zur Beteiligung der Klägerin ergibt sich nicht aus § 73 Abs. 8 VwVfG. Zwar führt das "Abwägungspapier" zu einer Änderung des ausgelegten Plans. Die Belange der Klägerin werden dadurch aber nicht erstmals oder stärker berührt. Dass der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf volle Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses zusteht, ist insoweit unerheblich, weil Grundlage dieses Anspruchs der Schutz ihres Eigentums ist und dieser Belang von der Neuberechnung der Stickstoffdeposition nicht betroffen ist.

17 Die fehlende Auslegung verstößt auch nicht gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG in der hier gemäß § 74 Abs. 2 UVPG anwendbaren, bis zum 15. Mai 2017 geltenden Fassung (UVPG a.F.). Danach kann, wenn der Träger des Vorhabens die nach § 6 UVPG a.F. erforderlichen Unterlagen im Laufe des Verfahrens ändert, von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit abgesehen werden, soweit - wie vorliegend - keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu besorgen sind.

18 Die im "Abwägungspapier" vorgenommene Neuberechnung beinhaltet eine aktualisierte Prüfung der bereits bekannten und im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung mehrfach thematisierten Frage der Beeinträchtigung der relevanten Lebensraumtypen durch verkehrsbedingte Stickstoffeinträge, beruht auf einer unveränderten methodischen Herangehensweise und führt lediglich zu Veränderungen in Detailfragen, ohne dass sich im Ergebnis die Gesamtbeurteilung der stickstoffbedingten Beeinträchtigungen ändert. Die Planung der Trasse selbst bleibt unberührt und auch das Konzept der Schadensbegrenzungs- und -vermeidungsmaßnahmen wird lediglich insoweit modifiziert, als die bereits geplanten Geschwindigkeitsbegrenzungen für einen befristeten Zeitraum um eine weitere Beschränkung ergänzt werden.

19 Die neue Unterlage betrifft damit eine Modifizierung des habitatschutzrechtlichen Fachbeitrages, die in Systematik und Ermittlungstiefe an die vorhandene Untersuchung anknüpft und sich auf Detailänderungen und eine vertiefte Prüfung der Betroffenheiten beschränkt, ohne das Gesamtkonzept der Planung zu ändern oder zu grundlegend anderen Beurteilungsergebnissen zu gelangen; in dieser Fallkonstellation ist eine neue Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 33 und 108). Die intensive Befassung der Öffentlichkeit, namentlich der Naturschutzverbände, mit der Thematik während der vorangegangenen Beteiligungsverfahren und die dabei erhobenen Einwendungen haben im Übrigen die Neuberechnung im Rahmen des "Abwägungspapiers" gerade mit veranlasst. Dem Informations- und Rechtsschutzinteresse der Öffentlichkeit wurde damit hinreichend Rechnung getragen, wie auch ein weiterer Erkenntnisgewinn bei einer erneuten Anhörung nicht zu erwarten war, sodass der Schutzzweck der Öffentlichkeitsbeteiligung erfüllt ist.

20 3. Die Umweltverträglichkeitsprüfung war nicht deshalb mangelhaft, weil Aspekte des Klimawandels und globaler Klimaschutzziele keine Berücksichtigung gefunden haben. Maßgebend für das Planfeststellungsverfahren war hier - wie ausgeführt - das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der bis zum 15. Mai 2017 geltenden Fassung, so dass die aktuelle Regelung, nach der auch das Makroklima zum Gegenstand der Prüfung gehört (vgl. Anlage 4 Nr. 4 Buchst. b) und Buchst. c) Doppelbuchst. gg) UVPG), keine Anwendung findet. Im Rahmen der hier maßgeblichen Vorgängerfassung ist der Begriff des Klimas in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG a.F. eng im Sinne des standortbezogenen lokalen Klimas zu verstehen (Appold, in: Hoppe u.a., UVPG/UmwRG, 5. Aufl. 2018, § 2 UVPG Rn. 53). Auch europarechtlich ist eine großräumigere Betrachtung des Klimas für den vergangenen Zeitraum nicht geboten (vgl. im Einzelnen BVerwG, Beschluss vom 27. November 2018 - 9 A 10.17 - juris Rn. 35 f.).

21 B. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen materiellen Fehler des Planfeststellungsbeschlusses berufen.

22 1. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ist gegeben. Sie folgt aus der gesetzlichen Bedarfsfeststellung. Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 13 war als "A 82 Göttingen-Halle (Anschluss als A 14 und A 9)" im Bundesverkehrswegeplan 1992 aufgeführt, der Inhalt des Bedarfsplans des Fernstraßenausbaugesetzes vom 15. November 1993 wurde (s. näher BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 23). Im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist der planfestgestellte Autobahnabschnitt in der Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG in der Fassung vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3354) unter der lfd. Nr. 1199 als vierstreifiger Neubau mit der Dringlichkeitsstufe "laufend und fest disponiert" aufgeführt. Die gesetzliche Bedarfsfeststellung ist für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich und schließt grundsätzlich die Nachprüfung aus, ob für die geplante Autobahn ein Verkehrsbedarf vorhanden ist. Dass der Gesetzgeber durch die Fortschreibung der Bedarfsplanung und das Festhalten an der seit 1992 verfolgten Konzeption die Grenzen seines stark politisch geprägten Ermessens überschritten haben könnte (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 43 und vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 Rn. 54), ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht geltend gemacht. Ihre zur Abweichungsprüfung erhobene Rüge, die Bedarfsermittlung für die A 143 beruhe nicht auf einer methodisch korrekten Prognosemethode, weil sie die Prognoseunsicherheiten nicht offenlege und auch nicht alternative Szenarien darlege, so dass die Planrechtfertigung unzureichend sei, nimmt Bezug auf Entscheidungen zu Bedarfsprognosen für Verkehrsflughäfen und auf Vorschriften zur Netzbedarfsplanung, die vorliegend nicht einschlägig sind.

23 2. Das Vorhaben verletzt keine individuellen Belange der Klägerin.

24 a) Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht deshalb fehlerhaft, weil der Beklagte eine ernsthafte Gefährdung der betrieblichen Existenz der Klägerin verkannt hätte.

25 Macht ein von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses (§ 19 Abs. 1 und 2 FStrG) Betroffener geltend, durch das Vorhaben werde sein Betrieb in seiner Existenz gefährdet oder gar vernichtet, gehört dieser Einwand zu den Belangen, mit denen sich die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange (§ 17 Satz 2 FStrG) grundsätzlich auseinandersetzen muss. Zeichnet sich eine solche Gefährdung ernsthaft ab, darf die Planfeststellungsbehörde nicht die Augen vor der Tragweite ihrer Entscheidung verschließen; andernfalls kann sie sich grundsätzlich damit begnügen, den Eigentümer auf das nachfolgende Enteignungsverfahren zu verweisen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2010 - 9 A 13.08 - BVerwGE 136, 332 Rn. 26 und Hinweisbeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl. 2018, 1426 Rn. 66). Der Beklagte hat sich hier mit der Inanspruchnahme des Betriebsgeländes der Klägerin in Salzmünde sowie der möglichen Umverlegung ihrer Verbundleitung befasst und hinreichende Anhaltspunkte für eine Existenzgefährdung verneint (PFB 2018 S. 746 f.). Dies ist nicht zu beanstanden.

26 aa) Das als Außenlagerfläche bezeichnete Flurstück ... Flur 3 der Gemarkung S. mit einer Größe von ca. 11 400 m² liegt am südlichen Ufer der Saale im Bereich der geplanten Saaleüberquerung und soll von der Trasse ungefähr mittig durchschnitten werden, wobei ca. 4 500 m² Fläche erworben und weitere 1 000 m² vorübergehend in Anspruch genommen werden sollen. Die Klägerin macht insoweit geltend, sie benötige diese Fläche zu Lagerungszwecken; ohne das Außenlager an ihrem Stammsitz sei die Existenz ihres Unternehmens ernsthaft bedroht. Damit ist eine Existenzgefährdung nicht substantiiert dargetan.

27 Bereits der Umstand, dass die Freifläche über Jahre hinweg nicht genutzt worden ist, spricht gegen deren Betriebsnotwendigkeit. Die eingereichten Fotos von einem Ortstermin im März 2004 zeigen eine ungenutzte Brachfläche; auch nach der Beschreibung im Verkehrswertgutachten vom 12. Mai 2004 besteht der von der Trasse beanspruchte Grundstücksbereich im Wesentlichen aus einer seit Jahren nicht genutzten und verwilderten Lagerfläche. Das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte aktualisierte Verkehrswertgutachten, dem Besichtigungen im Oktober und Dezember 2018 zugrunde liegen, bestätigt diesen Befund. Danach wurden seit der letzten Begutachtung keine aktiven Grundstücksnutzungen vorgenommen. Vor diesem Hintergrund genügt der pauschale Vortrag der Klägerin nicht, sie sei auf eine Außenlagerfläche am Betriebsstandort S. mit einer Kapazität von mindestens 10 000 t angewiesen und (nur) aufgrund des inzwischen seit fast zwanzig Jahren schwebenden Planungsverfahrens daran gehindert gewesen, in den Standort zu investieren. Zur näheren Erläuterung hat sie sich im Wesentlichen auf die Angabe beschränkt, sie habe in den letzten Jahren Anfragen für Aufträge bis zu 50 000 Jahrestonnen Schlämmkaolin erhalten, von denen sie habe Abstand nehmen müssen, weil sie die erforderlichen Kapazitätserweiterungen nicht habe vornehmen können; nähere Informationen zu ihrer Geschäftslage hat sie dem Beklagten nicht vorgelegt. Soweit sie sich im Planfeststellungsverfahren darauf berufen hat, im Hinblick auf die besondere Rohstoffmischung und -reinheit der von ihr verarbeiteten Kaoline unterlägen ihre betriebswirtschaftlichen Daten einem ganz erheblichen Geheimhaltungsinteresse, und deshalb die Durchführung eines "in-camera"-Verfahrens analog § 99 Abs. 2 VwGO vorgeschlagen hat, besteht für ein solches Vorgehen hier kein Raum. Das "in-camera"-Verfahren ist ein gerichtliches Zwischenverfahren zur Vorlage von Behördenakten in einem Gerichtsverfahren und auf Unterlagen eines privaten Gewerbetreibenden in einem Verwaltungsverfahren nicht anwendbar. Die Klägerin, die sich auf ihre spezielle betriebliche Situation beruft, muss vielmehr die Umstände, die sie im Planfeststellungsverfahren berücksichtigt wissen will, der Planfeststellungsbehörde zur Kenntnis bringen. Sie ist dabei zwar nicht verpflichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren, und hat die Möglichkeit, entsprechende Details zurückzuhalten oder zu "schwärzen". Sie muss aber, soweit ihr das ohne Preisgabe schutzwürdiger Daten möglich und zumutbar ist, die betrieblichen und geschäftlichen Umstände, auf die sie die Geltendmachung einer Existenzgefährdung stützt, so ausführlich darstellen, dass der Planfeststellungsbehörde eine Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens auf die betriebliche Existenz des Unternehmens möglich ist (vgl. zu einer vergleichbaren Situation bei immissionsrechtlichen Genehmigungsverfahren etwa § 10 Abs. 2 BImSchG). Das ist hier nicht erfolgt, weshalb der Beklagte hinreichende Anhaltspunkte für eine Existenzgefährdung verneinen und von weiteren Aufklärungsmaßnahmen absehen durfte.

28 Im Übrigen hat der Beklagte den Planänderungsbeschluss vom 20. März 2018 in der mündlichen Verhandlung um eine Nebenbestimmung ergänzt, wonach dem Vorhabenträger die Einholung eines Existenzgefährdungsgutachtens bezüglich der Klägerin aufgegeben und der Planfeststellungsbeschluss im Falle der Feststellung einer solchen Gefährdung um die Anordnung der Entschädigung dem Grunde nach ergänzt wird. Damit hat der Beklagte der Klägerin eine weitere Möglichkeit zum Nachweis ihrer Existenzgefährdung eingeräumt und zugleich klargestellt, dass er auch in diesem Fall an dem Vorhaben festhalten und die Klägerin entschädigen werde. Damit wird den gewerblichen Belangen der Klägerin hinreichend Rechnung getragen (vgl. zu einer vergleichbaren Fallkonstellation BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 7.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 240 Rn. 17).

29 bb) Auch die mögliche Betroffenheit der Klägerin im Hinblick auf die unterirdische, in ihrem genauen Verlauf ungeklärte Rohstoffsuspensionsleitung ist vom Beklagten zutreffend erkannt, bewertet und im angefochtenen Beschluss berücksichtigt worden. Der Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 enthält im Abschnitt A VI. 8 die Nebenbestimmung Nr. 8.4, wonach zur Sicherung der benannten Verbundleitungen zwischen dem Werk M. und dem Werk S. vor dem Bau der Vorlandbrücke eine Abstimmung zum Verlauf und gegebenenfalls zur Verlegung zwischen dem Vorhabenträger und dem Eigentümer erforderlich ist. Diese Nebenbestimmung ist entgegen der Auffassung der Klägerin durch den Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 20. März 2018 nicht entfallen, auch wenn dieser eine vergleichbare Bestimmung nicht (erneut) explizit formuliert. Soweit im Abschnitt über Nebenbestimmungen ausgeführt wird (PFB 2018 S. 63), die im Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 unter A VI. enthaltenen Nebenbestimmungen würden "wie folgt bestätigt, ergänzt oder geändert", ist dies nicht im Sinne einer abschließenden Neufassung zu verstehen. Durch den Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 20. März 2018 ist der Planfeststellungsbeschluss nur erweitert und modifiziert, nicht aber in Teilen (isoliert) aufgehoben worden; vielmehr wird der ursprüngliche Plan - in der Gestalt, die er durch die Änderungen und Ergänzungen erfahren hat - ausdrücklich aufrechterhalten (PFB 2018 S. 34). Der Beschluss vom 20. März 2018 nimmt im Übrigen zweimal explizit auf die Nebenbestimmung Nr. 8.4 Bezug (S. 746, 747), so dass am Willen des Beklagten, an dieser Bestimmung festzuhalten, kein Zweifel besteht. Die Suspensionsleitung wird darüber hinaus in den planfestgestellten Unterlagen zeichnerisch dargestellt (Lageplan Planfeststellungsunterlage - PU-7 Blatt-Nr. 6D, Leitungsplan PU 9 Blatt-Nr. 6D) und im Bauwerksverzeichnis berücksichtigt (PU 10.1 lfd. Nr. 446), wobei hier ausdrücklich bestimmt ist, dass die Kaolinleitung vor Baubeginn mit Suchschlitzen zu orten und bei Bedarf auf Kosten der Bundesrepublik Deutschland umzuverlegen ist. Damit wurde dem betrieblichen Interesse der Klägerin an der Leitung hinreichend Rechnung getragen.

30 b) Soweit die Klägerin geltend macht, die Gefahr eines Abrutschens der Böschung sei bei der Planung und Abwägung nicht berücksichtigt worden, sind auch diese Bedenken unbegründet. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass auf ihrem Betriebsgelände in der Vergangenheit Kaolinsande und Kaolinreste verkippt worden seien, was zu einer hohen Verdichtung des Bodens geführt habe mit der Folge, dass sich das Wasser hinter den Kaolinablagerungen staue und die Gefahr bestehe, dass die gesamte Böschung auf ihrem Grundstück nebst den aufstehenden Brückenpfeilern durch den hydraulischen Wasserdruck in die Saale geschoben werde. Für diese Befürchtung gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.

31 Der von der Klägerin zitierten Passage des wasserrechtlichen Fachbeitrages lässt sich ein solcher Zusammenhang zwischen hydraulischem Druck, Brückenpfeilern und Böschungsbereich nicht entnehmen. Vielmehr wird darin lediglich allgemein die Bodenverdichtung durch die Trasse und das Anlegen von Entwässerungsgräben zur Vermeidung von lokalen Vernässungen angesprochen ohne lokalen Bezug zum Bereich der Saalequerung. Im Absatz davor wird zwar die Baumaßnahme "Saalequerung" thematisiert, dazu jedoch lediglich ausgeführt, es könnten Lücken im Untergrund durch die Gründung und Fundamente der Brückenpfeiler entstehen; nach Abschluss der Bauarbeiten sei jedoch vorgesehen, dass die Baugruben wieder mit dem Bodenaushub verfüllt würden, um den vorherigen Zustand wiederherzustellen und Vernässungen in diesen Abschnitten zu vermeiden. Auch das von der Klägerin vorgelegte Schreiben von Prof. Dr. S. vom 5. Februar 2019 enthält lediglich abstrakte Aussagen zur allgemeinen Gefahr von Instabilitäten und Rutschungen bei Störungen der Böschungsverhältnisse, verweist jedoch darauf, dass für eine tiefgreifende Bewertung hydrogeologische Angaben und Baugrundangaben notwendig wären.

32 Der wasserrechtliche Fachbeitrag enthält im Zusammenhang mit der Identifizierung der betroffenen Oberflächen- und Grundwasserkörper Analysen der hydrologischen und hydrogeologischen Verhältnisse, befasst sich ausführlich mit der Konstruktion des Brückenbauwerks über die Saale und nimmt auch auf das Baugrundgutachten Saalequerung aus dem Jahr 2005 Bezug. Dass dabei maßgebliche Gesichtspunkte übersehen worden sein könnten, ist nicht ersichtlich. Im Rahmen der Baugrunduntersuchungen am Saaleufer im Jahr 2004 sind auch auf dem Grundstück der Klägerin Bohrungen durchgeführt worden, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf das Bautagebuch und Vorlage einer entsprechenden Karte belegt hat. Damit ist ein Ermittlungsdefizit in Bezug auf das klägerische Grundstück ausgeschlossen.

33 3. Der Planfeststellungsbeschluss genügt den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung (§ 4 FStrG). Dass der Beklagte in diesem Zusammenhang entscheidungserhebliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hätte, ist nicht ersichtlich; die Rüge der Klägerin, der Beklagte habe das erhöhte Erdbebenrisiko in der Region nicht erkannt und behandelt, geht fehl.

34 Die Klägerin bezieht sich auf eine Pressemitteilung der Universität Leipzig vom 17. Mai 2018 über die Veröffentlichung einer Studie zu Erdbeben zwischen Halle und Leipzig in den Jahren 2015 und 2017 im "Journal of Seismology" und schließt daraus auf ein Erdbebenrisiko bis zu einer Stärke von 5,3 und eine besondere Gefährdung der geplanten Autobahn, die ca. 30-40 km von den Zentren der damaligen Beben entfernt liege. Ergänzend verweist sie auf das genannte Schreiben von Prof. Dr. S., der ein Epizentrum auch in geringerer Entfernung zur A 143 und dem sensiblen Bauwerk der Saalequerung für möglich hält und ein mögliches Zusammenwirken mit einem Gebirgsschlag zum Beispiel in einer nahegelegenen Grube thematisiert. Diese Bedenken werden jedoch ausgeräumt durch die vom Beklagten vorgelegten Schreiben des Landesamtes für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt vom 9. August 2018 und 12. März 2019, wonach der in der Studie angesprochene Fall eines Erdbebens der Magnitude 5,3 lediglich ein Gedankenmodell darstelle. Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines solchen Bebens sei äußerst gering; ein Erdbeben in der Region werde auch keine erheblichen Schäden an Gebäuden im Umkreis von 200 km vom Epizentrum verursachen. Ein Erfordernis, die Ingenieurbauwerke der A 143 für Erdbebenlasten zu bemessen, bestehe nicht. Auch seismische Ereignisse im Zusammenhang mit Gruben seien nicht relevant für die Saalequerung durch die BAB 143. Angesichts dieser ausführlichen und überzeugenden Stellungnahmen der einschlägigen Fachbehörde, die zudem von einem Mitautor der benannten Studie verfasst wurden, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Planfeststellungsbehörde mit der Frage eines Erdbebenrisikos und der Standsicherheit insbesondere des Brückenbauwerks näher hätte auseinandersetzen müssen.

35 4. Ohne Erfolg macht die Klägerin Verstöße gegen das Naturschutzrecht geltend.

36 Den im Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - (BVerwGE 128, 1) festgestellten Mängeln ist im ergänzenden Verfahren Rechnung getragen worden. Der Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 war für rechtswidrig befunden worden, weil er nicht den Anforderungen des Naturschutzrechts genügte. Zur Heilung dieser Mängel wurden im ergänzenden Verfahren u.a. der landschaftspflegerische Begleitplan einschließlich der zugrunde liegenden Fachbeiträge zum Gebiets- und Artenschutz sowie die Verkehrsuntersuchung neu erstellt. Habitatschutzrechtlich wurde die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen der vier FFH-Gebiete DE 4437-302 "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle", DE 4536-303 "Muschelkalkhänge westlich Halle", DE 4437-308 "Dölauer Heide und Lindbusch bei Halle" sowie DE 4536-304 "Salzatal bei Langenbogen" untersucht. Im Ergebnis wurde hinsichtlich des FFH-Gebiets "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" festgestellt, dass das Vorhaben auch unter Berücksichtigung des geplanten Schutz- und Vermeidungskonzepts zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in Bezug auf zwei (nicht prioritäre) Lebensraumtypen führt; insoweit wurde das Vorhaben auf der Grundlage einer Abweichungsentscheidung zugelassen. Für die drei weiteren FFH-Gebiete wurden erhebliche vorhabenbedingte Beeinträchtigungen ausgeschlossen; auch entgegenstehende artenschutzrechtliche Belange wurden verneint. Die Klägerin wendet sich - zwar nicht missbräuchlich (a), aber in der Sache ohne Erfolg - gegen das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfungen hinsichtlich der Gebiete "Muschelkalkhänge westlich Halle" und "Dölauer Heide und Lindbusch bei Halle" (b) sowie "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" (c) und gegen die Verneinung artenschutzrechtlicher Verstöße in Bezug auf zwei Fledermausarten und den Weißstorch (d).

