Beschluss vom 18.10.2022 -
BVerwG 7 B 3.22ECLI:DE:BVerwG:2022:181022B7B3.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.10.2022 - 7 B 3.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:181022B7B3.22.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 3.22

  • OVG Schleswig - 29.11.2021 - AZ: 5 KS 12/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Oktober 2022
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Gerichtsbescheid des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. November 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die von der Beschwerde geltend gemachte Befangenheit des an dem Gerichtsbescheid mitwirkenden Richters Dr. W. führt nicht zur Annahme eines Verfahrensfehlers im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

3 Nach Abschluss der Instanz kann die Besorgnis der Befangenheit der dort entscheidenden Richter nicht mehr geltend gemacht werden. Das folgt aus der Vorschrift des § 138 Nr. 2 VwGO, nach der ein Verfahrensfehler nur dann gegeben ist, wenn ein Richter an der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. Der Verfahrensfehler ist demnach nur gegeben, wenn ein Ablehnungsgesuch in der Vorinstanz tatsächlich Erfolg gehabt hat. Das gilt selbst dann, wenn sich die Gründe für die Besorgnis der Befangenheit erst aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergeben (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 2 B 18.15 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 77 Rn. 38 m. w. N.). In einem solchen Fall kann allenfalls der Verfahrensfehler der vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Gerichts im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO geltend gemacht werden. Voraussetzung ist hierfür, dass der Richter der Vorinstanz tatsächlich und so eindeutig die gebotene Distanz und Neutralität hat vermissen lassen, dass jede andere Würdigung als die einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich erschiene (BVerwG, Urteil vom 21. März 2012 - 6 C 19.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 412 Rn. 18). Daran gemessen liegt ein Verfahrensfehler wegen der geltend gemachten Besorgnis der Befangenheit nicht vor.

4 Das Oberverwaltungsgericht hat die Selbstablehnung des Richters Dr. W. – ein (zusätzliches) Ablehnungsgesuch der Kläger ist anders als in dem Verfahren 5 KS 15/21 nicht zu den Akten gelangt - mit Beschluss vom 19. Oktober 2021 für unbegründet erklärt. Nach Erlass des Gerichtsbescheids am 29. November 2021 durch das Oberverwaltungsgericht sind die Kläger daher mit der Rüge der Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen. Die engen Voraussetzungen unter denen eine vorschriftswidrige Besetzung des erkennenden Gerichts gerügt werden kann, liegen nicht vor. Die Beschwerde erschöpft sich darin, den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2021 als falsch zu kritisieren, ohne darzulegen, inwieweit sich aus dem Gerichtsbescheid oder sonstigen Umständen ergeben soll, dass jede andere Würdigung als die einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich erschiene. Hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich.

5 2. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) kann keinen Erfolg haben, weil sie sich darin erschöpft, den Gerichtsbescheid als von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweichend zu kritisieren, ohne - wie nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich - darzulegen, welchen die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz das Oberverwaltungsgericht aufgestellt hat, mit dem es von einem ebensolchen abstrakten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte abgewichen ist.

6 3. Auch die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), ob das Oberverwaltungsgericht oder aber das Verwaltungsgericht für die Entscheidung über die streitgegenständliche Änderungsgenehmigung zuständig ist, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Es fehlt insoweit schon an jeder Auseinandersetzung mit der vom Oberverwaltungsgericht zutreffend wiedergegebenen ständigen Rechtsprechung unter anderem des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 11. November 2020 - 8 C 22.19 - BVerwGE 170, 311 Rn. 25), wonach ein Änderungsbescheid dem ursprünglichen Genehmigungsbescheid "anwächst" und es zu einer inhaltlich einheitlichen Genehmigung kommt, wenn die nach der Änderung verbleibenden Bestandteile des ursprünglichen Bescheids und die Regelungsbestandteile des Änderungsbescheids nach materiellem Recht unteilbar sind. Hiervon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG über alle Klagegründe mitentscheidet, auch wenn ein Teil des Streitgegenstandes bei isolierter Betrachtung in die Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts fallen würde. Auch hierauf geht die Beschwerde entgegen den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht ein. Die auf das Vorliegen mehrerer Streitgegenstände abstellende Frage würde sich somit in einem Revisionsverfahren nicht stellen.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.