Beschluss vom 16.10.2020 -
BVerwG 8 B 21.20ECLI:DE:BVerwG:2020:161020B8B21.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.10.2020 - 8 B 21.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:161020B8B21.20.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 21.20

  • VG Potsdam - 14.01.2020 - AZ: VG 11 K 1185/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Oktober 2020
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerin begehrt das Wiederaufgreifen eines verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsverfahrens wegen der entschädigungslosen Enteignung von Grundbesitz ihres Großvaters im Zuge der Bodenreform. Der Rückübertragungsantrag ihres Rechtsvorgängers wurde ebenso bestandskräftig abgelehnt wie der Antrag der Klägerin auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ihres Großvaters wegen dessen Enteignung. Ihrem Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ihres Großvaters wegen dessen im Zuge der Bodenreform angeordneter Verweisung aus dem Landkreis, in dem das Landgut belegen war, gab der Beklagte hingegen 2017 statt. Den Antrag der Klägerin, deshalb das Rehabilitierungsverfahren wegen der Enteignung wieder aufzugreifen, lehnte der Beklagte ab.

2 Das Verwaltungsgericht hat die Klage dagegen abgewiesen. Es lägen keine Wiederaufgreifensgründe vor. Mangels Änderung der Sach- und Rechtslage komme auch ein Widerruf oder eine Rücknahme des ursprünglichen Ablehnungsbescheides nicht in Betracht. Das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) sei gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwRehaG auf die Enteignung nicht anwendbar. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

3 Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.

4 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

5 Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

6 a) Die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfenen Fragen,
ob § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, wenn er Enteignungen auf besatzungshoheitlicher oder -rechtlicher Grundlage im Rahmen der Bodenreform von einer verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung ausschließt, während Kreisverweisungen enteigneter Grundeigentümer im Zuge der Bodenreform verwaltungsrechtlich rehabilitiert werden können,
und
ob § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG verfassungskonform dahin ausgelegt werden kann, dass er Enteignungen auf besatzungshoheitlicher oder -rechtlicher Grundlage im Rahmen der Bodenreform nicht von einer verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung ausschließt,
sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht gehen - wie auch die Klägerin anerkennt - seit langem und in einer Vielzahl von Entscheidungen davon aus, dass § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwRehaG Enteignungen im Rahmen der Bodenreform von einer verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung in verfassungsgemäßer Weise ausschließt, dass diese Regelung insbesondere mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist und dass sich eine verfassungskonforme Auslegung deshalb erübrigt (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. Juli 2003 - 1 BvR 834/02 - BVerfGK 1, 227 Rn. 7 ff.; BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 2014 - 3 B 4.13 - ZOV 2014, 56 = juris Rn. 4 m.w.N.). Den Ausführungen der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung ist kein hierüber hinausgehender erneuter oder weitergehender Klärungsbedarf zu entnehmen. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits mit dem von der Klägerin selbst angeführten Beschluss vom 12. Mai 2016 - 3 B 18.16 - (juris Rn. 3) unterstrichen hat, stellt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2009 - 3 C 25.08 - (Buchholz 428.6 § 1a VwRehaG Nr. 1) diese Rechtsprechung nicht in Frage. Es grenzt die dort streitgegenständliche Kreisverweisung als eine nach § 1a VwRehaG rehabilitierungsfähige eigenständige Maßnahme ausdrücklich von einer dem Anwendungsvorrang des Vermögensgesetzes bzw. des Ausgleichsleistungsgesetzes unterfallenden und deshalb von einer Rehabilitierung ausgeschlossenen Enteignung ab (vgl. Rn. 22). Das genannte Urteil bietet daher keinen Anlass, die Frage der Auslegung und der Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwRehaG im Hinblick auf besatzungshoheitliche Enteignungen erneut einer höchstrichterlichen Bewertung zu unterziehen.

7 b) Die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfene weitere Frage,
ob eine Enteignung im Zuge der Bodenreform nach der sogenannten Rechtskreistheorie des Bundesverwaltungsgerichts objektbezogen auf den Entzug des zurückverlangten Vermögensgegenstandes oder auf die Person des Enteignungsbetroffenen zielte,
wäre im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Die Enteignung des streitgegenständlichen Grundbesitzes erfolgte nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Zuge der Bodenreform auf besatzungshoheitlicher Grundlage. Davon geht auch die Klägerin aus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Unterscheidung, ob der Zugriff auf einen Vermögenswert vorrangig gegen das Vermögen oder gegen die Person des Geschädigten gerichtet war, für Vermögensentziehungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage ohne Bedeutung. Solche Enteignungen sind nach § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG unter keinen Umständen rückgängig zu machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2002 - 3 C 16.01 - BVerwGE 116, 42 <45 f.>; Beschluss vom 20. Januar 2014 - 3 B 4.13 - ZOV 2014, 56 = juris Rn. 5 m.w.N.).

8 c) Darüber hinaus wären die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen nur bei Vorliegen eines Wiederaufgreifensgrundes sowie der sonstigen Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens gemäß § 51 VwVfG klärungsfähig. Dazu enthält die Beschwerde keine Ausführungen. Die Klägerin legt nicht dar, welcher Wiederaufgreifensgrund nach § 51 Abs. 1 VwVfG hinsichtlich des bereits 2007 ergangenen ablehnenden Rehabilitierungsbescheides vorliegen soll. Insbesondere führt sie nicht aus, inwiefern die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rehabilitierung von Kreisverweisungen, auf welche sich die Klägerin beruft, die dem Bescheid zugrundeliegende Rechtslage nachträglich geändert haben könnte (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), obwohl die Rehabilitierungsfähigkeit von Kreisverweisungen im Zuge der Bodenreform als gegenüber der Enteignung eigenständige Maßnahme zum Zeitpunkt des Erlasses des Ablehnungsbescheides in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits anerkannt war (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2003 - 3 B 167.02 - juris Rn. 16 und vom 27. Juni 2006 - 3 B 188.05 - ZOV 2006, 306 = juris Rn. 13, auch seither stRspr). Soweit sich die Klägerin auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2009 - 3 C 25.08 - (Buchholz 428.6 § 1a VwRehaG Nr. 1) beruft, lässt sie außer Acht, dass selbst bei einer Änderung der Rechtsprechung keine neue Rechtslage, sondern nur eine andere Auslegung des Rechts vorläge. Außerdem legt sie die Einhaltung der dreimonatigen Antragsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Rehabilitierung ihres Großvaters im Hinblick auf dessen Enteignung nicht dar.

9 2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat sich zu der Frage, ob Enteignungen im Zuge der Bodenreform politische Verfolgung darstellten, nicht verhalten. Den in der Beschwerdebegründung behaupteten Rechtssatz, solche Enteignungen hätten nicht auf die politische Verfolgung des Enteignungsbetroffenen abgezielt, hat es nicht aufgestellt. Sein Urteil kann schon deshalb nicht von dem Rechtssatz im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2009 - 3 C 25.08 - (Buchholz 428.6 § 1a VwRehaG Nr. 1) abweichen.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.