37 a) Die naturschutzrechtlichen Einwendungen der Klägerin sind weder missbräuchlich noch unredlich im Sinne des § 5 UmwRG. Die diesbezüglichen Bedenken, die der Beklagte darauf stützt, dass die Rügen - mit Ausnahme der Thematik des Weißstorches - erstmals in der Klagebegründung vom 29. Juni 2018 vorgebracht worden seien und sich (nahezu) ausschließlich auf die gutachterliche Stellungnahme eines Mitarbeiters des NABU stützten, obwohl der NABU seinerseits auf eine erneute Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss verzichtet habe, überzeugen nicht.

38 Die Vorschrift des § 5 UmwRG wurde durch das Gesetz vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298) eingeführt, mit dem der Gesetzgeber auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 - reagiert und unter anderem die als unionsrechtswidrig beurteilte Präklusion nach § 2 Abs. 3 UmwRG a.F. aufgehoben hat. Sie nimmt den Hinweis aus diesem Urteil auf, wonach der nationale Gesetzgeber spezifische Verfahrensvorschriften vorsehen kann, nach denen z.B. ein missbräuchliches oder unredliches Vorbringen unzulässig ist. Dieser Fall soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers etwa dann vorliegen, wenn der Rechtsbehelfsführer im Verwaltungsverfahren erklärt oder auf andere Weise deutlich gemacht hat, dass entsprechende Einwendungen nicht bestehen (BT-Drs. 18/9526 S. 41). Gemeint ist damit ein widersprüchliches und treuwidriges Verhalten im Sinne eines "venire contra factum proprium". Allein der (objektive) Umstand der Nichtbeteiligung im Verwaltungsverfahren ist unerheblich, weil es keine Obliegenheit zur Beteiligung gibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 24). Auch die erst nachträgliche Geltendmachung eines Einwandes reicht nicht aus. Maßgeblich ist vielmehr, dass dem Betroffenen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung in subjektiver Hinsicht ein Vorwurf gemacht werden kann und der späte Zeitpunkt des Vorbringens auf einer bewussten Entscheidung beruht (vgl. etwa Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 5 UmwRG Rn. 2; Winkler, in: Hoppe u.a., UVPG/UmwRG, 5. Aufl. 2018, § 5 UmwRG Rn. 15; Schlacke, NVwZ 2017, 905 <910>; OVG Hamburg, Beschluss vom 15. August 2018 - 1 Es 1/18.P - ZUR 2019, 37 <39>).

39 Dies zugrunde gelegt, liegt kein missbräuchliches Verhalten der Klägerin, die sich im Planfeststellungsverfahren regelmäßig beteiligt hat, vor. Zwar hat sie im Wesentlichen erstmals mit der Klagebegründung im Juni 2018 naturschutzrechtliche Belange geltend gemacht und sich insoweit auf die gutachterliche Stellungnahme des Diplom-Biologen V. gestützt, der im Planfeststellungsverfahren für den NABU Regionalverband Halle/Saalkreis e.V. an Erörterungsterminen teilgenommen hat. Auch wenn der NABU selbst auf die Erhebung einer Klage verzichtet hat, lässt sich hieraus jedoch kein widersprüchliches Verhalten der Klägerin ableiten. Ebenso wenig rechtfertigt der Umstand, dass sie möglicherweise Kenntnis von naturschutzrechtlichen Bedenken anderer Beteiligter gehabt, diese aber nicht selbst thematisiert hat, den Vorwurf treuwidrigen Verhaltens. Allerdings führte das erst nachträgliche Vorbringen eines bekannten Gesichtspunkts nach früherer Rechtslage zur materiellen Präklusion der Einwendung. Diese Rechtsfolge ist jedoch im Anwendungsbereich von UVP-pflichtigen Verfahren mit Unionsrecht nicht vereinbar, weshalb die entsprechenden Vorschriften aufgehoben bzw. in ihrem Anwendungsbereich eingeschränkt wurden. Eine Anwendung des § 5 UmwRG auf diese Fallkonstellation würde der Sache nach erneut zu einer Präklusionswirkung führen und damit dem gesetzgeberischen Anliegen sowie den unionsrechtlichen Vorgaben widersprechen. Nicht durchgreifend ist schließlich auch das Argument des Beklagten, die Klägerin habe im Ausgangsverfahren noch ausdrücklich den Bau der Autobahn begrüßt und sei in Vergleichsverhandlungen eingetreten. Die Klägerin hat zwar zu Beginn des Planungsverfahrens ausgeführt, sie sei "nicht gegen einen Autobahnbau" und wisse die Verbesserung der Infrastruktur zu schätzen. Ein vertrauensbildendes "Einverständnis" mit dem Vorhaben kann darin jedoch nicht gesehen werden.

40 Hiervon zu trennen ist die Frage, inwieweit die Klägerin als Individualklägerin hinsichtlich einzelner Aspekte rügebefugt ist und sich auf die Verletzung naturschutzrechtlicher Bestimmungen berufen kann (dazu sogleich unter b).

41 b) Die Rügen der Klägerin zu Fehlern bei den Verträglichkeitsprüfungen der FFH-Gebiete "Muschelkalkhänge westlich Halle" und "Dölauer Heide und Lindbusch bei Halle" sind nicht von ihrer Rügebefugnis umfasst.

42 Die enteignungsbetroffene Klägerin hat zwar im Grundsatz Anspruch auf volle gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses einschließlich der Anwendung der naturschutzrechtlichen Bestimmungen. Ihr Vollüberprüfungsanspruch reicht jedoch nur so weit, als der gerügte Fehler für die Inanspruchnahme ihres Grundstücks kausal ist. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der geltend gemachte öffentliche Belang nur von kleinräumiger Bedeutung ist und auch seine fehlerfreie Beachtung nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich des klägerischen Grundstücks führen würde. Die Rügebefugnis des Enteignungsbetroffenen zum Habitatschutzrecht beschränkt sich somit im Wesentlichen auf solche Fehler bei der Anwendung des objektiven Rechts und Berücksichtigung solcher öffentlicher Belange, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine fehlerfreie Behandlung zu einer anderen Trassenführung im Bereich des enteignungsbetroffenen Grundstücks führen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 14.15 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 383 Rn. 16; Beschluss vom 27. November 2018 - 9 A 10.17 - juris Rn. 52 und 60).

43 Hiervon ausgehend fehlt der Kritik der Klägerin der hinreichende Bezug zu ihrem am Saaleufer gelegenen Grundstück. Sie wendet sich zum einen gegen die Einschätzung des Beklagten, es liege keine erhebliche vorhabenbedingte Gefährdung der Fledermausarten Mopsfledermaus und Großes Mausohr vor. Schwerpunktvorkommen und wesentliche Flugrouten seien nicht erkannt worden, weshalb zu Unrecht ein Kollisionsrisiko verneint und von Querungshilfen abgesehen worden sei. Zudem sei die Wirksamkeit der vorgesehenen Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen zweifelhaft. Als problematisch erachtet die Klägerin dabei die Bereiche zwischen der Anschlussstelle Bennstedt und dem Steilhang Zorges, die Gegend nördlich des Köllmer Wegs, den Bereich der Muschelkalkhänge und den Trassenverlauf zwischen den Ortschaften Gimritz, Görbitz und Bestensee. Die gerügten Mängel betreffen damit allenfalls kleinräumige Modifizierungen der geplanten Trasse zwischen den Anschlussstellen Halle-Neustadt und Salzmünde. Auswirkungen auf das nördlich von Salzmünde gelegene Grundstück der Klägerin und die Suspensionsleitung sind danach auszuschließen.

44 c) Die Planfeststellungsbehörde hat bei der habitatschutzrechtlichen Beurteilung des Gebiets "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" die Konflikte, die sich insbesondere durch die Zerschneidungswirkung der Autobahn (aa) sowie aufgrund verkehrsbedingter Stickstoffdepositionen (bb) einschließlich der erforderlichen Abweichungsentscheidung (cc) ergeben, im Ergebnis fehlerfrei bewältigt. Diese Problematik ist von der Rügebefugnis der Klägerin umfasst, weil bei Unterstellung der geltend gemachten Fehler nicht auszuschließen ist, dass das Vorhaben an dieser Stelle nicht oder nur mit einer auch für das Grundstück der Klägerin relevanten Änderung der Trassenführung hätte realisiert werden können. Die Einwendungen der Klägerin greifen jedoch nicht durch.

45 aa) Die Rüge, es sei fachlich nicht haltbar, dass der Beklagte davon ausgehe, die an sich erhebliche Barriere- und Zerschneidungswirkung der Trasse durch eine Grünbrücke unter die Erheblichkeitsschwelle senken zu können, hat keinen Erfolg. Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen Einwendungen des NABU aus den Anhörungsverfahren, mit denen sich der Beklagte im Planfeststellungsbeschluss bereits befasst hat, setzt sich mit dessen Argumentation aber nicht substantiiert auseinander.

46 (1) Die Kritik, es fehlten Untersuchungen zu Populationsgrößen und zum erforderlichen genetischen Austausch, greift nicht durch. Der Planfeststellungsbeschluss geht davon aus, dass die Trasse bezogen auf die charakteristischen Arten der drei Lebensraumtypen (LRT) 4030 (Trockene europäische Heiden), 6210 (Naturnahe Kalk-Trockenrasen und deren Verbuschungsstadien) und 8230 (Silikatfelsen mit Pioniervegetation des Sedo-Scleranthion oder des Sedo albi-Veronicion dillenii - Felstrockenrasen) die Wirkung einer Barriere hat, die ohne die Umsetzung geeigneter Vermeidungsmaßnahmen (Landschaftstunnel von 300 m und Beweidungskonzept) als erhebliche Beeinträchtigung zu werten wäre (PFB 2018 S. 371 ff.). Die FFH-Verträglichkeitsprüfung befasst sich ausführlich mit der Frage der Barriere- und Zerschneidungswirkungen der Autobahn unter Auseinandersetzung mit dazu vorliegenden allgemeinen Erkenntnissen und verweist ergänzend auf eine (planfestgestellte) Untersuchung zur Vermeidbarkeit der Barrierewirkung durch den Bau des Landschaftstunnels auf der Grundlage einer Modellierung von Reck/Lorenzen (Stand September 2008), die sich allerdings auf einen Tunnel von nur 250 m Länge bezieht (PU 12.6.6). Die Relevanz weiterer besonderer Untersuchungen und Untersuchungsmethoden erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht und wird auch von der Klägerin nicht näher begründet.

47 Ihr Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, "dass sich die Unerheblichkeit der von der Autobahn ausgehenden Barrierewirkung auf charakteristische Tierarten der betroffenen FFH-LRT nur durch Untersuchungen der Populationsgrößen sowie der Identifizierung eines Mindestmaßes an genetischem Austausch beurteilen lässt" und "dass derartige Untersuchungen nicht vorliegen" (Beweisantrag Nr. 12), ist schon deshalb abzulehnen, weil der Planfeststellungsbeschluss nicht von einer Unerheblichkeit der von der Autobahn ausgehenden Barrierewirkung ausgeht, sondern vielmehr eine erhebliche Beeinträchtigung bejaht. Auf Untersuchungen zum (weiteren) Nachweis von Barrierewirkungen kommt es daher nicht entscheidungserheblich an. Im Übrigen hat die Klägerin nicht dargelegt, welche zusätzlichen relevanten Erkenntnisse durch ein weiteres Gutachten gewonnen werden könnten, zumal der Beweisantrag nur auf allgemeine Aussagen zur Methodik zielt und nicht die Begutachtung des konkreten Vorhabens zum Gegenstand hat.

48 (2) Soweit die Klägerin rügt, der Beklagte verneine zu Unrecht eine erhebliche Barrierewirkung in Bezug auf die prioritären LRT *6210 (besondere Bestände mit bemerkenswerten Orchideen als prioritäre Ausprägung des LRT 6210, hier: Vorkommen des Kleinen Knabenkrauts Orchis morio) und *6240 (subpannonische Steppen-Trockenrasen), kommt es darauf im Ergebnis nicht an. Ihr Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, "dass auch die charakteristischen Tierarten der prioritären LRT *6210 und *6240 betroffen sind und daher die Ausklammerung dieser beiden Lebensraumtypen aus der Untersuchung über die Wirkung der Autobahn als Barriere fachlich nicht gerechtfertigt ist" (Beweisantrag Nr. 13) ist daher wiederum mangels Entscheidungserheblichkeit abzulehnen.

49 Die beiden prioritären Lebensraumtypen sind aus der Untersuchung über die Barrierewirkung nicht "ausgeklammert", sondern eingehend erörtert worden, so dass der Beweisantrag insoweit bereits einen unzutreffenden Sachverhalt unterstellt. Der Beklagte hat allerdings im Ergebnis eine erhebliche Beeinträchtigung der prioritären Lebensraumtypen aufgrund der Zerschneidungswirkung verneint. Begründet wird dies damit, dass sich die beiden Lebensraumtypen nicht beidseitig in der Nähe der Trasse befänden und Zerschneidungswirkungen daher nur anzunehmen wären, wenn sie zum LRT-Komplex funktional beitrügen, was den durchgeführten Bestandsaufnahmen und den Darstellungen im Managementplan nicht zu entnehmen sei.

50 Ob dem zu folgen ist, bedarf hier keiner näheren Überprüfung. Denn selbst dann, wenn man diese Lebensraumtypen in den Lebensraumverbund einbeziehen und hinsichtlich ihrer charakteristischen Tierarten von einer potentiell erheblichen Beeinträchtigung durch die Zerschneidungs- und Barrierewirkung des Vorhabens ausgehen wollte, würde diese Beeinträchtigung insgesamt durch das Vermeidungskonzept unter die Erheblichkeitsschwelle gesenkt. Die charakteristischen Tierarten des LRT 6210 und seiner prioritären Ausprägung *6210 sind identisch, und auch der LRT *6240 weist keine charakteristischen Tierarten auf, die nicht auch im Zusammenhang mit den LRT 4030, 6210 und 8230 betrachtet worden wären. In der FFH-Verträglichkeitsprüfung wird insoweit ausgeführt, dass sich die charakteristischen Tierarten aufgrund der sehr engen Verzahnung der Lebensraumtypen auf den Porphyrkuppen und den vielfachen Übergängen zwischen den Lebensraumtypen nicht eindeutig einem bestimmten Lebensraumtyp zuordnen ließen bzw. zugleich für mehrere charakteristisch seien (PU 12.5.3 S. 81A sowie Liste der charakteristischen Tierarten in Anhang II). Für alle diese Tierarten wird der Landschaftstunnel in Verbindung mit dem Beweidungskonzept als Vermeidungsmaßnahme wirksam (dazu sogleich unter (4)), was im Übrigen auch im Maßnahmenblatt A23.1 zum Ausdruck kommt, in dem der Landschaftstunnel als Schadensbegrenzungsmaßnahme für die LRT 4030, 6210, *6240 und 8230 aufgeführt wird. Eine erhebliche Beeinträchtigung der charakteristischen Tierarten der prioritären Lebensraumtypen scheidet damit aus.

51 (3) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die relevanten Lebensraumtypen seien nicht regenerierbar und auf Grünbrücken ließen sich keine vergleichbaren Habitatbedingungen herstellen, weshalb die Grünbrücke für wenig mobile Tierarten nicht wirksam sei. Die Klägerin unterstellt dem Landschaftstunnel Funktionen, die diesem nicht beigemessen werden. Auf die Schaffung von Habitatbedingungen für charakteristische Tierarten kommt es im Rahmen der Maßnahme A23.1 nicht an. Es geht auch nicht darum, dass die wenig mobilen charakteristischen Tierarten auf den Grünbrücken überleben. Auf dem Landschaftstunnel ist nicht die Entwicklung von Lebensraumtypen vorgesehen, sondern einer trockenrasigen Pioniervegetation als Trittsteinbiotop für charakteristische Arten, die die aktuell dort vorhandenen Ackerstandorte ersetzen soll. Dass diese Bedingungen nicht geschaffen werden könnten oder unzureichend seien, wird von der Klägerin nicht substantiiert behauptet. Ihr Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, "dass auf der vorgesehenen Grünbrücke die Habitatbedingungen für die wenig mobilen charakteristischen Tierarten der in Rede stehenden FFH-LRT nicht geschaffen werden können und damit die Grünbrücke den erforderlichen genetischen Austausch zwischen den einzelnen Bestandteilen der Gesamtpopulation nicht sichern können" und "dass das Überleben der wenig mobilen charakteristischen Tierarten auf den Grünbrücken nicht gesichert oder zumindest unwahrscheinlich ist" (Beweisantrag Nr. 14), ist daher mangels Entscheidungserheblichkeit des unter Beweis gestellten Sachverhalts abzulehnen.

52 (4) Unbegründet ist auch die Kritik der Klägerin, es gebe keine hinreichenden Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Grünbrücken insbesondere bei wirbellosen Tieren.

53 Die Klägerin verweist insoweit auf das Gutachten von Herrn V., das wiederum Einwendungen des NABU aus dem Jahr 2016 wiederholt. Der Beklagte hat sich im Planfeststellungsbeschluss mit diesen Argumenten auseinandergesetzt, hinsichtlich der ökologisch nutzbaren Breite des Landschaftstunnels auf das "Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen an Straßen" (MAQ, Druckfassung September 2008) Bezug genommen und auf die Einschätzung in der Verträglichkeitsuntersuchung auf Grundlage der durchgeführten Modellrechnungen und der Heranziehung von Analogien verwiesen (PFB 2018 S. 375 f.). Neben dem Forschungsbericht von Pfister u.a. zur bioökologischen Wirksamkeit von Grünbrücken über Verkehrswege aus dem Jahr 1997 werden eine mehrjährige Monitoringstudie aus den Niederlanden sowie Berichte über Grünbrücken in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg benannt, die in der Verträglichkeitsprüfung zitiert und ausgewertet worden sind (PU 12.5.3 S. 144 f.). Mit den in der Klagebegründung wiederholten Einwendungen des NABU hinsichtlich der Interpretation dieser Erkenntnisse hat sich der Vorhabenträger im Anhörungsverfahren ausführlich befasst und das Vorliegen ausreichender Hinweise für die grundsätzliche Wirksamkeit von Grünbrücken (auch für wirbellose Tiere) nachvollziehbar begründet (Erwiderung vom 31. August 2016, VA 2.7 S. 53 ff.). Damit setzt sich die Klägerin nicht substantiiert auseinander.

54 Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, "dass ausreichende Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Grünbrücken im Hinblick auf wirbellose Tiere und speziell auf die hier in Rede stehenden charakteristischen Tierarten der FFH-LRT bisher nicht vorliegen" sowie "dass es keine verwertbaren Erkenntnisse über die Wirkung von Grünbrücken im Hinblick auf den erforderlichen genetischen bzw. Populationsaustausch für wirbellose Tiere, erst recht nicht für wenig mobile wirbellose Tiere gibt" (Beweisantrag Nr. 15), zielt angesichts der im Planfeststellungsverfahren eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen (FFH-Verträglichkeitsprüfung mit Anlagen) auf die Einholung eines weiteren Fachgutachtens. Die Entscheidung darüber steht nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts. Ein solcher Beweisantrag kann abgelehnt werden, wenn die bereits vorhandenen Gutachten, fachlichen Stellungnahmen und Auskünfte zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts ausreichen. Dabei kann sich das Gericht grundsätzlich auch auf gutachterliche Stellungnahmen stützen, die eine Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt hat. Eine Pflicht zur Heranziehung zusätzlicher Gutachten besteht nur dann, wenn sich die fehlende Eignung der vorliegenden Gutachten aufdrängt, etwa weil sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass bieten zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 - Buchholz 406.403 § 44 BNatSchG 2010 Nr. 4 Rn. 32 m.w.N.). Nach diesem Maßstab besteht hier kein Anlass zur Einholung des beantragten weiteren Sachverständigengutachtens, weil die vorhandenen Stellungnahmen und Auskünfte fachlich geeignet sind und zur Sachverhaltsermittlung ausreichen.

55 Die FFH-Verträglichkeitsprüfung legt unter Auswertung der recherchierten und referierten Literatur in nachvollziehbarer Weise dar, dass der zwischenzeitlich erreichte Stand der Forschung wissenschaftlich hinreichend gesicherte Erkenntnisse vermittelt hinsichtlich der für eine Wirksamkeit von Grün- und Landschaftsbrücken maßgeblichen Parameter, die hier durch die vorgesehenen Maßnahmen auch erfüllt werden. Der Beweisantrag der Klägerin stellt die Interpretation der vorhandenen Studien und Hinweise infrage, ohne auf die bereits im Planfeststellungsverfahren dazu erfolgten fachlichen Erläuterungen, die im Klageverfahren wiederholt und vertieft worden sind, konkret einzugehen. Hierzu ein weiteres Fachgutachten einzuholen, das sich nicht mit dem konkret geplanten Landschaftstunnel beschäftigt, sondern mit der Analyse der vorhandenen Erkenntnisse, ist angesichts der plausibel begründeten Einschätzung der Verträglichkeitsuntersuchung nicht erforderlich. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass der Senat in seinem Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - die Grünbrücke in Bezug auf die Erhaltung des vorhandenen Lebensraumkorridors für Wirbellose als ein "Experiment mit ungewissem Ausgang" bezeichnet hat (BVerwGE 128, 1 Rn. 89), ist diese Einschätzung mittlerweile überholt. Das zitierte Merkblatt MAQ sowie die niederländischen Studien lagen zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vor. Inzwischen sind zudem aktuelle Handlungsempfehlungen auf der Grundlage einer umfangreichen Literaturanalyse und der Auswertung von verschiedenen Vorhaben auf der Internetseite des Bundesamts für Naturschutz veröffentlicht worden, die nach ihrem Vorwort den Stand der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse wiedergeben (Reck u.a., Grünbrücken, Faunatunnel und Tierdurchlässe, Anforderungen an Querungshilfen, BfN-Skripten 522, 2019). Darin wird feststellt, dass bei richtiger Planung von Querungshilfen die Ansprüche aller erheblich betroffenen Arten berücksichtigt wurden, wobei auch Laufkäfer ausdrücklich benannt werden (a.a.O. S. 5). Dem setzt die Klägerin keine substantiierten Bedenken entgegen.

56 (5) Auch die Kritik der Klägerin an der Untersuchung zur Modellierung der Barrierewirkung ist im Ergebnis unergiebig, weil diese Unterlage einen veralteten Planungsstand betrifft und die FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht entscheidungstragend auf die beanstandete Modellierung gestützt ist. Dem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, "dass die in den Planunterlagen vorgenommene und dem Planfeststellungsbeschluss i.d.F. des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses zugrunde liegende Modellierung der Barrierewirkung der Autobahn nicht geeignet ist, nach dem habitatschutzrechtlichen Beweismaßstab festzustellen, dass es zu keinen erheblichen Beeinträchtigungen kommt" (Beweisantrag Nr. 16), ist daher mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zu folgen.

57 bb) Die Bewertung des Beklagten zu den Stickstoffeinträgen in die als Erhaltungsziel geschützten LRT 4030, 6210/*6210, *6240 und 8230 ist nicht zu beanstanden. Der Planfeststellungsbeschluss bejaht im Ergebnis erhebliche Beeinträchtigungen der LRT 6210 und 8230. Die Kritik der Klägerin, die von einer stärkeren Beeinträchtigung aller betroffener Lebensraumtypen ausgeht, greift nicht durch. Der Beklagte hat die nach der Gebietsabgrenzung maßgeblichen Vorkommen in die Prüfung einbezogen (1) und durfte sich dabei auf die Hinweise des sog. Stickstoffleitfadens Straße stützen (2). Auch die konkrete Bewertung der Stickstoffeinträge in Anwendung des Leitfadens ist nicht zu beanstanden. Die Kritik der Klägerin hat weder in Bezug auf die Bestimmung der Critical Loads (3) noch hinsichtlich der Berechnung von Vorbelastung (4) und Zusatzbelastung (5) Erfolg. Dabei durfte der Beklagte sowohl die verfügten Geschwindigkeitsbegrenzungen (6) als auch die Ackerextensivierung mit Düngeverzicht (7) als Maßnahmen zur Verminderung der Zusatzbelastung berücksichtigen.

58 (1) Die FFH-Verträglichkeitsprüfung hat keine maßgeblichen LRT-Vorkommen außer Acht gelassen. Die Klägerin rügt zu Unrecht, dass Vorkommen im Bereich Gimritz/Görbitz, insbesondere die dortigen Bestände des LRT *6240, die nachträglich im Zuge der Gebietserweiterung in das FFH-Gebiet "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" integriert worden sind, von Anfang an Bestandteil der FFH-Gebietskulisse hätten sein und in der Verträglichkeitsprüfung hätten berücksichtigt werden müssen.

59 Die Maßstäbe für die Gebietsausweisung ergeben sich sowohl hinsichtlich der Identifizierung der Gebiete einschließlich der festzulegenden Erhaltungsziele als auch hinsichtlich ihrer Abgrenzung aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang III (Phase 1) der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 S. 7) - FFH-RL. Maßgeblich ist danach nicht das bloße Vorhandensein von Lebensraumtypen des Anhangs I, sondern die Bedeutung des Gebiets, die sich ausschließlich nach den in Anhang III (Phase 1) FFH-RL genannten naturschutzfachlichen Kriterien bestimmt. Insoweit gesteht die Richtlinie den Stellen, die für die Anwendung dieser Kriterien zuständig sind, einen auf deren fachliche Bewertung begrenzten Beurteilungsspielraum zu (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 - 4 A 15.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 168 S. 100 f.). Zwingend ist eine Gebietsausweisung nur, wenn und soweit die fragliche Fläche die von der Habitat-Richtlinie vorausgesetzte ökologische Qualität zweifelsfrei aufweist. Solche Gebietsteile dürfen nicht ausgespart werden, ein sich aufdrängender Korrekturbedarf muss im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt werden. Nach der Entscheidung der EU-Kommission über die Gebietslistung spricht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der Gebietsausweisung. Einwände dagegen bedürfen deshalb einer besonderen Substantiierung und müssen geeignet sein, die Vermutung zu widerlegen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 Rn. 67 und vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - juris Rn. 67). Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorbringen der Klägerin nicht.

60 Die Klägerin stützt sich auch in diesem Zusammenhang auf die gutachterliche Stellungnahme von V., der wiederum Einwendungen des NABU aus den Beteiligungsverfahren aufgreift. Im Planfeststellungsbeschluss wird - unter Bezugnahme auf diese Einwendungen - die von der EU-Kommission bestätigte Gebietsausweisung fachlich schlüssig damit begründet, dass die außerhalb des FFH-Gebiets u.a. bei Gimritz gelegenen LRT-Bestände zum Zeitpunkt der Gebietsmeldung schlechter ausgeprägt waren als die Bestände im Gebiet und nicht als LRT-Flächen im Sinne des Anhangs I der FFH-RRL, sondern lediglich als "Potenzialflächen" anzusehen waren. Diese Bewertung, die in der vom Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme vom 22. März 2019 nochmals erläutert wird, entspricht auch der (in einem Vermerk vom 31. Januar 2013 dokumentierten) Einschätzung des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, das eine Nachmeldung der Flächen für naturschutzfachlich nicht erforderlich erachtet hat. Die Verneinung eines funktionalen Zusammenhangs mit den ursprünglich gemeldeten Flächen wird unter Hinweis auf die räumliche Entfernung und den eingeschränkten Zustand der Lebensraumtypen einleuchtend dargelegt und lässt keine fachlichen Beurteilungsfehler erkennen. Schlüssige Gegenargumente trägt die Klägerin nicht vor; mit dem Planfeststellungsbeschluss setzt sie sich nicht auseinander. Ihr Hinweis, dass innerhalb des gemeldeten Gebiets auch Lebensraumtypen von schlechterer Ausprägung vorhanden seien, stellt die Bewertung des Beklagten nicht in Frage, weil für deren Einbeziehung der räumliche Zusammenhang mit den für die Gebietsausweisung maßgeblichen Kernbeständen der Lebensraumtypen ausschlaggebend gewesen ist.

61 Die nachträgliche Meldung der Erweiterungsflächen bei Gimritz an die EU-Kommission im Jahr 2015 und ihre Einbeziehung in das nunmehr landesrechtlich durch die Landesverordnung zur Unterschutzstellung der Natura 2000-Gebiete im Land Sachsen-Anhalt vom 20. Dezember 2018 (N2000-LVO LSA) geschützte FFH-Gebiet "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" (vgl. Anlage Nr. 3.124 N2000-LVO LSA) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Darin liegt keine "Korrektur" der naturschutzfachlich angezeigten Gebietsabgrenzung. Die Maßnahme erfolgte vielmehr ausschließlich zum Zwecke der Kohärenzsicherung (vgl. PU 12.0 Maßnahmenblatt A23.4; Managementplan für das FFH-Gebiet "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" vom Dezember 2015, S. 139). Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich daraus keine Pflicht, die nachgemeldeten Flächen nunmehr in die FFH-Verträglichkeitsprüfung einzubeziehen. Denn die Erweiterung ist gerade eine Folge der habitatschutzrechtlichen Verträglichkeitsprüfung und erfolgt im Rahmen der Prüfung gemäß Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, die sich an die (abgeschlossene) Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL anschließt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Kohärenzmaßnahme erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses oder (wie hier) zur Steigerung ihrer Wirksamkeit schon vorher umgesetzt wird. Die Frage, ob die Erweiterungsflächen ihrerseits durch das Vorhaben beeinträchtigt werden, ist bei der Beurteilung der Geeignetheit der Flächen für den beabsichtigten naturschutzrechtlichen Ausgleich zu prüfen und vom Beklagten auch geprüft worden (PFB S. 427 ff.).

62 Es bestand deshalb kein Anlass, dem Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen zum Beweis der Tatsache, "dass aus naturschutzfachlichen Gründen sowie aus Gründen der Seltenheit und der nicht ausreichenden Meldung von Beständen des LRT *6240 diejenigen Bestände, die sich außerhalb des FFH-Gebiets in seiner früheren Abgrenzung befanden und nunmehr als Kompensationsmaßnahmen einbezogen worden sind, von Anfang an in das FFH-Gebiet hätten einbezogen werden müssen, weil dies aus naturschutzfachlichen Gründen erforderlich ist und kein fachlicher Grund dafür erkennbar ist, warum diese Bestände ursprünglich nicht einbezogen worden sind" (Beweisantrag Nr. 10). Die Klägerin wiederholt nur die Einwendungen des NABU aus dem Jahr 2009, ohne den naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraum der zuständigen Stelle bei der Gebietsabgrenzung zu berücksichtigen und sich mit den Ausführungen im PFB 2018 (S. 428 f.) auseinanderzusetzen. Damit fehlt es bereits an der "besonderen Substantiierung", um die Richtigkeitsvermutung der Gebietslistung der EU-Kommission in Frage zu stellen. Die vorhandenen fachlichen Stellungnahmen genügen für die Überzeugungsbildung des Gerichts. Der Beweisantrag betrifft im Übrigen keine einzelne naturschutzfachlich aufklärungsfähige Tatsachenbehauptung, sondern zielt darauf ab, die Beurteilung der für die Gebietsmeldung zuständigen Stelle zu ersetzen durch die Einschätzung eines einzelnen Fachgutachters. Dies ist einem Beweis nicht zugänglich.

63 (2) Die FFH-Verträglichkeitsprüfung zu den vorhabenbedingten Stickstoffeinträgen stützt sich auf den Forschungsbericht von Balla u.a. (Untersuchung und Bewertung von straßenverkehrsbedingten Nährstoffeinträgen in empfindliche Biotope, Bericht zum FE-Vorhaben 84.0102/2009 der Bundesanstalt für Straßenwesen, Bd. 1099 der Reihe "Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik", hrsg. vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - BMVBS - November 2013) und den daraus entwickelten Stickstoffleitfaden Straße (FGSV, Hinweise zur Prüfung von Stickstoffeinträgen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung für Straßen - H PSE, damals mit Stand des Entwurfs vom 11. November 2014 - H PSE 2014) und folgt dem Konzept der sogenannten Critical Loads (CL) unter Anwendung des vorhabenbezogenen Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a. Dies hält der gerichtlichen Überprüfung stand.

64 Für die Erfassung und Bewertung vorhabenbedingter Einwirkungen fehlt es bisher an gesetzlichen Vorgaben oder einer untergesetzlichen Maßstabsbildung durch verbindliche Festlegungen etwa mittels Durchführungsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14 - NVwZ 2019, 52 Rn. 24). Die Planfeststellungsbehörde muss daher auf außerrechtliche naturschutzfachliche Maßgaben zurückgreifen. Um die habitatschutzrechtlich erforderliche Gewissheit zu erlangen, muss sie unter Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen ihrer Entscheidung die besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde legen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 62 und vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 26). Bei dem Stickstoffleitfaden Straße, der inzwischen in der endgültigen Fassung der Ausgabe 2019 veröffentlicht worden ist (H PSE 2019), handelt es sich um eine Fachkonvention, die aus Sicht des Senats den aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisstand widerspiegelt (so zum Forschungsbericht von Balla u.a. schon BVerwG, Urteile vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 37 und vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - juris Rn. 79). Der Leitfaden basiert auf dem oben genannten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben von Balla u.a. und wurde von einem Gremium fachkundiger Wissenschaftler in einem mehrjährigen Abstimmungsprozess unter Einbeziehung maßgeblicher Expertenkreise und Beteiligung der Öffentlichkeit erstellt, wobei auch die Naturschutzverbände ihre Stellungnahmen abgegeben und Bedenken vorgebracht haben. Einbezogen in den Prozess waren auch die staatlichen Fachgremien der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaften Immissionsschutz (LAI) und Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA), mit denen die Anwendbarkeit des Leitfadens für immissionsschutzrechtliche Vorhaben koordiniert wurde. Die im Leitfaden zusammengefassten "Hinweise" beruhen damit auf einem breiten wissenschaftlichen Konsens. Dafür, dass es derzeit bessere wissenschaftliche Erkenntnisse geben könnte, die geeignet wären, Methodik, Grundannahmen oder Schlussfolgerungen des Stickstoffleitfadens substantiell in Frage zu stellen oder gar zu widerlegen, gibt es keine Anhaltspunkte, so dass die Grenzen der gerichtlich möglichen und gebotenen Aufklärung und Kontrolle insoweit erreicht sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14 - NVwZ 2019, 52 Rn. 28 f.). Der Beklagte durfte deshalb die Hinweise des Stickstoffleitfadens Straße seiner Beurteilung der Verträglichkeit der Stickstoffeinträge zugrunde legen.

65 Danach ist es rechtlich unbedenklich, dass die FFH-Verträglichkeitsprüfung dem Konzept der Critical Loads (CL) folgt, die die Grenze der unbedenklichen Immissionen markieren.

66 Nicht zu beanstanden ist auch, dass bei der Bestimmung der vorhabenbedingten Zusatzbelastung für die Ausbreitungsrechnung das Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) angewandt worden ist. Dieses "Handbuch", das eine Datenbank zu den spezifischen Emissionsfaktoren für die gängigsten Fahrzeugtypen und eine Reihe von Schadstoffen enthält, wird vom Umweltbundesamt und den Umweltämtern anderer europäischer Länder entwickelt und fortgeschrieben. Es ist länderübergreifend anerkannt und wird u.a. vom Joint Research Center der Europäischen Kommission unterstützt (vgl. zu Einzelheiten etwa die im Internet veröffentlichten "Hintergrundinformationen zum Handbuch für Emissionsfaktoren für Straßenverkehr <HBEFA>" vom Umweltbundesamt, Stand April 2017). Seine Anwendung wird im Stickstoffleitfaden im Einzelnen erläutert (H PSE 2019 S. 25 ff.). Anhaltspunkte für entgegenstehende bessere wissenschaftliche Erkenntnisse sind nicht ersichtlich und werden auch von der Klägerin nicht vorgetragen.

67 Entsprechendes gilt für das vom Beklagten angewandte Konzept gradueller Funktionsbeeinträchtigung und die Umrechnung in Flächenanteile. Dieser Ansatz geht zurück auf die Fachkonvention von Lambrecht/Trautner (Fachinformationssystem und Fachkonventionen zur Bestimmung der Erheblichkeit im Rahmen der FFH-VP, Endbericht zum Teil Fachkonventionen, Schlussstand Juni 2007 S. 83 f.) und ermöglicht die Bestimmung einer Bagatellschwelle für Flächenverluste, bei deren Überschreitung im Regelfall von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen ist (dazu H PSE 2019 S. X, 3, 69 ff.). Dass eine Beeinträchtigung durch zusätzliche Stickstoffeinträge angesichts vorhandener Hintergrundbelastungen und der zeitlichen Dauer bis zum Eintritt von Auswirkungen nicht ohne Weiteres mit einem dauerhaften und vollständigen Verlust der betroffenen LRT-Flächen gleichzusetzen ist, leuchtet ohne Weiteres ein. Die im Stickstoffleitfaden vorgesehene Umrechnung von graduellen Funktionsbeeinträchtigungen in definitorische Totalverlustflächen und die Bestimmung von Flächenbagatellen in Anlehnung an Lambrecht/Trautner beruht - wie ausgeführt - auf einer intensiven fachlichen Abstimmung, bei der den wissenschaftlichen Unsicherheiten wegen der - auch von der Klägerin thematisierten - fehlenden belastbaren Erkenntnisse über die konkreten Dosis-Wirkungsbeziehungen mit einem sehr vorsorglichen, konservativen Ansatz Rechnung getragen worden ist (vgl. dazu etwa Füßer/Lau, UPR 2014, 121 <126>).

68 Anhaltspunkte für neue, "bessere" Erkenntnismöglichkeiten, die Anlass für weitere Aufklärungsmaßnahmen sein könnten, liegen nicht vor, so dass der Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, "dass es für den Ansatz des Konzepts einer graduellen Funktionsbeeinträchtigung an den erforderlichen Kenntnissen hinsichtlich der für die Bewertung der Beeinträchtigungen erforderlichen Dosis-Wirkungs-Beziehungen fehlt" und "dass sich Stickstoffeinträge nicht linear schädigend auf stickstoffempfindliche Lebensräume auswirken, sondern dass die Schädigungswirkungen stattdessen mit Schwellenwerten verknüpft sind" und schließlich "dass aufgrund der geschilderten Unkenntnisse eine lineare Beziehung zwischen Stickstoffeinträgen einerseits und dem Grad der Funktionsbeeinträchtigung von stickstoffempfindlichen Lebensräumen andererseits nicht hergestellt werden kann" (Beweisantrag Nr. 18), abzulehnen ist. Der Beweisantrag zielt darauf ab, die im Stickstoffleitfaden vorgesehene Umrechnung von graduellen Funktionsbeeinträchtigungen infrage zu stellen. Hierzu bedarf es jedoch angesichts des dem Stickstoffleitfaden zugrunde liegenden Erkenntnisstandes keines weiteren Fachgutachtens.

69 Den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht auch die Anwendung eines vorhabenbezogenen Abschneidekriteriums in Höhe von 0,3 kg N/ha/h (ebenso BVerwG, Urteile vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 45; vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - juris Rn. 79 ff. und vom 15. Mai 2019 - 7 C 27.17 - juris Rn. 36 f.). An diesem im Rahmen des Forschungsprojekts von Balla u.a. entwickelten und in der Folgezeit naturschutzfachlich weiter diskutierten Ansatz hat der Stickstoffleitfaden in seiner Endfassung von 2019 in Kenntnis der dazu insbesondere von Naturschutzverbänden geäußerten Bedenken festgehalten. Dass es bessere Erkenntnisse dazu geben könnte, hat die Klägerin nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Senat sieht daher keinen Anlass, in diesem Punkt der im Stickstoffleitfaden empfohlenen Vorgehensweise nicht zu folgen.

70 Danach dient das vorhabenbezogene Abschneidekriterium vor allem der Ermittlung des Einwirkungsbereichs und des Untersuchungsraums in der FFH-Prüfung. Es kennzeichnet die Höhe der Stickstoffdeposition, ab der diese nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft einer bestimmten Quelle oder einem bestimmten Vorhaben valide zugeordnet werden kann. Der vorhabenbedingte Eintrag muss nicht nur messtechnisch nachweisbar sein, sondern sich auch hinreichend von der Hintergrundbelastung abgrenzen und unter Berücksichtigung der mit der Ermittlung der Gesamtbelastung verbundenen Unsicherheiten statistisch unterscheiden lassen, um ihm eine eigene "Wirkung" auf das FFH-Gebiet zuschreiben zu können. Dies ist auch zur Validierung der zur Ausbreitungsrechnung herangezogenen und von zahlreichen weiteren Eingabefaktoren abhängigen Rechenmodelle erforderlich.

71 Bei Depositionsraten, die bei 0,3 kg N/ha/a oder darunter liegen, lässt sich kein kausaler Zusammenhang zwischen Emission und Deposition herstellen, der Eintrag liegt unterhalb nachweisbarer Wirkungen auf die Schutzgüter der FFH-Richtlinie (H PSE 2019 S. IX; ausführlich zur Herleitung und Begründung Balla, Bernotat u.a., Online-Zeitschrift Waldökologie, Landschaftsforschung und Naturschutz Heft 14 <2014> S. 43 <48 ff.>; zum erforderlichen Überschreiten der "Wirkungsschwelle" auch Füßer/Lau, UPR 2014, 121 <125>). Maßgebend für den Wert des Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a ist nicht allein die Grenze des theoretisch messtechnisch Ermittelbaren, sondern die Möglichkeit der Zuordnung der Stickstoffdeposition zu einer bestimmten Quelle (vgl. Balla, Uhl u.a., I+E 2013, 203 <214>; Balla, Bernotat u.a., a.a.O. S. 51: "Zusammenschau der Argumentationslinien"). Fehlt es daran, lässt sich auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit oder Gefahr einer Beeinträchtigung durch diese Quelle nicht begründen, deren Auswirkungen bleiben vielmehr rein hypothetisch. Dies genügt im Rahmen der habitatschutzrechtlichen Verträglichkeitsprüfung nicht.

72 Der Senat sieht keinen Anlass, in diesem Zusammenhang eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen. Die von der Klägerin angeregte Vorlagefrage, ob es für die Feststellung der erheblichen Beeinträchtigung eines Erhaltungsziels in einem Natura-2000-Gebiet erforderlich sei, dass die naturwissenschaftlich-technische Möglichkeit bestehe, durch nachträgliche Messungen oder sonstige Methoden den Eintritt der Beeinträchtigung nachzuweisen und die Beeinträchtigung einem Projekt oder einer Tätigkeit zuzuordnen, oder ob es ausreiche, dass die Gefahr oder Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung im Rahmen einer nach anerkannten Methoden durchgeführten Prognose bestehe, und ob im Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 der Habitat-Richtlinie hierfür unterschiedliche Maßstäbe gelten, stellt sich aus den dargelegten Gründen nicht, weil das Abschneidekriterium gerade den Bereich bezeichnet, für den sich keine gewisse Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung begründen lässt. Insofern besteht auch kein Widerspruch zu der von der Klägerin angeführten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Januar 2016 - C-399/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​10] - (insbes. Rn. 42).

73 (3) Soweit die Klägerin die Bestimmung der Critical Loads für die beiden prioritären LRT *6210 und *6240 beanstandet, kommt es darauf nicht entscheidend an. Denn der Beklagte hat seine Einschätzung, dass diese Lebensraumtypen keinen erheblichen Beeinträchtigungen durch Stickstoffeinträge ausgesetzt sind, (auch) darauf gestützt, dass sich die Bestände der Lebensraumtypen in Bereichen befinden, in denen die Zusatzbelastung bei Berücksichtigung aller Schadensminderungsmaßnahmen jeweils nicht über dem Wert des Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a liegt (PU 12.5.3 FFH-VP "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" S. 113A Tab. 14 sowie S. 126A zum LRT *6210 und S. 129A zum LRT *6240; zur Berechnung nach HBEFA 3.3 PFB 2018 S. 364 f. zum LRT *6210, zur Berechnung für beide Lebensraumtypen auch Anlage 6 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung). Die Zusatzbelastung durch Stickstoffeinträge liegt damit unter der prüfrelevanten Schwelle, so dass es unerheblich ist, ob die Critical Loads in der Gesamtbelastung überschritten werden (vgl. H PSE 2019 S. 65).

74 Auf die unter Beweis gestellten Tatsachen, "dass unter Heranziehung der Modellierung Ökodata 2006 und der neuen Erkenntnisse über Stickstoffentzug durch die Beweidung der Critical Load für den LRT *6240 maximal bei 5,6 kg N/ha/a liegt" (Beweisantrag Nr. 22), "dass die Ermittlung des Critical Loads für den LRT 6210 inkl. der prioritären Ausprägung *6210 deshalb fehlerhaft ist, weil in Bezug auf den Stickstoffentzug durch Beweidung von einem durchschnittlich mittelwüchsigen Bestand ausgegangen worden ist, obwohl auch geringwüchsige Ausprägungen vorkommen, diese im Einflussbereich der N-Einträge aus der Autobahn liegen und als prioritäre Lebensräume besonders geschützt und wertvoll sind" (Beweisantrag Nr. 23) und "dass es sich bei denjenigen Standorten, auf denen die Orchideenart Orchis morio im Lebensraum *6210 vorkommt, ganz überwiegend um magere, niedrig wüchsige Bestände handelt und daher der mögliche Stickstoffaustrag an diesem niedrigen Wuchs zu messen ist" (Beweisantrag Nr. 24), kommt es demnach für die Entscheidung nicht an, weil es jeweils um die Bestimmung der Critical Loads der beiden prioritären Lebensraumtypen geht. Dies gilt auch, soweit im Beweisantrag Nr. 23 der LRT 6210 benannt wird, denn die Begründung stellt nur auf "prioritäre Lebensräume" ab und der Critical Load für den LRT 6210 wird auch im Übrigen von der Klägerin nicht beanstandet. Den Anträgen auf Beweiserhebung durch Einholung von Sachverständigengutachten (Beweisanträge Nr. 22 bis 24) und zusätzlich durch Inaugenscheinnahme (nur Beweisantrag Nr. 24) war somit mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachzukommen.

75 Entsprechendes gilt für den weiteren Antrag auf Einholung eines Gutachtens dazu, "dass der Critical Load für den prioritären LRT *6240 - Steppenrasen - bei 8,1 kg N/ha/a anzusetzen ist, dieser durch vorhabenbedingte Stickstoffeinträge in Höhe von 0,7 kg N/ha/a beaufschlagt würde und die Vorbelastung in der Erweiterung bereits über dem Critical Load liegt" (Beweisantrag Nr. 29). Sollten hier mit der Formulierung "in der Erweiterung" möglicherweise zusätzlich die Vorkommen des LRT *6240 in der Gebietserweiterungsfläche gemeint sein, fehlt es auch insoweit an der Entscheidungserheblichkeit, weil die Erweiterungsfläche - wie ausgeführt - nicht nachträglich in die FFH-Verträglichkeitsprüfung einzubeziehen ist und es hinsichtlich des LRT *6240 zudem mangels erheblicher Beeinträchtigung auch nicht der Durchführung von Kohärenzmaßnahmen bedurfte.

76 Auch der Antrag auf Einholung eines Gutachtens zum Beweis der Tatsache, "dass sich die eutrophierende und die versauernde Wirkung von Stickstoffeinträgen in Lebensräume gegenseitig verstärken können und daher entsprechende Untersuchungen unter Hereinnahme eines solchen Verstärkungseffekts erforderlich sind" (Beweisantrag Nr. 17), hat keinen Erfolg. Es fehlt bereits an einer näheren Begründung und Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Aussage. Die Klagebegründung, in deren Kontext der Antrag angekündigt worden ist (S. 62 f.), wiederholt lediglich entsprechende Aussagen aus dem Gutachten von V., der zwar die Ermittlung der Critical Loads allgemein als fachlich fehlerhaft bezeichnet, den für die nicht prioritären Lebensraumtypen angewandten Wert aber ausdrücklich nicht beanstandet. Die konkreten Rügen zu den prioritären Lebensraumtypen greifen die Frage einer etwaigen Verstärkung von versauernden und eutrophierenden Wirkungen nicht auf, diese Critical Loads sind zudem nicht entscheidungserheblich.

77 (4) Die Ermittlung der Vorbelastung unter Verwendung des UBA-Datensatzes und unter Berücksichtigung starker lokaler Emissionsquellen (Ferkelzuchtanlage Gimritz) sowie ergänzend erhobener Vorbelastungswerte für Versauerung (vgl. PFB 2018 S. 339) entspricht den Vorgaben des Stickstoffleitfadens (H PSE 2019 S. 34 ff.). Die Kritik der Klägerin, es hätten vorhandene lokale Messwerte berücksichtigt werden müssen, setzt sich nicht mit der konkreten Datenerhebung auseinander und zeigt insbesondere nicht auf, welche zusätzlichen Messwerte vorhanden gewesen sein sollen.

78 (5) Bei der Berechnung der Zusatzbelastung hat der Beklagte die in der Verträglichkeitsprüfung ermittelten Werte anhand der neuen Version des Handbuchs für Emissionsfaktoren HBEFA 3.3 aktualisiert und damit den zum Zeitpunkt der Planfeststellung im März 2018 aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisstand berücksichtigt. Das Update HBEFA 3.3 basiert auf dem damals neuesten Wissensstand und war auf die NOx-Emissionen neuerer Diesel-Pkw fokussiert. Berücksichtigt wurden auch Abgasmesswerte, die bei realen Fahrten auf der Straße ermittelt wurden (vgl. den im Internet veröffentlichten Hintergrundbericht von Infras "HBEFA Version 3.3" vom 25. April 2017). Bessere Erkenntnisse für die Modellierung verkehrsbedingter Emissionen sind für den Senat nicht ersichtlich und lassen sich auch durch ein weiteres Sachverständigengutachten, das im Übrigen einem Forschungsprojekt gleich käme, nicht gewinnen. Dem Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, "dass die Erhöhung der Emissionsfaktoren der durchschnittlichen deutschen Dieselflotte im HBEFA um 24 bis 92 % die realen Werte nicht wiedergibt, sondern diese Werte um ein Mehrfaches höher angesetzt werden müssen, oder sich jedenfalls deutlich höhere Werte ohne vorherige, noch nicht vorliegende Untersuchungen nicht ausschließen lassen und es ausreichend Hinweise gibt, dass die Diesel-Emissionen höher sind" (Beweisantrag Nr. 20), ist deshalb nicht nachzukommen.

79 Die Kritik der Klägerin an den bei der Berechnung der Zusatzbelastung angenommenen meteorologischen Daten und der angesetzten Depositionsgeschwindigkeit wiederholt lediglich die Einwendungen des NABU aus dem Anhörungsverfahren 2016, ohne sich mit der ausführlichen, die Einwendungen zurückweisenden Darstellung im Planfeststellungsbeschluss (PFB 2018 S. 342 ff.) auseinanderzusetzen.

80 (6) Bei der Berechnung der von der geplanten Straße ausgehenden Zusatzbelastung an Stickstoffeinträgen hat der Beklagte auch die im Planfeststellungsbeschluss verfügten Geschwindigkeitsbegrenzungen in zutreffender Weise berücksichtigt.

81 Das Schutz- und Vermeidungskonzept des Beklagten zur Reduzierung der Stickstoffeinträge sieht als Maßnahmen, die an der Ausgestaltung und Nutzung der Straße selbst ansetzen, neben einem 300 m langen Landschaftstunnel mit Ausblasschacht und Schutzwänden vor den Tunnelportalen sowie Abflachung der Trassengradiente (Bauwerk Nr. 4224/12 Ü und Maßnahme A23.1, dazu ausführlich PFB 2018 S. 250 ff.) auch Geschwindigkeitsbeschränkungen vor, die teils dauerhaft (Maßnahme S 12) und teils zeitlich befristet (Nebenbestimmung A.IV.2.1) verfügt wurden. Auf der knapp 8 km langen Strecke zwischen der Saalequerung und dem Ende des Autobahnabschnitts am AD Halle-Nord ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h und auf einer Teilstrecke von insgesamt 700 m im Bereich des Landschaftstunnels und jeweils 200 m vor bzw. hinter den Tunnelportalen noch weitergehend auf 80 km/h dauerhaft beschränkt. Zeitlich befristet ist zusätzlich für den 2,3 km langen Bereich von 970 m vor dem südlichen bis 960 m nach dem nördlichen Tunnelportal (Bau-km 16+826 bis Bau-km 19+056) eine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h bergab und 60 km/h bergauf angeordnet worden, die im Hinblick auf die künftig zu erwartende Zusammensetzung der Kraftfahrzeugflotte bis Ende 2027 gelten soll.

82 Die Kritik der Klägerin, der Beklagte unterstelle zu Unrecht, dass die unbefristeten Geschwindigkeitsbeschränkungen befolgt würden, überzeugt nicht. Sie geht an den tatsächlichen Berechnungsgrundlagen vorbei. Für die Prognose, welche zusätzlichen Stickstoffeinträge durch den Verkehr auf einer bisher noch nicht existenten Straße zu erwarten sind, werden keine vor Ort durchgeführten Messungen und Verkehrserhebungen zugrunde gelegt, sondern ein wissenschaftlich etabliertes Modell, das auf der Heranziehung bestimmter Emissionsfaktoren beruht und in dem einschlägigen Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) seinen Niederschlag gefunden hat. Dieses enthält eine Datenbank zu den spezifischen Emissionswerten für die gängigsten Fahrzeugtypen und eine Reihe von Schadstoffen. Die Emissionsfaktoren unterscheiden nicht nur nach Fahrzeugtypen und Fahrzeug-Subsegmenten, sondern differenzieren u.a. auch nach Verkehrssituationen; zu den Parametern für die Bestimmung der Verkehrssituation gehört neben dem Straßentyp u.a. auch das Tempolimit (vgl. hierzu H PSE 2019 S. 25 ff; Umweltbundesamt, "Hintergrundinformationen zum Handbuch für Emissionsfaktoren für Straßenverkehr <HBEFA>", Stand April 2017). Den Werten des HBEFA liegen umfangreiche Messungen und Untersuchungen zugrunde; das Handbuch bildet nach seiner Konzeption reale Fahrsituationen ab. Dabei ist bei Zuordnung von Emissionswerten zu einer bestimmten Verkehrssituation auch das in der Praxis empirisch erhobene Fahrverhalten in dieser Verkehrssituation berücksichtigt, so auch der Umstand, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht eingehalten werden (vgl. etwa Knörr u.a., Weiterentwicklung der Emissionsfaktoren für das Handbuch für Emissionsfaktoren <HBEFA>, Endbericht im Auftrag des Umweltbundesamtes vom 31. August 2011 S. 16 ff., der sich mit der Aktualisierung und Validierung der im HBEFA 3.1 enthaltenen Verkehrssituationen und dem repräsentativen Fahrverhalten einschließlich tatsächlicher Geschwindigkeitsverteilungen bei verschiedenen Tempolimits befasst). In den nach dem HBEFA angesetzten Fahrzyklen sind die durchschnittlichen Fahrtgeschwindigkeiten der jeweiligen Fahrzeugflotte einschließlich der Geschwindigkeitsübertretungen im typischen Umfang enthalten. Diese haben daher in dem Maße, in dem sie in die Verkehrssituationen des HBEFA Eingang gefunden haben, auch bei der streitgegenständlichen Berechnung der Stickstoffdepositionen Berücksichtigung gefunden.

83 Die Zugrundelegung der Emissionsfaktoren des HBEFA entspricht - wie dargelegt - den aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Auch die hier erfolgte konkrete Anwendung begegnet keinen Bedenken. In der FFH-Verträglichkeitsprüfung, die die dauerhaft verfügten Geschwindigkeitsbeschränkungen zu berücksichtigen hatte, wurden für die Berechnung der Stickstoffdepositionen die Verkehrssituationen "ABS100 - Agglomerationsraum Autobahn, Tempolimit 100 km/h" und "ABS80 - Agglomerationsraum Autobahn, Tempolimit 80 km/h" des HBEFA herangezogen (PU 12.6.3A Stickstoffdepositionen Prognose 2025, Februar 2012 und September 2014, S. 21, 23). Anhaltspunkte dafür, dass es bei dem Vorhaben um eine derart untypische Verkehrskonstellation gehen könnte, dass die vom HBEFA zur Verfügung gestellten Emissionsfaktoren nicht passen, sind nicht ersichtlich.

84 Für die Berechnung der Auswirkungen der befristeten zusätzlichen Geschwindigkeitsbeschränkung auf teilweise 60 km/h wurden, weil das HBEFA keine originären Emissionsfaktoren für Außerortsautobahnen mit einem solchen Tempolimit zur Verfügung stellt, die Emissionsfaktoren aus den für Stadtautobahnen mit Tempo 60 km/h geltenden Werten unter Zugrundelegung der Außerortsfahrzeugflotte hergeleitet (Abwägungspapier zu Auswirkungen des HBEFA 3.3 auf die Konsistenz der Planänderungs- und -ergänzungsunterlagen A 143 S. 9). Insoweit mag allerdings zweifelhaft sein, ob die typische Verkehrssituation auf einer innerstädtischen Autobahn bei einer Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h hinsichtlich Fahrverhalten und durchschnittlicher Fahrtgeschwindigkeit ohne Weiteres auf das hier außerorts verfügte Tempolimit übertragen werden kann, zumal der Grund für die Beschränkung hier nicht aus den baulichen oder verkehrlichen Gegebenheiten resultiert und für den Autofahrer nicht unmittelbar erkennbar ist. Diesen Bedenken hat der Beklagte jedoch in der mündlichen Verhandlung durch eine Ergänzung der Nebenbestimmung A.IV.2.1 Rechnung getragen. Soweit die Klägerin rügt, die Anordnung, dass der geplante Autobahnabschnitt erst in Betrieb genommen werden darf, wenn "die Einhaltung dieser Geschwindigkeitsbeschränkung mit geeigneten Maßnahmen permanent überwacht" wird, sei zu unbestimmt, kann dahinstehen, ob dieser Aspekt überhaupt von ihrer Rügebefugnis umfasst ist. Die Frage stellt sich, weil die konkrete Ausgestaltung der Geschwindigkeitsüberwachung keinen Einfluss auf die Lage der Trasse und die Betroffenheit des Grundeigentums der Klägerin haben dürfte. Aus der Erklärung des Beklagten ergibt sich aber jedenfalls, dass die Überwachungsmaßnahmen geeignet sein müssen, auf das Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmer Einfluss zu nehmen, um sicherzustellen, dass die Befolgungsquote des Tempolimits mit der angenommenen Verkehrssituation des HBEFA hinreichend vergleichbar ist. Auf dieser Grundlage ist die Berechnung des Beklagten nach den Emissionsfaktoren des HBEFA nicht zu beanstanden.

85 Aus diesem Grund ist der Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, "dass es bei Einrichtung einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h auf einer mehrspurig ausgebauten Autobahn ohne sonstige verkehrliche Beschränkungen zu einem signifikanten Überschreiten der zugelassenen Geschwindigkeit und damit zu einer Erhöhung der Emissionen gegenüber dem angenommen(en) Verkehrsverhalten kommt" (Beweisantrag Nr. 19), abzulehnen. In dieser allgemeinen Formulierung enthält er schon keine konkrete, hinreichend bestimmte Fragestellung, die von einem Gutachter beantwortet werden könnte. Bezogen auf die im Planfeststellungsbeschluss verfügte befristete Geschwindigkeitsbeschränkung ist die unter Beweis gestellte Aussage nicht entscheidungsrelevant, weil sie die in der mündlichen Verhandlung ergänzte Geschwindigkeitsüberwachung nicht berücksichtigt und nach der Begründung des Antrags in der Klagebegründung unter dem "angenommenen Verkehrsverhalten" eine hundertprozentige Befolgungsquote verstanden wird, die aber den Emissionsberechnungen tatsächlich nicht zugrunde liegt. Zur konkreten Berechnung der Zusatzbelastung liegen im Übrigen hinreichende fachliche Stellungnahmen und das HBEFA vor.

86 (7) Die Ackerstilllegung bzw. Umwandlung benachbarter Ackerflächen in Grünland und der damit bewirkte Verzicht auf Düngung durften als Maßnahmen zur Vermeidung von Stickstoffeinträgen (Maßnahmenblatt A23.5) auf die Stickstoffbilanz angerechnet werden.

87 (a) Der Berücksichtigung als Schadensbegrenzungsmaßnahme im Sinne des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL steht nicht entgegen, dass die Maßnahme nicht an der emittierenden Quelle, sondern am Immissionsort ansetzt, also nicht den Stickstoffausstoß des Vorhabens selbst, sondern den aus anderen Quellen resultierenden Stickstoffeintrag auf die geschützten Lebensraumtypen verringert.

88 Eine derartige bilanzierende Betrachtungsweise ist im Stickstoffleitfaden Straße fachlich vorgesehen. Danach werden die Stickstoffdepositionen vor Umsetzung des Vorhabens der zukünftigen Situation nach dessen Umsetzung gegenübergestellt (H PSE 2019 S. 75). Ist die vorhabenbedingte Zusatzbelastung zu hoch, sind zunächst vorhabenbezogene Maßnahmen zu prüfen, die die Emissionen bereits an der Quelle auf ein unerhebliches Maß begrenzen. Reicht deren Wirksamkeit nicht aus, kommen zur weiteren Schadensbegrenzung Maßnahmen in Betracht, die eine Verbesserung der Stickstoffbilanz in den betroffenen FFH-Lebensräumen bewirken. Hierunter fällt insbesondere die Verringerung der bestehenden Belastung aus anderen Quellen. Soweit sich Be- und Entlastungen räumlich überlagern, können sie direkt gegeneinander aufgerechnet werden (H PSE 2019 S. 76 f.). Voraussetzung für eine Anrechnung ist allerdings, dass die Wirksamkeit der Maßnahmen hinsichtlich des Umfangs wie auch des zeitlichen Eintritts ihrer Wirkung fachlich sichergestellt ist (H PSE 2019 S. 78). Zu den berücksichtigungsfähigen Maßnahmen zur Verringerung der Stickstoffbelastung gehört insbesondere die Reduktion der Stickstoffausträge aus Ackerdüngung (vgl. H PSE S. 92).

89 Eine solche Berücksichtigung des Düngeverzichts im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser unterscheidet im Rahmen des Art. 6 FFH-RL zwischen den unter Art. 6 Abs. 3 FFH-RL fallenden Schutzmaßnahmen im Sinne von Schadensvermeidungs- oder Schadensbegrenzungsmaßnahmen (nach neuerer Begrifflichkeit: Abschwächungsmaßnahmen), die bereits im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung zu berücksichtigen sind und unmittelbare Auswirkungen auf das Maß der Beeinträchtigung von Schutzgütern des FFH-Gebiets selbst haben, und sogenannten Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen, die in den Fällen, in denen das Projekt trotz negativer (erheblicher) Auswirkungen auf das Gebiet durchgeführt werden soll, einen Ausgleich für die Beeinträchtigungen schaffen sollen und im Rahmen von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL zum Tragen kommen. Als Schadensbegrenzungsmaßnahmen sind nur solche Maßnahmen anzusehen, die in den fraglichen Plan oder das fragliche Projekt aufgenommen werden und die etwaigen durch den Plan oder das Projekt unmittelbar verursachten schädlichen Auswirkungen verhindern oder verringern sollen, um dafür zu sorgen, dass der Plan oder das Projekt die betreffenden Gebiete als solche nicht beeinträchtigt (vgl. EuGH, Urteile vom 15. Mai 2014 - C-521/12 [ECLI:​EU:​C:​2014:​330], Briels u.a. - Rn. 28 f.; vom 21. Juli 2016 - C-387/15 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2016:​583], Orleans u.a. - Rn. 48, 54; vom 25. Juli 2018 - C-164/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​593], Grace und Sweetmann - Rn. 47, 50 und vom 7. November 2018 - C-293/17 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2018:​882], Coöperatie Mobilisation for the Environment UA - Rn. 125; allgemein zur Abgrenzung auch Europäische Kommission, Auslegungsleitfaden zu Art. 6 Abs. 4 der "Habitat-Richtlinie" 92/43/EWG, Januar 2007, S. 11, und Vermerk der Kommission "Natura 2000-Gebietsmanagement, Die Vorgaben des Art. 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, 21. November 2018" - C (2018) 7621 final - S. 59 f. und 69 f.). Ihre Berücksichtigungsfähigkeit nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL setzt voraus, dass ausreichende Gewissheit besteht, dass die Maßnahme wirksam dazu beitragen wird, eine Beeinträchtigung des betreffenden Gebiets als solches zu vermeiden, und gewährleistet, dass kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass das Gebiet als solches durch den fraglichen Plan oder das fragliche Projekt nicht beeinträchtigt wird (EuGH, Urteile vom 21. Juli 2016 - C-387/15 - Rn. 51 und vom 7. November 2018 - C-293/17 - Rn. 126, 130). Die Maßnahmen müssen dabei unmittelbar mit den in der Verträglichkeitsprüfung festgestellten wahrscheinlichen Auswirkungen in Zusammenhang stehen (Europäische Kommission, Vermerk der Kommission "Natura 2000-Gebietsmanagement 21. November 2018", S. 59).

90 Auch der Europäische Gerichtshof setzt danach bei der Berücksichtigung einer Maßnahme nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL nicht an der Quelle der Beeinträchtigungen und Emissionen an, sondern an den Auswirkungen auf die Schutzgüter des FFH-Gebiets. Die Maßnahmen sind zeit- und wirkungsbezogen danach zu beurteilen, ob die schädlichen Auswirkungen des Projekts als solche verlässlich verhindert oder gemindert werden. Als Schadensbegrenzungsmaßnahmen müssen sie direkt an die Auswirkungen, denen entgegengewirkt werden soll, anknüpfen und sich auf die davon betroffenen Lebensraumtypen und Arten beziehen. Sie dürfen nicht lediglich einen Ersatz schaffen und einen Verlust an geschütztem Lebensraum an anderer Stelle kompensieren (vgl. Füßer/Lau, NuR 2014, 453 <455>; Korbmacher, UPR 2018, 1 <5>). Zudem darf an der Wirksamkeit der Maßnahmen bei Realisierung des Vorhabens kein vernünftiger Zweifel bestehen (vgl. Schütte/Wittrock/Flamme, NuR 2015, 145 <149>); ihre entlastende Wirkung muss spätestens zu dem Zeitpunkt gewährleistet sein, in dem die Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

91 Der als Schadensbegrenzungsmaßnahme (SBM) bewertete Teil der Maßnahme A23.5 betrifft die Ackerstilllegung und Umwandlung von Ackerflächen in Grünland im direkten Umfeld der LRT-Flächen in den Porphyrkuppen bei Friedrichsschwerz und umfasst zwei Teilflächen. Bilanziert werden die Stickstoffeinträge, die im dortigen Trassenbereich durch die neue Autobahn verursacht werden, mit den Einträgen, die durch die Stilllegung und Umnutzung dieses Bereichs und der unmittelbar benachbarten Flächen entfallen und sich geografisch auf dieselben Lebensräume auswirken. Die Düngereduktion ist damit grundsätzlich geeignet, als Schutzmaßnahme im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL berücksichtigt zu werden.

92 Auch die Wirksamkeit der Maßnahme ist gewährleistet. Die Umwandlung der Ackerflächen in Grünland erfolgt nach dem Maßnahmenblatt A23.5 teilweise vor, spätestens aber im Zuge der Straßenbauarbeiten. Zur dauerhaften Sicherung des Düngeverbots ist nach der Nebenbestimmung 2.13 des Planfeststellungsbeschlusses (PFB 2018 S. 67) eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zu Gunsten des Naturschutzes einzutragen. Ausweislich des Grunderwerbsverzeichnisses stehen zahlreiche Grundstücke bereits im Eigentum der Bundesfernstraßenverwaltung, hinsichtlich der übrigen Grundstücke ist deren dauerhafte Belastung nach den Planunterlagen vorgesehen und wird nach Auskunft des Beklagten unmittelbar nach Rechtskraft des Planfeststellungsbeschlusses vollzogen werden. Damit ist sichergestellt, dass zum Zeitpunkt der Freigabe der neuen Straße und des Einsetzens der damit verbundenen zusätzlichen Stickstoffeinträge die Maßnahmen zur Stickstoffreduzierung umgesetzt sind und die bisherigen Stickstoffbelastungen infolge der Düngung entfallen. Die Berechnung des Umfangs der stickstoffentlastenden Wirkung beruht auf dem gleichen Rechenmodell, das auch den zu erwartenden vorhabenbedingten Stickstoffeinträgen zugrunde liegt, und entspricht dem aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisstand.

93 Die Berücksichtigungsfähigkeit einer Schadensbegrenzungsmaßnahme erfordert entgegen der Annahme der Klägerin nicht, dass sie bereits vor Erlass der Genehmigung wirksam durchgeführt wurde. Die von der Klage in Bezug genommenen Ausführungen im Urteil des EuGH vom 7. November 2018 beziehen sich nicht auf Schadensbegrenzungsmaßnahmen, sondern auf Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 1 und 2 FFH-RL (EuGH, Urteil vom 7. November 2018 - C-293/17 - Rn. 124; s.a. das dort zitierte Urteil des EuGH vom 17. April 2018 - C-441/17 [ECLI:EU:2018:255], Kommission/Polen - Rn. 213). Für Schadensvermeidungs- und -begrenzungsmaßnahmen kommt es hingegen nur darauf an, dass deren Wirksamkeit - wie vorliegend - in dem Zeitpunkt gewährleistet ist, in dem die Beeinträchtigungen zu erwarten sind.

94 (b) Die vom Beklagten berücksichtigte Stickstoffreduzierung infolge Düngeverzichts stellt keine Erhaltungsmaßnahme dar, die aus gebietsschutzrechtlichen Gründen im FFH-Gebiet nach Art. 6 Abs. 1 oder 2 FFH-RL "sowieso" geboten gewesen wäre und deshalb dem Vorhaben nicht als Schadensbegrenzungsmaßnahme zugutekommen dürfte (vgl. dazu etwa Füßer/Lau, NuR 2014, 453 <455>; ebenso zu Kohärenzmaßnahmen Europäische Kommission, Vermerk der Kommission "Natura 2000 - Gebietsmanagement, Die Vorgaben des Art. 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG", 21. November 2018, S. 71).

95 Bei der Abgrenzung zwischen ohnehin erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen und überobligatorischen Schadensbegrenzungsmaßnahmen durfte sich der Beklagte an dem im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt für das FFH-Gebiet "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" im Dezember 2015 erstellten Managementplan orientieren.

96 Aus den gemäß § 32 Abs. 5 BNatSchG für das jeweilige Gebiet aufgestellten Bewirtschaftungsplänen (regelmäßig Managementpläne genannt), die die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 FFH-RL konkretisieren, ergibt sich, welche Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen durchzuführen sind. Während die Mitgliedstaaten hinsichtlich des "Ob" der nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL nötigen Maßnahmen kein Ermessen haben, stehen den nationalen Behörden hinsichtlich der im Rahmen nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL einzusetzenden Mittel und technischen Entscheidungen und hinsichtlich der Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL Regelungs-, Entscheidungs- und Ermessensspielräume zu. Nicht für jeden Lebensraumtyp und jede Art muss den festgelegten Erhaltungszielen entsprechend sofort und umfassend ein günstiger Erhaltungszustand wiederhergestellt werden. Ziel der Habitat-Richtlinie ist vielmehr ein günstiger Erhaltungszustand auf nationaler, biogeographischer und europäischer Ebene. Der Mitgliedstaat darf daher im Rahmen der für das jeweilige Schutzgebiet bestimmten Erhaltungsziele Prioritäten setzen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 152 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 423, jeweils m.w.N.). Gibt es - wie hier - einen Managementplan, dürfen Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde grundsätzlich darauf vertrauen, dass die zuständigen Behörden ihren habitatschutzrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen sind und ihre Entscheidungsspielräume rechtlich und naturschutzfachlich zutreffend ausgeübt haben, sofern der Plan nicht evidente Fehleinschätzungen oder Versäumnisse erkennen lässt. Legt der Managementplan bestimmte Maßnahmen als Erhaltungsmaßnahmen fest, andere jedoch nicht bzw. nur als unverbindliche fakultative Entwicklungsmaßnahmen, darf diese Einstufung in der Regel zugrunde gelegt werden, sofern der Plan nicht von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgeht oder "Etikettenschwindel" betreibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 424). Derartige Fehler sind hier nicht ersichtlich.

97 Der Managementplan für das FFH-Gebiet "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" benennt als wesentliche Ursache für eine Beeinträchtigung der hier interessierenden Lebensraumtypen die unzureichende oder gänzlich aufgegebene Nutzung, daneben auch eine Verbuschung, Defizite der schäfereilichen Infrastruktur und Beeinträchtigungen durch Freizeitnutzung (S. 106). Als Erhaltungsmaßnahmen für die Trockenbiotope werden dementsprechend Beweidung, Entbuschung, Pflegerotation bzw. periodische Pflege, Mahd und Einsatz von Feuer festgelegt (S. 111 ff.). Zudem wird als allgemeiner Behandlungsgrundsatz die Düngung der Standorte selbst untersagt (S. 115, 117). Dieses Verbot bezieht sich nur auf die Flächen, auf denen sich die LRT-Vorkommen selbst befinden, nicht auf deren weitere Umgebung. Zu den Erhaltungsmaßnahmen gehört zudem die Pflege eutropher Säume zur Vermeidung von Randeinflüssen verinselter Kuppen mit LRT-Vorkommen innerhalb von Ackerflächen (S. 109). Schließlich wird auch die Einrichtung von Pufferstreifen auf Ackerflächen, die an Felskuppen und -hänge angrenzen, dringend empfohlen (S. 143). Die Stilllegung und Umwandlung von Ackerflächen in Grünland wird insgesamt thematisiert, aber nicht als großflächige Pflege- und Erhaltungsmaßnahme festgelegt, wobei zu berücksichtigen ist, dass für die Teile des FFH-Gebiets, die zugleich im Naturschutzgebiet Gimritz liegen, bereits ein Düngeverbot besteht. Im Übrigen wird der Ackerbau im Gebiet entsprechend der "guten fachlichen Praxis" (S. 43) unter Anwendung von emissionsarmen Methoden der Düngeausbringung (vgl. FFH-VP "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" S. 111A) vollzogen. Die für die Schadensbegrenzungsmaßnahme A23.5 vorgesehenen Teilflächen sind in der Karte 6-3 mit den Umsetzungsmaßnahmen des Managementplans als "planerische Empfehlung ohne Umsetzungsverpflichtung" für die Entwicklungsmaßnahme "Umwandlung in Grünland" dargestellt (Behandlungseinheiten 217 und 219) und gehören zu den Behandlungseinheiten, die im Managementplan für die Stilllegung und Umwandlung in Grünland vorgeschlagen werden (S. 131 f. Tab. 5o), ohne dass diese Maßnahme als zwingend erforderlich angesehen wird. Dass diese Einstufung im Managementplan, der insgesamt ein in sich stimmiges Konzept erkennen lässt, naturschutzfachlich evident fehlerhaft und sachwidrig wäre, ist nicht ersichtlich.

98 Die Bewertung im Managementplan, wonach die Düngung nicht generell, sondern nur auf den Porphyrkuppen selbst nicht gebietsverträglich und daher verboten ist, wird durch die mittlerweile in Kraft getretenen Regelungen der Landesverordnung zur Unterschutzstellung der Natura-2000-Gebiete im Land Sachsen-Anhalt (N2000-LVO LSA) vom 20. Dezember 2018 normativ bestätigt. Diese enthält in § 3 der Anlage 3.124 als gebietsbezogene Schutzbestimmung für das FFH-Gebiet "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" das Verbot der Düngung mit stickstoff- oder kalkhaltigen Düngemitteln auf dem LRT 6210 und jedweder Düngung auf den LRT 4030, *6210, *6240 und 8230 und macht im Übrigen in § 7 N2000-LVO LSA zwar zahlreiche Vorgaben für die Ausübung der ordnungsgemäßen Landwirtschaft, formuliert aber kein allgemeines Düngeverbot.

99 (c) Die landwirtschaftliche Düngung, auf die nunmehr verzichtet wird, ist selbst kein eigenständiges nicht genehmigtes "Projekt", das im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL kumulativ hätte berücksichtigt werden müssen und dessen Wegfall sich nicht entlastend auf die vorhabenbedingte Zusatzbelastung auswirken darf.

100 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hängt die Frage, ob die Ausbringung von Düngemitteln als "Projekt" im Sinne von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL einzustufen ist, von der Feststellung ab, ob diese Tätigkeit ein Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen kann (Urteil vom 7. November 2018 - C-293/17 - Rn. 67). Ob dies hier der Fall ist und die landwirtschaftliche Düngung in dem eingeschränkten Rahmen, in dem sie nach der Landesverordnung zur Unterschutzstellung der Natura-2000-Gebiete und dem Managementplan für zulässig und gebietsverträglich erachtet worden ist, als "Projekt" anzusehen ist, bedarf keiner näheren Prüfung. Denn im Hinblick darauf, dass die landwirtschaftliche Nutzung der fraglichen Flächen und damit auch deren Düngung hier von alters her zulässig waren, liegt jedenfalls kein "neues", habitatschutzrechtlich relevantes Projekt vor.

101 Der Europäische Gerichtshof stellt bei der Abgrenzung eines landwirtschaftlichen Fortsetzungsprojekts von einem neuen Projekt insbesondere auf den Ort und die Umstände der Ausführung ab. Danach kann eine wiederkehrende Tätigkeit wie die Ausbringung von Düngemitteln, die vor Inkrafttreten der Habitat-Richtlinie nach dem nationalen Recht gestattet war, als ein und dasselbe Projekt von einem erneuten Genehmigungsverfahren befreit sein, sofern sie eine einheitliche Maßnahme darstellt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie einen gemeinsamen Zweck hat, fortgesetzt wird und insbesondere Ort und Umstände ihrer Ausführung dieselben sind (EuGH, Urteil vom 7. November 2018 - C-293/17 - Rn. 86). Durch diese Voraussetzungen soll vermieden werden, dass sich einzelne Änderungen bei der Ausführung der Tätigkeit negativ auf ein Schutzgebiet auswirken und dessen Schutzziele erheblich beeinträchtigen können (vgl. EuGH, Urteil vom 7. November 2018, a.a.O. Rn. 84). Diese Gefahr ist hier - auch unabhängig von dem vorhabenbedingten Düngeverzicht - nach den Gesamtumständen ausgeschlossen. Denn im Vergleich zu früheren Wirtschaftsperioden ist der Eintrag an Düngemitteln insgesamt - und damit auch im Bereich der hier betroffenen Lebensraumtypen - zurückgegangen. Soweit nicht aus naturschutzrechtlichen Gründen bereits flächenweise Verbote (im Naturschutzgebiet) ausgesprochen wurden, wird ausweislich der Planungsunterlagen insgesamt eine schonende, emissionsarme Form der Düngung ausgeübt.

102 An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass sich nach der Beschreibung im Managementplan aus dem Jahr 2015 Teile der Ackerflächen im Plangebiet "bis vor wenigen Jahren" in Stilllegung befanden und nach Wegfall der "Stilllegungsprämien" wieder umgebrochen wurden (S. 43). Denn durch die vorübergehende Stilllegung haben die Flächen ihren Charakter als Ackerland nicht verloren. Der von vornherein nur temporär angelegte freiwillige Verzicht auf die Ackerbewirtschaftung hat das Recht zur landwirtschaftlichen Nutzung einschließlich der Ausbringung von Düngemitteln unberührt gelassen. Durch die Stilllegung wurden die Flächen nicht dauerhaft aus der landwirtschaftlichen Produktion herausgenommen. Auch das Gesetz zur Gleichstellung stillgelegter und landwirtschaftlich genutzter Flächen (Flächengleichstellungsgesetz - FGlG) erkennt im Übrigen ausdrücklich das Recht der Landwirte an, ihre Flächen, die nach Maßgabe europarechtlicher Förderungsprogramme stillgelegt worden waren, nach Beendigung der Stilllegungsperiode in derselben Art und in demselben Umfang wie zum Zeitpunkt vor der Stilllegung nutzen zu können (§ 1 Abs. 3 Satz 2 FGlG), und zwar unabhängig davon, ob das Stilllegungsprogramm dem Natur- und Landschaftsschutz oder der Marktordnung diente (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2019 - 4 C 4.18 - juris Rn. 29). Damit trägt auch die nationale Rechtsordnung dem Umstand Rechnung, dass Stilllegungsprogramme der Europäischen Union leer liefen, wenn Landwirte befürchten müssten, ihre Flächen nach Auslaufen der Programme nicht mehr in derselben Weise landwirtschaftlich nutzen zu können.

103 Der von der Klägerin angeregten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bedarf es in diesem Zusammenhang nicht, weil die Grundsätze der habitatschutzrechtlichen Bewertung von landwirtschaftlicher Düngung, soweit hier entscheidungsrelevant, bereits europarechtlich geklärt sind.

104 (d) Die konkrete Berechnung der Zusatzbelastung an Stickstoffeinträgen auf der Grundlage der zulässigen Bilanzierung folgt den Hinweisen im Stickstoffleitfaden und ist nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere für die Berücksichtigung des vorhabenbedingten Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a, das nach Bilanzierung der vorhabenbedingten Stickstoffbelastungen und -entlastungen (H PSE 2019 S. 76) und nach Auf- oder Abrundung des Ergebnisses auf eine Dezimalstelle (H PSE S. 98) zur Bewertung der Erheblichkeit der danach errechneten Zusatzbelastung zur Anwendung kommt. Soweit die Klägerin geltend macht, die Anerkennung eines Abschneidekriteriums im Rahmen der Berechnung der Stickstoffeinträge erfordere konsequenterweise, dass auch bei der Bilanzierung nur solche Maßnahmen berücksichtigt werden können, die zu einer Reduzierung von mehr als 0,3 kg N/ha/a führen, gilt dies dem Stickstoffleitfaden zufolge nur für die Verringerung solcher Quellen, die in größerer Entfernung liegen, nicht jedoch, wenn - wie vorliegend - die Quellen, deren Emissionen verringert werden, innerhalb des maßgeblichen Gebiets liegen (H PSE 2019 S. 76).

105 (e) Die zur Frage der Ackerextensivierung gestellten Beweisanträge auf Einholung von Sachverständigengutachten dazu, "dass die im Planfeststellungsbeschluss i.d.F. des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses als Schadensbegrenzungsmaßnahmen vorgesehenen Maßnahmen, nämlich die Beweidung der von Stickstoffeinträgen betroffenen Porphyrkuppen und die Reduktion von Stickstoffeinträgen aus der Düngung benachbarter Äcker, erforderlich ist, um den von der FFH-RL verlangten günstigen Erhaltungszustand dieser Flächen von Lebensraumtypen zu erhalten bzw. wiederherzustellen" (Beweisantrag Nr. 11) und "dass die N-Einträge aus der Düngung umliegender Flächen der Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der FFH-LRT entgegenstehen und außerdem eine Verschlechterung des Erhaltungszustands verursachen" (Beweisantrag Nr. 25), sind abzulehnen. Mit dem Antrag Nr. 11 soll wohl die Unzulässigkeit der "Verrechnung" der benannten Maßnahmen bewiesen werden, weil es sich dabei um notwendige Erhaltungsmaßnahmen (Sowieso-Maßnahmen) handele. Hinsichtlich der genannten Beweidung fehlt es bereits an der Entscheidungserheblichkeit, weil die Beweidung nur in Bezug auf die Barrierewirkung der Trasse als Schadensbegrenzungsmaßnahme dient. Hinsichtlich der Düngereduktion kommt es - wie dargelegt - darauf an, ob die Planfeststellungsbehörde die Einschätzung des Managementplans zugrunde legen durfte oder ob dieser evident fehlerhaft war. Dies lässt sich auf der Grundlage des Managementplans und der zur Verfügung stehenden Unterlagen und Informationen überprüfen, ohne dass es der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bedarf. Entsprechendes gilt für den Beweisantrag Nr. 25. Dieser ist zudem in seiner sehr allgemein gehaltenen Formulierung einer Klärung durch einen Sachverständigen kaum zugänglich. Dass Stickstoffeinträge den Erhaltungszustand von stickstoffempfindlichen Lebensraumtypen negativ beeinflussen können, ist offensichtlich, die rechtliche Beurteilung der Vorgaben des Habitatschutzrechts ist dem Gericht vorbehalten.

106 Abzulehnen sind schließlich auch die allgemein die Beeinträchtigung bestimmter Lebensraumtypen thematisierenden Beweisanträge. Dies gilt zunächst für den den LRT 6210 betreffenden Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsachen, "dass es durch die Auswirkungen des Autobahnbetriebs und die dadurch verursachten Schadstoffeinwirkungen zu erheblichen Beeinträchtigungen des prioritären Bestands des LRT *6210, insbesondere der für den prioritären Bestand wertgebenden und stickstoffempfindlichen Pflanzenart Kleines Knabenkraut Orchis morio kommen würde", "dass bei der Beeinträchtigung des Kleinen Knabenkrauts durch Stickstoffeinträge aus dem Autobahnbetrieb nicht von einem nur graduellen Funktionsverlust ausgegangen werden kann, sowie dass die Schadensbegrenzungsmaßnahme Düngeverzicht auf die autobahnbedingte Beeinträchtigung des Bestands des Kleinen Knabenkrauts nicht angerechnet werden kann", "dass die Beeinträchtigung der südlichen Flächen des Vorkommens des Kleinen Knabenkrauts langfristig dazu führen würde, dass das gesamte Vorkommen auf dem Hügel südlich Tänzers Loch beeinträchtigt würde", "dass die Beeinträchtigung des Vorkommens des prioritären Bestands des LRT *6210 auf dem Hügel südlich Tänzers Loch die Trittsteinfunktion zwischen den beiden Orchis morio-Beständen am Goldberg und bei Brachwitz beeinträchtigen würde und damit das Natura-2000-Netz in seiner Kohärenz beeinträchtigt würde" und "dass der LRT6210 hinsichtlich seiner charakteristischen Arten durch die Zerschneidungswirkungen der geplanten Autobahn erheblich beeinträchtigt würde" (Beweisantrag Nr. 28). Der Beweisantrag umfasst mehrere Tatsachenbehauptungen und zielt letztlich darauf ab, die FFH-Verträglichkeitsprüfung durch einen weiteren Sachverständigen vornehmen zu lassen. Hierzu besteht angesichts der bereits vorliegenden Verträglichkeitsuntersuchung mit den zugehörigen Fachberichten sowie dem Abwägungspapier zu HBEFA 3.3, die dem Stickstoffleitfaden und dem HBEFA folgen, kein Anlass. Dies gilt zunächst für die erste Behauptung, die nur allgemein die Frage einer erheblichen Beeinträchtigung des LRT *6210 durch Stickstoffeinträge betrifft. Die zweite Behauptung ist nicht entscheidungserheblich, weil sie eine (erhebliche) Beeinträchtigung des LRT *6210 und die Anwendung des Konzepts des graduellen Funktionsverlustes unterstellt, der Planfeststellungsbeschluss aber bereits eine Zusatzbelastung über dem Abschneidekriterium und damit das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung verneint, weshalb auch keine Umrechnung in Flächenäquivalente erfolgt. Die Frage der Anrechnung des Düngemittelverzichts zielt, soweit sie allgemein die Möglichkeit einer Anrechnung betrifft, auf eine rechtliche Bewertung, die dem Gericht vorbehalten bleibt; soweit die konkrete Berechnung gerügt wird, folgt diese, wie dargelegt, dem Stickstoffleitfaden und damit dem aktuell besten Erkenntnisstand. Die weiteren unter Beweis gestellten Behauptungen unterstellen jeweils eine erhebliche Beeinträchtigung des südlichen bzw. des gesamten Vorkommens des prioritären Lebensraumtyps im Bereich Tänzers Loch und gehen damit von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Die letzte Behauptung betrifft die Zerschneidungswirkung, zu der ebenfalls bereits ausreichende Fachgutachten vorliegen.

107 Entsprechendes gilt für den Antrag zum LRT 8230 zum Beweis der Tatsache, "dass die Bestände des LRT 8230 unmittelbar neben der Baugrube durch die Bautätigkeit erheblich beeinträchtigt werden oder sich derartige Beeinträchtigungen jedenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lassen", "dass der LRT 8230 auf einer Fläche von mindestens 3 145 m² durch vorhabenbedingte Stickstoffeinträge erheblich beeinträchtigt wird", "dass die nach Angaben in der FFH-VP außerhalb der Isolinie von 0,3 kg N/ha/a vorhabenbedingter Zusatzbelastung liegenden Flächen erheblich beeinträchtigt werden, weil von höheren Stickstoffeinträgen und damit einer Überschreitung der Bagatellschwelle von 0,3 kg N/ha/a auch in diesen Bereichen auszugehen ist", "dass die charakteristischen Tierarten des LRT 8230 durch die Beeinträchtigung der für sie erforderlichen Lebensräume durch Stickstoffeinträge erheblich beeinträchtigt werden" sowie "dass das Vorkommen des LRT 8230 eine wichtige Funktion im Biotopverbund hat und damit eine Beeinträchtigung dieses Vorkommens auch zu einer Beeinträchtigung des Netzes Natura-2000 führt" (Beweisantrag Nr. 31). Auch dieser Antrag setzt sich aus mehreren Tatsachenbehauptungen zusammen. Soweit er baubedingte Beeinträchtigungen des LRT 8230 thematisiert, werden diese im Bericht zur FFH-Verträglichkeitsprüfung erörtert (S. 130A) und wegen Ausweisung einer Bautabuzone mit Anlage eines Bauschutzzaunes (Maßnahmenblatt S4.1) verneint. Mit dieser konkreten Schutzmaßnahme setzt sich die Klägerin nicht auseinander, so dass ihrem Beweisantrag die Substanz fehlt, um Anlass für die Einholung eines weiteren Gutachtens zu bieten. Die weiteren Behauptungen betreffen letztlich das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung. Die gerügte Verrechnung mit dem Düngeverzicht und die Reduzierung auf ein Flächenäquivalent folgen dem Stickstoffleitfaden, zu der konkreten Berechnung liegen die Verträglichkeitsuntersuchung und Fachberichte vor; eines weiteren Gutachtens bedarf es nicht. Dies gilt auch für die erneut thematisierte Barrierewirkung.

108 cc) Die Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG, auf deren Grundlage das Vorhaben trotz der erheblichen Beeinträchtigung des FFH-Gebiets "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" zugelassen worden ist, hält der Kritik der Klägerin stand.

109 (1) Die vorgenommene Abwägung zwischen dem Integritätsinteresse des beeinträchtigten FFH-Gebiets und dem Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens weist keinen beachtlichen Fehler auf. Der Beklagte durfte vom Vorliegen zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne von § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG ausgehen.

110 Mangels erheblicher Beeinträchtigung von prioritären Lebensraumtypen bedurfte es keiner Mitwirkung der Europäischen Kommission nach § 34 Abs. 4 Satz 2 BNatSchG. Der Beklagte war deshalb auch nicht auf die in § 34 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG benannten qualifizierten Abweichungsgründe beschränkt, sondern durfte auch Gründe sozialer und wirtschaftlicher Art sowie weitere in § 34 BNatSchG nicht ausdrücklich benannte Belange berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 153).

111 (a) Für das Vorhaben streiten zwingende verkehrliche und verkehrspolitische Interessen. Das Vorhaben dient der Realisierung überregionaler und regional bedeutsamer Planungsziele. Der Planfeststellungsbeschluss verweist insoweit zu Recht auf die Vollendung des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 13 und des Autobahndoppelrings um Halle und Leipzig sowie die Erschließung des Halleschen Westens mit Entlastung der Stadt (PFB 2018 S. 386).

112 Das Vorhaben ist Teil der "Verkehrsprojekte Deutsche Einheit" und gehört zum Gesamtnetz des Transeuropäischen Verkehrsnetzes nach der Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 (ABl. L 348 vom 20.12 .2013 S. 1). Dies sind Gewichtungsvorgaben, die in der Interessenabwägung zugunsten des Vorhabens erheblich zu Buche schlagen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 159 und vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 74, jeweils m.w.N.). Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 13 schafft in seiner Gesamtkonzeption mit dem Neubau der A 38 und der A 143 eine leistungsfähige, großräumige Straßenverbindung zwischen den westdeutschen Ballungszentren im Ruhrgebiet und dem mitteldeutschen Ballungsgebiet um Halle/Leipzig unter Anbindung weiterer mitteldeutscher Ober- und Mittelzentren und Regionen aus dem süd-niedersächsischen, thüringischen und sachsen-anhaltinischen Raum an das übergeordnete Straßennetz. Durch diese Ost-West-Achse mit Weiterführung über die A 14 in Richtung Polen und Anbindung an großräumige Nord-Süd-Verbindungen wird auch das europäische Straßennetz verbessert. Mit der Realisierung des streitigen Autobahnabschnitts wird dieses Verkehrsprojekt abgeschlossen. Soweit die Klägerin geltend macht, wesentliche Funktionen des Projekts würden bereits ohne den streitgegenständlichen letzten Teilabschnitt erfüllt, überzeugt dies nicht. Erst durch die vollständige Realisierung des Straßenprojekts VDE Nr. 13 werden die angestrebten Verbindungsfunktionen vollumfänglich erfüllt und zur vollen Verkehrswirksamkeit geführt. Mit der Verwirklichung des Vorhabens wird zudem der Autobahndoppelring um Halle und Leipzig ("Mitteldeutsche Schleife") geschlossen und eine direkte Verbindung zwischen der A 38 und der A 14 westlich von Halle geschaffen. Dies dient der Entlastung der großräumigen Fernstraßen um Halle und Leipzig, insbesondere der A 9 und A 14 zwischen Kreuz Rippachtal, Schkeuditzer Kreuz und Halle-Nord. Auch diese Verbindungsfunktion wird erst durch den Netzschluss vollständig wirksam. Weitere Planungsziele sind die bessere verkehrliche Erschließung des Raumes westlich und nordwestlich von Halle mit Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz und Entlastung der Stadt von überregionalem Durchgangsverkehr. Dies fördert die Erreichbarkeit von Naherholungszielen und stärkt die dortigen Standortbedingungen für Gewerbe und Industrie.

113 Dem dargestellten öffentlichen Interesse an der Realisierung des Vorhabens hat der Beklagte zutreffend ein besonderes Gewicht beigemessen. Für das Vorhaben besteht nach dem aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ein gesetzlich festgestellter Verkehrsbedarf, dem entgegen der Auffassung der Klägerin auch bei der Abwägung mit den Interessen des Habitatschutzrechts ein besonderes Gewicht zukommt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 159 und vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 69). Dies präjudiziert allerdings die erforderliche Abweichungsprüfung nicht in jeder Hinsicht und reicht für sich genommen für die Begründung eines Vorrangs vor dem Habitatschutz nicht aus. Für die maßgebliche Frage, ob den für das Vorhaben streitenden Gemeinwohlbelangen ein derartiges Gewicht zukommt, dass sie sich gegenüber den widerstreitenden Belangen des Habitatschutzes durchsetzen, kommt es insbesondere darauf an, ob sich die benannten Ziele der Verkehrsplanung hinsichtlich ihrer Prognosebasis als hinreichend schlüssig und nachvollziehbar erweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 134). Das ist hier der Fall.

114 Der Beklagte stützt seine Abwägungsentscheidung maßgeblich auf die im Laufe des Planänderungs- und -ergänzungsverfahrens neu erstellte verkehrsplanerische Untersuchung der PTV AG vom 1. März 2012 (PTV 2012). Diese beruht auf einem Verkehrsmodell, das ausgehend von Raumstruktur- und Verkehrsverhaltensdaten das vorhandene und zu erwartende Verkehrsgeschehen im Untersuchungsraum für den Prognosehorizont 2025 berechnet und die Ist-Situation (Analysefall, bezogen auf das Jahr 2009) mit der prognostizierten Situation im Jahr 2025 ohne Realisierung des Vorhabens (Prognosenullfall) bzw. mit dessen Realisierung (Planfall) vergleicht. Im Ergebnis wird für den Planfall eine Verkehrsbelastung des streitgegenständlichen Autobahnabschnitts von 47 000 bzw. 43 500 Kfz/24h erwartet, die insbesondere aus einer Verlagerung von Verkehrsströmen von den Bundesautobahnen A 9 und A 14 auf die A 38 und A 143 in Höhe von 21 000 Kfz/24h resultiert.

115 Das Verkehrsgutachten ist geeignet, die vom Beklagten vorgenommene Gewichtung der verkehrlichen und verkehrspolitischen Interessen an der Realisierung des Vorhabens zu tragen, und hält der Kritik der Klägerin stand. Eine gesetzliche Vorgabe, nach welchen Methoden eine Verkehrsprognose im Einzelnen zu erstellen ist, gibt es nicht. Eine solche Prognose ist mit den zu ihrer Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der dafür erheblichen Umstände sachgerecht, d.h. methodisch fachgerecht zu erstellen. Die Überprüfungsbefugnis des Gerichts erstreckt sich allein darauf, ob eine geeignete fachspezifische Methode gewählt wurde, ob die Prognose nicht auf unrealistischen Annahmen beruht und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 30 und vom 15. Februar 2018 - 9 C 1.17 - BVerwGE 161, 180 Rn. 13).

116 Die Klägerin beanstandet, die angenommene Verkehrsnachfrage sei infolge fehlerhafter Daten- und Prognosegrundlagen insbesondere zur Bevölkerungsentwicklung zu hoch angesetzt, das Gutachten gehe von zu hohen Verkehrszahlen im Analysefall und von übertriebenen Verkehrssteigerungen im Prognosenullfall aus, unterstelle eine nicht plausible Entlastung der Stadt Halle für den Planfall 2025, überschätze die zukünftige Verkehrsbelegung auf der A 143 und berücksichtige nur die deutschlandweite Verflechtungsprognose für das Jahr 2025, nicht aber die aktuelle für das Jahr 2030. Die Klägerin stützt sich dabei erneut auf das Gutachten von V., das seinerseits die Einwendungen des NABU aus den Beteiligungsverfahren in den Jahren 2009 und 2011 wiederholt. Mit diesen Einwendungen setzt sich bereits der Planfeststellungsbeschluss auseinander (PFB 2018 S. 388 - 395). Auf diese Argumentation und die im Planfeststellungsbeschluss in Bezug genommenen Erläuterungen der Vorhabenträgerin und des Verkehrsgutachters, die in den Verfahrensakten dokumentiert ist, geht die Klägerin nicht konkret ein. Ihre Kritik ist bereits deshalb nicht geeignet, die nachvollziehbare und detaillierte Begründung im Planfeststellungsbeschluss ernsthaft in Zweifel zu ziehen.

117 Im Übrigen weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass aus einem Rückgang der Bevölkerung nicht ohne Weiteres auf einen entsprechenden Rückgang des Verkehrsaufkommens geschlossen werden kann; zudem kommt es auf die von der Klägerin hervorgehobene regionale Bevölkerungsentwicklung in Sachsen und Sachsen-Anhalt nicht entscheidend an, weil es im Wesentlichen um die Abwicklung von überregionalem Verkehr und Fernverkehr geht.

118 Der Beklagte hat die abschnittsweisen Verkehrsbelastungen der A 143 aus der Projektprognose 2025 den Bedarfsplanprognosen für 2025 und 2030 gegenübergestellt (Stellungnahme des Verkehrsgutachters vom 8. November 2018 - PTV 2018 - zu S. 130). Danach werden die Ergebnisse der Projektprognose durch die Umlegungsergebnisse der Bedarfsplanprognose 2030 bestätigt. Zu diesen Zahlen hat sich die Klägerin nicht geäußert.

119 Die von der Klägerin zum Analysefall vorgetragenen Zahlen zum Verkehrsaufkommen 2009 werden nicht näher belegt. Ihre Rüge ist zudem teilweise überholt, weil ein beanstandeter Analysewert (zum Bereich Kröllwitzer Straße) in der aktuellen Fassung des Verkehrsgutachtens geändert bzw. die vermissten Daten (A 14 westlich des Schkeuditzer Kreuzes) erhoben worden sind. Ein direkter Vergleich mit den von ihr benannten Werten ist wegen der abweichenden Bezeichnungen der Straßenabschnitte zudem kaum möglich. Das Verkehrsgutachten hat zur Kalibrierung der Verkehrsbelastungen auf Daten von Verkehrszählungen zurückgegriffen. Die Gegenüberstellung der modellierten Analysewerte mit den jeweiligen Zähldaten ergibt, dass die modellierten Werte teilweise über und teilweise unter den verglichenen Zählwerten liegen; der Vorwurf "deutlich zu hoher Verkehrszahlen" wird damit entkräftet.

120 Soweit die Klägerin rügt, eine Entlastung der Stadt Halle von Durchgangsverkehr werde nicht erreicht, weil kaum verlagerungsfähiger Durchgangsverkehr bestehe, der Beklagte gehe zu Unrecht von unzureichenden Verkehrsverhältnissen im Raum Halle aus, überzeugt dies nicht. Die von der Klägerin zum Beleg angeführte Verkehrsdatenerhebung der Stadt Halle vom 6. Mai 2009 ist als Momentaufnahme nicht geeignet, allgemeingültige Aussagen zum Durchgangsverkehr in Halle zu stützen. Das Verkehrsgutachten belegt im Übrigen durchaus eine gewisse Entlastung der Stadt von Durchgangsverkehr. Die Berechnung, wonach die Stadt bei Realisierung des Vorhabens im Vergleich zum Prognosenullfall insgesamt und insbesondere im Bereich der Saalequerung um ca. 6 000 Kfz/24h auf der B 80 entlastet wird (PTV 2012 S. 37), wird von der Klägerin nicht nachhaltig erschüttert. In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass die Frage des Durchgangsverkehrs in Halle für die Erreichung der mit der A 143 verfolgten verkehrlichen und verkehrsplanerischen Ziele nur von untergeordneter Bedeutung ist, weil es hier im Wesentlichen um die Verlagerung überregionaler Verkehrsströme und die Stärkung der Fernverkehrsbeziehungen geht.

121 Die Rügen, die prognostizierten Verkehrssteigerungen für den Prognosenullfall 2025 seien unrealistisch und die Verkehrsbelegung auf der A 143 für den Planfall überschätzt, wiederholen lediglich Beanstandungen des NABU aus dem Jahre 2011, ohne dass sich die Klägerin mit der dazu ergangenen Stellungnahme der Vorhabenträgerin auseinandersetzt.

122 Zu keiner anderen Beurteilung führt schließlich die Bezugnahme der Klägerin auf den Abschlussbericht "Überprüfung Notwendigkeit der Autobahn-Westumfahrung Halle - BAB 143" des Planungsbüros ... (SVU D.) vom 21. November 2013 sowie dessen Teilfortschreibung und Teilaktualisierung vom 11. Februar 2019. Das im Auftrag der Fraktion Bündnis 90/die Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt erstellte Gutachten sollte nach seiner Zielsetzung die verkehrliche Notwendigkeit der A 143 unter Berücksichtigung der bestehenden Siedlungs- und Verkehrsnetzstrukturen wegen der mit dem Trassenneubau verbundenen "erheblichen Eingriffe in den Landschafts- und Naturraum" und der "sehr hohen Kosten" überprüfen; dabei sollte die Verkehrsuntersuchung der PTV AG analysiert und kritisch hinterfragt werden. Das Gutachten basiert nicht auf einer eigenen Datenerhebung oder Modellierung von Verkehrsströmen, sondern greift auf bereits vorhandene Datensätze verschiedener Quellen zurück und nimmt auf dieser Grundlage eine verkehrsplanerische Bewertung zur Notwendigkeit der Trasse vor mit dem Ergebnis, dass kein Bedarf für die A 143 besteht. Es handelt sich somit um die fachliche Stellungnahme eines Planungsbüros, die im politischen Meinungsbildungsprozess im Land Sachsen-Anhalt eingeholt worden ist, und lediglich eine andere Bewertung der vorhandenen Daten und Modellierung vornimmt. Seine Aussagekraft zur Erschütterung des vom Beklagten zugrundegelegten Verkehrsgutachtens ist deshalb bereits im Ansatz eingeschränkt.

123 Die Frage nach dem Verkehrsbedarf für die A 143 ist - wie ausgeführt - bereits durch die gesetzliche Bedarfsfeststellung für die Planfeststellung und die gerichtliche Überprüfung bindend beantwortet. Dies kann nicht dadurch in Zweifel gezogen werden, dass alternative verkehrsplanerische Möglichkeiten, die sich schwerpunktmäßig mit der regionalen verkehrlichen Situation in der Umgebung von Halle befassen, aufgezeigt werden, ohne die Bedeutung der A 143 als Teil einer Fernverkehrsverbindung im großräumigen Planungskontext zu berücksichtigen. Im Übrigen hat der NABU die ursprüngliche Fassung des Gutachtens bereits als Einwendung in das Planfeststellungsverfahren eingebracht und die Vorhabenträgerin sowie der Planfeststellungsbeschluss haben hierzu ausführlich Stellung genommen, ohne dass sich die Klägerin damit nunmehr näher auseinandersetzt. Schließlich ist auch die Teilaktualisierung des Gutachtens vom 11. Februar 2019 nicht geeignet, die Validität der Verkehrsprognose in Zweifel zu ziehen.

124 (b) Die Abwägung des Beklagten, wonach die dargestellten Gründe des öffentlichen Interesses das Interesse an der Integrität des FFH-Gebiets "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" überwiegen, hält der Überprüfung stand. Insoweit müssen keine unausweichlichen Sachzwänge vorliegen. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL setzt lediglich ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln voraus (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 72 m.w.N.).

125 Der Beklagte hat festgestellt, dass durch das Vorhaben zwei zu den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets zählende (nicht prioritäre) Lebensraumtypen durch vorhabenbedingte Stickstoffeinträge erheblich beeinträchtigt werden. Der LRT 6210 (Naturnahe Kalk-Trockenrasen und deren Verbuschungsstadien) ist danach - nach Anwendung des Konzepts gradueller Funktionsverluste und auf der Grundlage von HBEFA 3.3 - von Stickstoffeinträgen in einem Flächenäquivalent von 4 413 m² betroffen, was in Verbindung mit einem anlagebedingten Flächenverlust von weiteren 126 m² als Flächenverlust von insgesamt 4 539 m² zu bewerten ist (PFB 2018 S. 363 f.). Der LRT 8230 (Silikatfelsen mit Pioniervegetation - Felstrockenrasen) ist mit einem Flächenäquivalent von 448 m² betroffen (PFB 2018 S. 370 f.). Diese Einschätzung ist - wie dargelegt - nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin geltend gemachte "Infizierung" der Abweichungsentscheidung infolge fehlerhafter Identifizierung und Quantifizierung der Erheblichkeit der vorhabenbedingten Beeinträchtigungen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 114) liegt nicht vor.

126 Die Entscheidung des Beklagten, der Realisierung des im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen mit der höchsten Dringlichkeitsstufe enthaltenen Vorhabens Vorrang vor den Nachteilen für den FFH-Gebietsschutz einzuräumen (PFB 2018 S. 397 f.), lässt keinen Abwägungsfehler erkennen. Der Beklagte hat in seine Abwägung eingestellt, dass die Gebietsbeeinträchtigung keine prioritären Elemente betrifft und sich auf Bereiche erstreckt, die zwar für die Gebietsvernetzung von Bedeutung sind, aber nicht den Schwerpunkt der geschützten Elemente bilden, und hat zudem auf die Vorbelastung des Bereichs durch die bestehende landwirtschaftliche Nutzung verwiesen. Dass er vor diesem Hintergrund die erhebliche Beeinträchtigung wegen der Steigerung von Verkehrssicherheit und Verkehrsfluss, des wirtschaftlichen Nutzens durch die Zeit- und Fahrtkosteneinsparung und damit wegen der Verbesserung von Kernbestandteilen eines funktionierenden Verkehrsnetzes als gerechtfertigt ansieht, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die ergänzenden Hinweise auf die Erschließungswirkung des Vorhabens und die Entlastung der Stadt Halle von Durchgangsverkehr, verbunden mit der Minderung verkehrsbedingter schädlicher Umwelteinwirkungen, wobei der Beklagte bereits kleine Verbesserungen als relevant einordnet.

127 Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte nicht gehalten, die verkehrlichen Belange aus Gründen des Klimaschutzes geringer zu gewichten. Im Gegensatz zur allgemeinen fachplanerischen Gesamtabwägung, die alle von der Planung berührten Aspekte und Interessen in den Blick zu nehmen hat, ist die im Rahmen des § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG vorzunehmende Interessenabwägung eine bipolare Abwägung, bei der die für das Vorhaben streitenden öffentlichen Interessen den entgegenstehenden naturschutzfachlichen Belangen gegenübergestellt und nur diese beiden Abwägungsgegenstände bewertet und gewichtet werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 C 1.06 -, BVerwGE 128, 76 Rn. 22 und vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 -, BVerwGE 134, 166, Rn. 13; Möckel, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 34 Rn. 141). Eine "Saldierung" aller für und gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen Interessen findet in diesem Zusammenhang nicht statt (vgl. Ewer, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 34 Rn. 53). Für die von der Klägerin geforderte gesonderte Berücksichtigung der Anforderungen des globalen Klimaschutzes als einen weiteren selbständigen Gemeinwohlbelang, der auf der "Haben-Seite" des Vorhabens vermindernd hätte eingestellt werden müssen, besteht daher kein Raum. Der Gesichtspunkt des Klimaschutzes führt auch nicht dazu, dass der Verkehrsbedarf als solcher von geringerem öffentlichem Interesse wäre. Die von der Klägerin angesprochene Umsteuerung der Verkehrspolitik zugunsten des Klimaschutzes ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, der sich im vorliegenden Fall in Kenntnis auch seiner europarechtlichen Verpflichtungen zum Klimaschutz für die Beibehaltung der gesetzlichen Feststellung eines hohen verkehrlichen Bedarfs entschieden hat. Vor diesem Hintergrund war der Beklagte nicht gehalten, bei der Gewichtung des öffentlichen Interesses an der Verwirklichung des Vorhabens den Verkehrsbedarf unter Klimaschutzgesichtspunkten in Zweifel zu ziehen.

128 (c) Den von der Klägerin gestellten Anträgen auf Einholung von Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsachen, "dass der regionale Verkehr, der im Westen von Halle stattfindet, nicht über die Ortslage Halle abgewickelt wird" und "dass der Durchgangsverkehr für die Verkehrsbelastung von Halle nur eine geringfügige Rolle spielt, so dass die Autobahn hier zu keiner spürbaren Entlastung beitragen kann" (Beweisantrag Nr. 33), "dass der nördliche Teil der Westumfahrung Halle nicht geeignet ist, angebliche Umwegfahrten innerhalb des Stadtgebietes aufzunehmen und damit das Stadtgebiet von derartigen Umwegfahrten zu entlasten" (Beweisantrag Nr. 35), "dass der nördliche Teil der Westumfahrung Halle nicht geeignet ist, das Stadtgebiet Halle von Durchgangsverkehr in signifikanter Größenordnung zu entlasten" (Beweisantrag Nr. 36) und "dass sich das dem Planfeststellungsbeschluss i.d.F. des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses zugrunde liegende Entlastungspotenzial weder für die Bundesstraße 80 noch für das nachgeordnete Verkehrsnetz in Halle realisieren wird (siehe im Einzelnen die benannten Straßen in der Stellungnahme V. unter Ziff. 3.4.4)" (Beweisantrag Nr. 43), war nicht nachzukommen. Sie betreffen verschiedene Aspekte der Abwicklung von Verkehrsbeziehungen in der Stadt Halle und Fragen der Entlastung der Stadt vom Durchgangsverkehr. Dieser Gesichtspunkt stellt jedoch nur eines von mehreren Planungszielen dar und spielt in der Abweichungsentscheidung erkennbar nur eine untergeordnete Rolle. Die Abwägung des Beklagten stellt tragend auf die Steigerung von Verkehrssicherheit und Verkehrsfluss sowie den wirtschaftlichen Nutzen der Verkehrsverlagerung ab und führt die Entlastung der Stadt Halle lediglich als zusätzlichen Aspekt an. Zudem gibt es bereits Gutachten und fachliche Stellungnahmen, die ausreichen, um dem Senat die erforderliche Sachkenntnis zu vermitteln. Neben dem Verkehrsgutachten der PTV AG von 2012 liegt das Gutachten der SVU D. aus dem Jahr 2013 vor. Daneben haben die Beteiligten im Laufe des Verfahrens weitere fachliche Stellungnahmen der Gutachter eingereicht und zudem die Verkehrszählung in Halle aus dem Jahr 2009 sowie zuletzt eine weitere Verkehrsuntersuchung aus dem Jahr 2015 vorgelegt. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass zur Einholung eines weiteren Verkehrsgutachtens zum innerstädtischen Verkehr in Halle.

129 Entsprechendes gilt für den Antrag auf Einholung eines Gutachtens dazu, "dass es mit der Inbetriebnahme des hier streitgegenständlichen Teilstücks der BAB 143 nicht zu den prognostizierten Reduzierungen von Verkehr in der Ortslage Halle kommt und somit auch nicht mit der zugrunde gelegten Reduzierung verkehrsbedingter Schadstoffbelastungen gerechnet werden kann" und "dass sich die Gesundheitssituation in den von der Autobahn betroffenen Ortslagen aufgrund erhöhter Immissionen verschlechtern würde" (Beweisantrag Nr. 37). Auch dem Aspekt der Verminderung schädlicher Umwelteinwirkungen kommt in der Abwägung des Beklagten nur eine ergänzende Rolle zu. Sollte der Antrag auf das Vorliegen von qualifizierten Abweichungsgründen i.S.d. § 34 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG abzielen, kommt es darauf nicht an, weil keine prioritären Lebensraumtypen betroffen sind.

130 (2) Die Alternativenprüfung nach § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG ist nicht zu beanstanden.

131 Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe zu Unrecht die im Planungskorridor verlaufende Variante 2N6A, die das FFH-Gebiet "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" weiter im Osten quert, als unzumutbare Alternative ausgeschieden, fehlt ihr bereits die Rügebefugnis. Denn diese Variante nimmt erst nördlich der Saalequerung einen anderen Verlauf als die planfestgestellte Trasse, so dass eine Entscheidung des Beklagten für diese von der Klägerin für habitatschutzrechtlich günstiger erachtete Trassenführung an dem Ausmaß der Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks und ihrer Eigentumsbetroffenheit nichts ändern würde.

132 Auch die Variante 2 im Alternativkorridor Wettin-Dobis, die weiter im Westen liegt und eine Querung des FFH-Gebiets "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" vermeidet, aber durch das FFH-Gebiet "Salzatal bei Langenbogen" führt, ist rechtsfehlerfrei als nicht zumutbar eingeschätzt worden. Da diese Alternative außerhalb des Planungskorridors verläuft, durfte der Beklagte sich hier auf eine summarische Würdigung des Beeinträchtigungspotentials beschränken (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 75). Er hat sich dabei der Einschätzung der Vorhabenträgerin angeschlossen, dass erhebliche Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets "Salzatal bei Langenbogen" nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen seien, weil im Querungsbereich mit der Salza vorsorglich Teilflächen anzunehmen seien, die durch geeignete Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen die Qualität des prioritären LRT 1340* (Salzwiesen im Binnenland) erlangen und durch die Verschattungswirkung der anzulegenden Brücke mit einer eventuellen langfristigen Versüßung des Bodens möglicherweise erheblich beeinträchtigt werden könnten. Bei der Gegenüberstellung der Betroffenheiten hat der Beklagte die Beeinträchtigungen im Falle der Realisierung der Variante 2 im Alternativkorridor Wettin-Dobis wegen der größeren relativen Betroffenheit und der Beeinträchtigung eines prioritären Lebensraumtyps als schwerwiegender und die Variante jedenfalls nicht als habitatschutzrechtlich günstigere Alternative erachtet und zudem auf die größere Inanspruchnahme von Boden und deutlich höhere Kosten verwiesen (PFB 2018 S. 417-422). Diese Argumentation ist nicht zu beanstanden. Die Begründung für die nicht auszuschließende erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets "Salzatal bei Langenbogen", die der vertiefenden Verträglichkeitsprüfung im Erläuterungsbericht zur Ausnahmeprüfung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL (Planunterlage 12.5.4.1) folgt und sich auch mit den vom NABU bereits im Beteiligungsverfahren geäußerten Bedenken auseinandersetzt, erscheint plausibel und wird durch die bloße Wiederholung der Bedenken in der Klagebegründung nicht wirksam in Zweifel gezogen.

133 (3) Die Kritik der Klägerin an den vorgesehenen Kohärenzsicherungsmaßnahmen greift nicht durch. Mit ihrer Argumentation, der Kohärenzausgleich werde verfehlt, weil die erheblichen Beeinträchtigungen der FFH-Gebiete "Muschelkalkhänge westlich Halle" und "Dölauer Heide und Lindbusch bei Halle" verkannt, die vorhabenbedingten tatsächlichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" unterschätzt, die Ausgleichsmaßnahmen teilweise auf solchen Flächen geplant würden, die eigentlich als "faktisches FFH-Gebiet" zu behandeln seien, und zudem ein Erhalt des Natura-2000-Netzes wegen der Zerschneidungswirkung der Autobahn nicht möglich sei, wiederholt die Klägerin ihre gegen die FFH-Verträglichkeitsprüfung erhobenen Rügen, die aus den bereits dargelegten Gründen keinen Erfolg haben.

134 d) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen Regelungen des Artenschutzrechtes berufen.

135 aa) Die Rüge, hinsichtlich der beiden Fledermausarten Mopsfledermaus und Großes Mausohr sei der Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt und der Beklagte habe das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG nicht geprüft, betrifft die Fledermausproblematik im südlichen Bereich der geplanten Autobahn, die keinen Einfluss auf die Trassenführung in der Gegend des klägerischen Grundstücks am Saaleufer hat, so dass die Klägerin insoweit wiederum nicht rügebefugt ist.

136 bb) Das tatsächliche Vorkommen des streng geschützten Weißstorches wird im Planfeststellungsbeschluss zu Recht verneint. Die Klägerin wiederholt nur ihre Einwendungen aus den Beteiligungsverfahren der Jahre 2012 und 2013 und bezieht sich insbesondere auf Fotografien vom 3. Mai 2013, die Störche auf einem Schornstein des Unternehmens zeigen, der 110 m von der geplanten Autobahntrasse entfernt sein soll. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgeführt hat (Beschluss vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - NVwZ 2018, 1653 Rn. 20), gibt dieser unsubstantiierte Vortrag keinen Anlass, die Richtigkeit der sachverständig gestützten, nachvollziehbar begründeten Annahme der Planfeststellungsbehörde, es habe sich hierbei lediglich um Rastvögel gehandelt (PFB 2018 S. 571), in Zweifel zu ziehen. Die vom Beklagten vorgelegte gutachterliche Stellungnahme vom 12. November 2018 erläutert plausibel, warum ein Brutvorkommen des Weißstorchs an der von der Klägerin bezeichneten Stelle auszuschließen ist, und verweist auf entsprechende Belege. Neben der von der Klägerin kritisierten Methode der Befragung von Ortsansässigen, für deren methodische Zulässigkeit Nachweise angegeben werden, wird auf wiederholte Brutvogelkartierungen, die Befragung mehrerer Experten in den Jahren 2014 und 2016, wiederholte Ortsbesichtigungen sowie die Auswertung der vorgelegten Fotos Bezug genommen. Diese überzeugenden Ausführungen zieht die Klägerin nicht substantiiert in Zweifel. Ihr pauschaler Einwand, im Hinblick auf die Kernbrutzeit von Mitte Mai bis Mitte Juni seien Inaugenscheinnahmen im April 2014 oder November 2016 nicht geeignet gewesen, das Weißstorchvorkommen zu überprüfen, genügt nicht, zumal sie sich weiterhin lediglich auf die genannten Fotografien stützt, die einmalige Beobachtungen wiedergeben. Aktuellere Nachweise oder auch nur Anzeichen für ein Weißstorch(brut)vorkommen im Bereich des Betriebsgeländes der Klägerin ab dem Jahr 2014 liegen nicht vor. Mit dem Argument des Beklagten, selbst die vorhandenen Fotos belegten keine Brut auf dem Schornstein, setzt sich die Klägerin nicht auseinander.

137 Angesichts der vom Beklagten eingeholten und im Planfeststellungsbeschluss referierten zahlreichen Informationen und fachlichen Stellungnahmen sowie durchgeführten Ortsbesichtigungen besteht kein Anlass zur Einholung des von der Klägerin beantragten (weiteren) Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, "dass der auf dem Betriebsgelände der Klägerin befindliche Schornstein als Brutplatz für Weißstörche dient" (Beweisantrag Nr. 9), zumal nicht ersichtlich ist, auf welcher Grundlage ein Gutachter die Situation auf dem genannten Schornstein zum maßgeblichen Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses rekonstruieren sollte.

138 5. Die Kritik der Klägerin an der Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots, mit der sie im Wesentlichen ihre Einwendungen aus den Beteiligungsverfahren in den Jahren 2016 und 2017 wiederholt, greift nicht durch. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob sie insoweit rügebefugt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl. 2018, 1418 Rn. 51 ff.).

139 a) Der Planfeststellungsbeschluss prüft und bejaht die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik - Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) - und der §§ 27, 47 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und stützt sich dabei auf den wasserrechtlichen Fachbeitrag vom 15. Februar 2017 (künftig: Fachbeitrag). Entgegen der Auffassung der Klägerin sind dabei keine relevanten Gewässer unberücksichtigt geblieben.

140 Nach den planfestgestellten Unterlagen soll die Oberflächenentwässerung des anfallenden Niederschlags über die Hauptvorfluter Saale, Benkendorfer Bach, Würdebach, Teichgrund und Morler Bach erfolgen. Der Fachbeitrag untersucht die Auswirkungen des Vorhabens auf die drei Oberflächenwasserkörper (OWK) SAL06OW01-00 "Saale von Weiße Elster bis Wipper" (OWK Saale), SAL06OW05-00 "Salza" (OWK Salza) und SAL06OW07-00 "Würdebach" (OWK Würdebach) sowie zwei Grundwasserkörper; für die drei Fließgewässer Benkendorfer Bach, Morler Bach und Teichgrund wurden keine Wirkungsprognosen erarbeitet. Begründet wird dies damit, dass es sich nicht um eigenständige Wasserkörper im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie handele und die Einleitungen in diese Nebengewässer bei den Einmündungen in die Hauptgewässer der Oberflächenwasserkörper berücksichtigt würden. Dieser Ansatz ist nicht zu beanstanden.

141 Die Bewirtschaftungsziele des § 27 WHG gelten zwar nach ihrem Wortlaut für alle oberirdischen Gewässer ungeachtet ihrer Größe. Die Prüfung des Gewässerzustands erfolgt jedoch bezogen auf den jeweiligen Wasserkörper, wie sich aus § 3 Nr. 8 WHG ergibt. Oberflächenwasserkörper sind nach § 3 Nr. 6 WHG einheitliche und bedeutende Abschnitte eines oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers. Aus Anlage 1 Nr. 2.1 OGewV folgt, dass Fließgewässer erst ab einem Einzugsgebiet von 10 km² die Mindestgröße für ein kategorisierbares Oberflächengewässer erreichen; kleinere Fließgewässer werden bei der Einteilung in Kategorien und der Festlegung von Lage und Grenzen nicht berücksichtigt und sind "nicht berichtspflichtig" im Rahmen des nach § 83 WHG aufzustellenden Bewirtschaftungsplans. Bei den Fließgewässern Morler Bach und Teichgrund handelt es sich um solche nicht berichtspflichtigen Kleingewässer. Für sie gilt, dass dem Verschlechterungsverbot dadurch entsprochen werden kann, dass die Kleingewässer so bewirtschaftet werden, dass der festgelegte Oberflächenwasserkörper die Bewirtschaftungsziele erreicht (BVerwG, Urteile vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - BVerwGE 156, 215 Rn. 101 ff. und vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - NVwZ 2019, 1202 Rn. 44), hier also der im Fachbeitrag und Planfeststellungsbeschluss berücksichtigte OWK Saale, in den die beiden Kleingewässer einmünden. Dass bezogen auf die Kleingewässer das Verschlechterungsverbot nicht gesondert zu prüfen ist, entspricht auch der von der Klägerin angeführten "Handlungsempfehlung Verschlechterungsverbot" der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) vom 16./17. März 2017 (LAWA-Handlungsempfehlung). Danach gilt das Verschlechterungsverbot bei Einwirkungen auf kleinere Gewässer, die selbst keine Wasserkörper sind und die auch keinem benachbarten Wasserkörper zugeordnet worden sind, nur insoweit, als es in einem Wasserkörper, in den das kleinere Gewässer einmündet oder auf den es einwirkt, zu Beeinträchtigungen kommt; Verschlechterungen sind bezogen auf diesen Wasserkörper zu beurteilen (LAWA-Handlungsempfehlung Ziff. 2.1.2.1 S. 4). Dies gilt auch für den Benkendorfer Bach, der dem OWK Salza zugeordnet ist. Er ist zwar Teil dieses im Bewirtschaftungsplan erfassten Oberflächenwasserkörpers und unterliegt in diesem Rahmen der Berichtspflicht. Verschlechterungen sind aber auch hier nur bezogen auf "diesen Wasserkörper", also den Oberflächenwasserkörper als solchen, zu beurteilen. Maßgeblich für die Prüfung ist der Zustand des betroffenen Wasserkörpers insgesamt. Veränderungen in einzelnen Abschnitten sind nur relevant, soweit sie sich auf den allgemeinen Gewässerzustand des Wasserkörpers auswirken; entscheidend bei Oberflächenwasserkörper ist daher die Beurteilung an der repräsentativen Messstelle (LAWA-Handlungsempfehlung Ziff. 2.1.3. S. 8.). Das Fehlen von Messungen direkt in den Kleingewässern, in die entwässert wird, ist somit entgegen der Rüge der Klägerin nicht zu beanstanden.

142 b) Die Kritik der Klägerin, der Beklagte habe unter Rückgriff auf Schwellenwerte und Bagatellgrenzen im Fachbeitrag eingeräumte Beeinträchtigungen relativiert und nicht berücksichtigt, dass bei der Salza und dem Würdebach, die in der niedrigsten Klasse eingeordnet worden seien, jede auch noch so geringfügige Verschlechterung auch nur einer einzelnen Qualitätskomponente gegen das Verschlechterungsverbot verstoße und unzulässig sei, ist unbegründet.

143 Im Hinblick auf das von der Klägerin zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​433] - ist allerdings geklärt, dass eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V WRRL um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Das Verschlechterungsverbot gilt dabei für jeden Typ und jeden Zustand eines berichtspflichtigen Oberflächenwasserkörpers. Ist die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine "Verschlechterung des Zustands" eines Oberflächenwasserkörpers dar (EuGH a.a.O. Rn. 50, 70). Von wesentlicher Bedeutung sind dabei die biologischen Qualitätskomponenten. Dies ergibt sich aus der in Anhang V WRRL formulierten Beschreibung der Qualitätskomponenten, die in § 5 Abs. 4 OGewV aufgegriffen wird. Danach ist für die Bewertung des ökologischen Zustands bzw. Potenzials maßgeblich auf die jeweils schlechteste Bewertung einer der biologischen Qualitätskomponenten abzustellen, wobei die hydromorphologischen und die allgemeinen physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten unterstützend heranzuziehen sind. Eine negative Veränderung dieser unterstützenden Qualitätskomponenten (auch solcher in der niedrigsten Klassenstufe) reicht daher für die Annahme einer Verschlechterung nicht aus; vielmehr muss die Veränderung zu einer Verschlechterung einer biologischen Qualitätskomponente führen (BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 496 ff. und vom 29. Mai 2018 - 7 C 18.17 - NVwZ 2018, 1734, Rn. 14; vgl. auch Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - NVwZ 2019, 1202 Rn. 29). Eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines Oberflächenwasserkörpers liegt vor, sobald durch ein Vorhaben mindestens eine Umweltqualitätsnorm im Sinne der Anlage 8 OGewV überschritten wird (BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - a.a.O. Rn. 37). Dieser Ansatz liegt auch dem Fachbeitrag und dem darauf gestützten Planfeststellungsbeschluss zugrunde.

144 Soweit die Klägerin unter Hinweis auf bestimmte Formulierungen im Fachbeitrag die Anwendung von Schwellenwerten und Bagatellgrenzen rügt, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kein Raum für Erheblichkeitsschwellen, die auf einer Interessenabwägung beruhen (Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - Rn. 68). Dies gilt jedoch nicht für fachlich begründete Grenzen, die sich auf die praktische Messbarkeit bzw. Nachweisbarkeit von Auswirkungen beziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 Rn. 109 <insoweit nicht abgedr. in BVerwGE 156, 215>; s. auch LAWA-Handlungsempfehlung Ziff. 2.5 S. 35 f.). Auch die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Zustandsklassen erlaubt und erfordert die Betrachtung von Grenzwerten. In diesem Sinne sind drei der von der Klägerin beanstandeten Formulierungen zu verstehen, wonach bestimmte Stoffkonzentrationen unterhalb bzw. nicht oberhalb der Schwellenwerte für einen guten ökologischen Zustand liegen (Fachbeitrag S. 182 und 184 zur Konzentration von Phosphor, Eisen und Sulfat). Diese Aussagen beschreiben schon keine negative Veränderung oder Verschlechterung. Auch die übrigen drei gerügten Formulierungen (Fachbeitrag S. 180 "signifikante Veränderung", S. 181 "kann ... vernachlässigt werden" und S. 183 "moderate Konzentrationserhöhung") erlauben nach dem Gesamtzusammenhang nicht den Rückschluss, dass der Beklagte hier messbare Veränderungen ausgeblendet hätte, weil er sie etwa im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung für nicht erheblich erachtet hätte.

145 c) Die Kritik der Klägerin, die "geschönte" Darstellung im Fachbeitrag unter Verwendung von Jahresmittelwerten werde dem tatsächlichen Eintrag etwa von Chlorid in den Wintermonaten nicht gerecht, ist unbegründet. Die Orientierung an Jahresmittelwerten entspricht den Vorgaben der Oberflächengewässerverordnung (für Chlorid Anlage 7 Tabelle 2.1 .2 Fn. 4 OGewV). Im Übrigen hat der Beklagte im Rahmen einer worst-case-Betrachtung auch ein Extremszenarium mit maximaler repräsentativer Tausalzverbrauchsmenge und mittleren Niedrigwasserverhältnissen in die Prüfung einbezogen und auch für diesen Fall eine Verschlechterung des ökologischen Zustands der relevanten Oberflächenwasserkörper ausgeschlossen (PFB 2018 S. 495). Dieser nachvollziehbar begründeten Darstellung tritt die Klägerin nicht substantiiert entgegen.

146 d) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, der Fachbeitrag berücksichtige die relevanten Stoffe und Stoffparameter nur unvollständig, es fehle etwa eine Betrachtung von Feinstaub bzw. Rußpartikeln, Graphit, Asbest, lungengängigen Glasfaserpartikeln, Verschleißschutzmitteln in Motorölen, Frostschutzmitteln von Scheibenwaschanlagen, Kühlflüssigkeiten des Motors und oberflächenaktiven Stoffen sowie von Komplexmitteln und Tensiden.

147 Der Fachbeitrag nimmt eine umfängliche Literaturrecherche und -auswertung zu möglichen Schadstoffen und Schadstoffkonzentrationen in Straßenabwässern vor (Tab. 4.1 bis 4.3 , Fachbeitrag S. 47 ff.) und folgt auf dieser Grundlage dem in der Oberflächengewässerverordnung vorgegebenen Prüfprogramm. Betrachtet werden die in Anlagen 6 und 8 OGewV aufgelisteten Stoffe, für die Umweltsqualitätsnormen zur Beurteilung des ökologischen und chemischen Zustands bestimmt sind, sowie die in Anlage 7 genannten (Schwellen-)Werte für Temperatur und Temperaturerhöhung und für bestimmte Stoffparameter. Die Klägerin setzt sich weder mit den Ausführungen zu den bei der Straßenentwässerung relevanten Schadstoffen und Parametern noch mit den Vorgaben der Oberflächengewässerverordnung inhaltlich auseinander, sondern beschränkt sich auf allgemeine Erwägungen zur Schädlichkeit verschiedener Stoffe ohne substantiierte Begründung, warum diese genauer hätten betrachtet werden sollen. Dies genügt nicht, um den plausibel begründeten Fachbeitrag in Zweifel zu ziehen, zumal vergleichbare Einwendungen bereits im angefochtenen Beschluss unter Hinweis auf die fehlende Relevanz oder den fehlenden analytischen Nachweis der Parameter zurückgewiesen worden sind (PFB 2018 S. 595 zu Tensiden und Feinstaub, S. 598 in Bezug auf Glykole und Alkohole in Frostschutzmitteln), ohne dass die Klägerin hierzu Stellung nimmt.

148 e) Fehler bei der Analyse des Grundwassers sind nicht ersichtlich. Die Rüge der Klägerin, die Grundwasseranalyse im Bereich Halle-Neustadt sei nicht repräsentativ, geht ins Leere, weil die Messstelle "Friedhof Halle Neustadt" auch vom Beklagten als nicht als repräsentativ angesehen worden ist (PFB 2018 S. 581).. Zur maßgeblichen Messstelle "Müllerdorfer Born" und den dort gewonnenen Messergebnissen verhält sich die Klage nicht.

149 f) Die Kritik der Klägerin, durch die Einschnitte in die Landschaft und das Setzen von Brückenpfeilern würden die Grundwasserströme erheblich gestört, die physikalische bzw. mechanische Beeinträchtigung des Grundwasserkörpers seien nicht berücksichtigt und eine Zerschneidung und Zerstörung des Grundwasserleiters nicht untersucht worden, ist unbegründet.

150 Der Planfeststellungsbeschluss setzt sich mit diesen schon im Beteiligungsverfahren vorgebrachten Einwendungen auseinander (PFB 2018 S. 596), erläutert, warum das Setzen der Brückenpfeiler im Bereich der Saaleaue die ursprünglichen Verhältnisse nicht dauerhaft verändern werde, und weist darauf hin, dass sich die Trassenabschnitte in Einschnittlage in Bereichen mit einem ausreichenden Grundwasserflurabstand befänden und die Trasse in den übrigen Bereichen in Dammlage ausgeführt werde, womit ein Eingriff in die grundwasserführenden Schichten vermieden werde. Dieser plausiblen Darstellung tritt die Klägerin nicht substantiiert entgegen, sondern beschränkt sich auf Vermutungen zu möglichen Auswirkungen. Die auch in diesem Zusammenhang vorgelegte Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. S. setzt sich lediglich abstrakt mit der Problematik auseinander ohne Kenntnis der konkreten geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse. Der Vorwurf der Klägerin, es fehle an Unterlagen und Untersuchungen zur Beschaffenheit der Böden über und im Grundwasserleiter, berücksichtigt nicht die im Planfeststellungsverfahren eingeholten und im Fachbeitrag erwähnten Baugrundgutachten und die zahlreichen Anlagen des Fachbeitrages u.a. zum Grundwasserflurabstand und zu geologischen Schnitten und ist daher nicht geeignet, die im Fachbeitrag dokumentierte Beurteilung in Zweifel zu ziehen.

151 g) Die Kritik schließlich, der wasserrechtlichen Bewertung würden fehlerhafte Rückschlüsse hinsichtlich Abbau und Stofftransport für einige Stoffe, etwa Chloride, zugrunde gelegt, misst Aussagen des Fachbeitrages (S. 60 und S. 62) einen Inhalt bei, der ihnen nicht zukommt. Es geht dort um die Frage, inwieweit straßenverkehrsbedingte Schadstoffe, die im Sickerwasser enthalten sind, durch ihre Verlagerung in den Untergrund bzw. das Grundwasser zur Belastung des Grundwassers führen. Der Fachbeitrag führt dazu aus, dass der Transport "dieser Schadstoffe", womit die zuvor in Bezug genommene Schadstoffauflistung gemeint ist, im Straßenabwasser im Wesentlichen an Partikeln erfolge, an denen die Schadstoffe gebunden seien. Warum diese Aussagen fehlerhaft sein sollten, erschließt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Um Chlorid geht es in diesem Zusammenhang nicht.

152 6. Der Planfeststellungsbeschluss ist schließlich auch nicht wegen eines beachtlichen Abwägungsfehlers aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen. Der Beklagte hat die individuellen eigentumsrechtlichen und betrieblichen Interessen der Klägerin - wie ausgeführt - fehlerfrei berücksichtigt. Auch für die fachplanerische Gesamtabwägung gilt, dass die Entscheidung des Gesetzgebers für einen verkehrlichen Bedarf zu berücksichtigen ist, auf der Grundlage der vorliegenden Verkehrsuntersuchung vernünftige Gründe für die Realisierung des Verkehrsweges sprechen und der Beklagte bei der Prüfung der Umweltauswirkungen des Vorhabens nicht zur Berücksichtigung global-klimatischer Auswirkungen verpflichtet war.

153 C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss vom 12.12.2019 -
BVerwG 9 A 24.19ECLI:DE:BVerwG:2019:121219B9A24.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.12.2019 - 9 A 24.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:121219B9A24.19.0]

Beschluss

BVerwG 9 A 24.19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Dezember 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1 Die zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Senat hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 Das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, den Vortrag der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen. Es soll als Prozessgrundrecht insbesondere sicherstellen, dass die zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme oder Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Januar 1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69, 141 <143> und vom 18. Januar 2011 - 1 BvR 2441/10 - juris Rn. 11 m.w.N.). Das Gericht ist jedoch weder verpflichtet, den Rechtsansichten eines Beteiligten zu folgen, noch muss es sich in seinen Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen ausdrücklich befassen (stRspr des BVerfG, vgl. nur Urteil vom 2. März 2006 - 2 BvR 2099/04 - BVerfGE 115, 166 <180> und Beschluss vom 2. Juli 2018 - 1 BvR 682/12 - NVwZ 2018, 1561 Rn. 19 m.w.N.). In der Regel ist davon auszugehen, dass es den Vortrag der Beteiligten pflichtgemäß zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung berücksichtigt hat. Allein die Nichterwähnung einzelner Begründungselemente des Beteiligtenvorbringens rechtfertigt daher nicht den Schluss, das Gericht habe sich mit diesen Argumenten nicht befasst (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216 f.>; Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - 1 BvR 3057/11 - BVerfGE 134, 106 Rn. 32 und vom 23. Mai 2018 - 1 BvR 97/14, 2392/14 - BVerfGE 149, 86 Rn. 63).

3 Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich nicht, dass der Senat gegen diese Grundsätze verstoßen und das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt hat.

4 1. Ohne Erfolg rügt die Klägerin, die von ihr geltend gemachten Beeinträchtigungen und Gefährdungen von Fledermäusen seien im Rahmen der habitatschutzrechtlichen Prüfung nicht berücksichtigt worden. Wie sie selbst einräumt, hat der Senat ihr diesbezügliches Vorbringen zur Kenntnis genommen und in den Entscheidungsgründen behandelt (UA S. 18 Rn. 43). Die Klägerin ist jedoch der Auffassung, der Senat habe zu Unrecht ihren Vortrag wegen fehlender Rügebefugnis "nicht berücksichtigt" und sich nicht materiell zu den Gefährdungen der Fledermäuse und den Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele zweier FFH-Gebiete geäußert. Zu einer vertieften Erörterung bestand allerdings nach Auffassung des Senats keine Veranlassung, weil er insoweit die Rügebefugnis der Klägerin verneint hat. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz dagegen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise außer Betracht lässt (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216> und Beschluss vom 30. Januar 1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69, 141 <143 f.>).

5 Soweit die Klägerin demgegenüber anführt, der Senat sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die gerügten Mängel allenfalls kleinräumige Modifizierungen der geplanten Trasse ohne Auswirkungen auf das klägerische Grundstück beträfen, tatsächlich ließen sich die vorgetragenen erheblichen Beeinträchtigungen der beiden FFH-Gebiete aber nicht durch zusätzliche Maßnahmen an der geplanten Trasse vermeiden, macht sie der Sache nach geltend, der Senat habe ihrem Vorbringen in materieller Hinsicht nicht die richtige Bedeutung beigemessen und es inhaltlich nicht zutreffend ausgelegt und bewertet. Darauf lässt sich eine Gehörsrüge nicht stützen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Juni 2019 - 2 BvR 2579/17 - juris Rn. 23 m.w.N.). Der Hinweis der Klägerin auf eine unvollständige Prüfung der Abweichungsentscheidung berücksichtigt zudem nicht, dass die im Urteil überprüfte Abweichungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde nur die festgestellten erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets "Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle" betrifft. Die in den Entscheidungsgründen angesprochenen "naturschutzfachlichen Belange", die in die bipolare Abwägung einzustellen sind (UA S. 58 Rn. 127), beziehen sich daher ebenfalls nur auf dieses FFH-Gebiet, so dass die von der Klägerin im Zusammenhang mit den FFH-Gebieten "Muschelkalkhänge westlich Halle" und "Dölauer Heide und Lindbusch bei Halle" thematisierte "Fledermausproblematik" auch deshalb hier nicht zu berücksichtigen war.

6 2. Ebenfalls unbegründet ist der Einwand der Klägerin, das Gericht habe auch bei der artenschutzrechtlichen Prüfung ihren Vortrag zur Gefährdung der Fledermäuse zu Unrecht wegen der Annahme einer fehlenden Rügebefugnis "nicht berücksichtigt", obwohl sie aufgezeigt habe, dass der Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt sei und die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG nicht gegeben seien. Auch insoweit rügt sie keine verfahrensfehlerhafte Außerachtlassung ihres Vortrags, der in Rn. 135 des Urteils angesprochen ist, sondern dessen unzutreffende Bewertung und damit die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung.

7 3. Aus denselben Gründen geht auch die Rüge der Klägerin fehl, der Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör wegen Nichtberücksichtigung ihres Vortrags zur Unanwendbarkeit des Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a und zur fachlich unzulässigen Herleitung dieser Schwelle im Stickstoffleitfaden Straße verletzt, er habe ihre Kritik an den Erkenntnissen dieses Leitfadens nicht aufgenommen und das Vorbringen zu genaueren Messmethoden und zur fehlenden fachlich begründbaren Herleitung der Messuntergrenzen entweder nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen. Wie die Klägerin selbst ausführt, hat sich der Senat in seinen Entscheidungsgründen mit der Thematik befasst (zum Stickstoffleitfaden Straße allgemein UA S. 28 f. Rn. 63 f., zum Abschneidekriterium UA S. 31 f. Rn. 69 - 72) und dabei die Frage der Bedeutung messtechnischer Nachweise - insbesondere auch im Hinblick auf die Zuordnung von Stickstoffdepositionen zu einer bestimmten Quelle (UA S. 32 Rn. 71) - behandelt. In diesem Zusammenhang wurden auch die Argumente der Klägerin in Betracht gezogen und damit "erwogen", ohne ihnen allerdings inhaltlich zu folgen. Dass sie dabei nicht ausdrücklich jeweils im Einzelnen abgehandelt worden sind, begründet keine Gehörsverletzung, weil Art. 103 Abs. 1 GG dies - wie ausgeführt - nicht verlangt.

8 4. Mit ihren weiteren Einwänden gegen die angebliche Nichtberücksichtigung ihres Vortrages zur Befolgungsquote von Tempolimits einschließlich der Bedenken gegen die Anwendbarkeit der im HBEFA angegebenen Emissionsfaktoren sowie ihrer Kritik an der Anwendung des Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a bei der Verrechnung der verkehrsbedingten Stickstoffeinträge mit der geplanten Minderung von Stickstoffeinträgen aus benachbarten Ackerflächen und an der Validität der vom Beklagten zugrunde gelegten Verkehrsprognose legt die Klägerin ebenfalls keinen Gehörsverstoß dar. Der Sache nach rügt sie auch hier jeweils nur die materielle Unrichtigkeit der Entscheidung, die sie auf eine unzureichende inhaltliche Auseinandersetzung mit den von ihr vorgebrachten Argumenten zurückführt. Der Senat hat sich - wie die Klägerin selbst einräumt - in seinem Urteil mit allen genannten Aspekten befasst (zur Berücksichtigung der Geschwindigkeitsbeschränkungen UA S. 35 ff. Rn. 80 - 85, zur Verrechnung des Düngeverzichts unter Anwendung des Abschneidekriteriums UA S. 47 Rn. 104, zur Verkehrsprognose und den Kritikpunkten der Klägerin UA S. 53 ff. Rn. 114 - 123, speziell zu den gutachterlichen Stellungnahmen des Planungsbüros Stadt Verkehr Umwelt (SVU) Dr.-Ing. H. vom 21. November 2013 und dessen Teilaktualisierung vom 11. Februar 2019 Rn. 122 f.). Er hat dabei die Kritik der Klägerin thematisiert und ihre Argumente in Erwägung gezogen. Dass er ihnen inhaltlich nicht gefolgt ist, mag die Klägerin für falsch halten, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt darin jedoch nicht.

9 5. Schließlich begründet es auch keinen Gehörsverstoß, dass im Urteil zu der geltend gemachten Gefahr der Entstehung eines Kurzschlusses zwischen dem oberen und dem zweiten Grundwasserleiter nicht explizit Stellung genommen worden ist. Der Senat hat die von der Klägerin angesprochenen wasserrechtlichen Probleme in Bezug auf das Grundwasser zusammenfassend als etwaige Störungen der Grundwasserströme, physikalische bzw. mechanische Beeinträchtigung der Grundwasserkörper oder Zerschneidung und Zerstörung von Grundwasserleitern bezeichnet und sich mit diesem Vortrag einschließlich der vorgelegten Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. S. näher befasst (UA S. 68 f. Rn. 149 f.). Er hat die Ausführungen aber insgesamt als zu unsubstantiiert, abstrakt und auf bloße Vermutungen beschränkt bewertet. Dies schließt ersichtlich auch die von der Klägerin unter anderem formulierte Besorgnis eines Durchstoßens des oberen Grundwasserleiters nach unten mit Entstehung eines Kurzschlusses zum zweiten Grundwasserleiter mit ein.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht notwendig, weil sich die Gerichtsgebühr aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.